TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/7 I408 2232439-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §52
NAG §54
NAG §55
StGB §229
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2232439-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2020, Zl. 1129032702/190753213, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte am 07.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.05.2019, I413 2215226-1/21E, rechtskräftig negativ erledigt wurde.

2.       Während des Asylverfahrens schloss der Beschwerdeführer am 27.04.2017 die Ehe mit einer slowakischen Staatsangehörigen.

3.       Mit Schreiben vom 31.03.2020 informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer darüber, dass in seiner Angelegenheit eine Beweisaufnahme stattgefunden habe und forderte ihn auf, dazu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Da die Ehefrau des Beschwerdeführers nicht mehr in Österreich aufhältig wäre, sei eine Ausweisung gemäß § 66 FPG Beschwerdeführer beabsichtigt. Dazu gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.

4.       Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.05.2020 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet aus (Spruchpunkt I.) und erteilte einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung (Spruchpunkt II.).

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 22.06.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ägyptischer Staatsbürger und hält sich seit seiner legalen Einreise am 07.09.2016 im Bundesgebiet auf.

Er ist verheiratet, kinderlos, gesund und arbeitsfähig.

Seine Ehefrau lebt in der Slowakei, ein gemeinsamen Wohnsitz besteht zumindest seit Oktober 2019 nicht mehr. Seit 14.01.2019 geht die Ehefrau des Beschwerdeführers im Bundesgebiet keiner Beschäftigung mehr nach. Seit März 2020 besteht auch kein Kontakt mehr zwischen den Eheleuten.

Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Ägypten, in Österreich halten sich keine Familienmitglieder auf.

Mit dem seit 13.01.2017 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 09.01.2017, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Urkundenunterdrückung und der Unterschlagung nach §§ 229 Abs. 1, 134 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Wochen, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

Der Beschwerdeführer verbrachte den Großteil seines Aufenthaltes in Österreich, ohne einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Seit 14.01.2019 findet er im Blumenhandel eine Beschäftigung und hat auch nach dem Corona-Lockout seit 12.05.2020 wieder eine geringfügige Beschäftigung als Arbeiter gefunden. Er spricht gut Deutsch und hat hier Freundschaften geschlossen, eine maßgebliche Integration in sozialer, beruflicher oder kultureller Hinsicht konnte aber nicht festgestellt werden.

Es haben sich seit der rechtkräftigen Entscheidung im Asylverfahren vom 02.05.2019 keinerlei neue Anhaltspunkte ergeben, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre. Diesbezüglich ist auf die Ausführungen in der rechtskräftigen Vorentscheidung zu verweisen und wurde überdies auch im Rahmen der Beschwerde kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sondern lediglich auf die Dauer des Aufenthaltes, die Integration und die fehlenden Bindungen zum Heimatstaat verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere aus der Einsicht in die im Akt einliegende Kopie des rechtskräftigen Erkenntnisses im Asylverfahren vom 02.05.2019.

Die Feststellungen zur Ehe, insbesondere zu den getrennten Wohnsitzen, zum Aufenthalt der Ehefrau in der Slowakei und zum fehlenden Kontakt seit März 2020, ergeben sich zweifelsfrei aus der Einsicht in die jeweiligen Auszüge aus dem Zentralen Melderegister sowie aus den Angaben des Beschwerdeführers im Beschwerdeschriftsatz.

Das Beschwerdevorbringen wird nicht in Zweifel gezogen und der Umstand, dass er seit 2016 nicht mehr in Ägypten war und in Österreich seit 2019 bei unterschiedlichen Arbeitgebern beschäftigt war bzw. auch unmittelbar nach dem Corona-Lockout wieder ein Arbeitsverhältnis gefunden hat, wird mitberücksichtigt. Die Beschäftigungsverhältnisse sind zudem über einen eingeholten Sozialversicherungsauszug belegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Ausweisung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

Gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 2 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

Aus § 55 Abs. 4 NAG 2005 geht klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand des § 66 FPG zu prüfen ist. Dabei kommt es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht an. Ebenso wenig ist für das zu wählende Verfahren maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt die Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG 2005 erstattet wurde (VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005).

Trotz Rückkehr der Ehefrau des Beschwerdeführers in die Slowakei und somit Nichtvorliegens der formalen Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Z 11 FGP (begünstigter Drittstaatsangehöriger) ist gegenständlich zur Beurteilung der Rechtsmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Hinblick auf den Beschwerdeführer § 66 FPG zur Anwendung zu bringen.

Der mit "Schutz des Privat-und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Der Beschwerdeführer lebt zumindest seit 18.10.2019 von seiner Ehefrau getrennt und er hat zu ihr seit März 2020 auch kein Kontakt mehr. Nachdem die Ehegattin des Beschwerdeführers seit 18.10.2019 keinen Wohnsitz mehr im Bundesgebiet hat und seit 14.01.2019 keine Beschäftigung mehr ausübt, verwies die belangte Behörde zu Recht darauf, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt nach dem Unionsrecht nicht mehr erfüllt.

Der Wegzug des Ehegatten bzw. die Trennung vom Ehegatten ist nicht mit einer Scheidung bzw. einer Aufhebung der Ehe oder einer Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen gleichzusetzen. Es können daher auch keine Ausnahmetatbestände im Sinne des § 54 Abs. 5 NAG vorliegen, weshalb dem Beschwerdeführer auch aus diesem Grund kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zukommt.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat-oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG 2005 nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248).

Der Beschwerdeführer hielt sich seit 2016 zunächst aufgrund einer letztendlich unbegründeten Asylantragstellung und seit der Ehe mit einer slowakischen Staatsangehörigen aufgrund eines Aufenthaltsrechts als Angehöriger von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Durch den rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens am 02.05.2019 und den Wegzug der Ehegattin im Oktober 2019 wurde sein Aufenthalt im Bundesgebiet unrechtmäßig.

Dem Beschwerdeführer musste es daher immer bewusst gewesen sein, dass mit dem Abschluss des Asylerfahrens bzw. der Trennung von seiner Ehegattin im Oktober 2019 sein Aufenthaltsstatus nicht mehr gegeben war.

Ein Familienleben wurde – abgesehen von jenem mit der nicht mehr aufhältigen Ehefrau – nicht vorgebracht, es ist jedoch mit der Ausweisung ein nicht unerheblicher Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden. Dahingehend ist zunächst zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass dieser in einem Beschäftigungsverhältnis steht, die deutsche Sprache auf einem guten Niveau erlernt und einige Freundschaften geschlossen hat. Es kann jedoch im Hinblick auf den knapp vier Jahre andauernden Aufenthalt nicht von einem maßgeblichen und überdurchschnittlichen Grad an Integration gesprochen werden, welcher seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Zudem wurde der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes straffällig, sodass bei einer Gesamtbetrachtung unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich wiegt.

Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit den gegenläufigen privaten Interessen hat sich bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls - auch unter Berücksichtigung der legalen Beschäftigung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seiner Deutschkenntnisse - ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung ergeben.

3.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

In Ermangelung einer im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelegenen raschen Ausreisenotwendigkeit hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Recht einen Durchsetzungsaufschub im Ausmaß von einem Monat erteilt.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht knapp zwei Monate liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung sowie die Beweiswürdigung hinsichtlich der Integration des Beschwerdeführers. Eine mündliche Verhandlung wurde überdies auch nicht beantragt. Der Sachverhalt ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Ausweisungsverfahren Drittstaatsangehöriger - Studierender Gesamtbetrachtung Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Scheidung Urkundenunterdrückung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2232439.1.00

Im RIS seit

06.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten