TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/27 W268 2229864-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2020
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Entscheidungsdatum

27.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch

W268 2229864-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris Gachowetz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Moldawien, gegen den Bescheid vom 19.02.2020, Zl. XXXX , des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Recht:

A) I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass Spruchpunkt IV. lautet:

"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Moldawiens, reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in Österreich ein und wurde am 11.09.2019 festgenommen und in die Justizanstalt Graz Jakomini eingeliefert, wo über ihn mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz die Untersuchungshaft wegen des Verdachts der Delikte nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z1, 129 Abs. 2 Z2, 130 Abs. 3 StGB sowie § 50 WaffG angeordnet wurde.

Mit Schriftsatz vom 11.11.2019 wurde der BF aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot Stellung zu nehmen. Der BF brachte diesbezüglich keine Stellungnahme ein.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28.01.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und mit Waffen nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z5, 129 Abs. 1 Z1 und Z2, 129 Abs. 1 Z1 und Z2, Abs 2 Z1 und Z2, 130 Abs. 1 erster Fall, Abs. 2 zweiter Fall und Abs. 3 teils iVm §15 StGB sowie § 50 Abs. 1 Z2 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Moldawien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Gegen Spruchpunkte II bis VI des Bescheids wurde fristgerecht am 20.03.2020 Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch die juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH vorgelegt. Es wurde beantragt, den Bescheid in Bezug auf das Einreiseverbot zu beheben in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen, sowie das Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, sowie das Einreiseverbot nur für Österreich erlassen, in eventu den Bescheid zur nochmaligen Bearbeitung an das BFA zurückzuverweisen. Weiters wurde angeregt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Dem BFA wurde vorgeworfen, dass es das Recht des BF auf Parteiengehör verletzt habe, da es keine Einvernahme durchgeführt habe. Inbesondere zur Erstellung einer Gefährlichkeitsprognose wäre es erforderlich gewesen, dass sich die belangte Behörde ein persönliches Bild vom BF mache. Wäre die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen, hätte sie in Erfahrung gebracht, dass die beiden Kinder des BF (9 und 8 Jahre alt) gemeinsam mit der Ex-Lebensgefährtin des BF in Italien leben. Da das schriftliche Parteiengehör lediglich auf Deutsch verfasst worden sei, habe der BF nicht gewusst, was in dem Schreiben der belangten Behörde gestanden sei. Die Behörde habe keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des BF vorgenommen und die von ihm ausgehende Gefährdung nicht im erforderlichen Ausmaß geprüft. So sei bei der Festsetzung des Einreiseverbots keine ausreichende Einzelfallprüfung vorgenommen worden, sodass nicht nachvollziehbar sei, aufgrund welcher Annahme das BFA zum Ergebnis komme, dass die Dauer von acht Jahren angebracht sei. Nach Abwägung der angeführten Umstände sowie im Hinblick auf die erste strafrechtliche Verurteilung des BF in Österreich erweise sich ein Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren jedenfalls als unverhältnismäßig. Unter Anführung von Judikatur des UVS Wien wurde weiters beantragt, die Gültigkeit des Einreiseverbots nicht für den gesamten Schengenraum zu verfügen, zumal gemäß der angeführten Judikatur die Behörden des Staates, in welchen der BF beabsichtige einzureisen, zu entscheiden hätten. Der BF verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte innerhalb des EU-Raumes: Seine Kinder und seine ehemalige Lebensgefährtin würden in Italien leben. Der BF habe zu seinen Kindern ein gutes Verhältnis und wollte auch zu diesen nach Italien reisen. Es sei dann zu Komplikationen und letztendlich zu den Straftaten des BF gekommen. Im Hinblick auf die in der Rechtsmittelbelehrung angeführte Eingabengebühr von 30 Euro wurde schließlich ausgeführt, dass sich die Beschwerde auf den Bescheid vom 19.02.2020 beziehe, mit dem auch über einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen abgesprochen worden sei. Die Wortfolge „Verfahren nach diesem Bundesgesetz“ iSd § 70 AsylG 2005 sei so zu interpretieren, sodass auch ein Teil eines insgesamt einheitlichen Verfahrens mit mehreren aufeinander aufbauenden Spruchpunkten zur Gebührenbefreiung insgesamt zu führen habe. Diese Gebührenbefreiung sei auch auf das Verfahren des BVwG erstreckt worden. Letztendlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.03.2020 vorgelegt.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.04.2020 wurde der BF aufgefordert, allfällige Nachweise betreffend den Wohnsitz seiner Kinder in Italien binnen zwei Wochen dem Gericht vorzulegen.

Mit Schriftsatz des Beschwerdeführervertreters vom 06.04.2020 wurde gebeten, die Frist für die Bekanntmachung des Aufenthaltsortes der Kinder des BF bis Ende Mai 2020 zu verlängern.

Bis dato (27.07.2020) langte beim Bundesverwaltungsgericht kein diesbezügliches Schreiben des BF ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist Staatsangehöriger Moldawiens und ist somit Drittstaatsangehöriger. Die Identität des BF steht fest.

Der BF reiste visumfrei mit einem gültigen moldawischen Reisepass in das österreichische Bundesgebiet ein, beging jedoch unmittelbar nach seiner Einreise schwere Straftaten.

Zu Österreich bestehen keine besonderen Bindungen. Der BF verfügt über keinen ordentlichen Wohnsitz und war auch vor seiner Inhaftierung aufgrund seiner Straftaten nie aufrecht in Österreich gemeldet. Trotz Aufforderung seitens des Bundesverwaltungsgerichts hat der BF keine Unterlagen zu seinen glaublich in Italien lebenden Kindern übermittelt. Ein besonders zu berücksichtigendes Familien- oder Privatleben in Italien oder einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union wurde somit nicht bescheinigt.

Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf.

Der BF befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Der BF wurde in Österreich einmal strafrechtlich verurteilt:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 28.01.2020 wurde der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und mit Waffen nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z5, 129 Abs. 1 Z1 und Z2, 129 Abs. 1 Z1 und Z2, Abs 2 Z1 und Z2, 130 Abs. 1 erster Fall, Abs. 2 zweiter Fall und Abs. 3 teils iVm §15 StGB sowie § 50 Abs. 1 Z2 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Er befindet sich aktuell in Haft.

Eine besondere Gefährdung für den Fall einer Rückkehr nach Moldawien wurde nicht vorgebracht.

1.2. Zur Situation in Moldawien

Im Folgenden werden die wesentlichen Passagen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Republik Moldau wiedergegeben:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 06.02.2020, Neue Regierung (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Der Moldauische Präsident, Igor Dodon (Sozialistische Partei), hat unmittelbar nach Zerbrechen der Regierung Sandu einen seiner Berater, den ehemaligen Finanzminister der Regierung Filip, Ion Chicu, mit der Bildung einer Regierung beauftragt (RFE/RL 13.11.2019). Dieser formte eine Minderheitsregierung (die Sozialistische Partei verfügt nur über 36 Abgeordnete, wurde aber unterstützt durch 27 Abgeordnete der Demokratischen Partei des umstrittenen und nunmehr im Exil lebenden Oligarchen Vlad Plahotniuc (Euractiv 15.11.2019)), welche vom moldauischen Parlament am 14. November bestätigt wurde. Die Regierung Chicu, die zur Hälfte aus Beratern des Präsidenten besteht, versteht sich als eine technokratische Übergangslösung bis zu den nächsten Wahlen (RFE/RL 14.11.2020). Unter Experten gilt die Regierung als der Sozialistischen Partei nahestehend (Mold 14.11.2019).

Die EU und die USA forderten von der neuen Regierung ehrliches Engagement bei Reformen und Korruptionsbekämpfung. Chicu hatte dies auch angekündigt, doch Kritiker glauben, er werde sich geopolitisch Russland annähern und gleichzeitig nach Möglichkeit vom Westen finanzieren lassen (IWPR 31.1.2020). Andere Kommentatoren meinen, die Regierung habe vor allem den Zweck durch eine Reihe von populistischen Maßnahmen, die Wiederwahl von Präsident Dodon bei den Präsidentschaftswahlen im November 2020 zu unterstützen (JF 13.1.2020).

Quellen:

- Euractiv (15.11.2019): Moldova forms pro-Russian minority government, https://www.euractiv.com/section/europe-s-east/news/moldova-forms-pro-russian-minority-government/, Zugriff 6.2.2020

- IWPR – Institute for War and Peace Reporting (31.1.2020): West Doubts Moldova's Commitment to Reform. Tackling corruption and changing the judicial system no longer seems to be Chisinau’s priority, https://iwpr.net/global-voices/west-doubts-moldovas-commitment-reform, Zugriff 6.2.2020

- JF – Jamestown Foundation (13.1.2020): Amid Economic Pressure, Moldova’s Pro-Russian Government Looks for Alternatives, https://jamestown.org/program/amid-economic-pressure-moldovas-pro-russian-government-looks-for-alternatives/, Zugriff 6.2.2020

- Mold – Moldova.org (14.11.2019): Moldova has a new Government: Ion Chicu is the prime minister of the country, https://www.moldova.org/en/moldova-has-a-new-government-ion-chicu-is-the-new-prime-minister-of-the-country/

https://www.moldova.org/en/moldova-has-a-new-government-ion-chicu-is-the-new-prime-minister-of-the-country/, Zugriff 6.2.2020

- RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (13.11.2019): Moldova's Dodon Names Adviser Chicu As Prime Minister, https://www.rferl.org/a/moldovan-president-favors-technocrat-government-after-pm-toppled/30269487.html, Zugriff 6.2.2020

- RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (14.11.2019): Moldovan Parliament Approves New 'Technocratic' Government, https://www.rferl.org/a/moldovan-parliament-approves-new-technocratic-government/30271333.html, Zugriff 6.2.2020

KI vom 14.11.2019, Regierung gestürzt (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Nach fünf Monaten im Amt ist die Regierung aus prowestlicher Anti-Korruptions-Plattform ACUM und der prorussischen Sozialistischen Partei (PSRM) gestürzt. Das Parlament entzog dem Kabinett von Ministerpräsidentin Maia Sandu (ACUM) das Vertrauen. Grund war ein Misstrauensantrag der Sozialisten gegen Sandu, also gegen den eigenen Koalitionspartner (ZP 12.11.2019; vgl. NZZ 10.11.2019). Unterstützt wurde der Misstrauensantrag von der Demokratischen Partei (PDM) des Oligarchen Vlad Plahotniuc, deren Entfernung von der Macht ursprünglich der Grund für die ungewöhnliche Koalition zwischen PSRM und ACUM gewesen war (JF 12.11.2019).

Grund für das Zerwürfnis zwischen den Koalitionspartnern waren Streitigkeiten um die Besetzung des Postens des Generalstaatsanwalts. Dieser wird als essentiell für den Erfolg der Justizreform gesehen (NZZ 10.11.2019; vgl. JF 12.11.2019).

Auch der Ausgang der Lokalwahlen Anfang November ist zum Härtetest für das moldauische Regierungsbündnis geworden. Der Wahlkampf wurde hart geführt und hat einen Keil zwischen die beiden ideologisch so unterschiedlichen Regierungsparteien getrieben. Die Sozialisten waren erfolgreicher: Sie siegten in 15 Gebietsparlamenten, die ACUM nur in elf. Besonders schmerzlich ist für die ACUM die überraschende Niederlage in der Hauptstadt Chisinau (NZZ 10.11.2019).

Der moldauische Präsident Igor Dodon (PSRM) schlug seinen 47 Jahre alten Berater per Dekret als neuen Regierungschef vor. Das Parlament muss dies noch bestätigen (ZDF 13.11.2019).

Gibt es im Parlament in den nächsten 45 Tagen keine Mehrheit für eine neue Regierung, dann muss es vorgezogene Wahlen geben (ZP 12.11.2019).

Quellen:

- JF – Jamestown Foundation (12.11.2019): Eurasia Daily Monitor -- Volume 16, Issue 158, per E-Mail

- NZZ – Neue Zürcher Zeitung (10.11.2019): Zerreissprobe in der Moldau: Hält das Bündnis aus Prorussen und Proeuropäern, https://www.nzz.ch/international/moldau-haelt-das-buendnis-aus-prorussen-und-proeuropaeern-ld.1520783, Zugriff 14.11.2019

- ZDF – Zweites Deutsches Fernsehen (13.11.2019): Ex-Minister wird Regierungschef, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/republik-moldau-ex-minister-wird-regierungschef-100.html, Zugriff 14.11.2019

- ZP – zentralplus (12.11.2019): Regierung der Republik Moldau am Ende, https://www.zentralplus.ch/regierung-der-republik-moldau-am-ende-1653563/, Zugriff 14.11.2019

KI vom 27.06.2019, Politische Krise beendet (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Nachdem das moldauische Verfassungsgericht die Regierungsbildung von Sozialistischer Partei und ACUM vom 9.6.2019 für verfassungswidrig und daher nichtig erklärt hatte, beanspruchten sowohl die alte Regierung Filip und die neue Regierung Sandu für einige Tage parallel die Macht im Staat. Schlussendlich jedoch trat die Regierung Filip am 14. Juni auf Druck aus dem Westen und aus Russland zurück. Das Verfassungsgericht annullierte in der Folge seine Urteile betreffend die Legitimität der Regierung Sandu und beendete damit die Krise offiziell. Mit 26.Juni sind alle sechs Verfassungsrichter Moldaus, denen Kritiker Parteilichkeit vorwarfen, formell von ihren Ämtern zurückgetreten (RFE/RL 26.6.2019).

Der Oligarch und Chef der Demokratischen Partei, Vlad Plahotniuc, der in den letzten Jahren viele Schaltstellen im Staat mit Getreuen besetzt hatte, hat das Land bereits am 14. Juni verlassen. Für die neue Regierung aus pro-russischen Sozialisten und pro-europäischer ACUM beginnt damit der Prozess der „de-Oligarchisierung“, womit dieses System wieder aufgebrochen werden soll. Betreffende Gesetze sind gerade in Ausarbeitung. Wie lange die Koalition aus Sozialisten und ACUM halten wird, die im Grunde diametral entgegengesetzte politische Auffassungen vertreten, ist unsicher. Die Beteiligten selbst sprechen von einer „unnatürlichen“ Koalition und einem „temporären“ Kompromiss, geeint nur in dem Ziel, die Demokratische Partei und deren graue Eminenz Plahotniuc von der Macht zu entfernen (Politico 27.6.2019; JF 26.6.2019).

Quellen:

- JF – Jamestown Foundation (26.6.2019): Eurasia Daily Monitor. Volume 16, Issue 94: Moldova’s Regime Change: End of an Era, Uncertain New Start (Part Two), per E-Mail

- Politico (27.6.2019): Moldova’s new PM sets pro-Western course, https://www.politico.eu/article/maia-sandu-moldovan-pm-aims-for-pro-western-course/, Zugriff 27.6.2019

- RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (26.6.2019): Moldova's Entire Constitutional Court Resigns, https://www.rferl.org/a/moldova-s-entire-constitutional-court-resigns/30022221.html, Zugriff 27.6.2019

KI vom 11.06.2019, Politische Krise (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Der pro-europäische Parteienblock ACUM sowie die pro-russische Sozialistische Partei (PSRM), eigentlich politisch verfeindet, haben sich Ende der Vorwoche auf ein Regierungsbündnis geeinigt, um sich gegen den als mächtigsten Mann des Landes wahrgenommenen Oligarchen Vladimir Plahotniuc, gleichzeitig Chef der Demokratischen Partei (PDM), zu stellen. Die derart neu gebildete Allianz hat Maia Sandu von ACUM zur Regierungschefin gewählt, die PSRM stellt den Parlamentspräsidenten. Der pro-russische Präsident Igor Dodon (PSRM) vereidigte Sandu und ihr neues Kabinett. Die Bildung dieser Regierung erfolgte am 9.6.2019. Das Verfassungsgericht hatte jedoch bereits am 7.6.2019 klargestellt, dass Präsident Dodon das Parlament auflösen müsse, da die verfassungsmäßige Frist zur Regierungsbildung von drei Monaten ab der Parlamentswahl bereits abgelaufen sei. Ob das zutrifft ist umstritten, da das Verfassungsgericht die vorgesehenen „drei Monate“ als „90 Tage“ interpretiert, während andere der Meinung sind, diese Frist wäre erst am 9. Juni ausgelaufen. Das Verfassungsgericht erklärte daraufhin, die Regierung nicht anzuerkennen, und suspendierte Präsident Dodon, da er sich geweigert hatte die Anweisungen des Gerichts zu befolgen. Als Interimspräsident eingesetzt wurde der ehemalige Ministerpräsident der Demokratischen Partei, Pawel Filip. Das Verfassungsgericht gilt als der PDM nahestehend. Filip setzte wenig später prompt Neuwahlen für den 6. September an. Russland, die EU und die USA unterstützen die neue Regierung. Am Montag, den 10.6.2019 hielten die beiden konkurrierenden Regierungen Sitzungen an verschiedenen Orten in der Hauptstadt Chisinau ab. Die PDM bringt mit Bussen Unterstützer aus dem ganzen Land in die Stadt, welche Protest-Camps bilden. Der Polizeichef erkennt die Autorität der neuen Regierung nicht an (DS 9.6.2019, Me 11.6.2019, RFE/RL 10.9.2019, JF 10.6.2019).

Quellen:

- DS – Der Standard (9.6.2019): Gericht in Moldau enthebt Präsident Dodon seines Amtes, https://derstandard.at/2000104601453/Gericht-in-Moldau-enthebt-Praesident-Dodon-seines-Amtes, Zugriff 11.6.2019

- Me – Merkur.de (11.6.2019): Showdown im ärmsten Land Europas: Bündnis legt sich mit Oligarchen an - der schlägt zurück, https://www.merkur.de/politik/moldova-showdown-im-aermsten-land-europas-polit-krieg-mit-oligarchen-zr-12363702.html, Zugriff 11.6.2019

- RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (10.6.2019): Rival Moldovan Governments Meet Separately As Russia Sides With New Alliance, https://www.rferl.org/a/rival-moldovan-governments-meet-separately-as-russia-sides-with-new-alliance/29991856.html, Zugriff 11.6.2019

- JF – Jamestown Foundation (10.6.2019): Eurasia Daily Monitor. EDM Early Warning, per E-Mail
1.         Politische Lage

Moldau hat annähernd 34.000 km² Fläche und ca. 2,9 Mio. Einwohner (ohne Transnistrien). Das Land ist eine parlamentarische Demokratie, Staatsoberhaupt ist seit 23. Dezember 2016 Präsident Igor Dodon (PSRM). Regierungschef ist seit 20. Januar 2016 Ministerpräsident Pavel Filip (PDM). Das moldauische Parlament hat eine Kammer mit 101 Sitzen. Die Regierungskoalition umfasst derzeit die Demokratische Partei (PDM – 42 Sitze), informell auch auf die Europäische Volksgruppe (GPPE, 9 Sitze). Zur parlamentarischen Opposition gehören die Partei der Kommunisten der Republik Moldau (PCRM - 6 Sitze), die Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM - 24 Sitze), die Liberal-Demokratische Partei (PLDM - 5 Sitze), die Liberale Partei (PL - 9 Sitze) und 6 Parteilose (AA 3.2018a).

Zwei Runden der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 führten zur Wahl von Igor Dodon zum Präsidenten der Republik Moldau. Laut Wahlbeobachtungsmission der OSZE waren beide Wahlgänge kompetitiv und respektierten die Grundfreiheiten. Internationale und nationale Beobachter stellten jedoch eine polarisierte und unausgewogene Medienberichterstattung, harte und intolerante Rhetorik, mangelnde Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung und Fälle von Missbrauch administrativer Ressourcen fest (USDOS 20.4.2018).

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Juni 2018, die Bürgermeisterwahl in Chi?in?u wegen kleinerer Vorfälle (Vorwurf des Wahlkampfs über Social Media nach dem offiziellen Ende des Wahlkampfes) für nichtig zu erklären, trug weiter zur Wahrnehmung bei, dass die Justiz politisch entscheidet (FH 2019).

Die Republik Moldau erlebte im Jahr 2017 deutliche Anzeichen eines demokratischen Rückschritts mit illiberalen und autoritären Tendenzen und kam internationalen und nationalen Verpflichtungen bzw. Reformvorhaben nur zum Schein nach. Die Zeiten, in denen Moldau als Erfolgsgeschichte der europäischen Integration galt, sind vorbei. Das Verschwinden von einer Milliarde Dollar aus dem nationalen Bankensystem (2014) und die erbitterte Auflösung der Regierungskoalition, die dem Bankenskandal folgte, zerstörten viel von dem positiven Bild, das Moldau seit 2009 von sich aufzubauen verstanden hatte. Gerade die Rolle der Demokratischen Partei (PDM) wird in diesem Zusammenhang sehr kritisiert. Deren Vorsitzender, der Oligarch Vlad Plahotniuc, hatte es nach 2014 geschickt verstanden, seine Partei trotz einer bescheidenen demokratischen Legitimation von 16% bei den Parlamentswahlen 2014 zur wichtigsten politischen Kraft des Landes zu machen und diese Macht zu festigen, nicht zuletzt auch durch Einführung eines neuen Wahlsystems (JF 10.1.2018; vgl. FH 2019, BAMF 18.2.2019).

Laut Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments befindet sich die Republik Moldau im Griff von oligarchischen Interessen mit einer Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht in den Händen einer kleinen Gruppe von Menschen, die Einfluss auf das Parlament, die Regierung, die politischen Parteien, die Staatsverwaltung, die Polizei, die Justiz und die Medien ausübt. Es werden darin Rückschritte bei demokratischen Standards und Rechtsstaatlichkeit und Mängel bei Unabhängigkeit der Justiz und Korruptionsbekämpfung moniert (BI 10.10.2018).

Bei der Parlamentswahl am 24. Feber 2019 hat keine Partei eine absolute Mehrheit gewonnen. Pro-russische und pro-westliche Kräfte sind fast gleichauf. Nach den ersten Ergebnissen liegen die pro-russischen Sozialisten (PSRM) von Staatspräsident Igor Dodon mit ca. 31% vorne. Gefolgt von dem bisher nicht im Parlament vertretenen pro-europäischen Wahlblock ACUM mit knapp 26%. Auf Platz drei, mit 24%, liegen die amtierenden formal pro-europäischen Demokraten (PDM) von Vlad Plahotniuc. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 49%. Wenn nicht innerhalb von 45 Tagen eine Regierung gebildet wird, müssen Neuwahlen stattfinden (BAMF 25.2.2019).

Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bezeichneten in einer ersten Reaktion den Urnengang vom 24. Feber als kompetitiv und bestätigten die generelle Respektierung grundlegender Rechte, sprachen jedoch auch von Vorwürfen des Drucks auf öffentlich Bedienstete, starken Hinweisen auf Stimmenkauf und den Missbrauch staatlicher Ressourcen (OSZE 25.2.2019). Oppositionsparteien werfen den regierenden Demokraten massiven Wahlbetrug vor. Sowohl die Demokraten als auch die Sozialisten beschuldigten einander des Stimmenkaufs. Laut der CEC gab es 18 Beschwerden wegen Unregelmäßigkeiten, aber die Wahlen verliefen ohne größere Zwischenfälle (RFE/RL 24.2.2019; vgl. RFE/RL 25.2.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.2018a): Republik Moldau, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/moldau/201826, Zugriff 22.2.2019

- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (18.2.2019): Briefing Notes vom 18.02.2019, per E-Mail

- BAMF -Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (25.2.2019): Briefing Notes vom 25.02.2019, per E-Mail

- BI – Balkan Insight (10.10.2018): Oligarchs Have ‘Captured Moldova’, EU Resolution Warns, https://balkaninsight.com/2018/10/10/eu-urges-moldovan-authorities-to-respect-democratic-standards-10-10-2018/, Zugriff 26.2.2018

-FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 4.3.2019

- JF – Jamestown Foundation (10.1.2018): A Year in Review: Oligarchic Power Consolidation Defines Moldova’s Politics in 2017, https://www.ecoi.net/de/dokument/1421482.html, Zugriff 22.2.2019

- OSZE – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (25.2.2019): Fundamental rights generally respected in competitive Moldovan elections, though campaign tainted by violations, international observers say, https://www.osce.org/odihr/elections/moldova/412361, Zugriff 1.3.2019

- RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Free Europe (24.2.2019): Crucial Moldovan Parliamentary Vote Marred By Fraud Allegations, https://www.rferl.org/a/moldova-elections-dodon-socialists-acum-democrats-russia-eu/29787009.html?ltflags=mailer, Zugriff 1.3.2019

- RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Free Europe (25.2.2019): Moldova Elects Parliament With No Clear Majority, https://www.rferl.org/a/moldova-socialists-lead-democrats-acum-parliamentary-vote/29788181.html, Zugriff 1.3,2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019
2.         Sicherheitslage

Die Republik Moldau ist Teil der im Mai 2009 ins Leben gerufenen „Östlichen Partnerschaft der EU“, die das Land näher an die EU heranführen soll. Am 27. Juni 2014 wurde in Brüssel das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau unterzeichnet, das am 1. Juli 2016 vollständig in Kraft trat. Zentraler Kern des Abkommens ist die Einrichtung einer Tiefen und umfassenden Freihandelszone (Deep and Comprehensive Free Trade Area - DCFTA), in deren Rahmen eine schrittweise Annäherung moldauischer Rechtsvorschriften an EU-Rechtsvorschriften und Standards erfolgen soll. Die Beziehungen zur Russischen Föderation bleiben für die Republik Moldau von zentraler Bedeutung, unter anderem wegen der Abhängigkeit der Republik Moldau von russischen Gaslieferungen und der großen Bedeutung des russischen Marktes für moldauische Exporte, insbesondere Agrarprodukte. Ein erheblicher Teil der moldauischen Gastarbeiter lebt in der Russischen Föderation. Seit 2013 hat die Russische Föderation Handelsrestriktionen gegen Moldau verhängt. Während die moldauische Regierung an einer pro-europäischen Ausrichtung des Landes festhält, bemüht sich Präsident Dodon um eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland, z.B. durch Erleichterungen bei den Handelsrestriktionen. Die OSZE unterhält seit 1993 eine Mission in Chi?in?u. Die Republik Moldau ist seit 1994 Partner der NATO. Die moldauische Verfassung schreibt die bündnispolitische Neutralität des Landes vor. Moldau nimmt innerhalb dieses Rahmens aktiv am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ teil und beteiligt sich mit Soldaten am KFOR-Einsatz. Im Dezember 2017 eröffnete die NATO ein Verbindungsbüro in Chisinau (AA 3.2018b).

Quellen:

-AA – Auswärtiges Amt (3.2018b): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/-/202836, Zugriff 22.2.2019

2.1.    Transnistrien

1990 erklärte sich der separatistische Landesteil Transnistrien von der Republik Moldau unabhängig. Es kam zu einem kurzen kriegerischen Konflikt, der 1992 mit einem Waffenstillstand beendet wurde. Die Republik Moldau hat in Transnistrien keinerlei hoheitliche Gewalt (USDOS 20.4.2018).

Die seit der Unabhängigkeit der Republik Moldau ungelöste Transnistrien-Frage beeinflusst weiterhin die Entwicklung des Landes. Transnistrien (offiziell: Pridnestrovskaya Moldavskaya Respublika, PMR) ist der östlich des Nistru/Dnjestr gelegene Landesteil Moldaus, mit einer Bevölkerung, die sich zu jeweils etwa einem Drittel aus Moldauern, Russen und Ukrainern zusammensetzt. Dieser hat sich im Zusammenhang mit der Auflösung der Sowjetunion vom moldauischen Kernland faktisch abgespalten und quasi-staatliche Strukturen geschaffen. Die internationale Gemeinschaft bekennt sich zur territorialen Integrität der Republik Moldau. Die einseitige Unabhängigkeitserklärung Transnistriens wurde von keinem Staat anerkannt. Die Verhandlungen im 5+2-Format (Moldau und Transnistrien; sowie als Mediatoren: OSZE, Russland und Ukraine; und als Beobachter: USA und EU) erreichten im November 2017 die Unterzeichnung mehrerer Vereinbarungen, die Fortschritte u. a. in den Bereichen Bildung, Verkehr und Telekommunikation vorsehen. Seit März 2006 wird eine gemeinsame Vereinbarung über die Zollabfertigung und die Regelung des Warenverkehrs von und nach Transnistrien zwischen der Republik Moldau und der Ukraine umgesetzt. Die EU unterstützt beide Länder in ihrer Zusammenarbeit an der Grenze seit 2005 durch eine Mission (EUBAM - European Union Border Assistance Mission). Die Anwendung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Republik Moldau sowie das Tiefe und umfassende Freihandelsabkommen (DCFTA) erstreckt sich auf das gesamte Staatsgebiet der Republik Moldau, sofern die getroffenen Vereinbarungen umgesetzt werden. Im transnistrischen Landesteil gibt es weiterhin russische Truppen und Waffenbestände (insgesamt ca. 1.250 Soldaten). Die Russische Föderation hat sich 1999 zum Abzug dieser Restmunition und deren Bewachung verpflichtet, dies 2003 jedoch gestoppt und Transnistrien erklärte die Waffenbestände zum Eigentum des separatistischen Landesteils (AA 3.2018c).

Die transnistrischen de facto-Behörden verhinderten die Teilnahme der Transnistrier an den moldauischen Parlaments- und Präsidentenwahlen 2014 bzw. 2016. Es gibt regelmäßig Berichte über Folter, willkürliche Festnahmen, gesetzwidrige Haft usw., bei gleichzeitiger Straflosigkeit. Es gibt Berichte über Verhaftungen abseits jeglicher Rechtsstaatlichkeit aufgrund fabrizierter Anklagen und über Missachtung der Strafprozessordnung und Verwehrung des Rechts auf ein faires Verfahren. Es gibt in Transnistrien keinen Mechanismus zur Untersuchung mutmaßlicher Folterungen. Die transnistrischen de facto-Behörden verüben die meisten Fälle unmenschlicher und erniedrigender Behandlung um Geständnisse zu erzwingen. Es wurden Berichten zufolge seit Gründung des diesbezüglichen transnistrischen Untersuchungskomitees im Jahre 2012, keine Strafverfahren bezüglich erzwungener Aussagen eingeleitet. Innerhalb der transnistrischen „Armee“ kommt es weiterhin zu Fällen erniedrigender und demütigender Behandlung von Rekruten. Die Bedingungen in transnistrischen Hafteinrichtungen sind weiterhin harsch und verbesserten sich auch 2017 nicht wesentlich. Die Misshandlung der Häftlinge ist weiterhin ein großes Problem. Laut transnistrischen Eigenangaben sind dort ca. 3.000 Personen in Haft. Der transnistrische „Ombudsmann“ berichtete 2016 einen Rückgang der Beschwerden von Häftlingen im Vergleich zu 2015, aber eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben fehlt, ebenso wie Berichte über unabhängiges Monitoring der Hafteinrichtungen. In der Region herrscht keine Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung ist Berichten zufolge das am öftesten verletzte Recht in der Region überhaupt, in jüngerer Zeit auch unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung. Zwei Organisationen kontrollieren den transnistrischen Massenmedienmarkt: die Public Agency for Telecommunication, welche die Nachrichtenagenturen, Zeitungen und einen der beiden populärsten Fernsehkanäle kontrolliert; und die Sheriff Holding, ein Unternehmenskonglomerat mit beträchtlichem Einfluss auf die transnistrische Politik. Journalisten in der Region praktizieren Selbstzensur, um nicht in Gegensatz zum Regime zu geraten. Der transnistrische „Geheimdienst“ KGB kann seit 2015 die Sperrung von Internetinhalten bei der „Staatsanwaltschaft“ beantragen. Die Vereinigungsfreiheit wird in Transnistrien erheblich eingeschränkt. Diese gilt per se nur für Personen, die als Bürger von Transnistrien anerkannt sind. Alle nicht staatlichen Aktivitäten müssen von den lokalen „Behörden“ koordiniert werden. Organisationen, die für die Wiedereingliederung mit Moldawien eintreten, sind verboten. Die Aktivitäten von Menschenrechts-NGOs werden eingeschränkt und überwacht. Transnistrische „Gesetze“ schützen zwar die Rechte behinderter Personen in den Bereichen Bildung, Arbeit und medizinische Versorgung, belastbare Informationen zur Praxis gibt es jedoch keine. Schulen, die in lateinischer Schrift lehren, sind in Transnistrien dem Druck der de facto-Behörden ausgesetzt. Homosexualität ist in Transnistrien illegal, LGBTI-Personen werden gesellschaftlich und von den „Behörden“ diskriminiert (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.2018c): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/-/202838, Zugriff 22.2.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019
3.         Rechtsschutz / Justizwesen

Ein großes Problem stellt die mangelnde Unabhängigkeit des Justiz- und Strafverfolgungswesens dar. Das Justizwesen gilt als ausgesprochen korruptionsanfällig. Die Einflussnahme einflussreicher Dritter, besonders im Rahmen selektiver Justiz, wird weitläufig angenommen und kann in Einzelfällen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. In Öffentlichkeit und Medien wird berichtet, dass große Teile der Wirtschaft sowie des Justizsektors von der herrschenden Oligarchie kontrolliert oder zumindest beeinflusst werden. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Justiz liegt bei unter 10%. Die Reform des Justizsektors der letzten Jahre wird allgemein als Misserfolg angesehen, da weder die Transparenz noch die Effizienz erhöht werden konnten (AA 29.10.2018).

Das Gesetz garantiert eine unabhängige Justiz, dennoch sind Fälle fehlenden Respekts von Regierungsvertretern für die richterliche Unabhängigkeit weiterhin ein Problem. Dasselbe gilt für Korruption im Justizwesen. Der Prozess gegen den früheren Premierminister Vlad Filat, der wegen angeblicher Korruption und Einflussnahme im Zusammenhang mit dem Bankbetrug 2014 zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, warf Fragen über die Unparteilichkeit von Staatsanwaltschaft und Justiz auf. 68% der befragten Bürger gaben an, dass das Recht auf ein faires Verfahren in Moldau nur in geringem Umfang oder gar nicht existiere. Viele der Befragten glauben auch, dass die Justiz selektiv agiere und von Korruption betroffen sei. Es kommt weiterhin zu selektiver Strafverfolgung von Amtsträgern aus politischen Gründen. Gegen NGOs gerichtete Maßnahmen, die Absetzung eines Richters und Verhaftungen von Staatsbeamten wegen angeblich erfundener Anklagen haben ebenfalls Bedenken ausgelöst. Spezielle Richter sind für die Durchsetzung eines gerichtlichen Ethik-Kodex und die Untersuchung von Fällen von richterlichem Fehlverhalten oder ethischen Verstößen verantwortlich. Sie berichten dem Obersten Richterrat (Superior Council of Magistrates). Im Jahr 2016 hat der Disziplinarausschuss dieses Rates 86 Disziplinarmaßnahmen eingeleitet und 13 Sanktionen verhängt, darunter sechs Verwarnungen und sieben Warnungen. Trotz einer erheblichen Zunahme der Disziplinarmaßnahmen nach der Reform des Disziplinarausschusses des Rates, wurden die meisten Vorwürfe zurückgewiesen. Das Gesetz garantiert die Unschuldsvermutung, in der Praxis wird diese aber nicht immer respektiert, was sich gelegentlich auch in Wortmeldungen von Richtern äußert. Es gibt die gesetzliche Möglichkeit gegen Menschenrechtsverletzungen gerichtlich vorzugehen, gegebenenfalls bis hin zum EGMR. Die Urteile in solchen Fällen fallen aber oft bescheiden aus und werden nicht immer umgesetzt. Urteile des EGMR hingegen werden in der Regel prompt erfüllt. Die Zahl der Beschwerden vor dem EGMR hat in Vergleich zu den Vorjahren abgenommen (USDOS 20.4.2018).

Das Recht auf ein faires Verfahren wird unter anderem auch von der Befangenheit von Richtern und Korruption in der Justiz geschmälert. Die Justiz in Moldau ist weiterhin höchst korrupt und ist dem Business und politischen Gruppen gegenüber dienstbar, derzeit vor allem dem Oligarchen und Parteichef Vlad Plahotniuc gegenüber. Die politisierte Justiz wird oft als Mittel gegen dessen politische Rivalen eingesetzt (BS 2018).

Die Unabhängigkeit der moldauischen Justiz wird durch ihre Anfälligkeit für politischen Druck behindert. Richterernennungen sind intransparent und es wurden auch Richter wegen ihrer Entscheidungen abgesetzt. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Juni 2018, die Bürgermeisterwahl in Chi?in?u wegen kleinerer Vorfälle für nichtig zu erklären, trug weiter zur Wahrnehmung bei, dass die Justiz politisch entscheidet. Im Dezember 2018 wurden drei der Regierung nahestehende Richter in den Verfassungsgerichtshof berufen. Ein ordentliches Verfahren ist im moldauischen Justizsystem oft nicht garantiert. Einige Anklagen sind politisch motiviert, insbesondere jene gegen Menschenrechtsanwälte und Oppositionelle. Trotz gesetzlicher Vorschriften, die Audio- und Videoaufnahmen vorschreiben, werden wichtige Fälle hinter verschlossenen Türen verhandelt. Lange Untersuchungshaft ist üblich (FH 2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (29.10.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452871/4598_1543584844_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-moldau-stand-oktober-2018-29-10-2018.pdf, Zugriff 26.2.2019

- BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.2.2019

- EC – European Commission (3.4.2018): Association Implementation Report on Moldova, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/association_implementation_report_on_moldova.pdf, Zugriff 23.5.2018

- FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 22.2.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019
4.         Sicherheitsbehörden

Die nationale Polizei ist die primäre Strafverfolgungsbehörde und für die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung, den Verkehr, die Migration und den Schutz der Grenzen zuständig. Sie ist in die Kriminalpolizei und Ordnungspolizei unterteilt und untersteht dem Innenministerium. Die Sicherheitskräfte werden effektiv von den zivilen Behörden kontrolliert. Das Ministerium erzielte bescheidene Fortschritte bei der Umsetzung von Reformen zur Bekämpfung von Missbrauch und Korruption. Obwohl die Behörden Berichten über Amtsmissbrauch in Sicherheitsbehörden und anderswo nachgehen, werden selten Beamte erfolgreich wegen Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Komplizenschaft beim Menschenhandel angeklagt und bestraft (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019
5.         Folter und unmenschliche Behandlung

Menschenrechtsorganisationen berichten, dass durch Folter und körperliche Misshandlungen Geständnisse erpresst werden und die Opfer persönlich erniedrigt werden, was wiederum eine abschreckende Wirkung entfaltet. Im Jahr 2017 registrierte der EGMR 9% weniger Klagen als 2016. Trotz des Rückgangs ist die Pro-Kopf-Rate der gegen die Republik Moldau eingereichten Klagen noch immer sehr hoch. Im Jahr 2017 klagten die Bürger der Republik Moldau dreimal häufiger als der europäische Durchschnitt beim EGMR (AA 29.10.2018).

Obwohl die Gesetze Folter verbieten, gibt es weiterhin Berichte über körperliche Misshandlung und Folter vor allem in Haftanstalten und psychiatrischen Einrichtungen. Fälle von Misshandlung in Polizeistationen und Folterfälle in Hafteinrichtungen gingen allerdings zurück. Laut Quellen führten von den über 600 Beschwerden wegen Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, die jährlich bei der Generalstaatsanwaltschaft eingehen, 20% auch wirklich zu einem Strafverfahren. Nach dem Strafgesetzbuch ist Folter mit bis zu zehn Jahren Gefängnis strafbar, in besonderen Fällen sogar bis zu 15 Jahren. Vorsätzliche Folter durch einen Beamten wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Jahren oder einer Geldstrafe von 57.500 bis 67.500 Lei (2.875 bis 3.375 USD) und einem Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter geahndet. Das Gesetz verbietet es den Gerichten, Personen, die wegen Folter verurteilt wurden, eine Bewährungsstrafe zu gewähren. Ein im Jahr 2016 angenommenes Gesetz zur Rehabilitation von Opfern von Straftaten trat im März 2017 in Kraft. Nach dem Gesetz erhalten Opfer von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung staatliche Prozesskostenhilfe, wodurch die ihnen gebotenen Verfahrensgarantien gestärkt werden. In der ersten Jahreshälfte 2017 gingen bei der Generalstaatsanwaltschaft 320 Vorwürfe wegen Folter und Misshandlung ein, von denen 112 die Kriminalpolizei, 78 die Verkehrspolizei, 21 Angestellte des Strafvollzugssystems und 56 weitere Polizeieinheiten und die Zollwache betrafen. Die Staatsanwaltschaft hat 45 Strafverfahren eingeleitet und 15 Fälle vor Gericht gebracht. In den meisten Fällen wandte die Polizei Gewalt während der Haft als Mittel zur Einschüchterung, zur Beschaffung von Beweisen und Geständnissen und zur Bestrafung mutmaßlicher Straftaten an. Die meisten angeblichen Vorfälle ereigneten sich auf der Straße oder an öffentlichen Orten, gefolgt von Polizeistationen und Haftanstalten. Trotz der Abnahme von Folterfällen waren psychologische Folter und erniedrigende Behandlung weiterhin ein Problem in Strafvollzugsanstalten und psychiatrischen Anstalten. Eine unabhängige Bewertung durch lokale nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen ergab, dass der Rückgang der Folterfälle auf härtere Strafen, robustere Sensibilisierungskampagnen und Schulungen für Staatsanwälte, Richter und Polizei, sowie Videoüberwachungsgeräte in Polizeistationen und Hafteinrichtungen zurückzuführen waren. Der Menschenrechtsombudsmann berichtet, dass die meisten Foltervorwürfe und unzureichende Haftbedingungen in der Strafvollzugsanstalt Nr. 13 in Chisinau, der Strafvollzugsanstalt Nr. 11 in Balti und der Strafvollzugsanstalt Nr. 17 in Rezina vorkommen. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 führten die Mitglieder des nationalen Anti-Folter-Mechanismus (Ombudsmann) 14 präventive Besuche in Gefängnissen, Untersuchungshaftanstalten, psychiatrischen Anstalten und psycho-neurologischen Heimen durch. Trotz eines Rückgangs der mutmaßlichen Fälle von Folter meinen Menschenrechtsexperten, dass die Dunkelziffer höher liegen dürfte, da vielen Personen das Vertrauen in den Justizsektor fehlt (USDOS 20.4.2018).

Es gibt weiterhin Vorwürfe bezüglich Folter und Misshandlung in Hafteinrichtungen und im Strafvollzugssystem (AI 22.2.2018). Obwohl Polizeibeamte in Zusammenhang mit Folter selten strafverfolgt werden, gibt es hierzu einige positive Veränderungen zu beobachten (BS 2018; vgl. FH 2019).

Quellen:

-AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (29.10.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452871/4598_1543584844_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-moldau-stand-oktober-2018-29-10-2018.pdf, Zugriff 26.2.2019

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425530.html, Zugriff 22.2.2019

-BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.2.2019

-FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 22.2.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019
6.         Korruption

Korruption bleibt das größte Problem des Landes. Die Gesetze sehen strafrechtliche Sanktionen für offizielle Korruption vor, in der Praxis wird dies aber nicht effektiv umgesetzt und die Beamte wenden häufig ungestraft korrupte Praktiken an. In der Justiz und anderen staatlichen Strukturen gibt es weit verbreitete Korruption. Die Regierung hat bei der Untersuchung von Korruptionsfällen in Amtsapparat und Justiz einige Fortschritte erzielt, doch diese Maßnahmen wurden zumeist als selektive Justiz wahrgenommen (USDOS 20.4.2018).

Korruption ist nach wie vor ein weit verbreitetes Problem auf allen Regierungsebenen und geltende Antikorruptionsgesetze werden nur unzureichend durchgesetzt. In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, um die Transparenz zu erhöhen, etwa die Offenlegung der Vermögenswerte von Staatsbeamten, doch diese wurden mangels politischem Willen nicht effektiv durchgesetzt (FH 2019).

Moldau wird im 2018 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit 33 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean). DAmit hat im längerfristigen Vergleich die Bewertung wieder leicht zugenommen (2012: 36 Punkte; 2013: 35; 2014: 35; 2015: 33; 2016: 30, 2017: 31) (TI 2017; vgl. TI 2018).

Korruption ist auch im Gesundheitswesen und in Bildungseinrichtungen verbreitet. Private Unternehmen bezahlen die meisten Bestechungsgelder an Finanzämter und Gerichte. Die zahlreichen Parteiwechsel im moldauischen Parlament seit den letzten Wahlen, sind Beispiele für korrupte Einflüsse auf das Parlament und den Kauf politischer Unterstützung. Grundsätzlich werden selten Beamte erfolgreich wegen Korruption angeklagt und bestraft. Regierungsangaben zufolge hat das Nationale Antikorruptionszentrum 2016 insgesamt 858 Ermittlungen wegen Korruption und Amtsmissbrauch eingeleitet. Insgesamt wurden 187 Fälle betreffend 235 Personen an die Gerichte weitergeleitet, darunter waren ein Richter, Mitarbeiter des Innenministeriums, Grenzpolizisten, Kriminalbeamte, Polizeibeamte und auch drei Mitarbeiter des Antikorruptionszentrums selbst. Von 179 im Jahr 2016 verurteilten Personen, wurden 19 eingesperrt und 15 erhielten sowohl eine Gefängnis- als auch Geldstrafen. Die meisten Korruptionsdelikte betrafen den öffentlichen und privaten Sektor (720 Fälle), Geldwäsche (32 Fälle) und andere (106 Fälle). Das Zentrum untersuchte Richter, Staatsanwälte, Leiter staatlicher Institutionen, Amtsträger des Gesundheitswesens, Bürgermeister, Gerichtsvollzieher, Polizeibeamte, Anwälte und andere Amtsträger. Die Abteilung für Internes und Korruptionsbekämpfung des Innenministeriums registrierte 2017 24 Fälle von passiver Korruption und 17 Fälle von aktiver Korruption. Die meisten Korruptionsdelikte betrafen Mitarbeiter des Polizeiinspektorats (17 Fälle), gefolgt von normalen Bürgern (16 Fälle), dem Notdienst (fünf Fälle) und der Grenzpolizei (ein Fall). Die Antikorruptionsabteilung registrierte außerdem 24 Fälle von Einflussnahme (USDOS 20.4.2018).

Der Begriff "captured state" wird weiterhin von lokalen und internationalen Experten verwendet, um den Umfang der Korruption in Moldau zu definieren. Transparency International-Moldova zufolge ist sogar der Kampf gegen die Korruption politisiert, um Kontrolle über die Zweige der Staatsgewalt auszuüben. Es gibt Berichte über Fälle selektiver Justiz zur Strafverfolgung von Amtsträgern aus politischen Gründen. 2017 wurde eine nie dagewesene Zahl von hochrangigen Amtsträgern wegen Korruption und Einflussnahme angeklagt (USDOS 20.4.2018).

Das nationale Antikorruptionszentrum ist eine mächtige Behörde, dessen Aufgabe in der Vorbeugung gegen und Bekämpfung von Korruption besteht. Die in der Republik Moldau überall anzutreffende große Korruptionsanfälligkeit bietet immer wieder Anlass, missliebigen Personen zu drohen, sie einzuschüchtern oder gar strafrechtlich zu verfolgen (AA 29.10.2019).

Strafverfolgung und Verurteilung von Politiker und Amtsträgern (insbesondere hochrangige Beamte) sind selten. Auch wenn Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet werden, sind diese eher politisch motiviert. Ende Juni 2016 war der ehemalige Premierminister Vlad Filat wegen Korruption im Zusammenhang mit dem Diebstahl von 1 Milliarde US-Dollar öffentlicher Gelder zu neun Jahren Haft verurteilt. Es gibt Meinungen, dass diese Verurteilung eine Konsequenz von Filats langjähriger politischer Feindschaft mit Plahotniuc war. Manchmal werden Ermittlungen gegen niederrangige Beamte geführt, um den Eindruck zu erwecken, die Behörden würden gegen Machtmissbrauch und Korruption vorgehen. Diese Methode wird auch angewandt um Amtsträger loszuwerden, die von politischen Gegnern ernannt worden sind (BS 2018).

Quellen:

- BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.5.2018

- EC – European Commission (3.4.2018): Association Implementation Report on Moldova, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/association_implementation_report_on_moldova.pdf, Zugriff 22.2.2019

- FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 22.2.2019

- TI – Transparency International (2017): Corruption Perceptions Index, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017#table, Zugriff 22.2.2019

- TI – Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 22.2.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019
7.         Wehrdienst

Alle männlichen Staatsbürger müssen sich mit 16 Jahren für die Einberufung registrieren lassen. Die Wehrpflicht beginnt mit 18 Jahren und beträgt 12 Monate. Die Abschaffung des Wehrdienstes ist aber angekündigt worden (CIA 17.2.2019).

Dem Gesetz zufolge haben Bürger zwischen 18 und 27 Jahren das Recht, sich für einen zivilen Ersatzdienst zu entscheiden, wenn der Wehrdienst ihren religiösen Überzeugungen widerspricht. Die übliche Dauer des Ersatz- wie des Wehrdienstes beträgt 12 Monate. Hochschulabsolventen können zwischen sechs Monaten Zivildienst und drei Monaten militärischer Ausbildung wählen. Wer sich für den Zivildienst entscheidet, kann diesen bei öffentlichen Einrichtungen oder Unternehmen absolvieren, die auf Bereiche wie Sozialhilfe, Gesundheitswesen, Industrietechnik, Stadtplanung, Straßen- und Straßenbau, Umweltschutz, Landwirtschaft oder landwirtschaftliche Verarbeitung, Stadtverwaltung und Feuerwehr spezialisiert sind. Es gibt keine pauschalen Ausnahmen für religiöse Gruppen, aber höhere Geistliche, Mönche und Theologiestudenten sind auch vom alternativen Dienst befreit. Die Verweigerung der Zivildienstleistung wird mit einer Geldstrafe von bis zu 32.000 Lei (1.900 US-Dollar) oder zwischen 100 und 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit geahndet (USDOS 29.5.2018).

Quellen:

- CIA – Central Intelligence Agency (17.2.2019): The World Factbook – Moldova, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/md.html, Zugriff 4.3.2019

- USDOS – US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436859.html, Zugriff 22.2.2019
8.         Allgemeine Menschenrechtslage

Es gibt keine gezielten staatlichen Repressionsmaßnahmen, die sich gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung richten. Die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen können aber den zunehmenden autoritären Tendenzen in der Republik Moldau nur wenig entgegensetzen (AA 29.10.2018).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen zählen Folter in Gefängnissen und psycho-neurologischen Einrichtungen; harte Haftbedingungen; willkürliche Festnahme oder Inhaftierung; Verweigerung eines fairen öffentlichen Verfahrens; Einschränkungen der Medienfreiheit, Korruption; Fälle von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen in Betreuungseinrichtungen; und Menschenhandel. Eine Vielzahl nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Beschränkungen und untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Regierungsstellen sind einigermaßen kooperativ und offen für deren Vorstellungen. Es gibt eine voll funktionsfähige Ombudsstelle der Regierung. Das Parlament verfügt auch über einen eigenen ständigen Ausschuss für Menschenrechte und interethnische Beziehungen (USDOS 20.4.2018).

Auf offizieller Ebene ist die Republik Moldau verpflichtet, die Bürgerrechte zu achten, die gesetzlich kodifiziert sind. Trotz positiver Entwicklungen in dieser Hinsicht über die letzten Jahre hinweg, werden Grundfreiheiten immer noch oft verletzt. Dies betrifft das Fehlen fairer Verfahren, Hassreden, das Recht auf sozialen Schutz und Gesundheitsversorgung, schlechte Bedingungen in Gefängnissen, Menschenhandel und die Rechte sexueller Minderheiten und der Roma-Gemeinschaft. Und obwohl moldauische Gesetze Folter verbieten, gibt es Berichte über Verletzungen des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, einschließlich Fälle des Todes von Gefangenen oder Häftlingen (BS 2018).

Einige Menschenrechtsanwälte und -aktivisten hatten unter politisch motivierten Medienkampagnen, polizeilichen Ermittlungen und Anklagen zu leiden. Aktivisten der Zivilgesellschaft äußeren Bedenken gegen Abhöraktionen und stellen fest, dass die Anzahl der von den Richtern der Republik Moldau genehmigten Abhöranfragen zunimmt (FH 2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (29.10.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Moldau, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452871/4598_1543584844_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-moldau-stand-oktober-2018-29-10-2018.pdf, Zugriff 26.2.2019

- BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.2.2019

- FH – Freedom House (2019): Freedom in the World 2019: Moldova, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/moldova, Zugriff 22.2.2019

- USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 22.2.2019
9.         Meinungs- und Pressefreiheit

Die Meinungsfreiheit ist grundsätzlich gewährleistet. Die Gewährleistung der Pressefreiheit hat sich seit dem Jahr 2016 verschlechtert. Investigativen Journalisten wird der Zugang zu Daten über in der Öffentlichkeit stehende Beamte unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bestimmungen erschwert. Kritische Medienvertreter werden gelegentlich mit Gewalt bedroht. Zu beobachten sind auch Fälle politisch motivierter Einschüchterungsversuche gegen unabhängige Journalisten. Fast alle reichweitenstarken Medien (v. a. Fernsehen) dienen als Sprachrohr politischer Parteien. Die Verbreitung russischsprachiger Medieninhalte ist aufgrund der niedrigeren Kosten und traditioneller Sehgewohnheiten weiterhin groß. Ein Mitte Februar 2018 in Kraft getretenes Gesetz verbietet die Übertragung von Nachrichten und Programmen mit politischem, analytischem oder militärischem Charakter aus Ländern, die nicht die Europäische Konvention für grenzüberschreitendes Fernsehen unterzeichnet haben. Dies ist in erster Linie gegen Russland gerichtet (sog. Anti-Propaganda-Gesetz). Das Gesetz wurde von der Venedig-Kommission und der EU kritisiert, weil es das Grundrecht auf Information unverhältnismäßig einschränke. Die Abhängigkeit der Medien von oligarchischen Strukturen nimmt ständig zu. Es gibt noch einige wenige unabhängige Medien in Internet, Print und Fernsehen, allerdings mit geringem Marktanteil und nahezu keinen Werbeeinnahmen. Soziale Medien wie Blogs, Twitter und Facebook haben große Bedeutung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sie unterliegen keiner Zensur (AA 29.10.2018).

Die Gesetze sehen Meinungs- und Pressefreiheit vor, die Behörden respektieren dieses Recht aber nicht immer. Während die Printmedien unterschiedliche politische Ansichten und Kommentare äußern, kontrollieren oligarchische Firmengruppen die meisten Medien des Landes und verzerren Informationen zu ihrem Vorteil. Es gibt aber auch einige bemerkenswerte Ausnahmen. Die Regierung, politische Parteien und politische Persönlichkeiten besitzen oder subventionieren eine Anzahl von Zeitungen, die klar definierte politische Ansichten ausdrücken. Große Medien, die mit Führern politischer Fraktionen oder Oligarchen in Verbindung stehen, üben Druck auf kleinere Medien aus, was einige nahe an das wirtschaftliche Scheitern brachte und so prominente Journalisten veranlasste, einige oligarchische Medien zu verlassen. Diese Oligarchen überwachen streng die redaktionellen Inhalte der Medien in ihrem Besitz. Gesetzesänderungen des Jahres 2016 beschränken die Anzahl der Medien, die eine Person besitzen darf, auf zwei. Die Änderungen treten jedoch erst nach Ablauf der bestehenden Lizenzen in Kraft. Außerdem umgehen, Medienexperten zufolge, die Oligarchen diese Regelung, indem sie ihre Medien einfach unter dem Namen nahestehender Personen erneut registrieren. In vielen Fällen praktizieren Journalisten Selbstzensur, um Konflikte mit den Sponsoren oder Eigentümern ihrer Medien zu vermeiden. Journalisten äußerten Bedenken, dass das Datenschutzgesetz den Zugang von Journalisten zu Informationen einschränke. Einige Zeitungen praktizieren Selbstzensur und vermeiden kontroverse Themen, um zu vermeiden, dass Regierungsbeamte und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Verleumdungsklagen gegen sie anstrengen könnten, um sich für kritische Berichterstattung zu rächen (USDOS 20.4.2018).

Mehr als 80% der Fernsehsender sind im Besitz von Personen aus dem Umfeld politischer Parteien. Etwa 70% des moldauischen Medienmarktes wird vom Chef der Demokratischen Partei, dem Oligarchen Vlad Plahotniuc kontrolliert. Journalisten werden von der Regierung unter Druck gesetzt, etwa durch verweigerten Zugang zu Informationen, öffentlichen Einrichtungen oder Veranstaltungen bzw durch Drohungen mit rechtlichen Konsequenzen. Dies führt zu Selbstzensur und Unterdrückung kritischer Berichterstattung. Einige Journalisten äußerten den Verdacht überwacht zu werden (FH 2019).

Im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Feber 2019 waren Journalisten in mindestens zehn Fällen Druck, (Todes-)Drohungen, Beleidigungen und körperlichen Übergriffen durch Politiker, Beamte und andere Personen ausgesetzt. Grund dürften nicht zuletzt einige Enthüllungsberichte zu Korruption i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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