TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 I412 2194248-1

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §60
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

I412 2194248-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über die Beschwerde der XXXX , StA. UGANDA, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM LL.M., gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich BAL vom 29.03.2018, Zl. XXXX ,

A) beschlossen:

Das Beschwerdeverfahren gegen Spruchpunkt I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird nach Zurückziehung der Beschwerde dagegen eingestellt.

und

B) zu Recht erkannt:

In Erledigung der verbleibenden Beschwerde werden Spruchpunkt IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides aufgehoben.

C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 02.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2018, Zl. XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführerin wurde kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Uganda zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Dagegen erhob sie durch ihren gewillkürten Rechtsvertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 07.12.2018 schloss sie die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger und wurde ihr am 10.12.2018 ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, gültig bis 10.12.2023, ausgestellt.

Mit Schriftsatz vom 10.07.2020 wurde eine Kopie der Aufenthaltskarte übermittelt und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. bis III. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen. Überdies wurde auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird auf den oben dargelegten Verfahrensgang verwiesen, der als Sachverhalt festzustellen ist.

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Ugandas, kinderlos und mit einem Österreicher verheiratet, mit dem sie in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

Sie spricht Englisch und Deutsch auf Niveau B1, hat in Uganda einen Studienabschluss absolviert und ist derzeit bei zwei Arbeitgebern geringfügig beschäftig.

Seit 10.12.2018 ist die Beschwerdeführer in Besitz einer Aufenthaltskarte „Aufenthaltstitel – Familienangehöriger“.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und ist unbestritten.

Vom Bundesverwaltungsgericht wurden aktuelle Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem des Bundes und des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt.

Aus diesen Abfragen ergeben sich übereinstimmend die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, zum Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, zum gemeinsamen Wohnsitz mit dem Ehegatten und der Erwerbstätigkeit.

Die Eheschließung wurde zusätzlich durch Vorlage der Heiratsurkunde belegt. Die Deutschkenntnisse wurden durch Prüfungszeugnisse bewiesen (AS 269). Ihre universitäre Ausbildung konnte die Beschwerdeführerin durch Vorlage einer Bestätigung der Universität in Kampala nachweisen (AS 217).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Einstellung des Beschwerdeverfahrens gegen Spruchpunkt I. bis III. nach Zurückziehung des Rechtsmittels:

3.1. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

§ 31 VwGVG lautet:

"(1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

(2) An seine Beschlüsse ist das Verwaltungsgericht insoweit gebunden, als sie nicht nur verfahrensleitend sind.

(3) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."

Gemäß § 7 Abs 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe erfolgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

In welchen Fällen "das Verfahren einzustellen" ist (§ 28 Abs 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG, Anm 5).

3.1.1. Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin erklärte in ihrer Eingabe vom 10.07.2020 an das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich und zweifelsfrei, auf die Beschwerde zu den Spruchpunkten I. bis III. des angefochtenen Bescheides „zu verzichten“. Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde wurden die bekämpften Spruchpunkte I. bis III. rechtskräftig. Einer Sachentscheidung ist damit jede Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens gegen die abweisende Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I. und II.) und gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.) auszusprechen war.

Zu B) Behebung der Spruchpunkte IV. bis VI. (Rückkehrentscheidung, Zulässigkeit der Abschiebung und Ausreisefrist):

3.2. Nach Verfahrenseinstellung zu den genannten Spruchpunkten I. bis III. wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten rechtskräftig abgewiesen und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 hat das Bundesamt diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen den Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Als weitere Voraussetzung gemäß leg. cit. gilt, dass dem Drittstaatsangehörigen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Im Fall der Beschwerdeführerin steht der Anwendung des § 52 Abs 2 FPG der Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz entgegen, weshalb eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin nicht zulässig ist.

3.2.1. Fremde halten sich gemäß § 31 Abs 1 Z 2 rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind.

Da sich die Beschwerdeführerin aufgrund des genannten Aufenthaltstitels nach dem NAG also rechtmäßig in Österreich aufhält, käme eine Rückkehrentscheidung nur nach § 52 Abs 4 FPG in Frage.

Gemäß § 52 Abs 4 FPG hat das Bundesamt gegen eine Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1), nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs 1 wegfällt, die für die erlaubte visumsfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist (Z 1a), ihm einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs 1 Z 1 und 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seine Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubte unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist (Z 2), ihm einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist (Z 3), der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs 1 und 2 NAG) entgegensteht (Z 4) oder das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde (Z 5). Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

Versagungsgründe nach § 60 AsylG 2005 und § 11 Abs 1 und 2 NAG wären beispielsweise ein aufrechte Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot, eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz, das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, wenn der Fremde eine Unterkunft nicht nachweisen kann und über keine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung verfügt, oder der Aufenthalt zu einer Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde.

3.2.2. Im gesamten Verfahren haben sich keine Hinweise auf einen der angeführten Versagungsgründe ergeben, ein Aufenthaltstitel nach § 8 Abs 1 Z 1 oder 2 liegt nicht vor und ist durch Studienabschluss auch das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt. Die Beschwerdeführerin ist erwerbstätig und krankenversichert, lebt mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt und bezieht keinerlei staatliche Leistungen. Ihr weiterer Aufenthalt gefährdet auch nicht die öffentliche Ordnung und Sicherheit in irgendeiner Weise. Eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin war auch nach § 52 Abs 4 FPG nicht zu erlassen.

Insgesamt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin im Besitz eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, weshalb gegenständlich von einer Feststellung, ob die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung von dauerhafter oder nur vorübergehender Natur ist, Abstand zu nehmen ist (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067), und die Rückkehrentscheidung aufzuheben war.

3.2.3. Aufgrund erfolgter Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme, fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs 9 FPG) und der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise (§ 55 Abs 1 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ebenfalls aufzuheben waren.

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass die angefochtenen, nach teilweiser Beschwerdezurückziehung verbleibenden Spruchpunkte aufzuheben waren, entfällt die Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, auf welche überdies ausdrücklich verzichtet wurde.

Zu C) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Behebung der Entscheidung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Ehe Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens ersatzlose Teilbehebung Familienangehöriger Kassation Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2194248.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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