TE Vwgh Beschluss 2020/10/7 Ra 2020/14/0437

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Veröffentlicht am 07.10.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache der X Y, vertreten durch Mag. Michaela Krömer, Rechtsanwältin in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das am 20. Juli 2020 mündlich verkündete und am 27. Juli 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W150 2201507-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 21. Dezember 2015 gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer minderjährigen Schwester einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag der Revisionswerberin mit Bescheid vom 29. Mai 2018 ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung (mit einer für den Revisionsfall nicht relevanten Maßgabe) als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Soweit die Revision geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich im Rahmen seiner Beurteilung, ob der minderjährigen Revisionswerberin bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe, unzureichend mit den Länderberichten und den Richtlinien des UNHCR auseinandergesetzt, behauptet sie Verfahrensmängel. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung der Verfahrensfehler als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/20/0062, mwN).

8        Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen. Im Übrigen trifft der in der Revision erhobene Vorwurf, das Bundesverwaltungsgericht habe keine Feststellungen zur Situation von Kindern in Afghanistan getroffen, am Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidung nicht zu.

9        Insofern sich die Revision gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 27.8.2020, Ra 2020/14/0383 und 0384, mwN).

10       Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 12.8.2020, Ra 2020/14/0322, mwN).

11       Das zur Revisionszulässigkeit erstattete Vorbringen vermag nicht aufzuzeigen, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei der Gesamtbeurteilung der Umstände, im Besonderen die noch vorliegende Anpassungsfähigkeit (vgl. dazu etwa VwGH 3.10.2017, Ra 2017/01/0288 bis 0290, mwN) der minderjährigen Revisionswerberin (diese war zum Entscheidungszeitpunkt elf Jahre alt), die gemeinsame Rückkehr mit ihren Eltern in ihr Herkunftsland und der erst vierjährige Aufenthalt im Inland, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. zur Rückkehr von Kindern im anpassungsfähigen Alter im Familienverband etwa VwGH 28.5.2020, Ra 2020/21/0139).

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140437.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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