TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/29 L518 2127996-1

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Entscheidungsdatum

29.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L518 2127996-1/13E

schriftliche ausfertigung des am 26.05.2020 mündlich verkündeten erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, LL.M., sowie RA Dr. Hans Peter KANDLER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.05.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als „bP“ bezeichnet), ist Staatsangehörige der Republik Georgien und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 02.07.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP im Wesentlichen Folgendes vor:

Seit ca. 2 Jahren haben ich und mein Mann ein Lebensmittelgeschäft gehabt. Wir wurden mehrmals von unbekannten Leuten bedroht. Mein Mann wurde am XXXX 2015 von unbekannten Männern mit einem Messer umgebracht. Aus diesem Grund konnte ich allein nicht allein in Georgien bleiben. Ich habe alles zurückgelassen. Ich möchte hier in Österreich medizinisch versorgt werden und ein Dach über Kopf bekommen. Meine Tochter hat ein eigenes Leben. Ich weiß nicht ob ich bei meiner Tochter leben kann. … Diese Leute die meinen Mann umgebracht haben, wollen auch mich umbringen.

I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP zum Fluchtgrund im Wesentlichen Folgendes vor:

LA: Aus welchen Gründen verließen Sie das Heimatland? Was war Ihrer Meinung nach der zuletzt ausschlaggebende Grund für Sie zu flüchten? Warum stellen Sie einen Asylantrag? Was ist passiert? Wie hat sich alles entwickelt?

VP: Mein Mann hat ein Geschäft aufgemacht, außer Lebensmittel hat er auch andere Sachen verkauft. Ich habe nicht gearbeitet, ich war zu Hause. Er hat uns auch mit den Lebensmitteln versorgt, er kümmerte sich, dass wir genug zum Essen hatten. In letzter Zeit merkte ich, dass er sehr angespannt und unruhig war. Ich weiß, dass er von irgendwelchen Männern aufgesucht und belästigt wurde. Es gab Konflikte mit ihnen, sie wollten ihm das Geschäft wegnehmen. Er war immer sehr betrübt. Wenn ich ihn fragte, was ist los, antwortete er sogar grob, dass ich mich nicht einmischen sollte. Eines Tages ist er gekommen und hat gesagt, dass er ihnen das Geschäft gegeben hatte. Ich fragte nach warum, er meinte wieder, dass ich mich nicht einmischen soll. Einmal kamen drei Männer zu uns nach Hause. Sie hatten Streit und einer hat dann mit dem Messer auf ihn eingestochen. Ich habe begonnen zu schreien: „ Ich weiß, wer ihr seid. Ich werde euch verhaften lassen.“ Ich habe sie beschimpft auch und einer der ganz groß war, hat mich am Hals gepackt und hat mir gedroht, wenn ich etwas sage, würden sie mich umbringen. Ich sollte überhaupt von dort weggehen, wenn ich noch am Leben bleiben will. Ich sagte ja, ich würde nichts mehr sagen, habe meine Tasche genommen, bin aus dem Haus gelaufen und ging zu Bekannten. Ich war nicht einmal bei dem Begräbnis meines Mannes. Sein Bruder hat in am 20. Mai begraben. Ich habe mich dort nicht mehr gezeigt. Ich bin dann ein bisschen noch geblieben, ich habe Angst vor diesen Leuten. Ich will nicht, dass sie mich auch umbringen. VP weint.

Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:

?        Geburtsurkunde (Original)

?        Arztbriefe

I.3.

Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.).

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung gewährt.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht asylrelevant und teilweise nicht nachvollziehbar und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid) :

Ihre Angaben zur Fluchtbegründung wurden zum Gegenstand dieses Bescheides erhoben.

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens – niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Im Rahmen Ihrer Erstbefragung am 02.07.2015 gaben Sie an, dass Sie mit Ihrem Mann ein Lebensmittelgeschäft gehabt hätten. Sie seien mehrmals von unbekannten Leuten bedroht worden. Ihr Mann sei am XXXX 2015 von unbekannten Männern mit einem Messer umgebracht worden. Aus diesem Grund hätten Sie nicht allein in Georgien bleiben können. Sie hätten alles zurückgelassen. Sie möchten hier in Österreich medizinisch versorgt werden und ein Dach über dem Kopf bekommen. Ihre Tochter habe ein eigenes Leben. Sie wüssten nicht, ob Sie bei Ihrer Tochter leben können.

Am 20.04.2016 bei Ihrer Einvernahme führten Sie aus, dass Ihr Mann das Lebensmittelgeschäft vor seinem Tod an unbekannte Männer abgetreten habe, die Ihn dazu genötigt hätten. Drei unbekannte Männer seien einmal zu Ihnen nach Hause gekommen, haben Ihren Mann erstochen, Sie am Hals gepackt und Ihnen mit dem Umbringen gedroht, wenn Sie etwas sagen. Sie hätten von dort weggehen müssen, um noch am Leben zu bleiben. Sie hätten Ihre Tasche genommen, seien aus dem Haus gelaufen und seien zu Bekannten gegangen. Sie seien nicht einmal bei dem Begräbnis Ihres Mannes gewesen. Ihr Schwager hätte ihn begraben. Sie hätten sich dort nicht mehr gezeigt. Bei Ihrer Bekannten XXXX , einer ehemaligen Arbeitskollegin von Ihnen, hielten Sie sich noch bis zum 26. Mai auf. An diesem Tag seien Sie Richtung Ukraine ausgereist.

Sie konnten Ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen.

Es bleibt in erster Linie unerklärt, was Sie zu befürchten gehabt hätten, nachdem Ihr Mann erstochen wurde. Sie haben blitzartig Ihr zu Hause verlassen, nachdem Sie einer von mehreren bei dem Überfall auf Ihrem Mann anwesenden Männern am Hals gepackt habe und Sie mit dem Umbringen bedroht habe. Wenn die Männer Sie hätten töten wollen, dann hätten sie damals Gelegenheit gehabt, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Der von Ihnen als groß und kräftig beschriebene Mann hatte Sie bereits am Hals gepackt, es wäre ihm sehr leicht möglich gewesen auch Sie zu töten. Es scheint weltfremd, dass die Männer Sie haben damals laufen lassen um Sie in weiterer Folge einige Zeit später zu suchen und zu töten. Diese Männer trachten Ihnen mit Sicherheit nicht nach dem Leben.

Auch Ihre Aussage, dass Ihr Mann fast zwei Jahre vor seinem Tod sehr unruhig war, weil ihn irgendwelche Männer belästigt hätten und er Ihnen immer wieder gesagt habe, dass Sie sich nicht einmischen sollten, erscheint in diesem Zusammenhang frei erfunden. Eine Belästigung und Bedrohung über einen Zeitraum von zwei Jahren ist nicht nachvollziehbar. Derart zu Gewalt bereite Personen hätten mit Sicherheit keine zwei Jahre zugewartet sondern hätten sich diese schon eher genommen, was sie wollen. In diesem Zusammenhang erklärten Sie selbst, dass Ihr Mann aufgrund der anhaltenden Bedrohungen und Belästigungen sein Geschäft bereits vor seinem Tod übergeben habe. Warum er dann tatsächlich getötet worden sein soll, bleibt daher von Ihnen unerklärt.

Es ist unglaubwürdig, dass Sie nicht dem Begräbnis Ihres Mannes beiwohnten und Ihr Schwager ihn ohne Sie begraben hat sowie dass Sie keinen Kontakt zu Ihrem Schwager mehr gehabt haben und auch nicht wissen, wer Ihren Mann gefunden hat. Erst nach Nachfrage gaben Sie an, dass wahrscheinlich die Nachbarn ihn gefunden haben. Von Bekannten wüssten Sie, dass Ihr Schwager Ihren Mann begraben hat. Jemanden zu begraben, sei bei Ihnen Sache der Männer, und Frauen würden sich da nicht einmischen.

Selbst wenn man Ihnen diesbezüglich Glauben schenkt, dass die Bestattung von Toten in Ihrer Heimat Männersache ist, dann mutet es befremdend an, nicht einmal irgendwelche Erkundigungen angestellt zu haben, was denn mit dem Ehegatten direkt nach der Messerstecherei passiert sei. Ihr Verhalten während beziehungsweise nach dem Überfall ist nicht lebensnahe sondern befremdlich. Es ist nicht glaubhaft, dass Sie, nachdem auf Ihren Gatten eingestochen worden sei, einfach Ihre Tasche genommen haben und gegangen seien ohne Hilfe zu holen oder sich später wenigstens nach seinem Zustand zu vergewissern, zumal Sie bei Ihrem Verlassen ja noch nicht mit Sicherheit wissen konnten, ob Ihr Gatte tatsächlich tot ist oder nur schwer verletzt. Doch laut Ihren Angaben haben Sie keinerlei Nachforschungen angestellt.

Sie wüssten demnach nicht, wann er tatsächlich gestorben sei und ob jemand noch die Rettung gerufen habe oder die Polizei. Sie gaben an, deshalb nicht zu der Polizei gegangen zu sein, weil Sie keine Georgierin seien und die nicht darauf reagieren würden. Sie seien als Jesidin auch aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit immer wieder beschimpft worden und sobald jemand Ihren Familiennamen gelesen habe, sei er unfreundlich geworden. Ihre Volksgruppe sei immer wieder unterdrückt und beschimpft worden. Dies steht nicht im Einklang mit den Länderfeststellungen. Eine systematische Verfolgung von Jesiden ist diesen nicht zu entnehmen.

Es gelang Ihnen nicht Ihr Fluchtvorbringen glaubhaft zu machen.

Dass Sie aufgrund Ihres Wunsches in Österreich medizinisch versorgt zu werden und ein Dach über dem Kopf zu bekommen, Ihre Heimat Georgien verließen erscheint glaubhaft.

Dass Ihnen in Ihrem Heimatland Verfolgung durch die Mörder Ihres Mannes droht und Sie in Georgien deshalb nicht bleiben konnten, konnten Sie nicht glaubhaft machen.

Es ist davon auszugehen, dass Sie aufgrund des Wunsches nach einer besseren medizinischen Versorgung und der Möglichkeit Ihrer Tochter nah zu sein, das österreichische Bundesgebiet aufsuchten. Die Gründe für Ihre Ausreise mögen im rein privaten Bereich, nämlich der Verbesserung der Lebenssituation gelegen haben und der für Sie kostspieligeren Behandlung in Ihrem Heimatstaat, eine Gefährdung Ihrer Person konnte jedenfalls aus obgenannten Gründen nicht glaubhaft dargelegt werden.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem von der georgischen Zentralregierung kontrollierten Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, im Falle der Bedürftigkeit die Übernahme der Behandlungskosten durch den Staat auf Antrag möglich ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Ebenso besteht ein Rückkehrprogramm, welches ua. materielle Unterstützung für bedürftige Rückkehrer, darunter auch die Zurverfügungstellung einer Unterkunft nach der Ankunft in Georgien bietet.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §3 55, 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb Rückehrentscheidung und Abschiebung in Bezug auf Georgien zulässig sind.

Die bB ging davon aus, dass es sich bei der Republik Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG handelt.

I.4. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Beweiswürdigung der bB nicht nachvollziehbar bzw. spekulativ sei und die bP ein glaubhaftes, relevantes Fluchtvorbringen erstattet habe.

I.5. Mit Schreiben vom 16.03.2020 gab der nunmehrige rechtsfreundliche Vertreter (nach Übermittlung einer Vollmachtsauflösung des früheren Vertreters) das Bevollmächtigungsverhältnis bekannt und erfolgte eine Urkundenvorlage (zur Integration und Befund aus dem Jahr 2016).

I.6. Für den 26.05.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurde – in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen - ua. hinsichtlich der Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und wurden die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Vorgelegt in der Verhandlung wurde von der bP:

?        Empfehlungsschreiben Verein XXXX

?        Fotos

?        Arztbestätigung

Der Rechtsvertreter brachte in einer abschließenden Stellungnahme vor: Die Länderfeststellungen der Behörde werden zur Kenntnis genommen, sie spiegeln jedoch nur einen sehr allgemeinen Überblick über die Menschenrechtslage in Georgien wieder. Die BF gehört der ethnischen Minderheit der Jesiden an. Sie hat heute in der Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass sie aufgrund dieser Zugehörigkeit von der georgischen Mehrheitsbevölkerung stigmatisiert wird. Jesiden erleiden Benachteiligungen im Berufsleben und auch im Bildungssektor. Es kommt aufgrund dieser Zugehörigkeit zu Übergriffen von Privatpersonen, wie es bei der BF der Fall war, die BF konnte auf Unterstützung der Polizei nicht zurückgreifen, weshalb sie ihr Heimatland verlassen musste. Der Staat ist auch nicht gewillt, ihr den notwendigen Schutz zu bieten. Die BF ist nun seit beinahe fünf Jahren in Österreich, sie hat außergewöhnliche Schritte in Richtung gelungener Integration getätigt. Sie hat Deutschkurse besucht, hat in ihrer Unterkunft eifrig mitgeholfen und ist Mitglied in einem ehrenamtlichen Verein. Diesbezüglich wurde ein Unterstützungsschreiben vorgelegt. Sowohl die BF, als auch ihre in Österreich lebende Tochter haben heute in der Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK besteht. Die gestellten Anträge bleiben somit inhaltlich aufrecht und es wird um eine positive Entscheidungsfindung ersucht.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, in welcher die Tochter der bP als Zeugin einvernommen wurde, wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP wurde iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde der bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

Mit Schreiben vom 26.05.2020 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

II.1.1.1. Bei der bP handelt es sich um eine Georgierin, welche sich zum jesidischen Glauben (Sonnenanbeter) bekennt. Vor der Ausreise lebte sie in Tiflis, wo sie auch die Schule besuchte und in einem Friseursalon arbeitete. Sie hat eine Ausbildung als Näherin absolviert.

II.1.1.2.

Die bP war 2016 wegen einer depressiven Störung in Behandlung, aktuell erfolgt diesbezüglich keine Behandlung.

Die bP leidet an Bluthochdruck und befand sich deswegen in Georgien in Behandlung. Sie nimmt Medikamente deshalb ein.

Bluthochdruck als auch Depression ist in Georgien behandelbar und hat die bP auch Zugang zum georgischen Gesundheitssystem. Soweit sie im Falle der Behandlung mit einem Selbstbehalt belastet wird, steht es ihr im Falle der Bedürftigkeit frei, die Kostenübernahme des Selbstbehaltes durch den Staat zu beantragen.

Die volljährig bP hat Zugang zum georgischen Arbeitsmarkt und es steht ihr frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen. Sie ist ein arbeitsfähiger Mensch mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Ebenso hat die bP Zugang zum –wenn auch minder leistungsfähige als das österreichische- Sozialsystem des Herkunftsstaates und kann dieses in Anspruch zu nehmen.

Darüber hinaus ist es der bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

II.1.1.3. Sie hat in ihrer Wohngemeinde in Österreich bei Veranstaltungen ehrenamtliche Tätigkeiten (Auf- und Abbau, Verteilaktion) übernommen. Sie betätigt sich im XXXX und hat Deutsch-Treffs besucht. Zudem hat sie in ihrem Wohnhaus Reinigungsarbeiten übernommen. Besondere soziale Kontakte in Österreich liegen nicht vor.

Ihre Tochter, welche über einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte plus verfügt, lebt seit 2002, nunmehr mit Mann und zwei Kindern in Österreich. Die bP hat mit der Tochter telefonischen Kontakt und finden regelmäßige Besuche statt. Die bP möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit 5 Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein. Sie lebt von der Grundversorgung und hat Deutschkurse (A1) besucht. Sie ist strafrechtlich unbescholten.

Die Identität der bP steht nicht fest.

Bei der volljährigen bP handelt es sich um einen mobilen, grundsätzlich gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es der bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates möglich, dort ihr Leben zu meistern.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Georgien

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt.(FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei „Georgischer Traum“ sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die „Allianz der Patrioten Georgiens“ (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der „Georgische Traum“ 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

?        CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

?        DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

?        Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

?        Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).

Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).

Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector‘s Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).

Am 10.5.2019 nahm der „State Inspector‘s Service“ als Nachfolgeorganisation des „Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten“ seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

?        PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

?        SIS - State Inspector‘s Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Umfangreicher Personalaustausch, insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsperson und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und gegebenenfalls unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an. 2017/18 gab es Berichte über angebliche Fälle von Misshandlungen in Polizeistationen (AA 27.8.2018).

Beim Besuch der Europäischen Anti-Folterkomitees des Europaratals (CPT) im September 2018 wurden seitens Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder zuvor befunden hatten kaum Anschuldigungen wegen Misshandlung durch Polizeibeamte erhoben. Keinerlei diesbezügliche Anschuldigungen gab es gegenüber dem Personal in temporären Haftinstitutionen (CoE-CPT 10.5.2019). Allerdings erhielt das Büro der Ombudsperson bis September 2018 149 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder die Polizei und ersuchte hierbei die Staatsanwaltschaft, in acht Fällen Untersuchungen einzuleiten. Keine der Untersuchungen führte zu einer Strafverfolgung (HRW 17.1.2019 ).

Was die Misshandlung betrifft, so gibt es den Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe für den Zeitraum 2017-2018. Die Fälle von Misshandlungen im Strafvollzug haben sich im Gegensatz zu den Fällen von Misshandlungen durch Polizeibeamte verringert (EC 30.1.2019).

Laut Bericht des Büros der Ombudsperson ist eine der wichtigsten Herausforderungen die Durchführung effektiver Untersuchungen in Fällen von Misshandlung. Die im Laufe der Jahre bestehenden Probleme im Hinblick auf eine effektive Untersuchung sind meist noch vorhanden und stellen definitiv ein Problem dar. Aus diesem Grund hegt die Ombudsperson große Hoffnungen in die Ermittlungsfunktionen des staatlichen Inspektorates (SIS).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.5.2019): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 [CPT/Inf (20 19 )16], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009081/2019-16-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

Korruption

Bei der Prävention und Bekämpfung der Korruption hat Georgien die Antikorruptionsstrategie und seinen Aktionsplan im Einklang mit den Verpflichtungen der Assoziationsagenda weiter umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor einige Bedenken hinsichtlich der Korruption auf hoher Ebene (EC 30.1.2019).

Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung angeblich die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 4.2.2019).

Im „Corruption Perceptions Index 2018“ von Transparancy International erreichte Georgien 58 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 41 von 180 Ländern (2017: 56 Punkte und Rang 46 von 180 Ländern) (TI 29.1.2019a). Zwar hat sich das Land im Ranking leicht verbessert, doch steht es vor einem Rückfall in der Demokratieentwicklung, was es anfällig für Korruption auf hoher Ebene macht. Dieser Rückwärtstrend ist unter anderem auf die mangelnde Rechenschaftspflicht bei der Strafverfolgung, Korruption und politische Einmischung in die Justiz und von der Regierung unterstützte Angriffe auf die unabhängige Zivilgesellschaft zurückzuführen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, Fälle von Korruption und Fehlverhalten in der Regierung zu untersuchen, hat Georgien es versäumt, unabhängige Stellen einzurichten, die dieses Mandat übernehmen. Straflosigkeit trägt zum öffentlichen Misstrauen bei. Laut einer kürzlich von Transparency International Georgia durchgeführten Umfrage glauben 36% der Bürger, dass Beamte ihre Macht zum persönlichen Vorteil missbrauchen. Das ist ein Anstieg des Wertes verglichen mit nur 12% im Jahr 2013 (TI 29.1.2019b).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

?        TI - Transparency International (29.1.2019a): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 22.8.2019

?        TI - Transparency International (29.1.2019b): Eastern Europe & Central Asia: weak checks and balances threaten anti-corruption efforts, https://www.transparency.org/news/feature/weak_checks_and_balances_threaten_anti_corruption_efforts_across_eastern_eu, Zugriff 22.8.2019

NGOs und Menschrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen, von der Regierung generell respektiert und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Einige wurden auch an wichtigen politischen Verfahren als Berater beteiligt (AA 11.12.2017).

Ein wachsendes Netzwerk von sogenannten „Watchdog“-NGOs wirbt zunehmend für Bürgerrechte. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 4.2.2019). 2018 kam es zu Statements des Justizministers und des Vorsitzenden des Parlaments, die sich an Menschenrechtsaktivisten richteten und darauf abzielten, die Arbeit von NGOs zu diskreditieren (HRC 2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

?        HRC – Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

Ombudsperson

Die Ombudsperson (Public Defender of Georgia) überwacht die Einhaltung der Menschenrechte und Freiheiten in Georgien. Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen. Sie analysiert auch die Gesetze, Richtlinien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Die Ombudsperson übt die Funktionen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) aus, der im Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) vorgesehen ist. Basierend auf dem Gesetz zur "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung" wird die Ombudsperson auch als Gleichbehandlungsstelle definiert, deren Hauptfunktion darin besteht, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht von Georgien Beschwerden ein, falls die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden. Die Ombudsperson ist ferner ermächtigt, die Funktion des Amicus Curiae bei den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgericht von Georgien auszuüben (ENNHRI 19.12.2017).

Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben. Mit ihren sehr zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu vielen Themen und Einzelfällen und mit konkreten Empfehlungen an Regierungsstellen erzielt sie viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die Ombudsperson veröffentlicht auch regelmäßig Berichte über ihre Erkenntnisse zur Menschenrechtslage. Die Regierung muss auf die Handlungsempfehlungen reagieren. Außerdem kann die Ombudsperson die Staatsanwaltschaft auffordern Untersuchungen einzuleiten und Verfassungsklagen erheben. Die Zahl der Regionalbüros im Land stieg auf neun. Der stetige Anstieg der Beschwerden zeigt ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Rechte und ein zunehmendes Ansehen der Institution des Ombudsperson (AA 27.8.2018).

NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson als objektivste aller staatlichen Einrichtungen, die sich mit Menschen- und Bürgerrechten befassen. Während das Büro der Ombudsperson im Allgemeinen ohne staatliche Einmischung arbeitet und als effizient gilt, berichtet die Ombudsperson im Gegenzug, dass die Regierungsstellen manchmal nur teilweise oder gar nicht auf Anfragen und Empfehlungen reagieren, obwohl sie verpflichtet sind, innerhalb von zehn Tagen zu antworten und Folgemaßnahmen innerhalb von 20 Tagen einzuleiten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        ENNHRI – European Network of National Human Rights Institutions (19.12.2017): The Public Defender (Ombudsman) of Georgia, http://www.ennhri.org/The-Public-Defender-Ombudsman-of-Georgia-131, Zugriff 26.8.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 26.8.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln postuliert. Mit der Ombudsperson für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, sodass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 27.8.2018).

Im Jahr 2018 wurden positive legislative und systemische Veränderungen in konkrete Richtungen vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen. Allerdings steht der Staat nach wie vor vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, die Gleichstellung aller zu gewährleisten. Die Gesetzgebung hat sich 2018 für die konkret gefährdeten Gruppen nicht verbessert. Ethnische und religiöse Minderheiten sind von Ungleichheit betroffen. Die LGBTI-Gemeinschaft ist mit außergewöhnlicher Aggression und Diskriminierung konfrontiert. Der Staat unternimmt keine wirksamen Schritte, um das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen (HRC 2019). Der unabhängige Ermittlungsmechanismus, der Überschreitungen von Amtsbefugnissen objektiv untersuchen soll, war 2018 noch nicht geschaffen (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019). Die Justiz erfüllte 2018 nicht die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verfahrensrechte der Opfer haben sich nicht verbessert (HRC 2019). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die Missbrauch anzeigen, den rechtlichen Opfer-Status zu gewähren, wodurch sie der Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakten beraubt werden (HRW 17.1.2019).

Im Jahr 2018 wurden die Grundrechte von Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie die Meinungsfreiheit mehrfach verletzt. Beobachtet wurde auch die Anwendung übermäßiger Gewalt seitens der Strafverfolgungsbehörden (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        AI – Amnesty International (22.2.2019): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444206.html, Zugriff 26.8.2019

?        HRC – Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Medienlandschaft ist dynamisch und pluralistisch, aber auch polarisiert. Rechtliche Auseinandersetzungen um den Besitz von Fernsehsendern schüren weiterhin die politische Kontroverse über eine mögliche politische Einmischung in den Medienpluralismus und die Justiz (EC 30.1.2019, vgl. RWB 2019).

Die Verfassung und die Gesetze sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor. Die Bürger können dieses Recht im Allgemeinen frei ausüben, obwohl es Behauptungen gibt, die Regierung schütze sie zuweilen nicht ausreichend. Im Laufe des Jahres 2018 äußerten Journalisten, NGOs und die internationale Gemeinschaft Bedenken hinsichtlich des Umfelds für den Medienpluralismus. Einige Medien und NGOs äußerten weiterhin ihre Besorgnis über den Medienpluralismus und den politischen Einfluss in den Medien, insbesondere gegenüber den regierungskritischen. Besorgnis bestand weiterhin in Bezug auf die Einmischung der Regierung bei bzw. Kritik an einigen Medien, welche die Standpunkte der politischen Opposition vertraten. Straftaten gegen Medienschaffende, Bürgerreporter und Medienunternehmen waren selten. 2018 gab es jedoch mindestens drei Berichte über solche Gewalttaten (USDOS 13.3.2019).

Die Bürger genießen im Allgemeinen Meinungsfreiheit, auch in der Online-Kommunikation. Allerdings haben Watchdog-Gruppen in den letzten Jahren Bedenken geäußert, dass verschiedene sicherheitsrelevante Gesetze die staatlichen Behörden befähigen, Überwachung und Datenerfassung ohne eine angemessene unabhängige Aufsicht vorzunehmen (FH 4.2.2019, vgl. USDOS 1.3.2019). Mit einem Gesetz aus dem Jahr 2017 wurde unter dem Dach des Staatssicherheitsdienstes eine neue elektronische Überwachungsbehörde geschaffen, die befugt wäre, Dienstleister wegen mangelnder Zusammenarbeit zu bestrafen. Datenschutzbeauftragte stellen infrage, dass das Gesetz mit früheren Urteilen des Verfassungsgerichts über staatliche Überwachungspraktiken übereinstimmt (USDOS 13.3.2019).

Die Reformen der letzten Jahre haben die Transparenz des Medienbesitzes und den Pluralismus des Satellitenfernsehens verbessert, aber die Eigentümer bestimmen immer noch häufig die redaktionellen Inhalte. Gewalt gegen Journalisten kommt seltener vor, obwohl häufig von Drohungen berichtet wird. Laut „Reporter ohne Grenzen“ rangiert Georgien im „World Press Freedom Index 2019“ auf Platz 60 von 180 Ländern und verbesserte sich um einen Rang im Vergleich zu 2018 (RWB 2019).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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