TE Vfgh Beschluss 1995/11/27 G62/95

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Veröffentlicht am 27.11.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8300 Wohnbauförderung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Bgld WohnbauförderungsG 1991 §36
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung des §36 Bgld WohnbauförderungsG 1991 über den zumutbaren Wohnungsaufwand mangels Legitimation; kein Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers durch eine Verordnungsermächtigung; keine Präzisierung der Bedenken gegen das ganze Gesetz im einzelnen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Antragsteller ist Pensionist und wohnt im Burgenland. Mit Schriftsatz vom 3. Juli 1995 stellte er den Antrag,

"1. den §36 BWFG 1991, LGBl für das Burgenland

Nr 53/1991 wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben;

              2.              das gesamte BWFG 1991, LGBl für das Burgenland Nr 53/1991 wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben."

1.2. Zur Antragslegitimation wird vorgebracht:

"Zum Nachweis der Antragslegitimation wird darauf verwiesen, daß der Antragsteller Wohnbeihilfenbezieher-bzw.werber ist, und diese auf Grund der alten Rechtslage auch immer bezogen hat, auf Grund der Herausnahme des Wohnbeihilfenwesens aus der Hoheitsverwaltung für den Förderungswerber ein Rechtsschutzdefizit entstanden ist, da er einerseits keinen Rechtsanspruch auf eine Beihilfe hat, andererseits über den Zuspruch kein Bescheid erlassen wird, der im Instanzenzug einer Prüfung unterliegt."

1.3. In der Sache selbst wird mit näherer Begründung behauptet, die angefochtenen Gesetzesstellen seien wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sowie wegen Verstoß gegen Art18 B-VG verfassungswidrig. Darüber hinaus sei die Verfassungsbestimmung des ArtVII Abs2 der B-VG Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, durch eine einfache landesgesetzliche Regelung in verfassungswidriger Weise außer Kraft gesetzt worden.

1.4. Die Burgenländische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge den vorliegenden Antrag mangels Antragslegitimation zurückweisen, in eventu abweisen.

Zur Zulässigkeit des Antrages wird im wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

"1. Der Antragsteller bringt vor, er sei Wohnbeihilfenbezieher bzw. -werber. Er habe Wohnbeihilfe aufgrund der alten Rechtslage auch immer bezogen. Aufgrund der Herausnahme des Wohnbeihilfenwesens aus der Hoheitsverwaltung sei jedoch für den Förderungswerber ein Rechtsschutzdefizit entstanden, da er einerseits keinen Rechtsanspruch auf eine Beihilfe habe, andererseits über den Zuspruch kein Bescheid erlassen werde, der im Instanzenzug einer Prüfung unterliege.

...

3. Auf dem Boden der ... Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG ist für den vorliegenden Antrag bedeutsam, daß gemäß §1 Abs2 des Bgld.

Wohnbauförderungsgesetzes 1991, LGBl. Nr. 53, in der Fassung der Gesetze LGBl. Nr. 10/1993 und 83/1993, auf die Gewährung von Förderungsmitteln im Sinne des Abs1 kein Rechtsanspruch besteht.

Aus diesem Grunde ist es von vornherein ausgeschlossen, daß durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen überhaupt in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird.

Es ist ferner zu beachten, daß der behauptete Eingriff nicht unmittelbar durch den - unter Punkt 1. des Antrages genannten - §36 des angefochtenen Gesetzes herbeigeführt werden könnte, sondern allenfalls durch eine auf dieser Bestimmung basierende Verordnung der Burgenländischen Landesregierung. Im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes greift somit §36 leg.cit. keinesfalls unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein. Vielmehr könnte der Verfassungsgerichtshof, sollte er in einem Verfahren mit einer diesbezüglichen - präjudiziellen - Verordnung befaßt sein und dazu ein Verordnungsprüfungsverfahren einleiten, aus diesem Anlaß von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §36 des Bgld. Wohnbauförderungsgesetzes 1991 einleiten."

1.5. Das Burgenländische Wohnbauförderungsgesetz 1991 (im folgenden: BWFG) ist nach seinem §72 Abs1 am 1. Juli 1991 in Kraft getreten. Gemäß §73 Abs4 leg.cit. waren für Wohnbeihilfenbescheide, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1984 bzw. dem Wohnhaussanierungsgesetz erlassen wurden, die Bestimmungen dieser Gesetze bis zum Ablauf der jeweils zuerkannten Gültigkeitsdauer weiterhin anzuwenden. Dies galt auch bei Abänderung dieser Bescheide.

2.1. Der Antragsteller hat gemäß §36 Abs2 Wohnbauförderungsgesetz 1984 Wohnbeihilfe bezogen.

2.2. Mit Schreiben der Burgenländischen Landesregierung vom 30. Juli 1993 wurde ihm mitgeteilt, daß sein Ansuchen auf Weitergewährung einer Wohnbeihilfe mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen abgewiesen und das Verfahren eingestellt werde.

2.3. Der Antragsteller hat dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, die jedoch mit Beschluß vom 29. März 1994 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof begründete dies damit, daß aufgrund der gegebenen Rechtslage die angefochtene Erledigung nicht als Bescheid im Sinne des Art131 B-VG zu qualifizieren sei.

3. Der Antrag ist unzulässig.

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, VfGH 14.6.1994 V84/93).

3.2. Der Antragsteller begehrt laut seinem - unter Z5 seines Schriftsatzes gestellten - "Aufhebungsbegehren" zunächst die Aufhebung des §36 BWFG als verfassungswidrig. Diese Bestimmung lautet:

"§36

Zumutbarer Wohnungsaufwand

(1) Der zumutbare Wohnungsaufwand ist unter Bedachtnahme auf das Familieneinkommen (§6 Abs2) im Verordnungswege festzusetzen, wobei die Zahl der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen angemessen zu berücksichtigen ist.

(2) Für Familien, bei denen ein Familienmitglied eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 55 v.H. im Sinne des §35 EStG 1988 aufweist oder für Alleinstehende, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 55 v.H. im Sinne des §35 EStG 1988 aufweisen, sowie für Familien mit mindestens drei Kindern, für die Familienbeihilfe bezogen wird, oder Familien mit einem behinderten Kind im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 ist der Hundertsatz niedriger als für sonstige Förderungswerber festzusetzen."

Diese Bestimmung kann in die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht eingreifen: Sie enthält lediglich eine Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 8829/1980, 8978/1980, 12976/1992 und 13635/1993) ausgesprochen, daß Individualanträge auf Aufhebung von Gesetzesbestimmungen, die ausschließlich Verordnungsermächtigungen enthalten, unzulässig sind: Es "ergibt sich allein schon aus dem Inhalt einer Gesetzesbestimmung, die (ausschließlich) eine Verordnungsermächtigung enthält, daß nach ihr unmittelbare Eingriffe in die Rechtssphäre einer Person ausgeschlossen sind und erst durch eine aufgrund der Gesetzesbestimmung erlassene Verordnung bewirkt werden könnten. In einem solchen ... Fall fehlt die Antragsberechtigung" (VfSlg. 8978/1980, S. 346).

3.3. Auch der Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge das gesamten BWFG wegen Verfassungswidrigkeit aufheben, ist unzulässig: Der Antragstellers legt nämlich nicht dar, daß sämtliche Bestimmungen dieses Gesetzes für ihn unmittelbar wirksam geworden sind. Da der Umfang, in dem das bekämpfte Gesetz unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen soll, im Antrag nicht präzisiert ist, war er auch insoweit schon aus diesem Grunde als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 11432/1987 und VfGH 12.10.1995 V258/94 ua.).

3.4. Der Antrag war daher insgesamt mangels Legitimation des Antragstellers gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, Wohnbauförderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G62.1995

Dokumentnummer

JFT_10048873_95G00062_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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