TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/4 I419 2233434-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.08.2020
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Entscheidungsdatum

04.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2233434-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. MAROKKO alias Libyen, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 09.07.2020, Zl. 1265953006-200571595, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch-punkt III des bekämpften Bescheids zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal ein und beantragte am 06.07.2020 internationalen Schutz. Im Herkunftsstaat seien die Wirtschafts- und die soziale Lage sehr schlecht.

2. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend die Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Marokko (Spruchpunkt II) als unbegründet ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ (Spruchpunkt III), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt V) und keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI)

Einer Beschwerde hat das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII) und wider den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot für zwei Jahre verhängt (Spruchpunkt VIII).

3. Die Beschwerde richtet sich gegen alle Spruchpunkte. Der Beschwerdeführer bringt vor, er fürchte bei einer Rückkehr eine existenzielle Notlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Anfang 30, Moslem, Araber und Staatsangehöriger Marokkos. Er spricht Arabisch und hat im Herkunftsstaat acht Jahre die Schule besucht. Anschließend hat er dort eine Ausbildung zum Friseur absolviert und ab 2005 als solcher im Salon seines Schwagers gearbeitet. Dort leben auch seine Eltern, 60 und Mitte 50, sowie zwei volljährige Brüder und drei ebensolche Schwestern, ferner väterlicherseits drei Onkel und zwei Tanten, alle verheiratet und mit Kindern, sowie mütterlicherseits der Großvater, vier Onkel, davon drei verheiratet und mit Kindern, und eine Tante.

Sein Vater ist pensionierter Konditor, seine Mutter Hausfrau. Der ältere Bruder arbeitet als Zahnarztgehilfe, ist ledig und unterstützt nach Angaben des Beschwerdeführers seine nicht arbeitenden Geschwister.

Der Beschwerdeführer steht mit seinen Eltern und Geschwistern etwa einmal wöchentlich in Kontakt. Sein Verhältnis zu den Angehörigen ist sehr gut. Er ist ledig und hat keine Kinder oder Unterhaltspflichten. Nach eigenen Angaben erlitt er 2012 eine Fraktur im Schulterbereich, worauf die Schulter zuletzt 2016 untersucht wurde und sich mittels Röntgen ergab, dass eine Operation erforderlich sei. Er ist arbeitsfähig und nimmt keine Medikamente. Beim Tragen schwerer Gegenstände und beim Schlafen auf der linken Schulter verspürt er nach eigener Aussage Schmerzen. Befunde dazu hat er nicht.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Arbeit und keine Angehörigen, ist nicht Mitglied einer Organisation und seit 23.07.2020 nirgendwo gemeldet. Er ist strafrechtlich unbescholten, führt keine Lebensgemeinschaft, bezog Leistungen der Grundversorgung, hatte bei der Antragstellung € 50,-- bei sich und spricht nicht Deutsch.

Er stammt aus Féz, verließ den Herkunftsstaat frühestens Ende November 2018 und gelangte Anfang Juli 2020 nach Österreich, wo er zunächst seine Alias-Identität vorgab. Am 05.07.2020 wurde er an der österreichisch-ungarischen Grenze zurückgewiesen, am nächsten Tag auf einem Bahnhof im Burgenland aufgegriffen, worauf er schließlich eine Stunde später den Asylantrag stellte und seine Personendaten wie im Reisepass angab, von dem er beim BFA ein Foto zeigte.

Der Beschwerdeführer weist keinerlei sprachliche, soziale oder integrative Verfestigung in Österreich auf. Er verfügt außer seinem Asylverfahren über kein feststellbares Privatleben in Österreich.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid wurden die Länderinformationen zu Marokko zitiert. Im Beschwerdeverfahren sind keine entscheidenden Änderungen der Sachverhaltselemente bekannt geworden.

Aus einem Bericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) ergibt sich betreffend die Pandemie in Marokko: „Aufgrund steigender Zahlen von Neuinfektionen wurden am 26.07.20 für neun Städte (Tanger, Tetouan, Féz, Meknés, Casablanca, Berrechid, Settat und Marrakech) erhebliche Ein- und Ausreisebeschränkungen erlassen. Ausnahmen gelten in medizinischen Notfällen oder mit einer von den örtlichen Behörden ausgestellten Sonderreisegenehmigung. Die Flughäfen sind für nationale und internationale Flüge gesperrt, lediglich nationale Fluggesellschaften dürfen mit Sonderregelungen Passagiere befördern. Außerhalb des eigenen privaten Umfelds gilt Maskenpflicht. (BAMF: Briefing Notes 27. Juli 2020, www.ecoi.net/en/file/local/2034697/briefingnotes-kw31-2020.pdf)

Laut WHO lag die Zahl Infizierter dort am 30.07.2020 bei 22.213 (Einwohnerzahl: 35,28 Mio.). Im Vergleich dazu betrug die Zahl in Österreich 20.846 (Einwohnerzahl: 8,71 Mio.), womit Österreich im Verhältnis zur Bevölkerungszahl 3,8-mal so viele Infizierte aufweist wie Marokko (covid19.who.int/table und www.who.int/countries/en/).

Der Kurzinformation der Staatendokumentation betreffend die Covid-Lage in Afrika vom 10.06.2020 ist zu entnehmen: „Die Zahlen in Marokko weisen auf ein Wirken sehr früh ergriffener – und offenbar auch eingehaltener – Maßnahmen hin. In Kalenderwoche 23 [ab 01.06., Anm.] gab es nur noch 614 aktive Infektionen. Auch wenn dies vergleichsweise relativ gute Zahlen sind, so hinkt Marokko international gesehen bei den Tests hinterher (ein Test auf 116 Einwohner); allerdings ist nur jeder 39. Test positiv, was darauf hinweist, dass nicht nur nach Symptomen getestet wird. Dadurch scheinen die Zahlen plausibler, als dies bei anderen Ländern der Fall ist.“

Daraus folgt nicht, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr zwangsläufig in eine ausweglose Situation geriete, zumal er weder seinem Alter noch seinem Vorbringen nach einer Risikogruppe angehört.

Im gegebenen Zusammenhang sind daher mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie. Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 14.2.2018).

König Mohammed VI. und die bisherige Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung und Diversifizierung des Landes an, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt in Afrika sucht. Gebergemeinschaft, OECD und IWF unterstützen diesen Modernisierungskurs (AA 6.5.2019c). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 12.2019c).

Ein gravierendes Problem bildet nach wie vor die Arbeitslosigkeit 2018 (laut IMF bei 9,8%, Dunkelziffer liegt wesentlich höher), vor allem unter der Jugend (ÖB 5.2019). Der Bevölkerungszuwachs in den aktiven Altersgruppen liegt deutlich höher als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die reale Arbeitslosenquote, insbesondere bei Jugendlichen, liegt deutlich über den offiziell angegebenen ca. 10% (AA 6.5.2019c).

Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens verteilt der Staat Subventionen: Diese wurden in den letzten Jahren allerdings gekürzt, von 5 Mrd. Euro auf voraussichtlich umgerechnet 1,2 Mrd. Euro in 2018. Für das Jahr 2019 wurde eine Erhöhung um 30% auf 1,6 Mrd. Euro angekündigt. Trotz Subventionskürzungen und Privatisierungen hat die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 12.2019c).

Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 5.2019).

1.2.2 Rückkehr

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 14.2.2018).

Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 5.2019).

1.3 Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Marokko ist nach § 1 Z. 9 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Der Beschwerdeführer hat diesen aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, um in Europa zu arbeiten. Nach seinen Angaben übte er seinen Beruf von 2009 bis 2019 in Saudi-Arabien aus und kehrte anschließend in den Herkunftsstaat zurück, weil sein Gehalt nicht bezahlt und die Arbeitsgenehmigung beendet wurde. Er habe zuhause keine Arbeit gefunden.

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen über eine ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.

Es kann nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt wurde oder verfolgt werden würde.

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

Dem Beschwerdeführer drohen nach seiner Rückkehr keine Verletzung der EMRK, keine ausweglose Lage und keine willkürliche oder strukturelle Gewalt. Entgegen seinem Fluchtvorbringen droht ihm keine solche ausweglose Situation, die Asylrelevanz erreicht.

2. Beweiswürdigung:

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen zusammengefasst (S. 23 ff des Bescheids, AS 161 ff). Der Beschwerde ist nichts zu entnehmen, was diese infrage stellen würde.

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Da er seinen Angaben zufolge auch nach dem Untersuchen der Schulter noch jahrelang gearbeitet hat, und seiner Aussage beim BFA gemäß zum Arbeiten nach Europa kam (AS 41, 49, 99), steht auch seine Arbeitsfähigkeit fest.

Den Angaben, wonach der Beschwerdeführer im Dezember 2019 von Saudi-Arabien nach Marokko zurückgekehrt sei und nur 20 Tage dort verbracht habe (AS 65) konnten keine genaueren Feststellungen betreffend die Ausreise nach Europa folgen, weil der Beschwerdeführer bereits 2018 (auch) in Marokko gewesen sein muss, wo am 27.11. sein (laut Fremdenregister als „echt“ klassifizierter) Reisepass ausgestellt wurde (AS 55), für den er sich nach eigener Angabe Fingerabdrücke abnehmen lassen musste (AS 67). Zumindest zu diesem Zeitpunkt war er also dort.

2.3 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko (in der vom BFA verwendeten Version Stand 07.04.2020) samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Länderfeststellungen wurden dem Beschwerdeführer am 07.07.2020 vom BFA zur Verfügung gestellt (AS 71), damit er dazu Stellung nehmen könne. Dieser erklärte, die Länderfeststellungen nicht zu benötigen, womit er trotz Einladung nicht Stellung nahm. In der Beschwerde bringt er vor die wirtschaftliche und soziale Situation im Herkunftsstaat sei schlecht. Damit ist der Beschwerdeführer den Länderfeststellungen nicht qualifiziert entgegengetreten.

Die weiteren Feststellungen entstammen den genannten Veröffentlichungen der WHO des BAMF und der Staatendokumentation des BFA.

2.4 Zum Fluchtvorbringen:

Bereits in der Erstbefragung hat der Beschwerdeführer angegeben, er habe in Marokko gesehen, dass die Wirtschafts- und Soziallage sehr schlecht sei, und dort keine Arbeit gefunden, weshalb er ausgereist sei, weil er arbeiten wolle. In der Heimat habe er keine Zukunft. Beim BFA brachte er vor, er stelle den Asylantrag aus sozialen Gründen, wegen der Armut. Er könne sein Leben nicht finanzieren. Die Lage im Herkunftsland sei sehr schlecht, man könne keine Zukunft aufbauen. Es sei richtig, dass auch seine sehr schlechte finanzielle Lage ein Grund für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat gewesen sei. Irgendwelche anderen Probleme im Herkunftsstaat habe er nicht. (AS 67 ff)

Nichts davon ist indes, wie das BFA bereits erkannte, fallbezogen von Relevanz. Ob der Beschwerdeführer nun im erlernten Beruf Arbeit findet (was nicht ausgeschlossen erscheint, hat er doch selbst angegeben, zuletzt nach nur 20 Tagen ausgereist zu sein, also nicht länger nach Arbeit gesucht zu haben), oder mit Hilfstätigkeiten sein Auskommen finden muss, hat keinen entscheidenden Einfluss.

Es mag offenbleiben, ob der Beschwerdeführer nun die Wahrheit betreffend die nicht arbeitenden Geschwister geäußert hat, die angeblich alle vom Einkommen des älteren Bruders leben (obwohl er deren Alter mit 23 bis 40 angibt), zumal das für den Ausgang des Verfahrens nicht wesentlich ist, da der Beschwerdeführer auf die Geschwister nicht unbedingt angewiesen ist, und wegen des Vorhandenseins der Eltern, weiterer Verwandter und seiner Arbeitsfähigkeit auch bei fehlender Unterstützung seitens der Geschwister nicht in eine aussichtslose Lage geriete.

Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegentrat und sich seine Beschwerdebegründung darin erschöpfte, eine existenzielle Notlage geltend zu machen, ohne andere Gründe dafür darzulegen als beim BFA, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der Feststellungen des BFA und an dessen Beweiswürdigung.

Damit sind die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Gericht der Beweiswürdigung anschließt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass dem Wunsch nach einer besseren Zukunft in Europa fallbezogen keine Asylrelevanz zuzumessen ist. Die wirtschaftliche Benachteiligung einer bestimmten, beispielsweise ethnischen Gruppe (fallbezogen z. B. Araber), die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann zwar grundsätzlich als „reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse“ (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174) asylrelevant sein, wurde aber in dieser Intensität weder behauptet noch von Amts wegen festgestellt.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Um von der realen Gefahr einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nicht, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (26.04.2017, Ra 2017/19/0016 mwH).

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse liegen nicht vor, wie auch die Feststellungen betreffend die Pandemie ergeben, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Verdacht auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch Angehörige des Beschwerdeführers auf kurze Zeit begrenzt bleibt, weil er arbeitsfähig ist, auch bereits im Herkunftsland berufstätig war, und in der Friseur-Branche, wo auch der Beschwerdeführer soziale Kontakte in Ausbildung und Beruf schloss, sein Schwager ebenfalls vernetzt ist oder war, weshalb der Beschwerdeführer diese Kontakte erneuern kann.

3.2.3 Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte III bis V):

3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels

Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt werde. Damit war offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemeint, wie die Bescheidbegründung erweist (S. 168). Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.3.2 Rückkehrentscheidung

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl betreffend den Status des Asyl-, als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, wie im bekämpften Bescheid geschehen, ist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG vorgesehen, dass das BFA eine Rückkehrentscheidung erlässt.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer hat kein Familienleben und von seinem Asylverfahren samt der dafür nötigen Unterbringung etc. abgesehen kein Privatleben im Bundesgebiet. Er hält oder hielt sich hier knapp ein Monat auf, davon 11 Tage mit gemeldetem Wohnsitz. Seit mehr als einer Woche ist er unbekannten Aufenthalts.

Nach der genannten Anwesenheitsdauer kann nicht von einer Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden. Zudem beruhte der Aufenthalt auf einem Asylantrag, der unbegründet war, weshalb sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste.

Es liegen keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde.

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat (jedenfalls mehr als zwei Jahrzehnte), familiäre, sprachliche, und kulturelle Verbindungen, speziell seine Eltern und Geschwister, zu denen er nach wie vor Kontakt hat.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unbegründeten Asylantrag erzwungen hat. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, die Festlegung eines solchen Staates wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Zur Feststellung, dass eine Abschiebung nach Marokko zulässig ist, ist ausführen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und erwerbsfähig.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Marokko einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.

Es fehlt auch jedes Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet würde.

Zudem liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Marokko zumindest notdürftig leben zu können. Er ist dort aufgewachsen und hat den Großteil seines Lebens verbracht (20 Jahre oder mehr) und seine Ausbildung absolviert. Er spricht Arabisch und hat im Herkunftsstaat auch schon Arbeitserfahrung als Friseur gesammelt. So kann er vorhandene Sozialkontakte nutzen und neue knüpfen, selbst wenn wider Erwarten familiäre Unterstützung durch Eltern und Geschwister ausbleibt.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Es genügt nicht für die Annahme, der Beschwerdeführer würde nach seiner Rückkehr keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können, dass er möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsland. Somit fehlen im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Marokko keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Marokko das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht neu behauptet.

Eine der Abschiebung nach Marokko entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.

Die Beschwerde war daher – von der Richtigstellung abgesehen – auch betreffend die Spruchpunkte III bis V abzuweisen.

3.4 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI):

Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und dies mit der im folgenden Punkt zu erörternden Voraussetzung des § 18 Abs. 1 BFA-VG begründet. Wie zu zeigen sein wird, hat es diese Bestimmung zu Recht angewendet.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens nach § 18 BFA-VG durchführbar wird, was hier - nach dem Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides - zutrifft.

Für die freiwillige Ausreise steht daher – nach Wiederherstellung der Reisemöglichkeit in den Herkunftsstaat (vgl. zum Ausreisehindernis der Strafhaft VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237) – keine Frist offen.

Demnach war die Beschwerde auch zum Spruchpunkt VI abzuweisen.

3.5 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII):

Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (§ 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG). Das ist der Fall.

Ferner kann das BFA gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat.

Da der Beschwerdeführer keine Fluchtgründe vorgebracht hat, sondern erklärte, seinen Herkunftsstaat zur Erzielung von Arbeitseinkommen verlassen zu haben, ist die Aberkennung auch nach dieser Bestimmung grundsätzlich vorgesehen.

Die Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt schon wegen dessen kurzen, auf den unbegründeten Asylantrag zurückzuführenden Aufenthalts, aber auch wegen seiner fehlenden sonstigen Integrationsmerkmale einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheids, sodass das BFA der Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte, zumal auch kein Grund vorlag, im Rahmen der Ermessensübung davon abzusehen.

Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, sodass sie auch zum Spruchpunkt VII abzuweisen war.

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Antragsrecht, das auf diese Entscheidung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er mit Beschluss zurückzuweisen wäre, würde er nicht mit der Erlassung der vorliegenden inhaltlichen Entscheidung ohnehin gegenstandslos (vgl. VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0174, mwH).

3.6 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII):

Nach § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für bis zu fünf Jahre zu erlassen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Abs. 2). Dies ist insbesondere dann anzunehmen (Z. 6), wenn der Fremde die Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag. Dies ist wie dargetan beim Beschwerdeführer der Fall, der im Besitz von € 50,-- aufgegriffen wurde und keine Arbeit oder andere legale Optionen zur Deckung seiner Grundbedürfnisse hat.

Im konkreten Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer untertauchte, weshalb – wenn er sich noch im Bundesgebiet aufhält – auch von einer Übertretung des Meldegesetzes auszugehen ist (§ 53 Abs. 2 Z. 1 FPG in Verbindung mit §§ 2 f MeldeG), andernfalls von einer Verletzung seiner Mitwirkungspflicht mangels Adressbekanntgabe.

Die Dauer des konkreten Verbots – zwei Jahre – ist in Anbetracht der geschilderten Umstände nicht unangemessen, weil die Wiedereinreise ohne Gefahr, anderen zur Last zu fallen, erst gewährleistet erscheint, wenn der Beschwerdeführer sich nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat materiell hinreichend stabilisiert hat, um sich auch bei Aufenthalten in anderen Staaten selbst erhalten zu können. Für eine solche Stabilisierung eines Erwachsenen in der Situation des Beschwerdeführers (arbeitsfähig aber arbeitslos) ist der genannte Zeitraum nach der Lebenserfahrung nötig, aber auch lang genug.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund vier Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen, zu den Voraussetzungen der Aberkennung der Aufschiebenden Wirkung oder zur ganzheitlichen Verhaltensbeurteilung bei der Verhängung und Bemessung von Einreiseverboten.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung Mittellosigkeit Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat subsidiärer Schutz Untertauchen Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2233434.1.00

Im RIS seit

06.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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