TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/28 I408 2173402-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.07.2020
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Entscheidungsdatum

28.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2173402-1/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 09.07.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. IRAK, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1070 Wien, gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 20.09.2017, Zl. 1094359209-151746607, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. 


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 14.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung am 11.11.2015 gab er an, den Irak aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen zu haben.

2.       Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers, auch in der Schweiz bereits am 03.10.2015 einen Asylantrag gestellt zu haben, sowie eines positiven EURODAC-Treffers wurden mit der Schweiz Konsultationen nach der Dublin-VO geführt, welche mit der Zuständigkeit Österreichs endeten.

3.       Am 13.02.2017 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen und führte erneut aus, den Irak wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen zu haben und niemals persönlich verfolgt worden zu sein.

4.       Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 20.09.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage (Spruchpunkt IV.).

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 09.10.2017.

6.       Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das Verfahren dem erkennenden Richter zugewiesen.

7.       Am 09.07.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der die verfahrensgegenständliche Entscheidung mündlich verkündet wurde.

8.       Mit Schreiben vom 10.07.2020 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Irak und stammt aus Bagdad. Er ist volljährig, ledig und gehört der Religionsgemeinschaft der Sunniten an. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Umgebung von Bagdad und war dort bis zu seiner Ausreise aufhältig. Zuletzt hat er in einer Wechselstube gearbeitet.

Die Angehörigen des Beschwerdeführers (eine Schwester und zwei Brüder) leben nach wie vor in Bagdad.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten, weist, abgesehen von Schlafstörungen, keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf und ist arbeitsfähig.

Er reiste schlepperunterstützt, unter Umgehung der Grenzkontrollen im September 2015 in Österreich ein.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht vorzuweisen. Er hat keinen Deutschkurs besucht und spricht kaum Deutsch. Er ging in Österreich nie einer Erwerbstätigkeit nach, lebt von Leistungen aus der Grundversorgung und ist in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht. Er ist weder Mitglied in einem Verein, noch hat sich ehrenamtlich betätigt. und es bestehen auch sonst – abgesehen von gelegentlichen Besuchen anderer Asylwerber – keine nennenswerten privaten Bindungen in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak einer persönlichen Verfolgung ausgesetzt war.

Der Beschwerdeführer war auch keiner sonstigen persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt.

1.3. Zur Lage im Irak:

Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren erkennbar verbessert und es herrscht im Irak weder ein Bürgerkrieg noch eine bürgerkriegsähnliche Situation. So ist auch die Anzahl von Anschlägen durch Milizen oder den IS deutlich zurückgegangen. Milizen sind und werden verstärkt in den staatlichen Sicherheitsapparat eingegliedert. Eine systematische Verfolgung von Sunniten durch Schiiten ist nicht erkennbar. Die wirtschaftliche Situation hat sich insoweit stabilisiert, dass davon auszugehen ist, dass ein alleinstehender Mann mit Arbeitserfahrung, der die örtlichen und sozialen Gegebenheiten kennt und auch noch über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, bei einer Rückkehr nicht automatisch (= mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit) in eine aussichtlose bzw. lebensbedrohliche Lage gerät.

Auch wenn derzeit im Irak die Fallzahlen der Corona-Pandemie im Steigen sind, ist daraus für einen gesundheitlich nicht beeinträchtigten jungen Mann keine unmittelbare Gefahr erkennbar.

Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen und der in seinem Herkunftsort Bagdad über Anknüpfungspunkte zu einer wirtschaftlich gut situierten Familie verfügt, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche oder lebensbedrohliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers und seiner Religions- sowie Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus der Niederschrift zur Erstbefragung und der Befragung durch die belangte Behörde. Aus dem vorgelegten und in Ablichte aufliegenden irakischen Reisepass geht seine Identität zweifelsfrei hervor.

Die Feststellung zur Dauer des Aufenthaltes in Österreich beruhen auf dem unzweifelhaften Inhalt des Behördenaktes sowie auf den Angaben des Beschwerdeführers und aus einem aktuellen Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister sowie aus dem zentralen Melderegister.

Aus seinen Angaben ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass er aus Bagdad stammt, dort weiterhin Angehörige von ihm leben und er in einer Wechselstube gearbeitet hat.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers erschließt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. So verwies er dabei lediglich auf seine Schlafprobleme. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zu entnehmen.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse, die Lebensumstände und die Integration des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und einem Auszug aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. So gibt er selbst an keinen Deutschkurs besucht zu haben, in einer Flüchtlingsunterkunft zu wohnen und im Wesentlichen nur Freunde unter Asylwerbern zu haben. Hinweise auf ein Familienleben oder besonders intensive private Beziehungen in Österreich sind zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens hervorgekommen und wurde diesbezüglich auch kein Vorbringen erstattet. Vielmehr gab er auf konkrete Frage nach seinen Aktivitäten in Österreich in der mündlichen Verhandlung am 09.07.2020 selbst an: „Nein, ich habe hier keine Integration.“

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Zunächst ist festzuhalten, dass schon die belangte Behörde in ihrem Bescheid nachvollziehbar dargelegt hat, warum sie das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft erachtet.

Dem Beschwerdeführer wurde im Verfahren vor der belangten Behörde sowie im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hinreichend die Möglichkeit geboten, in freier Erzählung sowie unter Beantwortung konkreter Fragen seine Fluchtgründe darzulegen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde in ihrem Bescheid plausibel und nachvollziehbar dargelegt hat, warum sie im Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrelevanten Fluchtgründe sah bzw. diesen keinen Glauben schenkte.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Bestehens einer Bedrohung im Irak aus den folgenden Erwägungen als nicht glaubhaft:

Zunächst ist der Beschwerdeführer als Person im Allgemeinen schon nicht glaubwürdig, nachdem er bei seiner Erstbefragung erklärte, seine Eltern, zwei Brüder und eine Schwester im Irak zu haben und diese alle mit Namen anführte und dann bei seiner niederschriftlichen Einvernahme bei der belangten Behörde angab, dass seine Eltern bereits 1982 bzw. 1990 verstorben wären und er drei Schwestern und zwei Brüder habe.

Zudem gab er in seiner Erstbefragung am 11.11.2015 auf die Frage, warum er sein Land verlassen hat, wörtlich an: „Aufgrund der schlechten Sicherheitslage in XXXX (phon.). Außerdem ist XXXX ein Kriegsgebiet und ich konnte dort nicht arbeiten und mein Leben in Frieden führen.“ In weiterer Folge spielten weder der Ort ( XXXX ) noch der angeführte Kriegszustand eine Rolle. In der niederschriftlichen Einvernahme am 13.02.2017 versuchte er über ständige Ortswechsel der Familie innerhalb von Bagdad in den Jahren 2010 bis 20011 eine Verfolgung der gesamten Familie durch Schiiten darzustellen.

Dabei blieb er vage und unbestimmt und führte nur aus: „Es gab in Gebieten Probleme zwischen Sunniten und Schiiten. Sie haben sich gegenseitig getötet. Es gab Entführungen und es wurde getötet.“

Erst nach zweifachem Vorhalt, dass es sich dabei um vage Angaben handle und der Beschwerdeführer konkrete und detaillierte Angaben machen solle, brachte er vor: „Wir lebten in einem Ort, sie kamen zu uns und sagten, dass wir binnen drei Tagen den Ort verlassen müssen. Wir zogen daraufhin in einen anderen Ort. Dort war dasselbe Problem. In einem sunnitischen Gebiet werden die Schiiten vertrieben und umgekehrt. Es gibt diese Probleme zwischen den Konfessionen.“ So seien sie innerhalb von Bagdad 2009 oder 2010 von der Al Mahdi Miliz aus XXXX vertrieben und nach XXXX gezogen. Auf die Frage, warum er wisse, dass es die Al Mahdi Miliz war, gab er an, dass sie sich vorgestellt und gesagt haben, dass sie (gemeint die Familie) nicht im Ort bleiben dürfen und diesen verlassen müssten. 2013 seine sie dann freiwillig nach XXXX gezogen, von wo er aus dann im August 2015 den Irak verlassen habe. Auf Nachfrage betonte er, dass er namentlich nicht gesucht wurde.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde er nicht präziser. Erstmals stellte er die Bedrohung seiner Person in den Vordergrund: „Er sei von der Mahdi-Armee 2010, 2011, 2012, 2013 und 2015 verfolgt worden und musste den Wohnort ständig wechseln. Sie seien zu ihm nach Hause gekommen und saften, er müsse das Haus verlassen, weil er nicht von ihrer Religion sei, ansonsten würden sie ihn töten. Er sei persönlich angesprochen worden und seine Familie sei mit ihm geflohen.“

Diese ständige Vertreibung bzw. der damit verbundenen Wechsel des Wohnsitzes stehen auch nicht im Einklang zu den Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer noch an gearbeitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung führte er dann aus, dass er in den letzten Jahren seinen Beruf in der Wechselstube nicht mehr ausüben konnte, sondern nur mehr von Ersparnissen lebte.

Dieses vage und im Laufe des Verfahrens permanent gesteigerte Vorbringen, beginnend von einer allgemeinen schlechten Sicherheitslage in der Ersteinvernahme bis zu einer persönlichen Bedrohung in der mündlichen Verhandlung, belastet die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers schwer. So gab er noch am 13.07.2017 an, dass er namentlich nicht gesucht werde, während er in der mündlichen Verhandlung am 09.07.2020, dass er persönlich bedroht und die Familie darauf mit ihm geflohen sei.

Auf Vorhalt dieses Widerspruches in der mündlichen Verhandlung führte er nur aus: „Es gab Gefahr für mich und mein Leben und das Leben meiner Familie. Ich habe mich von ihr getrennt und bin nach Österreich geflohen“.

Auch die Antwort auf die Frage, warum die Milizen jedes Jahr ihn als Person gefunden haben: „Es gibt mehrere Gründe, zum einen meine Arbeit, zum anderen mein Name, der bekannt für die Schiiten ist“ ist weder plausibel noch nachvollziehbar, zumal er gleichzeitig auf Nachfrage bekräftigte, er habe in den letzten vier Jahren vor seiner Ausreise nicht gearbeitet, sondern nur von seinen Ersparnissen gelebt.

Dieses vage, oberflächliche und unpräzise Vorbringen des Beschwerdeführers über die gesamte Dauer des Verfahrens erweist sich auch aus den angeführten Gründen als nicht glaubhaft. Nicht umsonst ist mit der Glaubhaftmachung die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl dazu VwGH 24.02.1993, 92/03/0011; 01.10.1997, 96/09/0007; 25.06.2003, 2000/04/0092; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG 2. Teilband [2005], § 45 Rz 3 mit Hinweisen auf die Judikatur).

Verstärkt wird dieser Eindruck durch die widersprüchlichen Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Familie. Während diese ihn noch 2017 vom Irak aus finanziell unterstützte, ist sie jetzt dazu nicht mehr in der Lage und die Häuser seines Vaters seien verkauft worden.

All diese Ungereimtheiten und Widersprüche zeigen deutlich auf, dass es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt.

2.3. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Irak basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.03.2020 und werden ergänzt durch den EASO Informationsbericht über den Irak mit Stand Februar 2019 sowie den Erwägungen des UNHCR mit Stand Mai 2019. Die Informationen hinsichtlich der Lage in Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie sind der Kurzinformation der Staatendokumentation zum Nahen Osten vom 16.06.2020 entnommen.

Diese Feststellungen wurden dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst zu Kenntnis gebracht und mit ihm erörtert und blieben im Ergebnis unwidersprochen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aus den im Länderbericht genannten Fallzahlen ist nicht zu entnehmen, dass sich die Sicherheitslage in den letzten Monaten entscheidungsrelevant, wie von der Rechtsvertretung vorgebracht, verschlechtert hätte. Dem Hinweis auf das fortgeschrittene Alter (geb: 1970) des Beschwerdeführers ist entgegenzuhalten, dass von ihm selbst trotz entsprechender Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keine schwerwiegenden Beeinträchtigungen vorgebracht bzw. entsprechende Bedenken genannt worden sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Dabei ist zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.

Betreffend die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz hat der Verwaltungsgerichtshof (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 EMRK abgestellt. So hat der Verwaltungsgerichtshof (in Zusammenhang mit Afghanistan) auf die ständige Judikatur des EGMR verwiesen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 5.9.2013, Nr. 61204/09, I. gg. Schweden).

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 mwN). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. VwGH 25.5.2016, Ra 2016/19/0036; dem folgend aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2017/20/0361, mwN).

Dem Beschwerdeführer droht im Irak keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art 2 oder Art 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art 2 oder Art 3 EMRK - was im Irak aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann - ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die im Irak leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen. Bagdad zählt nicht zu den stark sicherheitsgefährdeten Regionen und liegen diesbezüglich auch kein Vorbringen von Seiten des Beschwerdeführers vor.

Das erkennende Gericht kann auch nicht erkennen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer dazu nichts vorgebracht hat, kann auch aus dem Länderberichten nicht erkannt werden, dass es ihm im Falle einer Rückführung in den Irak jegliche Existenzgrundlage fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmitteln oder einer Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder und arbeitsfähiger Mann mit einer ausreichenden Schulbildung und langjähriger Arbeitserfahrung. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Teilnahme am Erwerbsleben kann in Ansehung des Beschwerdeführers vorausgesetzt werden. Das BVwG geht demnach davon aus, dass der Beschwerdeführer im Irak grundsätzlich in der Lage sein wird, sich mit eigener Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts zu erwirtschaften. Ferner ist davon auszugehen, dass er von seinen nach wie vor im Irak lebenden Verwandten Unterstützung, etwa durch Zurverfügungstellung von Nahrung und Unterkunft, finden wird. Die von der oben genannten Rechtsprechung geforderten exzeptionellen Umstände für die Annahme einer realen Gefahr einer gegen Art. 2 oder Art. 3 verstoßenden Behandlung wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und sind auch sonst keine Anhaltspunkte diesbezüglich hervorgekommen.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, erster Spruchteil):

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, zweiter Spruchteil):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch eine geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zu.

So ist grundsätzlich nach negativem Ausgang des Asylverfahrens - infolge des damit einhergehenden Verlustes des vorläufig während des Verfahrens bestehenden Rechts zum Aufenthalt und sofern kein anderweitiges Aufenthaltsrecht besteht - der rechtmäßige Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet wiederherzustellen (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis 19.02.2014, 2013/22/0028)."

Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17.04.2013, 2013/22/0106, mwN).

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0058, mwN). Vielmehr wird verlangt, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.4.2019 Ra 2019/18/0049, mwN).

Aus zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0122 bis 0125-7; VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0076-10) lässt sich zudem erkennen, dass eine Aufenthaltsbeendigung nach einem Aufenthalt von sechs Jahren im Bundesgebiet trotz vorhandener Integrationsschritte (Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit) im öffentlichen Interesse liegen kann und dass Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland die Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu stärken vermögen, sondern dass diese - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen sind.

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus den folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 14.10.2015 bis zum Datum der nunmehrigen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht eine Dauer von nicht einmal fünf Jahren, jedoch beruhte der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb er während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Ein schützenswertes Familienleben führt der Beschwerdeführer in Österreich nicht. Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich bisher keine nennenswerten integrativen Schritte gesetzt, hat nichts unternommen um die deutsche Sprache zu erlernen, lebt ausschließlich von Leistungen der Grundversorgung und ist von Anbeginn in Flüchtlingsheimen untergebracht, ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig und weder in Vereinen oder sonst gemeinnützig tätig. Auch sein Freundeskreis besteht überwiegend aus Asylwerbern. Damit kann nicht von einer Integration des Beschwerdeführers ausgegangen werden.

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass seinem Privatleben in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen würde.

Die individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt daher zweifelsfrei, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Ausreise als im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann. Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Ausreise aus.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, dritter Spruchteil):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im gegenständlichen Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht der Abschiebung keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen.

3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige "besondere Umstände" wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen, sodass keine Veranlassung bestand, die Frist für die freiwillige Ausreise weiter zu verlängern.

Die Beschwerde war daher zu allen Spruchpunkten abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den, an der jeweiligen Stelle genannten, Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mündliche Verhandlung mündliche Verkündung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung schriftliche Ausfertigung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2173402.1.00

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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