TE Vwgh Beschluss 2020/10/21 Ra 2018/11/0205

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Veröffentlicht am 21.10.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

AVG §56
AVG §6
VwGG §33 Abs1
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28 Abs5
VwRallg
WaffG 1996 §19 Abs1
WaffG 1996 §44
WaffG 1996 §48 Abs1
WaffG 1996 §5 Abs1 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Bundesministerin für Landesverteidigung gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2018, Zl. W101 2100386-1/23E, betreffend Feststellungen nach dem Waffengesetz (mitbeteiligte Partei: B GmbH in S, vertreten durch Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1        1.1. Mit Bescheid der Revisionswerberin vom 28. Oktober 2014 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuordnung von drei näher bezeichneten halbautomatischen Gewehren zur Kategorie B iSd. Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), zurückgewiesen und festgestellt, dass diese Schusswaffen der Kategorie A iSd. WaffG zuzuordnen seien.

2        Mit Beschluss vom 9. Juli 2015 hob das Bundesverwaltungsgericht diesen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Revisionswerberin zurück.

3        Mit Erkenntnis vom 28. Februar 2017, Ra 2015/11/0089, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

4        1.2. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Beschluss und dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren hinsichtlich einer der drei Schusswaffen wegen Zurückziehung des Antrages als gegenstandslos ein (Spruchpunkt A.1.) und gab der Beschwerde hinsichtlich der anderen beiden Schusswaffen mit der Maßgabe Folge, dass die Zuordnung dieser Schusswaffen zur Kategorie B iSd. WaffG festgestellt werde (Spruchpunkt A.2.). Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).

5        1.3. Gegen dieses Erkenntnis (Spruchpunkt A.2.) richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die zu ihrer Zulässigkeit u.a. vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen. Zur Feststellung, dass es sich um Schusswaffen der Kategorie B iSd. WaffG handle, sei gemäß § 44 WaffG nicht die Bundesministerin für Landesverteidigung, sondern die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die Landespolizeidirektion zuständig. Das Bundesverwaltungsgericht hätte die Unzuständigkeit der Revisionswerberin aufgreifen müssen.

6        1.4. Das Verwaltungsgericht hat die Revision unter Anschluss der Akten vorgelegt.

7        Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie u.a. vorbrachte, mittlerweile seien mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 18. Dezember 2019 die beiden gegenständlichen Schusswaffen der Kategorie B iSd. WaffG zugeordnet worden. Auch sei § 5 WaffG mit Wirksamkeit vom 14. Dezember 2019 dahin geändert worden, dass halbautomatische Gewehre, wie die gegenständlichen Schusswaffen, kein Kriegsmaterial im Sinne dieses Bundesgesetzes seien, sodass die Feststellung durch die Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau jedenfalls rechtskonform sei. Die Revisionswerberin sei daher klaglos gestellt.

8        Die Revisionswerberin erstattete über Vorhalt des Verwaltungsgerichtshofes eine Stellungnahme, in der sie die Klaglosstellung bestritt. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Feststellungsverfahren nach § 44 WaffG. Dieser Rechtsfrage komme über den konkreten Fall hinaus Bedeutung zu.

9        2.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.

10       Nach der hg. Rechtsprechung ist ein beim Verwaltungsgerichtshof anhängiges Verfahren auch im Falle einer Amtsrevision gemäß Art 133 Abs. 6 Z 2 B-VG bei Wegfall des rechtlichen Interesses an einer meritorischen Erledigung in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen (vgl. VwGH 24.3.2017, Ra 2015/11/0017, mwN).

11       § 33 Abs. 1 VwGG ist nicht auf Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt, vielmehr kann eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse an der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wegfällt (vgl. VwGH 11.6.2018, Ra 2018/11/0036, mwN).

12       2.2. Ein solcher Fall liegt hier vor:

13       Mit aktenkundigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 18. Dezember 2019 wurde auf Antrag der mitbeteiligten Partei festgestellt, dass die beiden gegenständlichen Schusswaffen der Kategorie B iSd. WaffG zuzuordnen sind. Es ist unstrittig, dass dieser Bescheid rechtskräftig ist.

14       Gemäß § 44 iVm. § 48 Abs. 1 WaffG trifft die Feststellung, welcher Kategorie eine bestimmte Schusswaffe zuzuordnen ist, die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die Landespolizeidirektion. Lediglich im Fall von Schusswaffen, die Kriegsmaterial sind, trifft diese Feststellung die Bundesministerin für Landesverteidigung. Gemäß § 19 Abs. 1 WaffG sind Schusswaffen der Kategorie B Faustfeuerwaffen, Repetierflinten und halbautomatische Schusswaffen, die nicht Kriegsmaterial oder verbotene Waffen sind. Zuständig zur Feststellung, dass eine Schusswaffe der Kategorie B iSd. WaffG zuzuordnen ist, ist daher nicht die Bundesministerin für Landesverteidigung, sondern die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die Landespolizeidirektion.

15       Nach der hg. Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht in jenen Fällen, in denen die belangte Behörde unzuständig war, diese Unzuständigkeit aufzugreifen und den bekämpften Bescheid zu beheben (vgl. VwGH 27.3.2018, Ra 2017/06/0247, mwN).

16       Das Bundesverwaltungsgericht, das im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung vertreten hat, bei den gegenständlichen Schusswaffen handle es sich um solche der Kategorie B iSd. WaffG, hätte daher den angefochtenen Bescheid der Revisionswerberin ersatzlos beheben müssen (und die Revisionswerberin, in Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts nach § 28 Abs. 5 VwGVG, den Feststellungsantrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde weiterleiten müssen). Das Bundesverwaltungsgericht könnte im vorliegenden Fall nach Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof im fortzusetzenden Verfahren auch nicht zu einer anderen Zuordnung der beiden gegenständlichen Schusswaffen kommen. Nach § 5 Abs. 1 Z 1 WaffG idF BGBl. I Nr. 97/2018, der mit 14. Dezember 2019 in Kraft getretenen ist (§ 62 Abs. 21 WaffG), sind nämlich halbautomatische Gewehre, wie die beiden gegenständlichen Schusswaffen (vgl. VwGH 28.2.2017, Ra 2015/11/0089, Rn 26), ausdrücklich vom Begriff des Kriegsmaterials iSd. WaffG ausgenommen (vgl. RV 379 BlgNR 26. GP 3 f).

17       Die Position der Revisionswerberin würde sich aber durch ein aufhebendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes schon deswegen nicht ändern, weil mit Bescheid der (zuständigen) Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau vom 18. Dezember 2019 bereits rechtskräftig festgestellt wurde, dass die beiden gegenständlichen Schusswaffen der Kategorie B iSd. WaffG zuzuordnen sind.

18       Damit hätte die in der Revision aufgeworfene Frage der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Feststellungsverfahren nach § 44 WaffG nur mehr theoretische Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Klärung von bloß theoretischen Rechtsfragen aber nicht berufen. Dies gilt auch dann, wenn die einem Revisionsfall zugrunde liegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren von Interesse ist (vgl. etwa VwGH 24.4.2018, Ra 2016/05/0112, 0113, mwN).

19       3. Die Revision war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

20       In Hinblick darauf, dass die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 58 Abs. 2 zweiter Satz VwGG nach freier Überzeugung entschieden, dass kein Aufwandersatz zugesprochen wird.

Wien, am 21. Oktober 2020

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110205.L00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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