TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/13 I412 2116379-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §12 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs9 Z2
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §53
FPG §59 Abs5
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2116379-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. KAMERUN, vertreten durch RA Dr. Hans JALOVETZ, Postgasse 8, 9500 Villach, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, vom 26.02.2020, Zl. XXXX,

zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Kamerun, reiste am 07.09.2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen gab sie – auf das Wesentlichste zusammengefasst – an, aufgrund ihrer Mitgliedschaft zum SCNC (Southern Cameroons National Council) in ihrer Heimat politisch verfolgt worden zu sein.

2.       Mit Bescheid vom 13.10.2015, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Zugleich wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß §§ 57 und 55 AsylG" nicht erteilt. Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kamerun zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde als nicht glaubhaft befunden.

3.       Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.04.2016 mit Erkenntnis vom 24.05.2016, Zl. W226 2116379-1/7E als unbegründet abgewiesen wurde.

4.        Am 17.10.2017 stellte die Beschwerdeführerin den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG und legte im Zuge der Antragstellung ein ÖIF Prüfungszeugnis B1 vom 07.07.2017, ein ÖSD Diplom A2 vom 16.10.2014, ein ÖSD Diplom A1 vom 01.04.2014, Semesterzeugnisse einer Schule für Sozialbetreuungsberufe für das erste Semester im Schuljahr 2015/2016 und für das zweite Semester im Schuljahr 2016/2017, die Kopie einer e-card, einen Mietvertrag vom 22.06.2017, eine Schulbesuchsbestätigung der Schule für Sozialbetreuungsberufe vom 11.09.2017 und vom 05.12.2017, diverse Transaktionsdetailabfragen über geleistete Mietzinszahlungen zwischen Oktober und Dezember 2017, ein Beschäftigungsangebot einer logopädischen Praxis vom 17.10.2017 für die Tätigkeit als Reinigungshilfe in geringfügiger Beschäftigung, eine Einladung der Diplomatischen Akademie Wien zu einer Veranstaltung am 16.10.2017, sowie ein Unterstützungsschreiben eines Pfarrers vom 19.10.2017 vor.

5.       Am 07.12.2017 wurde die Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei auf die Beiziehung eines Dolmetschers im Hinblick auf die Deutschkenntnisse der Antragstellerin verzichtet wurde. Sie erklärte, seit rund sieben Monaten einen Freund zu haben, der in Salzburg wohnen würde und mit dem sie täglich telefonischen Kontakt habe. Sie habe eine Einstellungszusage einer Firma für die Tätigkeit als Reinigungshilfe. Ihre Ausbildung an einer Schule für Sozialbetreuungsberufe werde noch drei Semester dauern, anschließend werde sie sicher über die Caritas einen Job bekommen. In Österreich fühle sich die Beschwerdeführerin sehr wohl. Sie habe den B1 Sprachkurs bereits abgeschlossen und möchte auch den Kurs B2 besuchen, dieser sei jedoch recht teuer.

6.       Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2018, Zl. 831294506/171320159, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 17.10.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 58 Abs 10 AsylG 2005 zurückgewiesen.

Begründend wurde zusammengefasst insbesondere festgehalten, dass der Antrag der Beschwerdeführerin nach § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 10 AsylG als unzulässig zurückzuweisen sei, da unter Bedachtnahme auf alle genannten Faktoren nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert habe, dass eine erneute Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre.

7.       Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, der auch stattgegeben wurde und der Bescheid vom 07.02.2018 mit Erkenntnis vom 12.07.2019, GZ I416 2116379-2/3E behoben wurde. Es wurde festgestellt, dass Umstände geltend gemacht wurden, denen zufolge sie sich seit rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens im Juni 2016 weiter integriert hat, bzw. dass es zu einer Änderung in ihrem Privatleben gekommen ist. Es liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vor, der eine Entscheidung in der Sache erforderlich macht.

8.        Zwischenzeitlich wurde der Sohn der Beschwerdeführerin am XXXX 2019 geboren und für ihn ein Asylantrag gestellt. Der Antrag auf internationalen Schutz des Kindsvaters, einem Staatsangehörigen Kameruns, wurde nach Rechtsgang zum Bundesverwaltungsgericht am 20.12.2019 rechtskräftig negativ entschieden (GZ I422 2203530-1).

9.       Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 26.02.2020, Zl. XXXX, wies das Bundesamt nach Urgenz den Antrag vom 17.10.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 9 AsylG 2005 zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin für den Sohn einen Asylantrag gestellt habe und sie ein Aufenthaltsrecht gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 daraus ableite. Dieses Aufenthaltsrecht stehe einer Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 entgegen.

10.      Dagegen wurde am 02.04.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. In einer weiteren Mitteilung wurde darauf hingewiesen, dass mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2020, GZ I416 2222607-1, das Asylverfahren des Sohnes rechtskräftig negativ entschieden wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Um Wiederholungen zu vermeiden werden die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Nachstehend werden die entscheidungsrelevanten Feststellungen hervorgehoben:

Gegen die Beschwerdeführerin besteht seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.05.2016 eine aufrechte Rückkehrentscheidung. Der Verpflichtung zur Ausreise kam sie nicht freiwillig nach und verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Am 02.07.2019 stellte sie für ihren Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2020, GZ I416 2222607-1, rechtskräftig negativ entschieden wurde.

Die Beschwerdeführerin verfügt über kein sonstiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt und die Feststellungen zum bisherigen Aufenthalt und den Verfahren sind unbestritten und ergeben sich zweifelsohne aus den vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den zitierten Geschäftszahlen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Der mit „Antragstellung und amtswegiges Verfahren“ betitelte § 58 AsylG lautet idgF BGBl. I Nr. 29/2020:

„§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(5a) Solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 abweichend von Abs. 5 nicht persönlich, sondern postalisch oder auf elektronischem Wege beim Bundesamt einzubringen. Bei Stattgebung des Antrags kann der Aufenthaltstitel abweichend von Abs. 12 auch zu eigenen Handen zugestellt werden.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.“

Das Bundesamt stützt seine zurückweisende Entscheidung auf § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005, weil die Beschwerdeführerin nach diesem Bundesgesetz bereits über ein Aufenthaltsrecht verfügt.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes am 26.02.2020 befand sich der Sohn der Beschwerdeführerin im laufenden Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz vor dem Bundesverwaltungsgericht und ist zutreffend, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 als gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Asylwerbers ein Aufenthaltsrecht zukam.

Gemäß § 12 Abs. 1 AsylG 2005 kommt einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung der faktische Abschiebeschutz zu. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Die Beschwerdeführerin leitete dieses Aufenthaltsrecht somit als gesetzliche Vertreterin ab.

Da das Asylverfahren des minderjährigen Sohnes mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2020 rechtskräftig negativ entschieden wurde, kommt weder dem Sohn, noch der Beschwerdeführerin weiter ein Aufenthaltsrecht zu. Beide halten sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie verfügen auch sonst über keinen Aufenthaltstitel.

Die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 9 AsylG 2005 erweist sich somit als unzulässig.

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.6.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.9.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens war daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid nur, ob diese Zurückweisung nach § 58 Abs. 9 AsylG 2005 zu Recht erfolgte. Bei einer inhaltlichen Entscheidung hätte das Bundesverwaltungsgericht den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten.

Für das vom Bundesamt in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall neuerlich gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides der verfahrensgegenständliche Antrag der Beschwerdeführerin wieder unerledigt ist. Über diesen Antrag wird das Bundesamt diesmal in der Sache selbst abzusprechen haben.

Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde es wie bereits im aufgehobenen Bescheid vom 07.02.2018 verabsäumt hat, die Entscheidung nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 bzw. § 52 Abs. 3 FPG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Zl. Ro 2015/21/0037).

In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung des VwGH vom 19.11.2015, Ra 2015/20/0082, hinzuweisen:

Durch den Verweis auf § 53 FrPolG 2005, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67 zum FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FrPolG 2005 nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm. In solchen Fällen ist daher - mangels anderer gesetzlicher Anordnung - die bisherige Rechtsprechung des VwGH zur Erforderlichkeit der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung der Asylbehörden mit einer Ausweisung, unabhängig davon, ob zum Entscheidungszeitpunkt bereits eine rechtskräftige Ausweisung vorliegt (Hinweis Erkenntnisse vom 7. Mai 2008, 2007/19/0466, und vom 19. Februar 2009, 2008/01/0344) auf die ab 1. Jänner 2014 geltende Rechtslage übertragbar.

Gegen die Beschwerdeführerin wurde zwar eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen, jedoch war diese mit keinem Einreiseverbot verbunden, weshalb § 59 Abs. 5 FPG nicht zur Anwendung kommt.

Da der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.12.2018, Ra 2017/19/0553, im Zusammenhang mit der Zurückweisung eines Antrages auf Internationales Schutz ausgesprochen hat, dass eine allfällige Säumnis mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf internationalen Schutz führt, kann auch in diesem Verfahren betreffend die Zurückweisung eines Antrages gemäß § 55 AslyG nach Ansicht des erkennenden Richters nichts Anderes gelten.

4.       Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf die oben zitierte Judikatur stützen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung Aufenthaltsrecht Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Beschwerdegegenstand Familienangehöriger Familienverfahren Rückkehrentscheidung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2116379.3.00

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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