TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/1 I406 1408690-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2020
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Entscheidungsdatum

01.07.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52
IntG §10
IntG §9 Abs4
NAG §81 Abs36
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 1408690-3/53E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, Jordangasse 7/4, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.06.2017 und am 19.05.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und Amjad EMIL eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsbürger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.06.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, in Ägypten als koptischer Christ aufgrund seiner Religionszugehörigkeit durch radikale Islamisten verfolgt zu werden.

2.       Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.08.2009, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz negativ entschieden. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ägypten ausgewiesen.

3.       Mit Erkenntnis vom 02.12.2013, Zl. B9 408690-1/2009, gab der Asylgerichtshof einer dagegen erhobenen Beschwerde statt, behob den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

4.       Mit Bescheid vom 11.03.2014, Zl. XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Ägypten fest. Gleichzeitig wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt III.)

5.       Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 18.05.2015, Zl. I406 1408690-2/14E nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.04.2015 in Bezug auf die Spruchpunkte I. (Nicht-Gewährung des Status eines Asylberechtigten) und II. (Nicht-Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten) als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Spruchpunkt III. (Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet) gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 behoben und die Angelegenheit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen.

6.       Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 25.11.2016, Zl. XXXX , erteilte das BFA dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt I.). Es wurde eine zweiwöchige Frist für eine freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt II.). Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, es liege schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor. Bei seiner am XXXX 2016 geschlossenen Ehe mit einer ungarischen Staatsangehörigen bestehe der Verdacht einer Scheinehe.

7.       Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG vom 22.11.2016 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich, als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

8.       Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seinen damaligen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 15.12.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und machte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafte, bzw. unrichtige Bescheidbegründung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Der Beschwerdeführer sei seit über sieben Jahren in Österreich aufhältig, sei verehelicht, der deutschen Sprache gut mächtig, habe in der Vergangenheit gearbeitet und hierzu entsprechende Unterlagen vorgelegt. Er habe einen Freundeskreis in Österreich aufgebaut, sei in Österreich fest verankert. Eine Scheinehe – wie vom BFA angenommen – bestehe nicht und auch die Staatsanwaltschaft habe ihr diesbezügliches Ermittlungsverfahren eingestellt. Zudem habe das BFA die Ehefrau des Beschwerdeführers nicht einvernommen. Dieser verfüge somit über ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet, in das die Rückkehrentscheidung unzulässigerweise eingreife.

9.       Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.12.2016 vorgelegt.

10.      Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17.05.2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen zur Lage in Ägypten und räumte ihm die Gelegenheit ein, zur Frage einer allfälligen sozialen Verfestigung in Österreich Stellung zu nehmen. Eine solche wurde am 09.06.2017 übermittelt.

11.      Am 13.06.2017 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, einer als Zeugen befragten Vertrauensperson des Beschwerdeführers und zweier Dolmetscher für die Sprachen Arabisch und Ungarisch, sowie in Abwesenheit seiner damaligen Rechtsvertretung, der als Zeugin geladenen Ehefrau sowie eines Vertreters der belangten Behörde statt.

12.      Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 21.10.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen zur Lage in Ägypten und gewährte dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, eine Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben im Bundesgebiet zu erstatten. Am 28.10.2019 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

13.      Am 19.05.2020 fand eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1.    Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.2     Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige und verheiratete Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ägypten, am XXXX geboren, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und koptischer Christ. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Seine Identität steht in Ermangelung identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist ein grundsätzlich gesunder, arbeitsfähiger und selbsterhaltungsfähiger Mensch. Er hat nach eigenen Angaben in Ägypten acht Jahre lang die Schule besucht und war über mehrere Jahre berufstätig mit ausreichendem Einkommen.

Der Beschwerdeführer reiste illegal unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und hält sich seit mindestens 12.06.2009 in Österreich auf. Zwischen 08.06.2018 und 04.04.2019 war er behördlich nicht im Bundesgebiet gemeldet. Er hielt zu dieser Zeit in Deutschland auf, wo er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am 21.03.2019 wurde er gemäß Artikel 29 Abs. 3 der Dublin III-Verordnung von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

Dem Beschwerdeführer kommt weder der Status eines Asylberechtigten, noch eines subsidiär Schutzberechtigten zu. Sein diesbezüglicher Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.05.2015, Zl. I406 1408690-2/14E, abgewiesen, wobei das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurde.

Am 28.05.2016 heiratete der Beschwerdeführer die ungarische Staatsbürgerin XXXX . Von 21.03.2016 bis 23.04.2018 waren sie an einer gemeinsamen Wohnadresse gemeldet. Mittlerweile lebt der Beschwerdeführer von seiner Ehefrau getrennt, letztere in Ungarn, vor ungefähr acht Monaten war der letzte Kontakt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des BFA vom 22.09.2017, Zl. XXXX gemäß § 66 FPG nach Ungarn ausgewiesen.

Es ist nicht abschließend feststellbar, ob es sich bei dieser Ehe um eine Aufenthaltsehe handelt, die vorrangig zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung geschlossen worden war.

Es können keine Feststellungen getroffen werden zum Vorbringen zur Existenz einer gemeinsamen Tochter.

In Österreich leben die beiden Schwestern des Beschwerdeführers G.E. und N.E. mit deren Ehemännern und Kindern, mit denen er in regelmäßigem Kontakt steht. Seit dem 21.02.2020 ist er an einer gemeinsamen Adresse mit seiner Schwester N. und deren Ehemann gemeldet. Er wird von seinen beiden Schwagern finanziell mit insgesamt rund 250 EUR pro Monat und fallweise bei größeren Anschaffungen, etwa der Leistung von Wohnungskautionen, unterstützt. Ansonsten verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen im Bundesgebiet.

In Ägypten verfügt der Beschwerdeführer über einen Onkel.

Der Beschwerdeführer hat verschiedene Deutschkurse besucht und spricht Deutsch auf fortgeschrittenem Niveau.

Er ist Mitglied einer koptisch-orthodoxen Kirche und ist in die Kirchengemeinschaft eingebunden. Er hat in Österreich Freundschaften geschlossen. In den Jahren 2009 und 2010 hat er fallweise als geringfügig beschäftigter Stundenaushelfer für die XXXX in der XXXX gearbeitet und engagierte sich freiwillig in seinem Umfeld in seiner ehemaligen Wohngemeinde, wo er von März 2019 bis Februar 2020 lebte. Darüberhinaus kann er eine Einstellungszusage als XXXX vorweisen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

2. Beweiswürdigung

2.1 Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister (IZR) dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlungen am 13.06.2017 und am 19.05.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seinen persönlichen Verhältnissen in Ägypten wie auch in Österreich, seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, seinem Familienstand, seiner Schulbildung und zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben gegenüber dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht. Die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid blieben unwidersprochen.

Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit Juni 2009 und zu seinem negativ entschiedenen Asylantrag ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers, einer am 12.05.2020 eingeholten ZMR-Auskunft und einem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister.

Die Feststellungen zur Ehe des Beschwerdeführers beruhen auf seinem Vorbringen und der dem Akt inneliegenden Heiratsurkunde (AS 521).

Die Feststellung, dass keine Feststellungen getroffen werden kann zum Vorbringen zur Existenz einer gemeinsamen Tochter beruht darauf, dass der Beschwerdeführer zu dieser keinerlei Unterlagen vorlegte.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2020 sowie darauf, dass er auf die der Verhandlung folgenden Aufforderung, ein allfälliges A2-Sprachzertifikat zu übermitteln, lediglich eine Bestätigung über den Besuch eines diesbezüglichen Kurses vorlegte.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer abgesehen von seinen beiden im Bundesgebiet lebenden Schwestern mit deren Familien in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige hat erschließt sich aus seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht, ebenso die Feststellung, dass er in Ägypten über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Die Feststellung zur behördlichen Meldung des Beschwerdeführers an der Adresse seiner Schwester und deren Familie ergibt sich aus einem eingeholten ZMR-Auszug, die Feststellung zur finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine beiden Schwager aus den vorgelegten Unterstützungsschreiben.

Die Feststellungen zu den integrativen Schritten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben gegenüber dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht und den vorgelegten Unterlagen.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers leitet sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 12.05.2020 ab. Dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem am 12.05.2020 eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes.

3. Rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zur Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I. erster Spruchteil des angefochtenen Bescheides)

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., erster Spruchteil, des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I. zweiter Spruchteil des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG sowie gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ein Aufenthaltstitel gem. § 57 von Amts wegen nicht zu erteilen ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen.

Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Maßgeblich sind dabei etwa die die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074; VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043).

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100, mwN).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des VwGH regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325; auch VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249; 30.08.2011, 2008/21/0605; 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

Nach der Judikatur des VwGH ist aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (VwGH 17.10.2016 Ro, 2016/22/0005; 23.02.2017 Ra 2016/21/0340).

Dabei sah es der Verwaltungsgerichtshof etwa als nicht zu beanstanden, wenn der Umstand, dass ein Revisionswerber durch die Nichtvorlage seines Reisepasses die Effektuierung der Ausweisung behindert hat als die Länge der Aufenthaltsdauer relativierend gesehen wurde (vgl. etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0197, Rn. 9, in dem darauf abgestellt wurde, dass die lange Aufenthaltsdauer und das dabei erreichte Maß an Integration auf Grund einer Täuschungshandlung ermöglicht worden ist; bzw. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0009, Rn. 15, mwN, in dem darauf abgestellt wurde, dass die Beschaffung eines Heimreisezertifikates - dort: durch unrichtige Angaben - erschwert bzw. behindert worden ist; vgl. zuletzt VwGH 29.08.2018, Ra 2018/22/0180).

Ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale können gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 10. November 2015, Ro 2015/19/0001; B 3. September 2015, Ra 2015/21/0121; B 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (zB AuslBG, E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062; B 25. April 2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. B 20. Juli 2016, Ra 2016/22/0039; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. E 31. Jänner 2013, 2012/23/0006).

Im Ergebnis bedeutet das, dass auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen ist, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer." (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des Fremden ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu, er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 253).

In seinem Erkenntnis vom 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 hat der Verwaltungsgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zum Thema mehr als zehnjähriger Aufenthalt und Integration wie folgt zusammengefasst:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat unter anderem folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - als Anhaltspunkte dafür anerkannt, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren:

Dazu zählen die Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025, vom 18. Oktober 2012, 2010/22/0136, sowie vom 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. das Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165, sowie das Erkenntnis vom 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie das Erkenntnis vom 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. die Erkenntnisse vom 23. Mai 2012, 2010/22/0128, sowie (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) vom 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. die Erkenntnisse vom 18. März 2014, 2013/22/0129, sowie vom 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. das Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. das zitierte Erkenntnis Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. das Erkenntnis vom 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. die zitierten Erkenntnisse Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. das zitierte Erkenntnis 2011/23/0365)."

Diese Rechtsprechung bestätigte der Verwaltungsgerichtshof auch in jüngeren Entscheidungen:

„Wird einem Fremden sowohl ein Beherrschen der deutschen Sprache als auch in der Vergangenheit ausgeübte Erwerbstätigkeiten und das Vorhandensein von Einstellungszusagen zugestanden, kann keine Rede davon sein, dass er sich überhaupt nicht integriert hätte; dass insbesondere Einstellungszusagen keine Bedeutung zukommt, trifft in Zusammenhang mit einem langjährigen Aufenthalt nicht zu (Ra 2016/21/0168 vom 26.01.2017; vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165).“

Auch ein während eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstandenes Familienleben hat vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass diesem überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041; Hinweis E vom 19. Juni 2012, 2012/18/0027, 2012/18/0055).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt - auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) - nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erk. des VfGH v. 9.6.2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; hg. Erk. v. 26.1.2006, 2002/20/0423 und Folgejudikatur, etwa die hg. Erk. v. 26.1.2006, 2002/20/0235, vom 8.6.2006, 2003/01/0600, vom 22.8.2006, 2004/01/0220 und vom 9.2.2007, 2005/20/0040); vgl. auch VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 und VwGH 19.11.2010, 2008/19/0010, u. v.a.).

Als Kriterien hierfür kommen etwa gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, ein gemeinsamer Wohnsitz sowie sonstige Abhängigkeit wie beispielsweise gegenseitige Pflege in Frage. Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des EGMR und des VfGH demnach nur dann unter den Schutz des Art 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 12.01.2010, 47386/06, A. W. Khan, Rn 32; VfGH 09.06.2006, B 1277/04; VwGH 25.04. 2008, 2007/20/0720 bis 0723).

In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen dementsprechend auch solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1).

Die Gesamtschau der zu berücksichtigenden Faktoren ergibt daher, dass - trotz der öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen - die Interessensabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfällt, dies vor allem angesichts der langen Dauer des Aufenthalts, seiner familiären Anknüpfungspunkte, seiner Integration, seiner Deutschkenntnisse, seiner Arbeitswilligkeit, Erwerbsaussichten und ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer wäre daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig ist.

Zum Aufenthaltstitel:

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 10 Abs. 2 4 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, als erfüllt anzusehen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,

6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach "Deutsch" nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt gemäß § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt.

Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.

Der Beschwerdeführer absolvierte keine Deutschprüfung auf dem Niveau A2.

Auch die Voraussetzungen betreffend das Einkommen, mit dem die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht wird, erfüllt er nicht.

Da die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" nicht gegeben sind sondern lediglich jene des Abs. 1 Z 1 für eine "Aufenthaltsberechtigung", war dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A unter Punkt 3.2. wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK befristete Aufenthaltsberechtigung Deutschkenntnisse Einkommen Geringfügigkeitsgrenze Gesamtbetrachtung Gesamtbeurteilung Integration Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I406.1408690.3.00

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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