TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/1 I421 2232074-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2020
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Entscheidungsdatum

01.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §31
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2232074-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2020, Zl. 1263713610-200311327, zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gem § 28 Abs 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 26.03.2020 erhielt die Polizeiinspektion XXXX einen Brief, welcher eine Adresse und die Information beinhaltete, dass sich die Beschwerdeführerin illegal bei ihrem Freund XXXX in XXXX aufhalten würde. Daraufhin begaben sich zwei Inspektoren zu der im Brief genannten Adresse und kontrollierten die Dokumente der Beschwerdeführerin.

2. Mit Schreiben vom 30.03.2020 wurde die Beschwerdeführerin von der belangten Behörde verständigt, dass ihr Aufenthalt als illegal zu qualifizieren sei, da sie die Befristung des „visumsfreien Aufenthalts“ überschritten habe und die Behörde aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts gegen sie eine Rückkehrentscheidung zu erlassen beabsichtigt, sofern sie nicht den illegalen Aufenthalt binnen 14 Tagen beendet. Außerdem wurde die Beschwerdeführerin gebeten, einige Fragen zu ihren persönlichen Verhältnissen zu beantworten und darüber informiert, die Möglichkeit zu haben, innerhalb von 14 Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

3. Am 07.05.2020 langte bei der belangten Behörde eine die Beschwerdeführerin betreffende Stellungnahme ein.

4.       Mit dem Bescheid vom 08.05.2020, Zl. 1263713610-200311327, erteilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ferner wurde gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht gemäß § 55 Abs 4 FPG nicht (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und mittelos sei.

5.       Gegen diesen der Beschwerdeführerin am 19.05.2020 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 08.06.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 08.06.2020).

6.       Mit Schriftsatz vom 15.06.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 18.06.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die volljährige Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, reiste mit gültigem Reisepass am 29.12.2019 mit Herrn XXXX legal ins österreichische Bundesgebiet ein. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin geht aktuell keiner Beschäftigung nach, hat seit 04.02.2020 einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich und lebt mit Herrn XXXX , einem bosnischen Staatsangehörigen, der über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügt, in einer Lebensgemeinschaft im Ort XXXX . Ob die Beschwerdeführerin mittelos ist, konnte nicht festgestellt werden.

Aufgrund der Covid-19 Pandemie war die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gegen Ende März 2020 aus Österreich auszureisen.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die Feststellung zur Identität und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus den personenbezogenen Daten, die von den sicherheitspolizeilichen Organen am 26.03.2020 erhoben wurden (AS 3-5). Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden einen gültigen Reisepass vorlegen konnte, steht ihre Identität fest.

Die Feststellung zur ihrer Einreise nach Österreich beruht auf den Feststellungen der belangten Behörde (S. 4 des angefochtenen Bescheids bzw. AS 130) und der Stellungnahme vom 07.05.2020 (AS 35).

Die Feststellung, dass sie keiner Beschäftigung nachgeht, seit 04.02.2020 einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich hat und mit Herrn XXXX , einem bosnischen Staatsangehörigen, der über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügt, in einer Lebensgemeinschaft im Ort XXXX lebt, ergibt sich insgesamt aus der Stellungnahme vom 07.05.2020 (AS 35), der Abfrage aus dem zentralen Melderegister vom 19.06.2020 und der Abfrage aus dem zentralen Fremdenregister (AS 77). Über die finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, insbesondere in Bosnien, ist nichts bekannt, weshalb nicht festgestellt werden konnte, ob sie über genügend Mittel verfügt, um ihren Unterhalt zu sichern.

Da notorisch bzw. allgemein bekannt ist, dass im Zeitraum von Mitte März 2020 bis Mitte Juni 2020 die Grenzen aufgrund der Covid 19 Pandemie geschlossen waren und Quarantänemaßnahmen verhängt wurden, konnte die Beschwerdeführerin gegen Ende März 2020 nicht aus Österreich ausreisen.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 19.06.2020.

2.2. Zum Herkunftsstaat:

Bosnien und Herzegowina ist in der Herkunftsstaaten Verordnung (§ 1 Z 1) aufgelistet und gilt daher als sicherer Herkunftsstaat.


3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zur Behebung des Bescheids:

3.1.1.  Rechtslage

Zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts:

Der mit „Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet“ betitelte § 31 FPG lautet:

(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

6. wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

7. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

8. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder

9. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie

1. auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,

2. auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,

3. geduldet sind (§ 46a) oder

4. eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.

(2) (aufgehoben durch BGBl I 2017/145)

(3) (aufgehoben durch BGBl I 2017/145)

(4) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, halten sich während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt.

Artikel 20 Abs 1 des Schengener Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985:

(1) Sichtvermerksfreie Drittausländer können sich in dem Hoheitsgebiet der Vertragsparteien frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a), c), d) und e) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen.

Zur Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist). Aufgrund der Covid-19 Pandemie war die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gegen Ende März 2020 aus Österreich auszureisen. Die BF trifft daher kein Verschulden an der nicht fristgerechten Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die Rückkehrentscheidung ist im konkreten Fall daher nicht zulässig, weil nicht zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Zum Einreiseverbot:

Gemäß § 53 Abs 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs 3 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn 
1.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;  
2.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist; 
3.         ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist; 
4.         ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist; 
5.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist; 
6.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB); 
7.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder 
8.         ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder 
9.         der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

Ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se rechtfertigt - neben der Erlassung einer Rückkehrentscheidung - nicht immer auch noch die Verhängung eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237; VwGH 16.11.2012, 2012/21/0080; VwGH 24.5.2018, Ra 2017/19/0311; VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349).

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12). Wenn das BVwG anklingen lässt, dass die fragliche Bestimmung einer sachlichen Rechtfertigung entbehren könnte, ist anzumerken, dass beim VwGH in seiner bisherigen Rechtsprechung Bedenken gegen die Verfassungskonformität dieser Bestimmung nicht hervorgekommen sind.

In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, mwN). Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Revisionswerbers - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/21/0002, mwN).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Die Beschwerdeführerin reiste am 29.12.2019 rechtmäßig nach Österreich und durfte sich nach Art 20 Abs 1 SDÜ 3 Monate lang, sohin bis zum 29.03.2020 im Bundesgebiet aufhalten. Einen Fremden trifft - als zwingende Folge der Unzulässigkeit eines nicht iSd § 31 FPG rechtmäßigen Aufenthalts - grundsätzlich die Pflicht, seinen rechtswidrigen Aufenthalt durch Ausreise zu beenden. Der Beschwerdeführerin können jedoch die Auswirkungen der Covid 19 Pandemie und die damit zusammenhängenden Grenzschließungen nicht vorgeworfen werden. Eine Ausreise war für die Beschwerdeführerin Ende März 2020 faktisch nicht möglich, weshalb nicht angenommen werden kann, dass sie die Befristung von 3 Monaten (schuldhaft) überschritten hat.

Im vorliegenden Fall überwiegt auch das öffentliche Interesse an der Ausreise der Beschwerdeführerin nicht das private Interesse der Beschwerdeführerin am Verbleib in Österreich bei ihrem Freund, mit dem sie zusammenlebt. Obwohl an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen ein großes öffentliches Interesse zukommt, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin nicht derart dringend geboten. Die Beschwerdeführerin stellt weder für einen öffentlichen Träger eine finanzielle Belastung dar noch geht eine Bedrohung von ihr aus. Eine Rückkehrentscheidung inmitten der Corona Krise, wenn eine Ausreise nicht möglich war - erscheint daher unverhältnismäßig.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit abschließend zu dem Ergebnis, dass der Beschwerde stattzugeben und die Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben war.

Da sohin der Spruchteil über die Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben war, waren auch die damit verbundenen oder darauf aufbauenden Spruchpunkte - die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung, die Erlassung eines Einreiseverbots, die Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung, die Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise sowie Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - ersatzlos aufzuheben (Ro 2019/19/0006 E 21.Mai 2019).

Das Einreiseverbot wäre auch ohne die Behebung der Rückkehrentscheidung aufzuheben gewesen, da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass von der Beschwerdeführerin eine Gefahr ausgeht. Sie bezieht keine Grundversorgung, weshalb sie keine finanzielle Belastung darstellt und ob sie mittelos ist, wurde von der belangten Behörde nicht näher ermittelt, da – außer das sie derzeit keiner Beschäftigung nachgeht- nichts über ihre finanziellen Verhältnisse bekannt ist. Die Beschwerdeführerin wohnt jedenfalls bei ihrem Freund, der für sie sorgt. Aus diesem Grund erscheint es jedenfalls unwahrscheinlich, dass sie straffällig wird, um ihren Unterhalt zu sichern. Die Voraussetzungen für ein Einreiseverbot lagen daher insgesamt nicht vor.

4.       Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren. Im gegenständlichen Fall geht bereits eindeutig hervor, dass der Bescheid zu Unrecht erlassen wurde und ersatzlos zu beheben war.

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Kassation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2232074.1.00

Im RIS seit

04.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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