TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/17 I416 2231431-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2020
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Entscheidungsdatum

17.07.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I416 2231431-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Italien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas MAUHART, 4040 Linz, Jahnstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Italien, ist seit 07.09.2015 in Österreich hauptgemeldet.

2. Am 10.02.2019 wurde über ihn seitens des Landesgerichts XXXX wegen des Verdachts des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG die Untersuchungshaft verhängt.

3. Mit Schriftsatz („Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 14.02.2019 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt werde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine schriftliche Stellungnahme hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse in Österreich abzugeben.

Mit Schriftsatz vom 28.02.2019 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Inhaltlich führte er hierbei im Wesentlichen aus, dass er im Jahr 2015 in das Bundesgebiet eingereist sei, um hier einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. Seitdem habe er seinen Lebensmittelpunkt in Österreich. Er sei gesund, ledig, lebe in keiner Lebensgemeinschaft und habe keine Sorgepflichten. Er habe in Italien sein technisches Abitur gemacht und in weiterer Folge ein Architekturstudium betrieben, dieses jedoch abgebrochen. Er habe zunächst in Italien und später in Österreich als Kellner sowie als Küchenhilfe gearbeitet. Er habe keine nahen Angehörigen in Österreich, es würden lediglich zwei Cousins von ihm hier leben, jedoch könne er weder deren Adresse noch deren Geburtsdatum benennen. Er lebe in einem Haushalt mit einem Mitbewohner, mit dem er sich die Miete teile. Bis zu seiner Inhaftierung habe er zuletzt in einem Hotel gearbeitet. Er sei in Österreich stets für zwei bis drei Monate beschäftigt gewesen, ehe er wiederum Arbeitslosengeld bezogen habe. Er habe diverse soziale Kontakte in Österreich und spreche ein wenig Deutsch, sodass er als Kellner zwar Bestellungen aufnehmen, jedoch kein vollständiges Gespräch führen könne. Er habe zwar Familienangehörige in Italien, jedoch bestehe zu diesen gegenwärtig kein Kontakt.

4. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 07.11.2019, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG, wegen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz SMG sowie wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren, verurteilt.

Am 07.11.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen.

5. Mit Schriftsatz („Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“) der belangten Behörde vom 13.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer erneut zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt werde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihm die Möglichkeit eingeräumt, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, ob sich hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse in Österreich seit seiner vorangegangenen Stellungnahme vom 28.02.2019 etwaige Änderungen ergeben hätten.

Mit Schriftsatz vom 23.01.2020 brachte der Beschwerdeführer diesbezüglich eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Im Hinblick auf etwaige Änderungen seit seiner vorangegangenen Stellungnahme an die belangte Behörde führte er aus, dass er nunmehr verstanden habe, dass er einen großen Fehler gemacht habe. Er habe „durch diese Dummheit“ seinen damaligen, regelmäßigen Drogenkonsum finanziert. Da er nun keine Drogen mehr nehme, werde er jedoch auch „nie mehr eine solche Dummheit begehen“. Er habe eine neue Wohnung bezogen und eine neue Arbeit gefunden, wobei der Stellungnahme ein mit 03.11.2019 datierter „Dienstzettel“ des Beschwerdeführers als Küchenhilfe in einem Gastronomiebetrieb sowie ein mit 20.12.2019 datierter Mietvertrag angeschlossen wurden. In Italien könne sich der Beschwerdeführer keine Zukunft vorstellen, da die Arbeitssituation sehr schwierig sei und er auch kaum noch Freunde in seinem Herkunftsstaat habe, da diese fast alle im Ausland leben und arbeiten würden. Auch das Verhältnis zu seinen in Italien lebenden Eltern sei „sehr unterkühlt“, nachdem diese von seinem Drogenkonsum und seiner Inhaftierung erfahren hätten.

6. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 01.04.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß „§ 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

7. Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 20.05.2020 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Inhaltlich wurde hierbei im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nunmehr frei von einer Suchtmittelbabhängigkeit sei und einer geregelten, sozialversicherungspflichtigen Arbeitstätigkeit nachgehen würde. Es bestehe ein „erheblicher Gesinnungswandel“ und habe die belangte Behörde insoweit die Wirkungen der Untersuchungshaft auf den Beschwerdeführer sowie „das Losreißen aus der regionalen Gruppe“ im Suchtgiftmilieu verkannt. Es sei im Hinblick auf den Beschwerdeführer jedenfalls von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufheben; in eventu in der Sache selbst entscheiden und die Dauer des Aufenthaltsverbotes „erheblich herabsenken“; in eventu die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukommen lassen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 02.06.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Italien und somit EWR-Bürger. Seine Identität steht fest.

Er ist ledig und kinderlos als auch gesund und erwerbsfähig. In Italien hat er sein technisches Abitur gemacht und in weiterer Folge ein Architekturstudium betrieben, dieses jedoch abgebrochen. Seine Eltern leben in Italien.

Seit dem 07.09.2015 ist er durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet. Er verfügt in Österreich über keine maßgeblichen familiären Anknüpfungspunkte.

Vom 09.02.2019 bis zum 07.11.2019 befand er sich in einer Justizanstalt in Haft.

Ab September 2015 ging der Beschwerdeführer in Österreich – mit zahlreichen Unterbrechungen - diversen, zumeist kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen als Arbeiter oder geringfügig beschäftigter Arbeit in diversen Gastronomiebetrieben nach (seine diesbezüglichen Versicherungszeiten lauten: 08.09.2015 bis 03.11.2015, 09.11.2015 bis 17.11.2015, 14.12.2015 bis 17.12.2015, 28.12.2015 bis 31.07.2017, 11.06.2018 bis 18.07.2018, 26.07.2018 bis 26.07.2018, 11.12.2018 bis 10.02.2019, 28.11.2019 bis 28.11.2019, 03.12.2019 bis laufend). Vom 22.08.2017 bis zum 08.01.2018 bezog er Arbeitslosengeld und jeweils vom 09.01.2018 bis zum 10.06.2018, vom 20.07.2018 bis zum 08.09.2018 sowie vom 16.09.2018 bis zum 10.12.2018 Notstandshilfe/Überbrückungshilfe. Er ist nicht nachhaltig auf dem österreichischen Arbeitsmarkt integriert.

Er hat in Österreich diverse Bekanntschaften - vorwiegend in der italienischen „Community“ - geschlossen. Er weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher oder kultureller Hinsicht auf und verfügt lediglich über geringe Deutschkenntnisse.

1.3. Zu den Gründen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes:

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 07.11.2019, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG, wegen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz SMG sowie wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren, verurteilt.

Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit drei Mittätern anderen über einen Zeitraum von etwa einem Jahr („Anfang 2018“ bis Februar 2019) vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) jedenfalls mehrfach, jedoch im Zweifel nicht mehr als 15-fach übersteigenden Menge großteils gewinnbringend überlassen hat. Der Beschwerdeführer selbst trat in diesem Zeitraum bei insgesamt acht Verkaufshandlungen von Kokain, Cannabiskraut sowie Cannabisharz in Erscheinung. Als mildernd wurden im Rahmen der Strafbemessungsgründe sein Geständnis sowie die bisherige strafgerichtliche Unbescholtenheit, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen gewertet.

Überdies wurde der Beschwerdeführer der Staatsanwaltschaft bereits aufgrund einer Körperverletzung durch Faustschläge vom 19.03.2017 polizeilich zur Anzeige gebracht, wobei es diesbezüglich zu keiner Verurteilung kam.

Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährdet die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner zwei schriftlichen Stellungnahmen an diese, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger (AJWEB-P) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Original vorgelegten italienischen Reisepasses Nr. XXXX – welcher sich in Kopie im Akt befindet - fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen, seiner Schulbildung, seinem Gesundheitszustand und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahmen an die belangte Behörde vom 28.02.2019 sowie vom 23.01.2020, als auch aus dem Umstand, dass den diesbezüglich im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten wurde. Die Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich zudem aus seiner aktuellen Berufstätigkeit als Arbeiter in der Gastronomie.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seit dem 07.09.2015 durchgehend im Bundesgebiet hauptgemeldet ist, ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik, ebenso wie seine Inhaftierung in einer Justizanstalt vom 09.02.2019 bis zum 07.11.2019.

Die Feststellungen zu den Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich als Arbeiter bzw. geringfügig beschäftigter Arbeiter in diversen Gastronomiebetrieben und zu seinen Bezugszeiten von Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe/Überbrückungshilfe ergeben sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Der Umstand, dass er nicht nachhaltig auf dem österreichischen Arbeitsmarkt integriert ist, ergibt sich aus seiner betreffenden Historie, insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen Unterbrechungen seiner zumeist nur kurzzeitigen Erwerbsausübungen sowie die häufigen Wechsel des Arbeitgebers (insgesamt sechs Dienstgeber während seines weniger als fünfjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet), wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass er zum Entscheidungszeitpunkt seit dem 03.12.2019 durchgehend als Arbeiter im selben Gastronomiebetrieb beschäftigt ist.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich primär Bekanntschaften innerhalb der italienischen „Community“ geschlossen hat, ergibt sich einerseits aus dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen sowie überdies bereits aus den genannten Namen seiner Freunde und Bekanntschaften in Österreich im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme an die belangte Behörde vom 28.02.2019 (vgl. AS 26: „Francesco XXXX “, „ Claudia XXXX “, „Carmeza XXXX „Rossella XXXX sowie drei Töchter seines in Österreich lebenden Cousins). Nicht zuletzt wird im Beschwerdeschriftsatz sogar ausdrücklich vorgebracht, dass der Beschwerdeführer „über kein nennenswertes Familien- und Privatleben im Bundesgebiet“ verfügt (AS 157).

Dass der Beschwerdeführer lediglich über geringe Deutsch-Kenntnisse verfügt, räumt er ebenfalls von sich aus in seiner schriftlichen Stellungnahme an das BFA vom 28.02.2019 ein, sofern er vermeint, er könne zwar als Kellner Bestellungen in deutscher Sprache aufnehmen, jedoch kein vollständiges Gespräch führen (AS 26).

2.3. Zu den Gründen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes:

Die rechtskräftige, strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Umstände hinsichtlich der seiner Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen sowie die Erwägungen des Strafgerichts hinsichtlich der Strafbemessungsgründe ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX

Die polizeiliche Anzeigenerstattung gegen den Beschwerdeführer aufgrund einer Körperverletzung durch Faustschläge vom 19.03.2017 ergibt sich aus einem im Akt enthaltenen Speicherauszug aus dem Kriminalpolizeilichen Aktenindex.

Der Umstand, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, ergibt sich aus seinem qualifizierten sowie gewerbsmäßigen strafrechtswidrigen Verhalten über einen Zeitraum von (zumindest) einem Jahr, wobei seit seiner Haftentlassung im November 2019 auch noch keine derart lange Phase des Wohlverhaltens gegeben ist, dass im Hinblick auf seine Person eine positive Zukunftsprognose getroffen und weitere strafbare Handlungen in Hinkunft ausgeschlossen werden könnten. Auch ist das Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine rechtskräftige Verurteilung „eine untergeordnete Rolle im Rahmen der Tatbeteiligten eingenommen“ habe (AS 155), nicht mit dem Inhalt des Strafurteils des Landesgerichts XXXX in Einklang zu bringen. So wurde von den drei Mitbeteiligten des Beschwerdeführers lediglich einer zu einer höheren Freiheitsstrafe wie er selbst verurteilt und war dieser an noch mehr strafbaren Handlungen (an insgesamt zehn Verkaufshandlungen) beteiligt, während die beiden anderen Mitbeteiligten sowohl zahlenmäßig an weniger strafbaren Handlungen wie der Beschwerdeführer beteiligt waren, als auch nicht – im Gegensatz zu ihm – aufgrund dreier unterschiedlicher Suchtgiftdelikte verurteilt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 67 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 70 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 27/2020, lauten:

„Aufenthaltsverbot

§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) …

Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub

§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn

1.       nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;

2.       die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder

3.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gebietet.“

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Italien und damit EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG bzw. des § 2 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Zudem kommt ihm angesichts seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit als Arbeiter ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG zu. Mangels eines seit fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthaltes im Bundesgebiet – der Beschwerdeführer meldete erstmalig mit 07.09.2015 einen Hauptwohnsitz an – hat er überdies, wie seitens der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend aufgezeigt, nicht das Recht zum Daueraufenthalt in Österreich iSd § 53a Abs. 1 NAG erworben.

Da der Beschwerdeführer, welcher als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 67 FPG fällt, somit auch nicht die Voraussetzung eines durchgehenden, zehnjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erfüllt, gelangt für ihn gegenständlich der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG zur Anwendung. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn ist sohin zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass durch seinen Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss hierbei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind überdies nicht zulässig.

Das BFA gelangte im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass im Falle des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Erlassung eines auf die Dauer von sechs Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes vorliegen. Dem schließt sich das Bundesverwaltungsgericht aufgrund folgender Erwägungen an:

Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, stellt jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) dar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl. dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Im Fall des Beschwerdeführers wurde seitens der belangten Behörde zutreffend aufgezeigt, dass von seinem Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht. So wurde er aufgrund gravierender Suchtgiftdelikte rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten verurteilt, nachdem er an acht (insgesamt die Grenzmenge des § 28a SMG mehrfach übersteigenden) Suchtgiftverkäufen beteiligt war, wobei sich die Tathandlungen über einen Zeitraum von etwa einem Jahr erstreckten (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.1.3.). Die gewerbsmäßige Tatbegehung über einen längeren Zeitraum, welche dem Beschwerdeführer hierbei zur Last gelegt wurde, indiziert, dass er ganz offensichtlich zu chronischer Kriminalität neigt. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0169; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249).

Die Gewerbsmäßigkeit und der lange Tatzeitraum stellen jedenfalls eine erhebliche und tatsächliche Gefahr dar, wie auch der VwGH in seiner Rechtsprechung wiederholt ausgeführt hat.

Im Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" hat auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck gebracht (vgl. etwa EGMR 19.02.1998, Dalia v Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR 30.11.1999, Baghli v Frankreich, Nr. 34374/97) und überdies auch festgehalten, dass "angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen" (EGMR 01.12.2016, Salem v Denmark, Nr. 77036/11).

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und der Tatsächlichkeit vorliegen muss.

Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stellt eine gegenwärtige Gefahr dar, zumal die Straftaten noch nicht lange zurückliegen und sich der Beschwerdeführer derzeit innerhalb der Probezeit befindet und es sich um Straftaten mit erheblicher Wiederholungsgefahr handelt. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Derzeit kann daher noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden und kann ihm aktuell derzeit auch keine positive Zukunftsprognose attestiert werden ist.

Sofern in der Beschwerde ein „erheblicher Gesinnungswandel“ des Beschwerdeführers behauptet wird und dass ihm seine Inhaftierung die Möglichkeit gegeben habe, sich „vom Suchtgiftkonsum loszureißen und auch Abstand zu seiner regionalen Gruppe zu bekommen“ (AS 155), so ist dem entgegenzuhalten, dass ein etwaiger Gesinnungswandel eines Täters nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung stets anhand seines Wohlverhaltens in Freiheit zu beurteilen ist (vgl. etwa zuletzt VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276), wobei in diesem Zusammenhang darauf Bedacht zu nehmen ist, dass ein solcher Zeitraum üblicherweise umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (vgl. dazu VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0009). Angesichts des gravierenden, gewerbsmäßigen strafrechtswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers über einen Zeitraum von (zumindest) einem Jahr liegt eine relevante Periode des Wohlverhaltens fallgegenständlich nicht vor, da die Zeit seit seiner Haftentlassung im November 2019 deutlich zu kurz ist, um ihm einen allenfalls gegebenen, positiven Gesinnungswandel zu attestieren. Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, wonach der Beschwerdeführer nunmehr „sozialversicherungsrechtlich versichert“ sei und „einer geregelten Tätigkeit“ nachgehe (AS 156) – wodurch wohl eine Stabilisierung seines Lebenswandels zum Ausdruck gebracht werden soll – ist festzuhalten, dass er auch bereits zwischen Anfang des Jahres 2018 und Februar 2019, somit in jenem Zeitraum, in welchem ihm acht unterschiedliche Suchtgiftverkaufshandlungen nachgewiesen werden konnten, für einige Monate als Arbeiter in unterschiedlichen Gastronomiebetrieben im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger aufscheint und ihn dies offenkundig nicht von seiner Suchtgiftdelinquenz abgehalten hat. Während er etwa exemplarisch vom 11.12.2018 bis zum 10.02.2019 als Arbeiter sozialversichert war, geht aus dem Urteil des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX hervor, dass er augenscheinlich parallel zu seiner angemeldeten Erwerbstätigkeit von November 2018 bis Anfang Februar 2019 namentlich bekannten Personen Kokain, Cannabiskraut sowie Cannabisharz verkauft hat.

Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stellt somit eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die verschiedene Grundinteressen der Gesellschaft berührt und ist von ihm auch in Zukunft kein verantwortungsbewusstes Verhalten - den österreichischen Gesetzen entsprechend - zu erwarten. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG ist damit erfüllt.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob im vorliegenden Fall einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 29/2020 lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und wurde ein solches von ihm auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.

Auch seine durchgehende Aufenthaltsdauer seit dem 07.09.2015 von nunmehr etwa vier Jahren und zehn Monaten kann noch nicht als besonders lange bezeichnet werden (vgl. dazu die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelte Judikatur - VwGH, 07.03.2019, Ra 2018/21/0253 - welche bei einem über zehnjährigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich ausgeht) und ist hierbei insbesondere relativierend zu berücksichtigen, dass er sich hiervon für etwa neun Monate – vom 09.02.2019 bis zum 07.11.2019 – in einer Justizanstalt in Haft befand, während er bereits (spätestens) ab Anfang des Jahres 2018 kriminellen Aktivitäten in Österreich nachging.

Auch wenn es gewisse Integrationsschritte seitens des Beschwerdeführers, insbesondere im Hinblick auf seine fallweisen beruflichen Tätigkeiten als Arbeiter in diversen Gastronomiebetrieben und auch damit einhergehende Bekanntschaften, anzuerkennen gilt, so liegt letztlich doch keine umfassende Verankerung in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht im Bundesgebiet vor und gibt er selbst im Beschwerdeschriftsatz ausdrücklich an, dass er „über kein nennenswertes Familien- und Privatleben im Bundesgebiet“ verfügt (AS 157).

Selbst wenn man einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes annehmen möchte, so wäre dieser angesichts seines gravierenden Fehlverhaltens zulässig, ist er doch zur Erlassung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) dringend geboten. Das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse an der Erlassung eines gegen ihn gerichteten Aufenthaltsverbotes nicht überwiegen.

Zur Befristung des Aufenthaltsverbotes ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall ein Aufenthaltsverbot nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 FPG höchstens für die Dauer von zehn Jahren verhängt werden kann. Wie die belangte Behörde geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles die Höchstdauer nicht voll auszuschöpfen ist, dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um seine erste strafrechtliche Verurteilung gehandelt hat und auch das Strafgericht bei der Bemessung der Strafhöhe in der unteren Hälfte des möglichen Strafrahmens geblieben ist. Allerdings besteht keine Veranlassung, die von der belangten Behörde festgesetzte Befristungsdauer des Aufenthaltsverbotes in der Dauer von sechs Jahren zu reduzieren.

Im Hinblick auf die Art seines Verhaltens und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass es sich um ein Verbrechen im Sinne des § 17 StGB handelt, ist eine Aufenthaltsverbotsdauer in der Höhe von sechs Jahren, bei einer grundsätzlich möglichen Höchstdauer von zehn Jahren, jedenfalls angemessen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes ist aber vor allem auch nicht zu beanstanden, weil sich der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff zu Lasten des Beschwerdeführers in engen Grenzen hält, da er in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familien- oder Privatleben führt und keine Integration aufweist, die eine soziale bzw. integrative Verfestigung in Österreich erkennen lassen (wie in den vom VfGH mit Erkenntnis vom 03.11.2010, B 950/10, ua entschiedenen Fällen).

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.2.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, genügt es zur Begründung der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise eines Fremden nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern ist darüber hinaus darzulegen, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort und ohne Aufschub zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053; 03.07.2018, Ro 2018/21/0007; 12.09.2013, 2013/21/0094).

Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Einschätzung der belangten Behörde, wonach im vorliegenden Beschwerdefall nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum ein Verhalten setzt, welches die sofortige Umsetzung der Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich erscheinen lässt. Ihm war daher ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat zu gewähren.

Insofern war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Die wesentlichen Feststellungen - insbesondere im Hinblick auf die Straffälligkeit sowie das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers - sind unbestritten. Aufgrund der festgestellten Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung hätte auch die Verschaffung eines persönlichen Eindruckes im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nichts am Ausgang des Verfahrens ändern können. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen und erwies sich das Beschwerdevorbringen als unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

5. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen, wobei § 38 VwGG gilt.

Dem Beschwerdeführer kommt auf dem Boden der Rechtsprechung des VwGH gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG - insbesondere jedoch auch vor dem Hintergrund dessen Wortlautes "von Amts wegen" (vgl. 2285/A XXV. GP) - kein Antragsrecht zu, sondern hat das Verwaltungsgericht vielmehr - amtswegig - das Wiederzuerkennen einer allfällig aberkannten aufschiebenden Wirkung zu prüfen (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284, mwH auf VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014 ua).

Im vorliegenden Fall wurde einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid seitens der belangten Behörde jedoch die aufschiebende Wirkung gar nicht aberkannt und kommt der verfahrensgegenständlichen, fristgerecht erhobenen Bescheidbeschwerde bereits ex lege gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu.

In Ermangelung eines diesbezüglichen Antragsrechtes des Beschwerdeführers bzw. angesichts des Umstandes, dass der verfahrensgegenständlichen Beschwerde ohnedies per Gesetz die aufschiebende Wirkung zukommt, war der – offensichtlich irrtümliche - Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung Durchsetzungsaufschub EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Unionsbürger Untersuchungshaft Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I416.2231431.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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