TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/25 I422 2231959-1

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Entscheidungsdatum

25.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I422 2231959-1/7Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 30.04.2020, Zl. 1225765406/200179704, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist ein rumänischer Staatsangehöriger. Er reiste unbekannten Datums ins Bundesgebiet in und war vom 06.11.2018 bis zum 26.06.2019 mit Hauptwohnsitz an einer Obdachlosenadresse melderechtlich erfasst. Aufgrund von Verwaltungsübertretungen nach § 121 FPG erließ die belangte Behörde über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 18.06.2019, Zl. 1225765406-190366236 ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zwei Jahren. Das Aufenthaltsverbot erwuchs unbekämpft in Rechtskraft und wurde der Beschwerdeführer am 21.06.2019 nach Rumänien abgeschoben.

Entgegen des über ihn ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes reiste der Beschwerdeführer (spätestens) am 21.07.2019 erneut in das Bundesgebiet ein. Aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes wurde der Beschwerdeführer auf Anordnung der belangten Behörde am 17.10.2019 festgenommen und am 19.10.2019 nach Ungarn abgeschoben.

Am 14.02.2020 wurde der Beschwerdeführer abermals im Bundesgebiet aufgegriffen und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert. In weiterer Folge wurde er mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.03.2020, zu 22 Hv 65/19m für schuldig befunden im Zeitraum vom 01.03.2019 bis zum 17.10.2019 mit weiteren Mittätern in mehreren unterschiedlichen Drogeriemärkten Parfums und andere Toilettartikel weggenommen und sich dadurch unrechtmäßig bereichert zu haben und eine andere Person dadurch verletzte zu haben, indem er dieser mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte, wodurch die Person einen mehrfachen Bruch des Kieferknochens und einen Jochbeinbruch erlitt. Er beging dadurch das Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. erster Fall StGB und das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB und wurde rechtkräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.

Mit dem Schreiben vom 17.02.2020 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, sich zu der wegen seiner Einweisung und der vorangegangenen strafgerichtlichen Verurteilung beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern und konkrete Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen zu beantworten. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung nicht nach.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von acht Jahren (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der Notwendigkeit der sofortigen Durchsetzbarkeit und der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers begründet. Der Beschwerdeführer habe seine Zeit im Bundesgebiet ausschließlich zur Begehung von Diebstählen genutzt. Eine behauptete allfällige berufliche Tätigkeit bei einem Hotel habe nicht bestätigt werden können und ergeben sich auch aus dem Verhalten des Beschwerdeführers keinerlei Anzeichen dafür, dass er seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet auf legalem Weg beschreiten wolle. Im Zuge der Prüfung des Aufenthaltsverbotes keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde mit den Anträgen auf ersatzlose Behebung des Bescheides in eventu der Verkürzung des Aufenthaltsverbots in eventu der Gewährung der Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes. Zugleich wurden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerdeführer bringt dazu zusammengefasst vor, dass er seit März 2019 eine Beziehung zu einer in Innsbruck wohnhaften österreichischen Staatsangehörigen führe. Sie erwarte von ihm ein Kind und sei im sechsten Monat schwanger. Trotz der Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre führe der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin eine intensive und stabile Beziehung mit täglichem Kontakt. Das langjährige Aufenthaltsverbot und die Überstellung greife daher unverhältnismäßig in ihr geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben ein, da aufgrund der sozialen Verankerung der Lebensgefährtin für eine Übersiedelung nicht zumutbar sei.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister (IZR). Da die Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufweisen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die Beschwerde richtet sich (unter anderem) gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der betroffenen EWR-Bürger oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Der Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 70 Abs. 1 letzter Satz FPG für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde;

Da eine Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft derzeit nicht absehbar ist, ist es nicht notwendig, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Da sich jedoch aus dem Verwaltungsakt und dem Beschwerdevorbringen ein Privatleben des Beschwerdeführers ergibt und nicht hinreichend geklärt ist, ob der Beschwerdeführer dieses Privatleben tatsächlich und vor allem in welcher Intensität führt, besteht bei seiner Abschiebung nach Rumänien überdies die Gefahr einer Verletzung seiner nach Art 8 EMRK geschützten Rechte, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist. Aus diesen Gründen ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das Bundesverwaltungsgericht keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung Diebstahl ersatzlose Teilbehebung Interessenabwägung Kassation Privat- und Familienleben private Interessen Provisorialverfahren Spruchpunktbehebung Straffälligkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2231959.1.00

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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