TE Bvwg Beschluss 2020/6/30 W243 2231382-1

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Veröffentlicht am 30.06.2020
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Entscheidungsdatum

30.06.2020

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W243 2231382-1/4E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marianne WEBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (festgestellte Volljährigkeit) alias XXXX alias XXXX , StA. Gambia, vertreten durch die ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2020, Zl. 1258214201-200064974, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, stellte am 17.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Gambia zu sein und am XXXX geboren zu sein.

Laut Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage wurde dem Beschwerdeführer von der portugiesischen Botschaft in Kiew ein für den Zeitraum 27.12.2019 bis 17.01.2020 gültiges Schengen-Visum ausgestellt. Zu seiner Identität wird dabei der Name XXXX , die Staatsangehörigkeit Gambia sowie das Geburtsdatum XXXX angeführt.

2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.01.2020 gab der Beschwerdeführer zunächst an, keine Familienangehörigen in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat der EU zu haben und an keinerlei Krankheiten oder sonstigen Beschwerden zu leiden. Den Entschluss zur Ausreise aus seinem Heimatstaat habe er im November 2019 gefasst, wobei sein Reiseziel Deutschland gewesen sei. Er sei von Gambia aus mit dem Schiff nach Spanien gelangt und sodann über unbekannte Länder bis nach Österreich gereist, wo er nunmehr seit 17.01.2020 aufhältig sei. In Spanien habe er sich für etwa einen Monat lang aufgehalten und in Barcelona auf der Straße um Geld gebettelt. Während seiner Reise habe es keinerlei Behördenkontakt gegeben und habe er nirgendwo sonst einen Asylantrag gestellt. Auch habe er von keinem Staat ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erlangt.

3. Am 21.01.2020 gab der Beschwerdeführer – nachdem er darüber belehrt wurde, dass wissentliche Falschangaben über sein Alter strafrechtliche Folgen haben können - schriftlich bekannt, dass sein Geburtsdatum der XXXX sei und langten daraufhin Lichtbilder der Datenseite eines gambischen Reisepasses sowie eines gambischen Geburtsregisterauszuges ein, aus denen ebenfalls der XXXX als sein Geburtsdatum zu entnehmen ist.

4. Am 24.01.2020 erfolgte eine vom Institut XXXX durchgeführte Untersuchung zur Bestimmung des Knochenalters des Beschwerdeführers, welche als Befund hervorbrachte, dass sämtliche Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia geschlossen seien. Jene an Radius und Ulna seien hingegen kortikal noch nicht vollständig knöchern durchbaut (Schmeling 3, GP 30).

In weiterer Folge wurde diesbezüglich per E-Mail seitens der Behörde der Sachverständige XXXX kontaktiert und dazu befragt, ob eine weitere „multifaktorielle“ Begutachtung im Hinblick auf das GP30-Ergebnis indiziert beziehungsweise, ob eine weitere Untersuchung sinnvoll wäre.

Der Sachverständige antwortete, dass betreffend den Beschwerdeführer kein Schlüsselbein-CT möglich sei.

5. Mit Verfahrensordnung gemäß § 7 VwGVG vom 09.02.2020, übernommen am 11.02.2020, wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Ermittlungen zur Altersfeststellung ergeben hätten, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine (bereits vor dem Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich) volljährige Person handle und wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen Wochenfrist eine Stellungnahme zur festgestellten Volljährigkeit abzugeben.

Begründend wurde ausgeführt, dass die vorgelegten Kopien des Reisepasses und der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers nicht verifizierbar und weitere Originale nicht vorgelegt worden seien. Dem Beschwerdeführer sei hingegen nachweislich ein portugiesisches Visum ausgestellt worden und gehe aus den hiezu dokumentierten Informationen hervor, dass er volljährig sei. Auch seien seine Angaben hinsichtlich seines Geburtsdatums widersprüchlich gewesen, zumal seine in der Erstbefragung gemachten Angaben zu seinem Geburtstag von seinem späteren Vorbringen abweichen würden. In einer Gesamtschau gehe die Behörde sohin von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers aus, insbesondere im Hinblick darauf, dass auch der Röntgenbefund kein eindeutiges Indiz für eine vom Beschwerdeführer angegebene Minderjährigkeit ergeben habe.

6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete in weiterer Folge am 10.02.2020 ein auf Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 der Dublin III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Portugal.

7. Mit Schreiben vom 18.02.2020, eingelangt bei der belangten Behörde am 20.02.2020, wurde von dem durch Vollmacht ausgewiesenen Rechtsberater des Beschwerdeführers eine Stellungnahme zu der Verfahrensanordnung vom 09.02.2020 abgegeben.

Darin wurde zunächst vorgebracht, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen minderjährigen Flüchtling aus Gambia handle, dessen Volljährigkeit ausdrücklich bestritten werde. Der Beschwerdeführer sei bereits während seiner Erstbefragung nicht gesetzeskonform behandelt worden, da er dabei nicht von einem Rechtsberater gesetzlich vertreten worden sei, obwohl er angegeben habe, minderjährig zu sein. Gegen die erfolgte rechtswidrige Einvernahme werde sohin Widerspruch erhoben und dürfe aus diesem Grund auch das anfänglich vom Beschwerdeführer irrtümlich angegebene Geburtsdatum ( XXXX ) nicht länger berücksichtigt werden. Das einzige Indiz für die Volljährigkeit des Beschwerdeführers seien demnach seine aus den VISA-Informationen zu entnehmenden Personalien. Da es aber offensichtlich sei, dass der Beschwerdeführer schlepperunterstützt in die EU eingereist sei, könne man davon ausgehen, dass der Schlepper des Beschwerdeführers zur Erlangung des portugiesischen Visums einen gefälschten Reisepass mit einem falschen Geburtsdatum verwendet habe. Der Beschwerdeführer habe Kopien von seiner Geburtsurkunde und seinem Reisepass vorgelegt und werde nunmehr auch das Original der Geburtsurkunde in Vorlage gebracht. Diese Dokumente würden die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bestätigen und habe die von der Behörde veranlasste medizinische Altersdiagnose - welche in einschlägigen Fachkreisen vielfach kritisiert werde - kein eindeutiges Indiz für die Minderjährigkeit - und sohin auch für die Volljährigkeit - des Beschwerdeführers ergeben. Der Beschwerdeführer habe sein Geburtsdatum konsistent mit XXXX angegeben und sehe er – zumal er nicht einmal Bartwuchs habe – offensichtlich nicht wie ein 23-jähriger Mann aus. Aufgrund dieser Umstände lägen begründete Zweifel am Alter des Beschwerdeführers vor und sei deshalb von seiner Minderjährigkeit auszugehen.

Der Stellungnahme wurde das Original der Geburtsurkunde des Beschwerdeführers beigelegt.

8. Am 27.03.2020 stimmte die portugiesische Dublin-Behörde der Übernahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zu.

9. Nach durchgeführter Rechtsberatung gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG fand am 15.04.2020 die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA im Beisein einer Rechtsberaterin statt. Der Beschwerdeführer erklärte dabei zunächst, sich physisch und psychisch in der Lage zu sehen, die Befragung durchzuführen und gab er zudem an, dass seine bereits getätigten Aussagen im Laufe der Erstbefragung der Wahrheit entsprochen hätten.

Er heiße XXXX , sei am XXXX geboren und sei Staatsangehöriger von Gambia. Zur Bestätigung seiner Identität habe er bereits eine Geburtsurkunde im Original sowie eine Kopie seines Reisepasses vorgelegt. Nachgefragt, ob er auch den Reisepass im Original vorlegen könne, führte der Beschwerdeführer aus, dass dies nicht möglich sei, da sich dieser bei seiner Ex-Freundin befinde, welche mittlerweile in Kanada lebe und zu der er keinen Kontakt mehr habe. Die Geburtsurkunde sei hingegen bei einem Freund gewesen, der ihm diese zugesandt habe. Dazu befragt, wie es der Beschwerdeführer erklären könne, dass es von ihm zwei Reisepässe mit unterschiedlichen Geburtsdaten gebe, erklärte der Beschwerdeführer, dass ihm vom Schlepper eine Fälschung angefertigt worden sei, um ihm die Einreise in die Ukraine und in weiterer Folge das Visum für Portugal zu ermöglichen. Der Schlepper habe alles vorbereitet und habe er daraufhin bloß zur portugiesischen Botschaft in Kiew gehen müssen, wo ihm die Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Darauf hingewiesen, dass die Botschaft normalerweise dazu gehalten ist, Pässe zu überprüfen, bevor ein Visum erteilt werde, erklärte der Beschwerdeführer weiters, dass die Person, welche den falschen Pass besorgt habe, über gute Kontakte verfüge und jemanden hierfür bestochen habe. Zur Frage, welche Reisedokumente der Beschwerdeführer nun für seine Einreise in die Mitgliedstaaten verwendet habe, führte der Beschwerdeführer aus, zunächst mit dem gefälschten Pass von der Ukraine in sein Heimatland zurückgekehrt und sodann ohne Reisedokumente von Gambia mit dem Boot nach Spanien gereist zu sein. Der gefälschte Reisepass mit dem Visum sei beim Schlepper verblieben.

Darauf hingewiesen, dass die Röntgenuntersuchung am 24.01.2020 ergeben habe, dass von seiner Volljährigkeit auszugehen sei, weshalb der von ihm mit XXXX angegebene Geburtstag nicht stimmen könne, entgegnete der Beschwerdeführer, doch bereits Originaldokumente vorgelegt zu haben, welche dies beweisen würden. Auch seien die zu seiner Person aufscheinenden Informationen der Visa-Datenbank, aus denen der XXXX als sein Geburtsdatum hervorgehe, bloß auf den zuvor erwähnten gefälschten Pass zurückzuführen.

Dazu befragt, ob der Beschwerdeführer in der EU beziehungsweise in Österreich, Norwegen, der Schweiz, in Lichtenstein oder in Island Verwandte habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis beziehungsweise eine besonders enge Beziehung bestehe, erklärte der Beschwerdeführer, dass einer seiner Onkel mütterlicherseits in Österreich lebe, zu dem er aber keinen Kontakt habe.

Nachgefragt, weshalb der Beschwerdeführer sein von Portugal erteiltes Visum nicht bereits in der Erstbefragung angeführt habe, zumal er doch dazu gefragt worden sei, ob er jemals ein Visum beantragt habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er sich nicht darin verwickeln habe wollen. Schließlich habe er das Visum ja auch nicht mit seinem eigenen Pass beantragt.

Zur beabsichtigten Vorgehensweise, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da sich die portugiesischen Behörden zur Durchführung seines Asylverfahrens bereit erklärt hätten, äußerte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dass es nie seine Absicht gewesen sei, nach Portugal zu kommen und er auch bisher nie dort aufhältig gewesen sei. Er habe jedenfalls die Wahrheit gesagt.

Die anwesende Rechtsberaterin brachte schließlich vor, dass nach dem Befund des Handwurzelröntgens die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen werden könne, weshalb seine Verfahrenszulassung beantragt werde.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.05.2020, zugestellt am 12.05.2020, wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Portugal gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, sowie II. gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Portugal gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Begründend wurde für den gegenständlichen Fall wesentlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer volljährig sei, was sich aus dem Treffer der Visa-Datenbank und der Zustimmung Portugals zur Übernahme des Beschwerdeführers erschließe. Auch habe das Ergebnis der Bestimmung des Knochenalters ergeben, dass von einer Volljährigkeit ausgegangen werden könne und sei laut Auskunft des Sachverständigen eine weitergehende Prüfung seines Alters nicht möglich. Der Beschwerdeführer habe unterschiedliche Angaben hinsichtlich seines Geburtsdatums gemacht und nicht überprüfbare Dokumente in Vorlage gebracht, nicht aber seinen originalen Reisepass. Auch sei es unglaubwürdig, dass er, obwohl er im Besitz eines gültigen Schengen-Visums gewesen sei, illegal auf dem Seeweg über Spanien eingereist sei.

Die Zuständigkeit Portugals stehe zweifellos fest, ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet und eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Portugal sei nicht erkannt worden. Aus der Aktenlage seien auch weder schützenswerte familiäre noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

11. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 25.05.2020, eingelangt am 26.05.2020, durch seine Vertretung gemäß § 52 BFA-VG fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und wurde gleichzeitig der Antrag gestellt, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

In der Beschwerde wurde zunächst moniert, dass der angefochtene Bescheid keinen Spruch und keine Rechtsmittelbelehrung gemäß § 12 Abs. 1 BFA-VG aufweise und dieser auch nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Obwohl in der Stellungnahme vom 18.02.2020 und in der vorgelegten Vollmacht die Zustelladresse mit XXXX angegeben gewesen sei, habe die belangte Behörde den Bescheid an die Adresse „ XXXX “ zugestellt.

Die Behörde setze sich zu Unrecht nicht näher mit der eingebrachten Stellungnahme vom 18.02.2020 auseinander, in der zahlreiche Gründe genannt worden seien, die an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers zweifeln ließen und hätte die Behörde auch konkret ermitteln müssen, ob es sich bei den vom Beschwerdeführer als Nachweis für seine Minderjährigkeit vorgelegten Dokumente, nämlich die Kopie seines echten Reisepasses und das Original seiner Geburtsurkunde, um Fälschungen handle. Abgesehen davon sei in der Beweiswürdigung der belangten Behörde das in der niederschriftlichen Einvernahme vom 15.04.2020 gemachte Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach ein Schlepper sein portugiesisches Visum mit gefälschten Daten und Dokumenten erlangt habe, nicht hinreichend gewürdigt worden und sei auch die ärztliche Untersuchung zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen, weshalb im Zweifel für die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zu entscheiden gewesen wäre. Schließlich habe der Beschwerdeführer auch vorgebracht, dass sich ein Onkel mütterlicherseits in Österreich aufhalte, weshalb auch hiezu konkrete Ermittlungen unternommen werden hätten müssen. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass im gegenständlichen Fall eine Anwendung von Art. 8 Dublin III-VO und somit die Zuständigkeit Österreichs erforderlich sei.

12. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.06.2020, GZ. W243 2231382-1/3Z, wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 17.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und gab dabei die oben angeführten Personalien und das Geburtsdatum XXXX an.

Im späteren Verlauf des Verfahrens gab er hingegen an, am XXXX geboren zu sein und legte er Kopien eines gambischen Reisepasses und einer Geburtsurkunde - sowie später das Original dieser Geburtsurkunde - in Vorlage, aus denen ebenfalls das nunmehr angegebene Geburtsdatum zu entnehmen ist.

Dem Beschwerdeführer wurde von der portugiesischen Botschaft in Kiew ein Schengen-Visum für den Zeitraum 27.12.2019 bis 17.01.2020 erteilt. In den Visa-Informationen scheint als Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX auf.

Am 24.01.2020 erfolgte eine vom Institut XXXX durchgeführte Untersuchung zur Bestimmung des Knochenalters des Beschwerdeführers. Der Röntgenbefund ergab kein eindeutiges Indiz für die Minderjährigkeit beziehungsweise Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Weitere medizinische Untersuchungen zur Feststellung des Alters des Beschwerdeführers unterblieben.

Am 27.03.2020 erklärte sich die portugiesische Dublin-Behörde zur Übernahme des Beschwerdeführers ausdrücklich bereit.

Mit Bescheid vom 09.05.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, gegen ihn gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Portugal gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

Die Volljährigkeit des Beschwerdeführers (zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich) blieb ungeklärt, weshalb zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheids keine Entscheidungsreife vorlag.

Im Übrigen wird der unter I. angeführte Verfahrensgang festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, der gegenständlichen Antragstellung des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie des Verfahrensganges ergeben sich aus der hiezu unbedenklichen Aktenlage.

Die Feststellungen hinsichtlich des dem Beschwerdeführer erteilten portugiesischen Schengen-Visums und den diesbezüglich dokumentierten Daten betreffend den Beschwerdeführer ergeben sich insbesondere aus den Informationen der VIS-Abfrage.

Das Ergebnis des durchgeführten Handwurzelröntgens zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem medizinischen Befund des Instituts XXXX anlässlich der am 24.01.2020 erfolgten Untersuchung.

Dass die Volljährigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung im gegenständlichen Fall nicht geklärt ist, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Zunächst ist hinsichtlich der vom Beschwerdeführer während seiner Erstbefragung protokollierten Daten zu seinem Geburtstag ( XXXX ), welche von seinen späteren hiezu gemachten Angaben ( XXXX ) abweichen, - wie bereits in der Stellungnahme vom 18.02.2020 vorgebracht - anzumerken, dass der Beschwerdeführer während der Erstbefragung nicht im Beisein eines als sein gesetzlicher Vertreter agierenden Rechtsberaters gemäß § 10 Abs. 3 BFA-VG vernommen wurde, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt erklärte, minderjährig zu sein. Da sohin nicht sichergestellt werden konnte, dass durch das Beisein einer entsprechenden gesetzlichen Vertretung allfällige Irrtümer zu den vom Beschwerdeführer gemachten Angaben leicht aufgeklärt werden hätten können, kann dem Beschwerdeführer folglich nicht zur Last gelegt werden, wenn seine während der Erstbefragung gemachten Angaben im Widerspruch zu seinem späteren Vorbringen stehen und ist das diesbezüglich von der Behörde erkannte Indiz zur Volljährigkeit des Beschwerdeführers nicht weiter zu berücksichtigen.

Auch wenn vom Beschwerdeführer folglich gleichlautende Angaben hinsichtlich seines Geburtsdatums gemacht wurden und er auch entsprechende Unterlagen als Nachweis für seine behauptete Minderjährigkeit in Vorlage bringen konnte, ging demgegenüber aus dem Treffer der Visa-Datenbank und den dort angeführten Daten zum Beschwerdeführer hervor, dass dieser bereits am XXXX geboren ist.

Insofern gab es sowohl Indizien für als auch gegen die Volljährigkeit beziehungsweise Minderjährigkeit des Beschwerdeführers und ist der Behörde demnach auch nicht vorzuhalten, dass sie zur Abklärung des behaupteten Alters die Durchführung eines Handwurzelröntgens zur Altersfeststellung veranlassen ließ.

Zumal dieses aber zu keinem eindeutigen Ergebnis führte, hätte die Behörde den medizinischen Befund nicht ohne weiteres zur Untermauerung der von ihr erkannten Indizien heranziehen dürfen und hätte sie, sofern sie weiterhin Bedenken hinsichtlich der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers hegte, allenfalls weitere Ermittlungsschritte zur Feststellung seines Alters setzten müssen, widrigenfalls zu Gunsten seiner Minderjährigkeit zu entscheiden gewesen wäre.

Dass die begründeten Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers auch nach dem durchgeführten Handwurzelröntgen fortbestanden, zumal zahlreiche Gründe für dessen Minderjährigkeit sprechen würden, wurde auch in der von der Rechtsberatung des Beschwerdeführers eingebrachten Stellungnahme vom 18.02.2020 aufgezeigt. Darin wurde zusätzlich vorgebracht, dass die in der VIS-Datenbank zu seiner Person ersichtlichen Informationen bloß auf einen von einem Schlepper gefälschten Reisepass zurückzuführen seien, den er zur Erlangung des ihm ausgestellten portugiesischen Visums verwendet habe und wurde als weiteren Nachweis für die vom Beschwerdeführer behauptete Minderjährigkeit der Stellungnahme das Original seiner Geburtsurkunde beigelegt.

Da sich das BFA nicht weiter mit dieser Stellungnahme auseinandersetzte, blieb eine abschließenden Beurteilung des Sachverhaltes aus. So wurde weder die in der Stellungnahme vorgebrachte Erklärung für das in den VIS-Informationen aufscheinende Geburtsdatum des Beschwerdeführers bei der Entscheidungsfindung der Behörde entsprechend gewürdigt noch wurden weitere Ermittlungsschritte zur Ausräumung der offensichtlich weiterhin bestehenden Zweifel am Alter des Beschwerdeführers angeordnet. Die im Original vorgelegte Geburtsurkunde des Beschwerdeführers wurde keiner Echtheitsprüfung unterzogen und wurden auch keine weiteren Untersuchungen im Sinne einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose veranlasst. Aus welchen Gründen der von der Behörde kontaktierte Sachverständige zur Ansicht gelang, dass ein Schlüsselbein-CT im gegenständlichen Fall nicht möglich sei, ist weder dem Bescheid noch dem Akteninhalt zu entnehmen.

Auch wenn es – worin der Behörde zuzustimmen ist - unglaubwürdig erscheint, dass der Beschwerdeführer – wie von ihm in der Einvernahme am 15.04.2020 vorgebracht - trotz gültigen Visums, dieses gar nicht verwendet haben und stattdessen mit dem Boot illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist sein soll, so ist es dennoch möglich, dass es sich bei dem für die Beantragung des portugiesischen Visums verwendeten Reisepasses um eine Fälschung handelt. Ob der Beschwerdeführer das beantragte Visum nun auch tatsächlich benützt hat oder nicht, sagt demnach nichts über die Richtigkeit des Reisedokumentes aus, weshalb auch darin kein (hinreichendes) Indiz für die Volljährigkeit des Beschwerdeführers erkannt werden kann.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer während seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vorbrachte, einen in Österreich lebenden Onkel zu haben. Weshalb die belangte Behörde nun zur Feststellung gelangt, dass keine familiären Anknüpfungspunkte betreffend den Beschwerdeführer in Österreich vorliegen würden, ist sohin nicht erklärbar und hätte sie jedenfalls auch dazu entsprechende Ermittlungen tätigen müssen. So hätte der namhaft gemachte Onkel das Alter des Beschwerdeführers eventuell bezeugen können und würde für den Fall, dass es sich beim Beschwerdeführer tatsächlich um einen Minderjährigen handle, auch eine mögliche Obsorge des Onkels im Raum stehen, wobei hierbei das Wohl des Kindes entsprechend zu berücksichtigen wäre.

Festzuhalten ist, dass auch nach der durchgeführten Röntgenuntersuchung begründete Zweifel am Alter des Beschwerdeführers bestehen blieben, da von der Behörde keine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes vorgenommen wurde und die von ihr erkannten Indizien zur Beurteilung der Volljährigkeit des Beschwerdeführers schlicht nicht ausreichend waren, um diese zu belegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

„§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

[...]

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.“

„§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.-5. [...]

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2)-(3) [...]“

3.2. § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

„§ 61. (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. [...]

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.“

3.3. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

„Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 8 Minderjährige

(1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehöriger oder eines der Geschwister des unbegleiteten Minderjährigen rechtmäßig aufhält, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient. Ist der Antragsteller ein verheirateter Minderjähriger, dessen Ehepartner sich nicht rechtmäßig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, so ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem sich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener - der entweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats für den Minderjährigen zuständig ist - oder sich eines seiner Geschwister aufhält.

(2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, der einen Verwandten hat, der sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, und wurde anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt, dass der Verwandte für den Antragsteller sorgen kann, so führt dieser Mitgliedstaat den Minderjährigen und seine Verwandten zusammen und ist der zuständige Mitgliedstaat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

3) Halten sich Familienangehörige, Geschwister oder Verwandte im Sinne der Absätze 1 und 2 in mehr als einem Mitgliedstaat auf, wird der zuständige Mitgliedstaat danach bestimmt, was dem Wohl des unbegleiteten Minderjährigen dient.

(4) Bei Abwesenheit eines Familienangehörigen eines seiner Geschwisters oder eines Verwandten im Sinne der Absätze 1 und 2, ist der Mitgliedstaat zuständiger Mitgliedstaat, in dem der unbegleitete Minderjährige seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjährigen dient.

(5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Ermittlung von Familienangehörigen, Geschwistern oder Verwandten eines unbegleiteten Minderjährigen; die Kriterien für die Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung; die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit eines Verwandten, für den unbegleiteten Minderjährigen zu sorgen, einschließlich der Fälle, in denen sich die Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandten des unbegleiteten Minderjährigen in mehr als einem Mitgliedstaat aufhalten, delegierte Rechtsakte zu erlassen. Bei der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte geht die Kommission nicht über den in Artikel 6 Absatz 3 vorgesehenen Umfang des Wohls des Kindes hinaus.

(6) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a)       der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b)       der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c)       bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.“

3.4. § 13 Abs. 3 des BFA-Verfahrensgesetz (BFA- VG) idgF lautet:

„Gelingt es dem Fremden nicht, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, kann das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose (§ 2 Abs. 1 Z 25 AsylG 2005) auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar. Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen.“

3.5. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

3.6. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass in casu die gegenständliche Entscheidung des BFA auf Basis eines insgesamt qualifiziert mangelhaften Verfahrens ergangen ist, weshalb eine Behebung und Zurückverweisung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zu erfolgen hatte. Dies aus folgenden Erwägungen:

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, bestanden bis zuletzt begründete Zweifel am Alter des Beschwerdeführers, die auch nach einer durchgeführten Untersuchung zur Bestimmung des Knochenalters zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers nicht ausgeräumt werden konnten. Zumal es die Behörde zudem verabsäumte, auf das vom Beschwerdeführer – insbesondere mit Stellungnahme vom 18.02.2020 – erstattete Parteienvorbringen hinreichend einzugehen, erfolgte keine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes und ist folglich auch nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu ihrer Einschätzung gelang, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine volljährige Person handle. Insofern die Behörde konkrete Bedenken hinsichtlich des vom Beschwerdeführer gemachten Vorbringen hatte, hätte sie jedenfalls auch weitere Ermittlungsschritte vorzunehmen gehabt, um das Alter des Beschwerdeführers verlässlich feststellen zu können, wobei die dabei erzielten Ergebnisse sodann in Relation zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu setzen gewesen wären.

Da anzunehmen ist, dass die Bedenken der Behörde hinsichtlich der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers weiterhin bestehen, wird im gegenständlichen Fall erst nach Nachholung entsprechender Ermittlungsschritte wie etwa der erforderlichen Überprüfung der vorgelegten Geburtsurkunde im Original, der Durchführung weiterer medizinischer Untersuchungen, allenfalls einer Zeugeneinvernahme des Onkels und insbesondere einer näheren Auseinandersetzung mit dem Parteienvorbringen die Frage nach dem für den Beschwerdeführer zuständigen Dublinstaat geklärt werden können, beziehungsweise können erst im Anschluss daran die sich aus diesem Zusammenhang ergebenden Verfahrensfragen seitens der gerichtlichen Überprüfungsinstanz beurteilt und überprüft werden.

Sofern auch danach noch begründete Zweifel am Alter des Beschwerdeführers bestehen, wird jedoch gemäß § 13 Abs. 3 BFA-VG von seiner Minderjährigkeit auszugehen sein und somit gemäß Art. 8 Dublin III-VO Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

3.7. Auf die in der Beschwerde angeführte Zustellproblematik war vor dem Hintergrund des ungeklärten Alters des Beschwerdeführers nicht näher einzugehen. Im Falle der Minderjährigkeit wären Zustellungen ohnehin an den gesetzlichen Vertreter vorzunehmen.

3.8. Abschließend ist jedoch festzuhalten, dass die Behörde sehr wohl im Sinne des § 12 Abs. 1 BFA-VG dazu gehalten war, den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides in eine für den Beschwerdeführer verständliche Sprache übersetzen zu lassen. Da derartige Mängel aber lediglich zur Widereinsetzung gemäß § 71 AVG berechtigen und die Beschwerde ohnehin fristgerecht eingelangt ist, hatte dieser Mangel im Konkreten keine Auswirkungen auf den gegenständlichen Fall und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.9. Gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht im Ergebnis weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderjährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W243.2231382.1.01

Im RIS seit

04.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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