Entscheidungsdatum
05.08.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W111 2182202-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den XXXX gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2017, Zl. 1043800410-140106319, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.06.2020:
A) Das Verfahren wird insoweit wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den XXXX gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2017, Zl. 1043800410-140106319, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.06.2020 zu Recht:
A) I. In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist.
II. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 iVm § 9 Abs. 4 Z 1 Integrationsgesetz idgF wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsbürger der Russischen Föderation, stellte am 26.10.2014 den vorliegenden Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes, nachdem er zuvor illegal ins Bundesgebiet eingereist war. Anlässlich seiner am 27.10.2014 abgehaltenen niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der tschetschenischen Volksgruppe sowie dem islamischen Glauben an und sei im Vorfeld der Ausreise aus Tschetschenien Schüler gewesen. Seine Eltern, sein Bruder und sechs minderjährige Halbgeschwister hielten sich unverändert in Tschetschenien auf. Der Entschluss für seine Ausreise sei vor etwa einem halben Jahr von seiner Großmutter gefasst worden; der Beschwerdeführer habe den Herkunftsstaat rund fünf Tage zuvor schlepperunterstützt auf dem Landweg verlassen und sei über eine ihm unbekannte Route nach Österreich gelangt. Grund seiner Flucht seien die Angst und die Bedrohung gewesen. Nachts seien Steine gegen die Fenster und Türen seiner Großmutter geflogen; der Beschwerdeführer habe nie jemanden gesehen, jedoch männliche Stimmen vernommen. Seine Großmutter habe ihm nie Näheres zu diesen Bedrohungen erzählt, der Beschwerdeführer habe sie auch nie danach gefragt. Einmal hätte er mitbekommen, wie sie geschrieben hätten, dass sie den Beschwerdeführer verschleppen würden und so lange bis sie ihn hätten, keinen Frieden geben würden. Ein Bruder des Beschwerdeführers sei bereits verschwunden und er nehme an, dass seine eigene Verfolgung damit zusammenhinge. Der Beschwerdeführer habe auch Angst um seine Großmutter; ein Leben zu Hause sei nicht mehr möglich gewesen. Der Beschwerdeführer legte eine Kopie seines russischen Inlandspasses vor.
Am 22.11.2017 wurde der Beschwerdeführer im zugelassenen Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die tschetschenische Sprache niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Der Beschwerdeführer gab auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst zu Protokoll (zum detaillierten Verlauf seiner Befragung vgl. Verwaltungsakt, Seiten 27 bis 36), seine Angaben in der Erstbefragung hätten der Wahrheit entsprochen, doch wolle er diese nun ergänzen und berichtigen, dass er wegen seines namentlich genannten Cousins und seines namentlich genannten Bruders Probleme im Heimatland bekommen hätte. Sein Cousin sei im Jahr 2014 nach Syrien gegangen, zwei Monate später sei der Bruder des Beschwerdeführers spurlos verschwunden. Die Onkel hätten den Cousin von einem nicht näher bekannten Ort zurückgebracht und dessen Geld und Reisepass weggenommen, damit er nicht neuerlich wegfahren könne. Die Ausreise des Beschwerdeführers sei durch einen Verwandten, über den er keine näheren Kenntnisse hätte, organisiert worden; auch könne er nicht sagen, über welche Route er nach Österreich gereist sei. Er hätte sich gemeinsam mit seiner Großmutter auf der Ladefläche eines LKW versteckt.
Die Eltern des Beschwerdeführers hätten sich scheiden lassen, als der Beschwerdeführer noch klein gewesen sei, dieser habe immer bei seiner Großmutter gelebt. In der Heimat würden noch seine Eltern mit deren nunmehrigen Partnern und jeweils drei Kindern leben. Zudem würden sich noch drei Onkel und zwei Tanten des Beschwerdeführers mit deren jeweiligen Familien in Tschetschenien aufhalten. In Österreich würden zwei weitere Onkel des Beschwerdeführers mit deren jeweiligen Familien sowie ein Cousin seiner Mutter mit dessen Familie leben.
Zum Grund seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat führte der Beschwerdeführer aus, er hätte im Jahr 2014 erfahren, dass sein Cousin nach Syrien gegangen wäre; seine Onkel hätten diesen wieder zurückgebracht und ihm den Pass und Geld abgenommen. Sein Cousin habe etwa einen Monat auf Baustellen gearbeitet und sei dann abermals nach Syrien geflüchtet. Weshalb der Cousin nach Syrien gefahren wäre, sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt, er vermute jedoch, dass dieser beabsichtigt hätte, dort zu kämpfen. Rund ein bis zwei Monate nachdem der Cousin nach Syrien gefahren wäre, sei der Bruder des Beschwerdeführers spurlos verschwunden. Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob dieser ebenfalls nach Syrien gefahren wäre, doch sei der Bruder immer mit dem Cousin zusammen gewesen. Etwa zwei Monate vor seiner Ausreise sei der Beschwerdeführer auf dem Heimweg von der Schule von Polizisten angehalten und nach seinem Bruder gefragt worden. Der Beschwerdeführer hätte erwidert, dass sein Bruder beim Vater gewohnt hätte und er selbst bei der Großmutter leben würde, weshalb er keinen ständigen Kontakt zum Bruder gehabt hätte. Dann seien die Polizisten weggefahren und der Beschwerdeführer sei nach Hause gegangen. Ein paar Tage später seien erneut Polizisten gekommen und hätten den Beschwerdeführer zu einem Verhör auf die Polizeistation mitgenommen. Zuerst hätten sie ihn im normalen Tonfall nach seinem Bruder gefragt; als der Beschwerdeführer abermals erwidert hätte, über dessen Aufenthaltsort nicht in Kenntnis zu sein, hätten die Polizisten begonnen, zu schreien und dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er wissen sollte, dass sein Cousin und sein Bruder nach Syrien gefahren wären. Die Polizei hätte ihm dann eine Ohrfeige gegeben. Das Verhör habe dann noch ein bisschen gedauert und es sei ihm gesagt worden, dass man ihn neuerlich abholen würde und er beim nächsten Mal mitwirken solle. Seine Großmutter hätte dann mit Verwandten gesprochen und diese hätten beschlossen, dass der Beschwerdeführer nach Europa flüchten solle. Der Vorfall mit der Polizei hätte sich ungefähr im August 2014 ereignet, die Ausreise des Beschwerdeführers sei Mitte Oktober 2014 erfolgt. In jenem Zeitraum habe der Beschwerdeführer an seiner ursprünglichen Adresse gelebt und nichts mehr von der Polizei gehört. Nach der Ankunft in Österreich hätten Nachbarn ihnen mitgeteilt, dass die Polizisten wiedergekommen wären. Beweismittel hinsichtlich seines Fluchtgrundes könne er nicht vorlegen. Der Beschwerdeführer habe im Heimatland keine Probleme wegen seiner Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt und sei nie politisch aktiv gewesen. Mit Ausnahme der geschilderten einmaligen Mitnahme durch die Polizei habe er nie Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt.
In Österreich wohne der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Großmutter in einer Grundversorgungseinrichtung. Er wolle hier seine schulische Ausbildung fertigmachen und weiterhin Sport betreiben. Der Beschwerdeführer besuche einen Deutschkurs und habe ehrenamtlich für das Rote Kreuz gearbeitet.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.12.2017 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) sowie dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die Behörde stellte die Staatsbürgerschaft, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die genaue Identität, des Beschwerdeführers fest und legte ihrer Entscheidung Feststellungen zur aktuellen Situation in dessen Herkunftsstaat zu Grunde. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sein würde. In der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seine Angaben zum Fluchtgrund vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Vergleich zur Schilderung in der Erstbefragung gesteigert. Dieser sei nie angegriffen, misshandelt oder verletzt worden; den Vorfall, bei welchem er angeblich eine Ohrfeige von der Polizei bekommen hätte, habe er seinen Angaben zufolge weder zur Anzeige gebracht, noch habe er diesen durch Beweismittel, wie etwa einen ärztlichen Behandlungsbericht, untermauert. Rein spekulative Befürchtungen würden jedoch nicht ausreichen. Konkrete glaubwürdige Anhaltspunkte für persönliche oder staatliche Verfolgungshandlungen hätten dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entnommen werden können.
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation dort einer realen Gefahr des Todes, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung oder der Gefahr der Folter ausgesetzt sein würde.
Eine Rückkehr in die Russische Föderation sei dem Beschwerdeführer zumutbar und möglich. Dieser habe im Heimatland noch genügend familiäre Anknüpfungspunkte und es habe nicht festgestellt werden können, dass ihm in seinem Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen wäre. Der Beschwerdeführer sei ein junger und arbeitsfähiger Mann, welcher den Großteil seines Lebens im Heimatland verbracht hätte und in die dortige Gesellschaft integriert sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer von allfälligen negativen Lebensumständen in der Russischen Föderation in höherem Maße betroffen wäre, als jeder andere Staatsbürger in einer vergleichbaren Lage. Dieser leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und habe im Bundesgebiet zuletzt keine (medikamentöse) Behandlung in Anspruch genommen. Dem Beschwerdeführer wäre es möglich, wie bereits vor der Ausreise, im nunmehr leerstehenden Eigentumshaus seiner Großmutter zu leben, oder alternativ in einem anderen Landesteil einen Wohnsitz zu begründen.
Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich – mit Ausnahme seiner Onkel und der gemeinsam mit ihm eingereisten Großmutter, über deren Antrag ebenfalls abweisend abgesprochen worden wäre – über keine familiären Anknüpfungspunkte oder schützenswerte private Bindungen, dieser sei mittellos, lebe von der Grundversorgung und habe keine Deutschkursbestätigungen in Vorlage gebracht. Ein schützenswertes Familien- und Privatleben in Österreich sei nicht begründet worden. Da auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 nicht vorliegen würden, erweise sich der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung als zulässig.
3. Mit Eingabe vom 04.01.2018 wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit für den Beschwerdeführer und seine Großmutter gleichlautendem Schriftsatz fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben, in welcher der dargestellte Bescheid vollumfänglich angefochten wurde. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, der Beschwerdeführer und seine Großmutter hätten ihre Angaben nicht in unglaubwürdiger Weise gesteigert, sondern das Verhör durch die Polizei anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesamt ergänzend vorgebracht. Die Behörde verkenne, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Syrien-Aufenthaltes seines Cousins und des spurlosen Verschwindens seines Bruders vorbelastet sei. Auch ihm werde eine vermeintliche Unterstützung des IS unterstellt, da er den – ihm tatsächlich nicht bekannten – Aufenthaltsort seines Bruders nicht verraten wolle. Die Länderberichte würden bestätigen, dass Unterstützer des Dschihad von den Sicherheitsbehörden besonders ins Visier genommen würden. Es liege demnach sehr wohl eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aufgrund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung vor. Weiters sei der Gesundheitszustand der Großmutter des Beschwerdeführers, welche sich in Zusammenhang mit einer Knieoperation in stationärer Behandlung befunden hätte, unzureichend berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer bemühe sich, die deutsche Sprache zu erlernen und übermittle anbei eine Bestätigung über einen absolvierten Deutschkurs auf dem Niveau A1.
4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 09.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde zunächst der Gerichtsabteilung W250 zugewiesen.
5. Mit E-Mail vom 28.02.2018 wurde das Bundesverwaltungsgericht informiert, dass die Großmutter des Beschwerdeführers eine freiwillige Rückkehr in ihren Herkunftsstaat plane, wobei ihre Reisekosten übernommen werden sollen.
Am 29.03.2018 übermittelte die IOM die Ausreisebestätigung der Großmutter des Beschwerdeführers.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.03.2018, Zahl W215 2182206-1, wurde das Beschwerdeverfahren der Großmutter des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 2a AsylG 2005 eingestellt.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.10.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
6. Nach erfolgter Anberaumung einer Beschwerdeverhandlung legte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 06.02.2020 Zertifikate über eine im Februar 2019 bestandene Integrationsprüfung sowie eine im Mai 2018 gut bestandene ÖSD-Deutschprüfung jeweils auf dem Niveau A2 vor.
7. Am 30.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, eine Vertreterin der von ihm bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation sowie eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.
Zu Beginn der Verhandlung gab die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers bekannt, dass Sie nach Rücksprache mit dem Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides vom 11.12.2017 zurückziehen möchte. Ausdrücklich aufrechterhalten wurde die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte (III. bis VI.).
Der Beschwerdeführer brachte ein Konvolut an Unterlagen zum Beleg seiner Integrationsbemühungen, bestehend aus einem Empfehlungsschreiben der XXXX , einem Empfehlungsschreiben der XXXX , einer Kursbestätigung der VHS über den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau B1, zweier Empfehlungsschreiben aus seinem privaten Umfeld aus Juni 2020, einem Zeugnis zur im Februar 2019 bestandenen Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 sowie einem Zertifikat über eine im Mai 2018 bestandene ÖSD-Prüfung auf dem Niveau A1 in Vorlage.
Die weitere Befragung des Beschwerdeführers vernahm den folgenden Verlauf:
„(…) R an BF: Was genau ist die Firma XXXX GesmbH Service?
BF: Es ist die Firma meines Onkels und ich könnte dort anfangen.
R: Was macht diese Firma?
BF: Es ist eine Schlosserfirma, sie reparieren die Schlösser und öffnen sie. Es ist in OÖ.
…
BF: Es ist in XXXX mein Onkel selbst ist in XXXX .
Der R kontaktiert die Firma XXXX GesmbH Service und erreicht die unterzeichnende Frau XXXX , diese gibt an Herrn XXXX zu kennen und es sich bei der Firma um einen Betrieb mit mehreren Niederlassungen in Österreich verteilt handeln würde.
Einsicht genommen wird in den Strafregisterauszug des BF vom heutigen Tag. Der BF ist nicht vorbestraft.
Vorgelegt wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2020.
BFV: Ich habe bereits ein Exemplar, auf eine Stellungnahme wird verzichtet.
R: Schildern Sie mir Privat-und Familienleben in Österreich.
BF: Ich wohne hier alleine, ich mache viel Sport und spiele Fußball. Ich würde so gerne arbeiten. Ich habe hier viele Freunde, ich würde gerne hier Arbeiten und Sport treiben. Es ist hier besser als in der russischen Föderation. Es gefällt mir hier sehr. Ich fühle mich hier wie zuhause, ich habe hier zwei Onkel und einen Cousin ms. Sie leben hier schon seit 16 oder 17 Jahren. Ich telefoniere mit meiner Mutter und meinem Vater, die sich in Russland befinden. Ansonsten sind meine Kontakte in die russische Föderation sehr spärlich bzw. abgerissen. Sonst habe ich mit niemandem Kontakt nach Russland.
R an BFV: Haben Sie Fragen an den BF?
BFV: Sie haben gesagt, dass Sie Sport betreiben, sind Sie Mitglied in einem Verein?
BF: Ja, in XXXX .
R: Wie heißt der Verein?
BF: Fußballverein XXXX .
BFV: Haben Sie in Österreich bereits ehrenamtlich gearbeitet, wenn ja wo und wie lange?
BF: Beim Roten Kreuz habe ich zwei bis drei Monate gearbeitet, es war vor ungefähr zwei Jahren.
BFV: Sie haben in Österreich auch den Führerschein gemacht, was war Ihre Motivation diesen zu machen?
BF: Weil ich hier leben und arbeiten möchte.
BFV: Müssten Sie auch fahren, wenn Sie bei der XXXX arbeiten würden?
BF: Ja.
BFV: Ich habe derzeit keine weiteren Fragen mehr an den BF.
R: Wollen Sie noch etwas von sich aus angeben?
BF: Nein, Danke. (…)“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer, dessen präzise Identität nicht feststeht, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, welcher die im Spruch ersichtlichen Personalien führt, der tschetschenischen Volksgruppe angehört und sich zum islamischen Glauben bekennt. Der Beschwerdeführer reiste im Oktober 2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet, stellte am 26.10.2014 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer stammt aus Tschetschenien, wo er die Schule besuchte und bis zu seiner Ausreise im Familienverband lebte.
1.2. Der unbescholtene Beschwerdeführer spricht grundlegend Deutsch, hat eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 absolviert und nahm zuletzt an einem weiterführenden Kurs auf dem Niveau B1 teil. Im Bundesgebiet leben ein Onkel und zwei Cousins mütterlicherseits des Beschwerdeführers, zu welchen dieser einen guten Kontakt unterhält. Der Beschwerdeführer hat sich ein soziales Netz in Österreich aufgebaut und betonte glaubwürdig seinen Wunsch, ehestmöglich eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt künftig eigenständig bestreiten zu können. Durch eine Firma wurde ihm ein Arbeitsverhältnis schriftlich in Aussicht gestellt. Demnach ist eine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers, welcher seinen Lebensunterhalt gegenwärtig im Rahmen der Grundversorgung bestreitet, zu prognostizieren. Der Beschwerdeführer ist Mitglied eines Fußballvereins und hat sich durch ehrenamtliche Arbeit für das Rote Kreuz engagiert.
1.3. Die gewillkürte Vertretung des Beschwerdeführers zog die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheide vom 11.12.2017, mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (Spruchpunkte II.) abgewiesen wurde, zurück, womit diese Spruchpunkte in Rechtskraft erwuchsen.
Infolge der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. ist gegenständlich lediglich über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. abzusprechen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere in die niederschriftlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers, sowie die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 30.06.2020.
2.2. Da seine behauptete Identität nicht durch Original-Dokumente nachgewiesen wurde, steht diese nicht fest. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft und zur Schulbildung ergeben sich aus dem insofern glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit seinen Sprach- und Ortskenntnissen.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem aktuell eingeholten Strafregisterauszug.
Die Feststellungen zum derzeitigen Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens sowie den vorgelegten Bestätigungen und Schreiben, insbesondere den ÖSD-Zertifikaten, den Deutschkursbestätigungen, sowie den Unterstützungsschreiben aus seinem privaten Umfeld.
Die vorgelegten Beweismittel sind in ihrer Gesamtschau schlüssig und nachvollziehbar und waren in Zusammenschau mit dem in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck als Nachweis der Integration des Beschwerdeführers anzuerkennen.
Zu betonen ist nochmals, dass der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in der Beschwerdeverhandlung am 30.06.2020 durch seine bevollmächtigte Vertreterin zurückgezogen hat. Die Spruchteile I. und II. des im Spruch angeführten Bescheides sind damit in Rechtskraft erwachsen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Das Verwaltungsgericht hat, wenn es "in der Sache selbst" entscheidet, nicht nur über die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde entschieden wurde. Dabei hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in der Regel an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076; 18.2.2015, Ra 2015/04/0007; 25.7.2019, Ra 2018/22/0270).
Zu 1.) Einstellung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II.
Zu A) 3.2. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss. In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit Beschluss vom 29.04.2015, Zl. 2014/20/0047, klar, es sei gesetzlich geboten, dass das Bundesverwaltungsgericht bei ihm anhängige Verfahren über Beschwerden infolge rechtswirksam erklärter Beschwerdezurückziehung mit Beschluss einstelle.
Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerdepunkte in der Beschwerdeverhandlung am 30.06.2020 ist der verwaltungsbehördliche (im Spruch genannte) Bescheid vom 11.12.2017 hinsichtlich dessen Spruchpunkten I. und II. (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten) rechtskräftig geworden und waren daher die diesbezüglichen Verfahrensteile mit Beschluss einzustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.3. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im gegenständlichen Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Zu 2.) Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis IV.
Zu A) 3.4. Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung:
3.4.1. Da dem Beschwerdeführer der Status eines Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen war, diesem ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu erteilen ist und dieser weder begünstigter Drittstaatsangehöriger ist, noch aufgrund eines anderen Bundesgesetzes zum Aufenthalt berechtigt ist, liegen die Voraussetzungen für die Prüfung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG vor.
3.4.2. Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung steht unter dem Vorbehalt des § 9 Abs. 1 BFA-VG, wonach dann, wenn (insbesondere) durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, deren Erlassung (nur) zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dazu judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist (siehe zum Ganzen etwa VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0218, Rn. 20, mwN).
Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. grundlegend etwa VfGH 29.9.2007, B328/07, VfSlg 18223; sowie aus der jüngeren Rechtsprechung VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 15.3.2016, Ra 2016/19/0031; ebenso Ra 2016/19/0032 Ra 2016/19/0034 Ra 2016/19/0033 unter Hinweis auf Stammrechtssatz VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265 sowie VwGH 28.4.2014, Ra 2014/18/0146-0149 und 22.7.2011, 2009/22/0183; siehe auch Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9 BFA-VG, K15 bis K30.; Ecker/Ziegelbecker, Die Rückkehrentscheidung in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht 2017, 151 bis 215).
Im Rahmen der so gebotenen Interessenabwägung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommen, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; siehe darauf bezugnehmend etwa auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ferner judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine in Österreich vorgenommene medizinische Behandlung im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet führen kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob diese medizinische Behandlung auch außerhalb Österreichs erfolgen bzw. fortgesetzt werden kann (vgl. dazu etwa VwGH 23.3.2017, Ra 2017/21/0004, Rn. 12, mwN; 22.8.2019, Ra 2019/21/0026-8).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
3.4.3. Der Beschwerdeführer ist unbescholten und lebt seit fünfeinhalb Jahren im Bundesgebiet. In dieser Zeit entwickelte der Genannte ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem sich das erkennende Gericht insbesondere im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Beschwerdeverhandlung zu überzeugen vermochte. Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer seine Aufenthaltsdauer nicht durch wiederholte Stellung unbegründeter Asylanträge zu verlängern versucht hat (vgl. auch VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0033), sondern dessen einziges Verfahren auf internationalen Schutz seit November 2014 anhängig gewesen ist, ohne dass dem Beschwerdeführer diese lange Verfahrensdauer zur Last gelegt werden kann. Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und im Februar 2019 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich abgelegt. Zuletzt hat er an einem weiterführenden Sprachkurs auf dem Niveau B1 teilgenommen. Der Beschwerdeführer ist Mitglied eines Fußballvereins und hat sich ehrenamtlich beim Roten Kreuz engagiert. Der Beschwerdeführer hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet aufgebaut, welcher in den vorgelegten Unterstützungsschreiben dessen Integrationswillen betonte. Zudem befinden sich zwei Onkel und ein Cousin des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, zu welchen dieser ebenfalls einen engen Kontakt unterhält. Eine Firma hat dem Beschwerdeführer einen Arbeitsplatz in Aussicht gestellt, sodass es diesem nach Erlangung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung binnen kurzer Zeit möglich sein wird, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und seinen Lebensunterhalt weitgehend eigenständig zu bestreiten. Im Falle des Beschwerdeführers ist daher eine positive Zukunftsprognose zu stellen.
3.4.4. Wie dargelegt, ist das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor. Es beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Ist eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig und daher nicht zu erlassen, so lässt sich dem Gesetz für die diesbezügliche nach § 9 Abs. 3 BFA-VG vorzunehmende Feststellung nicht die Bedingung entnehmen, dass zuvor über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 negativ abgesprochen wurde. Vielmehr entfällt diesfalls eine amtswegige Prüfung der Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels, weil gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 (jedenfalls) ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2020/21/0121-3).
3.4.5. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.
Der Beschwerdeführer hat ein Zertifikat über eine im Februar 2019 abgelegte Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 in Vorlage gebracht, wodurch er gemäß § 9 Abs. 4 Z 1 IntG das Modul 1 der Integrationsvereinbarung und damit die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ erfüllt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Integration Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Verfahrenseinstellung Zurückziehung der BeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W111.2182202.1.00Im RIS seit
06.11.2020Zuletzt aktualisiert am
06.11.2020