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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des PW (geboren am 8. Mai 1964), vertreten durch
Dr. Gerhard Wildmoser, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. Oktober 1994, Zl. St 272/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. Oktober 1994 gerichtet, mit welchem der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Republik Ghana, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 28. Dezember 1991 von Jugoslawien aus illegal nach Österreich eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe. Dieser sei zunächst mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. April 1992 und die gegen deren Entscheidung erhobene Berufung mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1994 abgewiesen worden. Der gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres erhobenen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof habe dieser mit Beschluß vom 13. Mai 1994 die aufschiebende Wirkung "im Umfang der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz" zuerkannt. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs läge noch nicht vor. Zum Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers sei das Bundesgesetz vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 i.d.F. BGBl. Nr. 796/1974 (Asylgesetz 1968), in Kraft gestanden. Gemäß § 5 Abs. 3 dieses Gesetzes sei die vorläufige Aufenthaltsberechtigung einem Asylwerber nicht zugekommen, der anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Aus einer niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 5. März 1992 gehe hervor, daß er am 30. Juli 1991 mit der Balkan-Air von Akkra über Sofia nach Bukarest geflogen sei. Nach einem kurzfristigen Aufenthalt in Bukarest sei er mit der Bahn legal nach Belgrad gefahren, wo sich der Beschwerdeführer bis zum 27. Dezember 1991 aufgehalten habe. Während des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Rumänien bzw. in Jugoslawien wäre es ihm durchaus möglich gewesen, bei den Behörden dieser Staaten um Asyl anzusuchen, da er auch dort keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre (und dies auch nicht behaupte) und auch nicht Gefahr gelaufen wäre, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in sein Heimatland abgeschoben zu werden, zumal Rumänien ein Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Dem Beschwerdeführer sei zwar eine "vorläufige Aufenthaltsberechtigung" ausgestellt worden, diese habe jedoch keine konstitutive, sondern nur eine deklarative Wirkung, sie komme ihm deswegen nicht zu, weil er anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Daran könne der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 1994, mit welchem der gegen die Abweisung des Asylantrages erhobenen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof von diesem die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nichts ändern. Der Beschwerdeführer halte sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, weshalb er gemäß § 17 Abs. 1 FrG auszuweisen sei. Mangels familiärer oder sonstiger Beziehungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet liege kein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben vor, eine Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot (gemeint: die Ausweisung) nach § 19 FrG dringend geboten sei, sei daher nicht notwendig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil durch seine Ausweisung in das nach wie vor nicht rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren, in welchem ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugesprochen worden sei, auf nicht gerechtfertigte und unzulässige Weise eingegriffen werde. Insbesondere würde seine Ausweisung eine allenfalls zu seinen Gunsten ergehende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Asylverfahren ad absurdum führen. Er habe als Asylwerber laufend darauf hingewiesen, daß er sowohl in Rumänien als auch in Jugoslawien Verfolgung befürchten habe müssen. Weder in Rumänien noch auch in Jugoslawien habe gegen Ende des Jahres 1991 bzw. Anfang 1992 eine im Großen und Ganzen effektive Rechts- und Verfassungsordnung gegolten. Gerade zu diesem Zeitpunkt sei es mehr als fragwürdig gewesen, ob das Refoulement-Verbot effektiv in Geltung gestanden habe. Vielmehr herrschten damals in beiden Staaten kriegerische und revolutionäre Auseinandersetzungen, welche zur Folge gehabt hätten, daß der Beschwerdeführer keinen Rückschiebungsschutz genossen habe, aus diesem Grund sei er daher gezwungen gewesen, nach Österreich einzureisen. Auch jetzt sei noch zu befürchten, daß der Beschwerdeführer im Falle seiner Abschiebung in einen dieser beiden Staaten sofort weiter in sein Heimatland Ghana, wo er jedoch der bereits geschilderten Verfolgung ausgesetzt sei, abgeschoben werde. Die belangte Behörde konfrontiere den Beschwerdeführer erstmals im angefochtenen Bescheid mit Tatsachenfeststellungen, zu welchen er sich bisher nicht hätte äußern können. Er hätte nämlich durch entsprechende Beweisanbote den Nachweis führen können, daß er sowohl in Rumänien als auch in Jugoslawien tatsächlich einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Dies werde auch durch Berichte von Amnesty International sowie durch Länderberichte des Hochkommissariats für Flüchtlingswesen belegt.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt. Gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 war ein Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahren zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn er den Antrag auf Asylgewährung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt stellte, in dem er in das Bundesgebiet eingereist ist oder in dem er von der Gefahr einer Verfolgung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention angeführten Gründe Kenntnis erlangt hat. Gemäß § 5 Abs. 3 des Asylgesetzes 1968 durfte die vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Fall der rechtzeitigen Stellung des Asylantrages nur dann verneint werden, wenn rechtskräftig festgestellt war, daß der Asylwerber nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1968 war, oder wenn er "bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Konvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat". Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0473 (vgl. ebenso etwa die Erkenntnisse vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0187, und vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0394), ausgeführt hat, haben die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Asylgesetzes 1991 bestehenden vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 ihre Geltung nicht verloren und sind nunmehr als vorläufige Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz 1991 anzusehen.
Zutreffend hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall daher die Frage, ob der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung besaß, gemäß § 5 Abs. 3 des Asylgesetzes 1968 beurteilt. Hiebei begnügte sich die belangte Behörde jedoch mit der Feststellung, daß sich der Beschwerdeführer vom 30. Juli 1991 bis zum 27. Dezember 1991 in Rumänien und Jugoslawien aufgehalten habe und es ihm in diesen Staaten durchaus möglich gewesen wäre, bei den zuständigen Behörden um Asyl anzusuchen. Diese Feststellung ist zunächst mit der Aktenlage, derzufolge der Beschwerdeführer am 30. Mai 1994 vor der Bundespolizeidirektion Linz angegeben hat, er habe sich vom 30. Juli 1991 bis Anfang November in Bukarest aufgehalten, wo er auch einen Asylantrag stellen habe wollen, der jedoch zurückgewiesen worden sei, nicht in Einklang zu bringen.
Dem Beschwerdeführer wurde am 13. Jänner 1992 von der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung ausdrücklich bescheinigt, daß er gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968 zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Davon, daß ein Asylwerber bereits in einem anderen Staat im Sinne des § 5 Abs. 3 des Asylgesetzes 1968 "anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat", konnte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann gesprochen werden, wenn der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt und von ihnen geduldet (gebilligt) wurde (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 1985, Zl. 84/01/0255, Slg. Nr. 11.773 A, und vom 9. Juli 1992, Zl. 92/18/0034, m.w.N., sowie Steiner, Österreichisches Asylrecht, 1990, 15). Die belangte Behörde hat diesen Schluß jedoch in Verletzung von Verfahrensvorschriften bloß aus der Tatsache gezogen, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in Rumänien und Jugoslawien aufgehalten habe und er dort um Asyl hätte ansuchen können ohne im übrigen darauf einzugehen, daß er im Verwaltungsverfahren behauptet hatte, ein von ihm gestellter Asylantrag sei in Rumänien zurückgewiesen worden.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995210423.X00Im RIS seit
20.11.2000