TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/28 I422 2233236-1

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Veröffentlicht am 28.07.2020
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Entscheidungsdatum

28.07.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I422 2233236-1/5Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch BURGER REST Rechtsanwälte, Wickenburggasse 3/16, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 17.06.2020, Zl. 130610208/14780251, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger und hält sich seit 1990 im Bundesgebiet auf. Seit 2001 wurde der Beschwerdeführer in Österreich insgesamt zwölf Mal strafgerichtlich verurteilt und umfassen seine strafbaren Handlungen unter anderem mehrfache Körperverletzungsdelikte, (gewerbsmäßige) Einbruchsdiebstähle (im Rahmen einer kriminellen Vereinigung), Sachbeschädigungen, Schlepperei und zuletzt auch Hehlerei. Gegenwärtig verbüßt der Beschwerdeführer eine Strafhaft in einer österreichischen Justizanstalt.

Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilungen erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über den Beschwerdeführer eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form des umseits bezeichneten Bescheides. Sie erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ über ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien fest (Spruchpunkt III.) und gewährte ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und erließ zugleich über den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

In der Beschwerde, die sich gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, beantragte der Beschwerdeführer (unter anderem) die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Zusammengefasst bringt er vor, dass er im Alter von acht Jahren nach Österreich gekommen sei und er sich mittlerweile seit mehr als 30 Jahren durchgehend hier aufhalte. Zuletzt sei er 2003 in Serbien gewesen und habe er keinerlei Bezug mehr zu seinem Herkunftsstaat. Familie oder Freunde habe er in Serbien keine und habe er zwischenzeitig auch die serbische Sprache verlernt. Seine gesamte Familie und seine Lebensgefährtin würden in Österreich leben und sei er beinahe durchgehend im Bundesgebiet beschäftigt gewesen. Eine Trennung von seiner Lebensgefährtin würde den Beschwerdeführer zusätzlich belasten und ihm dadurch ein stabiler Rückhalt genommen werden. Aufgrund seiner mehrmaligen Fehlverhalten – welche vor allem auf seine Gutgläubigkeit und Naivität zurückzuführen zu seien – habe er nun erkannt, dass er sein Leben ändern müsse und wolle er dies auch aus tiefster Überzeugung, weshalb er die Zeit in der Inhaftierung nunmehr zur Resozialisierung nutze. Da er sich bewusst sei, dass es sich hierbei um seine letzte Chance handle, nehme er Zeit in der Haft seit geraumer auch an Gruppengesprächstherapien teil und bemühe er sich um einen Platz in einer Einzeltherapie. In einer Gesamtbetrachtung weise er jedenfalls ein schützenswertes Privat- und Familienleben auf und spreche sein Gesamtverhalten für einen Verbleib im Bundesgebiet, weshalb sich der Eingriff nach Art. 8 EMRK als unzulässig darstelle.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister (IZR). Da die Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufweisen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die Beschwerde richtet sich (unter anderem) gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Die Aberkennung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers geboten ist (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Der Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 70 Abs. 1 letzter Satz FPG für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde;

Da eine Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft derzeit nicht absehbar ist, ist es nicht notwendig, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Da sich jedoch aus dem Verwaltungsakt und dem Beschwerdevorbringen ein Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergibt und nicht hinreichend geklärt ist, ob der Beschwerdeführer dieses Privatleben tatsächlich und vor allem in welcher Intensität führt, besteht bei seiner Abschiebung nach Serbien die Gefahr einer Verletzung seiner nach Art 8 EMRK geschützten Rechte, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist. Aus diesen Gründen ist Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das Bundesverwaltungsgericht keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

Abschiebung aufenthaltsbeendende Maßnahme aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Kassation Privat- und Familienleben private Interessen Provisorialverfahren Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung Straffälligkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2233236.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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