Entscheidungsdatum
19.08.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G308 2232120-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 08.06.2020, ZI. XXXX , und gegen die andauernde Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorIiegen.
3. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von Euro 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
4. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Oberösterreich, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Sicherung der Abschiebung nach Afghanistan angeordnet.
1.2. Mit dem am 18.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) eingelangten und mit 18.06.2020 datierten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid und gegen die seither andauernde Anhaltung in Schubhaft.
1.3. Mit Erkenntnis des BVwG vom 24.06.2020 wurde über die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft und des Schubhaftbescheides entschieden und das Vorliegen der für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen festgestellt.
1.4. Am 13.08.2020 legte das BFA beim BVwG die verfahrensgegenständliche Beschwerde vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum), ist afghanischer Staatsangehöriger und ist ledig. Der BF besitzt keinen afghanischen Reisepass. Der BF ist gesund und haftfähig.
1.2. Der BF reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt 2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz am 13.03.20111, der letztendlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs am 27.08.2013, Zl. C2 421818-1/2010/16E abgewiesen wurde, und am 12.06.2015 einen Folgeantrag, der letztendlich mit Erkenntnis des BVwG, W258 2120688-2/22E abgewiesen wurde.
1.4. Der BF war in Österreich bis dato nicht legal beschäftigt.
1.5. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2018 nach dem SMG wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und gem. § 288 Abs. 1 StGB (falsche Beweisaussage) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Am XXXX .2020 wurde der BF unter Anordnung einer Bewährungshilfe bedingt unter Setzung einer Probezeit im Ausmaß von drei Jahren aus der Strafhaft entlassen.
1.6. In der vorliegenden Rechtssache wurde die Schubhaft mit Bescheid vom 08.06.2020 zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Es liegt gegenständlich auch eine rechtskräftige durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor.
1.7. Der BF hat in Österreich zum Entscheidungszeitpunkt keinen aufrecht gemeldeten Wohnsitz und keine beruflichen Bindungen. Er selbst verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung seines Unterhalts.
2. Beweiswürdigung:
Die oben genannten Feststellungen ergeben sich aus dem glaubhaften und schlüssigen durch die belangte Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Der BF hat sich durch sein bisheriges persönliches Gesamtverhalten insgesamt als nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ erwiesen.
Die Zeugin und Lebensgefährtin des BF XXXX konnte zwar glaubhaft angeben, dass sie bereit wäre, den BF in ihrer Wohnung aufzunehmen. Diese lebt jedoch selbst von Unterstützungsleistungen ihrer Familie und von Notstandshilfe und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Auch ist die Wohnung lediglich 65 m2 groß und leben auch ihre zwei Kinder mit 13 und 18 Jahren dort.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A.1 und 2):
3.1.1. Der mit Schubhaft betitelte § 76 FPG lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG lautet:
§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).
3.1.3. Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Der BF verfügt über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet.
Die belangte Behörde hat den vorliegenden Schubhaftbescheid § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt und zum Zweck der Sicherung der Abschiebung nach Afghanistan erlassen.
Das erkennende Gericht schließt sich der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegten Feststellung an, dass der BF auf Grund seines bisherigen Verhaltens nicht die erforderliche Vertrauenswürdigkeit aufweise. Der BF hat bislang keine ernst zu nehmende Bereitschaft gezeigt, sich an die die Einreise und den Aufenthalt regelnden Bestimmungen zu halten.
Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich der BF durch Untertauchen der beabsichtigten Abschiebung entziehen oder die Abschiebung wesentlich erschweren könnte.
Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war auf Grund des bisherigen Verhaltens davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung hielte. So wurde er straffällig und ist jahrelang beharrlich im Bundesgebiet trotz aufrechter rechtskräftiger Ausreiseverpflichtung verblieben.
Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer erheblichen Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.
3.2. Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der fehlenden sozialen Bindungen in Österreich war von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorlagen, die ein Untertauchen des BF – um sich so einer Abschiebung zu entziehen – befürchten ließen.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwog, weil – aus einer ex-ante-Beurteilung heraus – ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert gewesen wäre. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorgelegen wären, die der Erlassung der Schubhaft entgegengestanden wären, ist dem Vorbringen in der Beschwerde nicht zu entnehmen gewesen.
3.3.Ein gelinderes Mittel ist zur Erreichung des Sicherungszwecks, der Sicherung der Abschiebung, mangels Vertrauenswürdigkeit des BF und seiner rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung wegen Suchtgiftdelikten nicht geeignet. Insbesondere ist das Verfahren bereits sehr weit fortgeschritten und besteht gegen den BF eine rechtskräftige durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ist die Ausstellung eines Ersatzreisedokuments jederzeit möglich.
Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erwies sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.
3.4. Ergänzend sei bemerkt, dass die durch die COVID-19-Maßnahmen eingeschränkte Bewegungsfreiheit keine Gewähr dafür bietet, der BF würde nicht untertauchen, zumal diese keinen zwingenden Aufenthalt innerhalb einer Unterkunft anordnen.
Des Weiteren war maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Ausstellung eines EU-LP jederzeit möglich ist und somit keine organisatorischen Hindernisse für eine Abschiebung zu erwarten sind. Laut derzeitigem Stand wird ab 01.10.2020 der Flugverkehr nach Afghanistan wieder aufgenommen und können so Abschiebungen durchgeführt werden.
Die Fortsetzung der Schubhaft, welche seit XXXX .2020 besteht, ist auch unter Berücksichtigung der in § 80 FPG vorgesehenen Regelung über die Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zulässig, da die höchstzulässige Dauer bei weitem nicht erreicht ist und mit einer zeitnahen Abschiebung zu rechnen ist.
3.5. Die weitere Anhaltung des haftfähigen BF in Schubhaft erweist sich somit als notwendig und verhältnismäßig.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die Schubhaft ist daher fortzusetzen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt A 3. und 4:
Die Kostenentscheidung betreffend Aufwandersatz zugunsten der belangten Behörde als obsiegende Partei und Abweisung des Antrages der unterlegenen beschwerdeführenden Partei beruht auf § 35 VwGVG.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, ging doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage klar hervor, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte. Zudem war derzeit zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines „Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2232120.2.00Im RIS seit
06.11.2020Zuletzt aktualisiert am
06.11.2020