TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/21 G306 2230218-2

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Entscheidungsdatum

21.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G306 2230218-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des marokkanischen Staatsangehörigen XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Zl.: XXXX zu Recht:

A)       Es wird gemäß § 22 a Abs 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) reiste zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt in den europäischen Raum ein und kam in Folge illegal bis nach Österreich. Der BF stellte am 18.03.2013 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde vollinhaltlich als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob der BF die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Mit Erkenntnis des BVwG vom 14.09.2015 wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Der Spruchpunkt III. (Ausweisung) wurde behoben und an die belangte Behörde zur Neuerlassung zurückgewiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 16.08.2016, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Marokko zulässig ist. Auch wurde gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von 3 Jahren erlassen, gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde an das BVwG.

Mit Bescheid des BFA vom 14.06.2017 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Marokko zulässig ist. Es wurde gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt und wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG.

Mit Erkenntnisse des BVwG vom 17.01.2018 wurde der Bescheid vom 16.08.2016 teilweise behoben sowie der Bescheid vom 14.06.2017 bestätigt und die Beschwerde somit als unbegründet abgewiesen als dass das Einreiseverbot auf 10 angehoben wurde.

Mit Bescheid des BFA vom 03.09.2018 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gem. § 46 FPG nach Marokko zulässig ist. Es wurde gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt und wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF wieder die Beschwerde an das BVwG.

Mit Erkenntnis vom 17.10.2018 wurde der bekämpfte Bescheid teilweise behoben und das erlassene Einreiseverbot jedoch bestätigt.

Der BF weist im Bundesgebiet folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:

01)      LG XXXX vom XXXX.2014 RK XXXX.2014

§ 241e (3) StGB

§ 135 (1) StGB

§§ 127, 313 1. Fall StGB

§229 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2014

Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum XXXX.2014

zu LG XXXX vom XXXX.2014

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum XXXX.2014

02)      BG XXXX vom XXXX.2016 RK XXXX.2016

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2016

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu BG XXXX RK XXXX.2016

03)      LG XXXX vom XXXX.2017 RK XXXX.2017

§ 201 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2017

Freiheitsstrafe 4 Jahre

Zu LG XXXX RK XXXX.2017

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am XXXX.2020, bedingt, Probezeit 5 Jahre

LG XXXX vom XXXX.2020

Der BF befand sich zuletzt in der Zeit von XXXX.2017 – XXXX.2020 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung in Strafhaft. Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde der BF am XXXX.2020, um 08:00 Uhr in Schubhaft genommen.

Mittels oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX.2020 um 11.45 Uhr zugestellt.

Der BF erhob dagegen Beschwerde an das BVwG.

Mit Erkenntnis vom 14.04.2020, Zl.: W171 12230218-1/9E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Am 14.07.2020 legte das BFA dem BVwG die Akten unter Darlegung der Gründe, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig sei, zu einer Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft, vor.

Für den 22.07.2020 wurde an der Außenstelle Graz des BVwG eine mündliche Verhandlung anberaumt. Der BF verweigerte am 16.07.2020 die Übernahme der Ladung. Mit Mail vom 16.07.2020 teilte die Landespolizeidirektion XXXX, XXXX dem BVwG mit, dass der BF nicht an der Verhandlung teilnehmen möchte. Aufgrund dessen wurde die mündliche Verhandlung wieder abberaumt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Marokko und ist seine Muttersprache Arabisch. Er ist ledig und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Der BF ist gesund und haftfähig.

Gegen den BF liegt seit dem 17.01.2018 eine rechtskräftige und somit durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt einem Einreiseverbot vor.

Der BF weist folgende strafrechtliche Verurteilungen im Bundesgebiet auf:

01) LG XXXX vom XXXX.2014 RK XXXX.2014

§ 241e (3) StGB

§ 135 (1) StGB

§§ 127, 313 1. Fall StGB

§229 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2014

Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum XXXX

zu LG XXXX vom XXXX.2014

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum XXXX.2014

02) BG XXXX vom XXXX.2016 RK XXXX.2016

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2016

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu BG XXXX RK XXXX.2016

03) LG XXXX vom XXXX.2017 RK XXXX.2017

§ 201 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX.2017

Freiheitsstrafe 4 Jahre

Zu LG XXXX RK XXXX.2017

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am XXXX.2020, bedingt, Probezeit 5 Jahre

LG XXXX vom XXXX.2020

Der BF befand sich zuletzt in der Zeit von XXXX.2017 – XXXX.2020 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung in Strafhaft.

Mittels oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX.2020 um 11.45 Uhr zugestellt. Der BF befindet sich seit dem XXXX.2020 in Schubhaft. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 14.04.2020, Zl.: W171 12230218-1/9E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Die belangte Behörde ist seit 03.05.2017 bemüht ein HRZ für den BF bei der marokkanischen Botschaft zu erlangen. Es wurde bisher folgende Urgenzen vorgenommen. 19.10.2018, 17.02.2020, 25.02.2020, 15.04.2020, 19.05.2020, 15.06.2020 sowie 29.06.2020.

In ihrer Stellungnahme zur Vorlage der gegenständlichen amtswegigen Schubhaftüberprüfung vom 14.07.2020, führte die belangte Behörde folgendes aus:

Mit Beschwerdevorlage wird gleichzeitig dargelegt, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist:

-        Verurteilungen von österreichischen Gerichten:

o XXXX.2014 wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 127 und § 131 erster Fall StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 125 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten.

o XXXX.2016 wegen des Vergehens des versuchten Diebstahles nach § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten. o XXXX.2017 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren.

-        Antrag auf internationalen Schutz am 18.03.2013 nach unrechtmäßiger Einreise, welcher vollinhaltlich abgewiesen und mit einer Ausweisung verbunden wurde. Bestätigung der Abweisung des Antrages mit Erkenntnis BVwG vom14.09.2015, jedoch Aufhebung der Ausweisung.

-        Rückkehrentscheidung iVm. dreijährigen Einreiseverbot mit Bescheid BFA vom

16.08.2016. Beschwerdeeinbringung.

-        Rückkehrentscheidung iVm. achtjährigen Einreiseverbot mit Bescheid BFA vom

14.06.2017. Beschwerdeeinbringung.

-        Erkenntnis BVwG am 17.01.2018, mit dem der Bescheid BFA vom 16.08.2016 behoben und die Beschwerde zum Bescheid BFA vom 14.06.2017 als unbegründet abgewiesen wurde, wobei die Dauer des Einreiseverbotes auf 10 Jahre abgeändert wurde.

-        Rückkehrentscheidung iVm. unbefristeten Einreiseverbot mit Bescheid BFA vom

03.09.2018. Beschwerdeeinbringung. Mit Erkenntnis BVwG vom 17.10.2018 wurde der Bescheid behoben, jedoch das unbefristete Einreiseverbot bestätigt.

-        Strafhaft von XXXX.2017 bis XXXX.2020.

-        Seit 03.05.2017 versucht die erkennende Behörde ein Heimreisezertifikat für Marokko zu beschaffen.

Urgenz mit Anschreiben am 19.10.2018, Urgenzen mit High-Priority-Urgenzliste am 17.02.2020, 25.02.2020, 15.04.2020, 19.05.2020, 15.06.2020, 29.06.2020

-        Es wird seitens des BFA mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates gerechnet. Im Verfahren haben sich keine Umstände ergeben, die gegen die rechtliche und faktische Durchführbarkeit einer Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer sprechen.

-        Es ist beabsichtigt, nach der Ausstellung eines Heimreisezertifikates im Zuge einer Einzelrückführung die Abschiebung durchzuführen. Es besteht dringende Fluchtgefahr, Gefahr des Untertauchens und Gefahr eines Verstoßes gegen die österreichische

Rechtsordnung. Zur Sicherung der Abschiebung wurde der nunmehrige BF mit den im Schubhaftbescheid genannten Gründen in Schubhaft genommen.

-        Aus der persönlichen Lebenssituation (nicht selbsterhaltungsfähig, bislang kein Wohnsitz, außer in Gvs-Quartier und JA, und keine familiär, privat und sozial bedingten Bindungen im Bundesgebiet) sowie der strafrechtlichen Verurteilung (zum Teil unter Leugnung Tat bzw. abenteuerlichen Schutzbehauptungen vor Gericht) und der mangelnden Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat wird geschlossen werden, dass nicht nur eine Fluchtgefahr vorliegt, sondern auch eine Verfahrensführung auf freiem Fuß ausgeschlossen ist, woraus sich ein verdichteter Sicherungsbedarf ergibt. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels konnte daher nicht das Auslangen gefunden werden.

-        Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Aufgrund der vorübergehenden Reisebeschränkungen ist eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich, jedoch mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer zeigt sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) damit ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten ist.

-        Der BF verweigerte dreimal Schubhaftbetreuung und befand sich von XXXX.2020 bis XXXX.2020 in Hungerstreik (freiwillige Beendigung).

-        Der BF leidet an keinen nennenswerten Erkrankungen.

-        Der BF ist haftfähig.

-        Seit XXXX.2020 befindet sich der BF in Schubhaft, dzt. im XXXX .

-        Die am 07.04.2020 eingebrachte Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft wurde durch das BVwG mit Erkenntnis zur GZ. W171 2230218-1/9E vom 14.04.2020 als unzulässig abgewiesen, und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Festgestellt wird, dass die Behörde das Verfahren zur Erlangung eines HRZs rechtzeitig und mit Nachdrücklichkeit geführt hat bzw. immer noch führt. Ein HRZs liegt aktuell zwar nicht vor, jedoch hat das BFA bisher alles unternommen um eines zu erlangen. Hier muss angemerkt werden, dass der BF erst am XXXX.2020 nach einer langjährigen Haftstrafe entlassen wurde und sich seither in Schubhaft befindet.

Der BF verfügt über keinerlei berufliche, familiäre oder sonstige soziale Bindungen in Österreich, er hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig. Der BF ist bereits mehrmals rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden. Der BF stellte nach seiner illegalen Einreise nach Österreich einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz. Der BF zeigt ein absolutes unkooperatives Verhalten und ist keinesfalls gewillt, freiwillig nach Marokko zurückzukehren.

Es liegt am BF selbst, seine Anhaltung in Schubhaft so kurz als wie möglich gestalten zu können. Der BF unterlässt es aber vollkommen am Verfahren mitzuwirken. Dem BF stünde es frei, selbständig und freiwillig einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses oder Reisepassersatzes bei der marokkanischen Botschaft zu stellen. Das der BF vollkommen unkooperativ ist zeigt sich auch, dass er bereits drei Mal die Schubhaftbetreuung verweigerte, er sich in der Zeit von XXXX.2020 – XXXX.2020 in einem Hungerstreik befand und somit seine Freilassung erpressen wollte (Hungerstreik wurde wieder freiwillig beendet) und nunmehr die Vorführung zur bereits anberaumten mündlichen Verhandlung verweigerte. Der BF verweigerte auch die Annahme der Landung zur Verhandlung.

Der BF ist in Österreich nicht sozial verankert. Weder bestehen familiäre Bindungen noch hat er hier je eine legale Erwerbstätigkeit ausgeübt. Er hat auch keine gesicherte Wohnmöglichkeit im Inland. Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt. Der BF verweigert beharrlich die Rückkehr nach Marokko.

Das BFA rechnet mit der Ausstellung eines HRZs und somit mit einer faktischen Durchführung der Abschiebung nach Marokko innerhalb der Schubhafthöchstdauer.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit stark eingeschränkt, jedoch handelt es sich dabei um eine vorübergehende Restriktion. Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich, jedoch in den kommenden Wochen möglich sein wird. Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer zeigt sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft – in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin – damit ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Einschränkungen gegenwärtig zu erwarten sind. Das BFA plant eine Einzelrückführung sodass mit einer Abschiebung – sobald das HRZ ausgestellt – zeitnah zu rechnen sein wird.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unstrittigen Akteninhalt die vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen basieren auf den Abfragen des Visa-Informationssystem, Strafregisterauskunft, Zentralem Melderegister, Sozialversicherungsauszug und dem Fremden Informationssystem.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf seinen eigenen Angaben im Asylverfahren. Die von ihm angegebene Muttersprache ist aufgrund seiner Herkunft plausibel, da der BF beim BFA mittels Dolmetscher auf Arabisch einvernommen wurde.

Es sind keine Hinweise auf Erkrankungen oder Einschränkungen der Haftfähigkeit des BF aktenkundig.

Die fehlende Ausreisebereitschaft des BF ergibt sich aus den Stellungnahmen des BFA und daraus, dass der BF im bisherigen Verfahren zur Erlangung eines HRZ, der Erlassung der Schubhaft sowie wie in der nunmehrigen amtswegigen Überprüfung der Schubhaft absolut unkooperativ ist und die Zusammenarbeit vollkommen verweigert. Die Bemühungen zur Erlangung eines HRZ wurden vom BFA glaubwürdig vorgebracht.

Das BF im Bundesgebiet keine soziale.- sowie familiäre Verankerungen aufweist ergibt sich daraus, dass diese nicht festgestellt werden konnten. Seine beschränkten finanziellen Mittel ergeben sich aus der Bargeldaufstellung der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

Die Feststellungen zu den aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Corona-Pandemie basieren auf übereinstimmenden Medienberichten und den dazu erlassenen Vorschriften.

Das BFA weist in der Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass sich der BF bei einer Enthaftung dem weiteren Verfahren voraussichtlich durch Untertauchen entziehen würde. Dies ist angesichts seiner nicht rechtmäßigen Einreise, des unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz, der konsistenten Weigerung, nach Marokko zurückzukehren, und seines unkooperativenen Verhaltens wahrscheinlich. Da die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie durchwegs vorübergehend bzw. befristet angeordnet wurden, ist dessen ungeachtet davon auszugehen, dass zeitnah, also innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate, ein Ersatzreisedokument für ihn ausgestellt und seine Rückführung nach Marokko bewerkstelligt werden kann.

3. Rechtliche Beurteilung

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Gegen dem BF besteht eine durchsetzbare und rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen. In Zusammenschau mit der fehlenden sozialen Verankerung und der mangelnden Rückkehrbereitschaft liegt nach wie vor Fluchtgefahr iSd § 76 Abs 3 Z 3 und 9 FPG vor. Der Zweck der Schubhaft kann auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, zumal der BF nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt und keine Unterkunftmöglichkeit besteht und der BF in den Jahren seines Aufenthaltes massiv straffällig wurde.

Der BF wurde zuletzt wegen des Verbrechens der Vergewaltigung zu einer 4-jährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Sohin ist das vom BF gezeigte Verhalten nicht nur als schwerwiegend verwerflich anzusehen, sondern hat der BF damit auch wesentliche Interessen des betroffenen Opfers aber auch der Gesellschaft an sich, nämlich Sicherheit für die Person und ihrer Interessen sowie des sozialen Friedens, zuwidergehandelt. Das vom BF gezeigte Verhalten weist sohin auf eine hohe Bereitschaft der Negierung schützender Gesetze und gesellschaftlicher Regeln sowie auf einen auf die Befriedigung sexueller Gelüste ausgerichteten labilen Charakter des BF hin. Dem BF kann gegenwärtig auch keine positive Zukunftsprognose in Hinsicht der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuerkannt werden.

Da die Schubhaftdauer sechs Monate noch nicht überschreitet und der BF noch nicht abgeschoben werden konnte, weil eine für seine Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt (vgl. § 80 Abs 4 Z 2 FPG), ist die Schubhaft trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs derzeit noch verhältnismäßig.

Eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 4 VwGVG, konnte unterbleiben, weil der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt werden konnte und von der mündlichen Erörterung keine weitere Aufklärung zu erwarten ist, da der BF sich verweigerte an der Verhandlung teilzunehmen.

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2230218.2.00

Im RIS seit

04.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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