TE Bvwg Beschluss 2020/7/29 I412 2222942-1

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Entscheidungsdatum

29.07.2020

Norm

ABGB §1332
B-VG Art133 Abs4
VwGG §24
VwGG §46
VwGG §46 Abs1
VwGG §46 Abs3
VwGG §46 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I412 2222942-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX vom XXXX auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist betreffend die Einbringung der Verfahrenshilfe für eine ordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.05.2020, Zl. I412 2222942-1/6E, beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.05.2020, I412 2222942-1/6E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2019, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen. Zudem wurde die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt. Beim Vertreter wurde dieses Erkenntnis am 13.05.2020 zugestellt, ab diesem Zeitpunkt begann die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Revision zu laufen.

Beim Bundesverwaltungsgericht langte am 29.06.2020 der vom Verwaltungsgerichtshof übermittelte Antrag auf Verfahrenshilfe für eine ordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.05.2020, Zl. I412 2222942-1/6E ein.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2020, Zl. I412 2222942-1/8E wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für eine ordentliche Revision gemäß § 61 Abs. 2 VwGG wegen Verspätung zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 13.07.2020 stellte die Antragstellerin im Wege ihrer Vertretung den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, der sich gegen die Versäumung der Revisionsfrist zur Einbringung eines Antrages auf Verfahrenshilfe für eine ordentliche Revision wendet. Hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages brachte die Vertreterin der Antragstellerin vor:

„Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine Staatsangehörige der Elfenbeinküste. Ihr wurde angesichts des Umstandes, dass sie ein Opfer von Menschenhandel wurde, subsidiärer Schutz durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zuerkannt. Gegen die Abweisung des Antrags auf Gewährung von Asyl iSd Art 1A GFK brachte die Antragstellerin fristgerecht eine Beschwerde ein und wurde dabei vom Verein Menschenrechte Österreich unterstützt. Als Betroffene von Menschenhandel wird die nunmehrige Antragstellerin durch die Opferschutzeinrichtung Lefö, Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel (IBF), psycho-sozial unterstützt. Die Rechtsberatung der Caritas der Erzdiözese Wien arbeitet bereits seit vielen Jahren mit Lefö IBF zusammen - dies nicht zuletzt, da die Rechtsberatung der Caritas Wien einen Beratungsschwerpunkt für die rechtliche Unterstützung von Betroffenen geschlechtsspezifischer Gewalt anbietet.

Nach der Zustellung der Entscheidung des BVwG kontaktierte Lefö IBF die umseits bezeichnete Rechtsberaterin mit dem Ersuchen um rechtliche Abklärung in Bezug auf möglicherweise weiteres rechtliches Vorgehen. In Hinblick auf eine derzeit beim VwGH anhängige ordentliche Revision, in einem inhaltlich und damit auch rechtlich ähnlich gelagerten Fall (Erkenntnis des BVwG vom 05.02.2020, GZ: I403 2180466-1/11E), empfahl die Rechtsberaterin einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Revision vorzubereiten. Nachdem es sich beim ähnlich gelagerten, derzeit beim VwGH anhängigen Fall um jenen einer anderen Klientin der Rechtberaterin handelt (Kooperation mit RA MMag.a Battisti, Netzwerk Asylanwalt), wurde vereinbart, dass die umseits bezeichnete Rechtsberaterin auch die Einbringung des gegenständlichen Verfahrenshilfeantrags übernehmen wird.

Insgesamt unterstützen die Mitarbeiterinnen der Rechtsberatung der Caritas des Erzdiözese Wien Schutzsuchenden regelmäßig bei der Einbringung von Verfahrenshilfeanträgen zur späteren Erhebung von ao Rechtsmitteln an den VfGH oder VwGH. Sie sind dafür fachlich ausgebildet und nehmen diese Aufgaben - teilweise seit Jahrzehnten - äußerst gewissenhaft wahr. Dementsprechend wurde auch die Einbringung des Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe in Folge des Erkenntnisses vom 12.05.2020 im Rahmen der Rechtsberatung - keine Rechtsvertretung - über die Rechtsberatung der Caritas der Erzdiözese Wien durchgeführt.

Mit Email vom 08.07.2020 wurde die umseits bezeichnete Rechtsberaterin durch die nunmehrige Antragstellerin darüber informiert, dass sie einen Beschluss des BVwG erhalten hat (datiert mit 29.06.2020). Nach gewissenhafter Durchsicht des Beschlusses wurde der umseits bezeichneten Rechtsberaterin schnell klar, dass ihr ein Fehler bei der Einbringung des Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe unterlaufen war - richtiger Weise hätte sie den Verfahrenshilfeantrag beim BVwG einbringen müssen und nicht beim VwGH, da die Erhebung einer ordentlichen Revision zugelassen worden war. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht. Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die umseits bezeichnete Rechtsberaterin wurde Ende Mai 2020 telefonisch durch die Opferschutzeinrichtung Lefö IBF darauf aufmerksam gemacht, dass das besagte Erkenntnis des BVwG vom 12.05.2020 vorliegt. Dabei wurde die Rechtsberaterin telefonisch über den Inhalt informiert. In der Opferschutzreinrichtung sind in der Betreuung - notorisch - keine Juristinnen tätig. Informiert wurde die Rechtsberaterin darüber, dass die Beschwerde betreffend die Nicht-Gewährung von Asyl durch das BVwG abgewiesen worden war. In Folge wurde nach entsprechender Rücksprache mit der nunmehrigen Antragstellerin vereinbart, dass die Entscheidung der Rechtsberaterin per Email weitergeleitet werden sollte. Da die inhaltliche Erörterung des Inhalts des Erkenntnisses bereits telefonisch erfolgt war, leitete die Betreuerin die Entscheidung kommentarlos per Email weiter. Mangels technischer Möglichkeiten war es der Rechtsberaterin nicht möglich die Entscheidung auszudrucken (siehe hier auch die ausführlicheren Ausführungen unten zu den COVID 19 bezogenen besonderen und auch unerwarteten Herausforderungen) Nach Rücksprache (via Email-Korrespondenz) mit der nunmehrigen Antragstellerin füllte die Rechtsberaterin ein Formular zur Einbringung eines Antrags auf Verfahrenshilfe aus und organisierte, dass die nunmehrige Antragstellerin dieses an der Beratungsstelle unterschreiben konnte. Erst mit Weiterleitung des Beschlusses des BVwG vom 29.06.2020 (durch die nunmehrige Antragstellerin) wurde der Rechtsberaterin klar, dass das BVwG mit dem Erkenntnis vom 12.05.2020 die Einbringung einer ordentlichen Revision zugelassen hatte gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig. Eingangs ist auszuführen, dass es sich bei der nunmehrigen Antragstellerin um eine rechtsunkundige Frau handelt, der es mangels juristischen Hintergrundes nicht zugemutet werden kann, verfahrensrechtlich komplexe Zusammenhänge (wie etwa dem Unterschied einer außerordentlichen Revision und einer ordentlichen Revision an den VwGH) zu verstehen oder richtig einzuordnen. Eben weil sie von anerkannten Einrichtungen unterstützt wurde, konnte die nunmehrige Antragstellerin darauf vertrauen, dass Entscheidungen und Abklärungen in Bezug auf das Erkenntnis des BVwG vom 12.05.2020 sorgfältig und ordnungsgemäß getroffen werden.

Ein unvorhergesehenes bzw unabwendbares Ereignis, das dazu führte, dass erst mit Erhalt des Beschlusses des BVwG vom 29.06.2020 klar wurde, dass mit Erkenntnis vom 12.05.2020 die Einbringung einer ordentlichen Revision zugelassen wurde, und somit offenkundig wurde, dass ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe beim BVwG einzubringen ist, liegt gegenständlich vor.

In Folge des Telefongesprächs mit der Betreuerin von Lefö IBF konzentrierte sich die Rechtsberaterin ausschließlich auf die Gründe für die inhaltliche Abweisung der Beschwerde im Erkenntnis vom 12.05.2020, wobei ihr der Fehler passiert war, sämtliche Spruchpunkte auf Seite 1 nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit zu lesen. Dies ist einerseits mit ihrer zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden individuellen Situation und ihren persönlichen Umständen aber auch in Hinblick auf die besonderen Herausforderungen im Rahmen der COVID 19 bedingten Situation erklärt werden kann und dass vor allem im Mai/Juni 2020 eben keine „normalen“ Umstände vorherrschend waren:

Zu den persönlichen Umständen und der individuellen Situation der umseits bezeichneten Rechtsberaterin:

Die Rechtsberaterin wurde Opfer schwerer und wiederholter Morddrohungen. Beim Täter handelt es sich um einen ehemaligen Klienten, der an gravierenden psychischen Problemen (ua paranoider Schizophrenie) leidet. Kenntnis über den Umstand, dass durch den Täter bereits nach der umseits genannten Rechtberaterin wiederholt (in Einrichtungen der Caritas) gesucht worden war (wobei er einmal ein Messer bei sich getragen hatte als er in eine Einrichtung stürmte), erhielt diese Ende März 2020. Die darauffolgenden Wochen waren für die Rechtsberaterin psychisch höchst belastend. Daher war die Rechtsberaterin besonders im beruflichen Kontext psychisch stark belastet - dominiert durch die Angst vor dem Täter. Es kam zu Schlafstörungen und gravierenden Konzentrationsproblemen, weswegen die Rechtsberaterin als akut von Gewalt Betroffene schlussendlich im Juni 2020 durch das Kriseninterventionszentrum am AKH Wien psychologisch (ambulant) betreut werden musste, nachdem sich der psychische Zustand der Rechtsberaterin stetig verschlechterte. Termine im Kriseninterventionszentrum des AKH Wien fanden bei Mag. Lorenz Urban statt. Der Täter wurde wegen gefährlicher Drohung und das Versetzen des Opfers in einen langen qualvollen Zustand nach § 107 Abs 2 StGB angeklagt. Am 17.06.2020 fand am Wiener Straflandesgericht die Hauptverhandlung gegen den Täter statt. Den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe bereitete die Rechtsberaterin in jener Woche vor, als am Straflandesgericht die Verhandlung stattfand. Wenige Tage nach der Verhandlung fertigte die Rechtsberaterin den Antrag im Auftrag der nunmehrigen Antragstellerin ab - aber eben an den Verwaltungsgerichtshof und nicht (richtigerweise) an das Bundesverwaltungsgericht. Auch nach der Hauptverhandlung musste psychologische Krisenintervention in Anspruch genommen werde. Der letzte Akut- Termin im Kriseninterventionszentrum fand am 08.07.2020 statt Die Rechtsberaterin übt ihre Tätigkeit seit über 10 Jahren stets äußerst gewissenhaft aus. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass angesichts der akuten Bedrohungslage - noch dazu mit direktem Bezug zur beruflichen Tätigkeit (Täter als ehemaliger Klient, der den Bürostandort kennt) aber auch mit Auswirkungen auf das Privatleben der Rechtsberaterin (der Täter hatte bereits die Tochter der Rechtsberaterin beobachtet) - ein unerwarteter Umstand, nämlich die drohungsbedingte psychische Ausnahmesituation (Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, starke Angst, starke emotionale Instabilität), eingetreten ist. Es ist anzunehmen, dass dieser unerwartete Umstand die sonst an den beruflichen Alltag gelegte notwendige Gewissenhaftigkeit und Sorgfältigkeit der Rechtsberaterin eingeschränkt hat. Zu den COVID 19 bedingten unerwarteten gravierenden Einschnitten in die Tätigkeit der Rechtsberatung:

Nicht zuletzt infolge der Empfehlung der Regierung Kontakte zu unterlassen, war es leider vor allem im Zeitraum Mai/Juni 2020, als der Verfahrenshilfeantrag vorzubereiten (und einzubringen) war, nicht möglich ein ausführliches Beratungsgespräch mit der nunmehrigen Antragstellerin zu führen. Die Kommunikation erfolgte nur telefonisch und via Email. Auch die Kommunikation mit Lefö IBF war unter diesen Umständen erschwert, zumal Home-Office- bedingte Umstände die Erreichbarkeit auf beiden Seiten - notorisch - etwas herausfordernder gestalteten.

Diese nicht normalen Umstände brachten besondere Herausforderungen insbesondere für die Rechtsberaterin mit sich. So war es notwendig, sehr plötzlich die Beratungsarbeit (einschließlich Dolmetscherinnen) auf virtuelle digitale Kommunikation umzustellen, was angesichts ihrer Rolle als Koordinatorin des Beratungsschwerpunkts „Rechtsberatung für Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt“ besonders fordernd war, zumal gerade im Gewaltschutzbereich weiterhin ein großer Arbeitsanfall vorherrschend war. Dazu kam die unzureichende technische Ausstattung im sog. Homeoffice aber auch Kinderbetreuungspflichten während der Zeit der sog. „Selbst-Isolation“. Insgesamt herrschte für die Rechtsberaterin ein unter schwierigen und vor allem unvorhergesehenen Umständen, besonders hoher Arbeitsanfall, begleitet durch die besonders herausfordernden Umstände in „Selbst-Isolation“, nicht zuletzt durch plötzliche Kinderbetreuungspflichten zu Hause (aber auch aufgrund der oben geschilderten Umständen im Zusammenhang mit der psychischen und emotionalen Verfassung infolge der Morddrohungen).

Die Rechtsberaterin räumt ein, dass sie wohl bei der Durchsicht des Erkenntnisses aufgrund der psychischen Verfassung und COVID 19 bedingt eben nicht die nötige Sorgfalt an den Tag legen konnte und ist darüber äußerst bestürzt. Dieses Versäumnis der Rechtsberaterin kann der nunmehr einschreitenden Antragstellerin nicht angelastet werden und kann dies in Anbetracht der im Mai/Juni 2020 vorherrschenden Gesamtumstände (COVID 19 bedingte schwierige Arbeitsumstände und eingeschränkte Kommunikation, Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung, psychische Instabilität, Unkonzentriertheit und große Angst aufgrund wiederholter konkrete Morddrohungen) - ausnahmsweise - nur als minderer Grad des Versehens gewertet werden.

Dass es aufgrund der einmaligen Unaufmerksamkeit der Rechtsberaterin zu womöglich folgenschweren Konsequenzen (im Zusammenhang mit der Möglichkeit der nunmehrigen Antragstellerin die Abweisung der Beschwerde betreffend Asyl als Rechtsfrage mit besonderer Bedeutung durch das VwGH prüfen zu lassen) kommen würde, begründet jedenfalls kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden der Antragstellerin. Zumal es sich bei der zuständigen Mitarbeiterin der Caritas der Erzdiözese Wien, Frau Mag. XXXX um eine Rechtsberaterin handelt, sie seit über 10 Jahren in der Asylberatung der Caritas arbeitet, äußerst verlässlich ist, was auch dazu geführt hat, dass ihr die Verantwortung über den Beratungsschwerpunkt „Rechtsberatung für Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt“ - verbunden mit der Verantwortung über Mitarbeiterinnen, übertragen wurde Zugleich ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass diese für die Antragstellerin „nur“ als Rechtsberaterin (und eben nicht als „Vertreterin“) aufgetreten ist. Ein Fehler stellt gerade dann, wenn er einer Rechtsberaterin unterläuft, die normalerweise verlässlich arbeitet, jedenfalls nur einen minderen Grad des Versehens dar, da die besonderen Sorgfaltsmaßstäbe, die ansonsten an Parteienvertreter gestellt werden, für Rechtsberater, die für ihre Trägerorganisation Klientinnen gratis beraten und vertreten, mangels Entgeltlichkeit nicht anzuwenden sind (vgl dazu auch VwGH vom 01.03.2018 zu Ra2017/19/0583; VwGH vom 17.12.2009 zu 20008/22/0414).“

Als Beweis wurden dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine Vertretungsvollmacht vom 27.05.2020 sowie ein Mail vom 14.05.2020 beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A):

1. Zum vorliegend entscheidungswesentlichen Sachverhalt ist auf die unter I. getroffenen Ausführungen zu verweisen. Das Bundesverwaltungsgericht geht von dem im Wiedereinsetzungsantrag in sich widerspruchfrei dargestellten Sachverhalt aus.

2. Der gegenständliche Sachverhalt gründet sich auf die angeführten Entscheidungen, Unterlagen und Schriftsätze, welche Teil der Verfahrensakten sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. § 46 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt.

3.2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Im gegenständlichen Antrag wird geltend gemacht, der Wiedereinsetzungswerberin sei nicht bekannt gewesen, dass der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer ordentlichen Revision beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen sei.

Zwar kann auch ein Rechtsirrtum (Unkenntnis von Rechtsvorschriften) wie jener, der der Wiedereinsetzungswerberin hinsichtlich der Frage unterlaufen ist, wo ihr Verfahrenshilfeantrag einzubringen ist, ein „Ereignis“ im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG darstellen (VwGH vom 12. Juli 2012, 2012/02/0146; VwGH vom 24. Mail 2012, 2011/03/0127).

Allerdings ist für die Wiedereinsetzungswerberin damit alleine nichts gewonnen, weil die Bewilligung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch voraussetzt, dass die weiteren Voraussetzungen (insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden) vorliegen (vgl dazu neuerlich VwGH vom 24. Mail 2012, 2011/03/0127). Wenn ein solcher Rechtsirrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl etwa VwGH vom 11. September 2013, Zl 2013/02/0152, mwH).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens im letzten Satz des § 46 Abs 1 VwGG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Die Wiedereinsetzungswerberin darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihr nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH vom 17. Dezember 2012, 2012/04/0140; VwGH vom 23. Jänner 2013, 2013/10/0002).

Um Termine und Frist im Verkehr mit Gerichten und Behörden einhalten zu können, muss einer einschreitenden (rechtsmittelwerbenden) Partei auch bekannt sein, an welche Stelle sie ihr Anbringen zu richten hat. Im Rahmen der ihr als „ordentliche Prozesspartei“ treffenden Sorgfaltspflicht wäre es der Wiedereinsetzungswerberin somit oblegen, sich bei geeigneten Stellen zu erkundigen und Gewissheit darüber zu verschaffen, wo sie ihren Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer ordentlichen Revision einzubringen gehabt hätte (VwGH vom 11. September 2013, 2013/02/0152; VwGH vom 12. Juli 2012, 2012/02/0146; vgl auch VwGH vom 16. September 2011, 2008/02/0104). Dies gilt umso mehr, als im bereits erwähnten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes lediglich davon gesprochen wird, dass eine ordentliche/außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, wohingegen in der im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes aufgenommen „Rechtsmittelbelehrung“ eine Einbringungsstelle hinsichtlich eines Verfahrenshilfeantrages zur Erhebung einer ordentlichen Revision nicht genannt ist.

Dass sie dies versucht hätte, bringt die Wiedereinsetzungswerberin nicht vor; dass sie gehindert oder es ihr nicht zumutbar gewesen wäre, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, ist ebenfalls nicht erkennbar. In Anbetracht der Bedeutsamkeit der Wahrung von Rechtsmittelfristen trifft der Wiedereinsetzungswerberin sohin ein Verschulden, das den minderen Grad des Versehens übersteigt (VwGH vom 11. September 2013, 2013/02/0152; VwGH vom 16. September 2011, 2008/02/0104).

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist ebenfalls weiters davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall von einem minderen Grad des Versehens nicht gesprochen werden kann. Das von der Wiedereinsetzungswerberin im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag beschriebene Vorgehen ihrer Vertreterin stellt für diese einen elementaren Vorgang dar. Die Ausführung, dass die Vertreterin für die Wiedereinsetzungswerberin „nur“ als Rechtsberaterin aufgetreten ist, steht im Widerspruch zu der als Beweismittel vorgelegten Vollmacht vom 27.05.2020, wonach die Wiedereinsetzungswerberin der Vertreterin eine Vollmacht für die rechtliche Vertretung in Verfahren gemäß § 35 VfGG sowie § 61 VWGG erteilt hat, von einer bloßen Rechtsberatung kann hier nicht mehr gesprochen werden.

Auch dass es sich um ein ausnahmsweises Versehen, dass auf besondere Gründe (COVID 19, persönliche Umstände der Vertreterin) zurückgehe, handle, kann nicht als minderer Grad des Versehens gesehen werden. Die Behauptung einer Überbelastung reicht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hin, um einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen (vgl etwa VwGH 15. Februar 1999, 99/10/0009, mwN; VwGH 28. Juni 2001, 2001/11/0175, mwN; VwGH 26. Februar 2009, 2007/09/0003, mwN).

Die Adressierung einer, insbesondere fristgebundenen Eingabe kommt zentrale Bedeutung zu. Kontrolliert ein Parteienvertreter einen fristgebundenen Schriftsatz vor der Unterfertigung nicht auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit, dann fällt ihm schon deshalb auffallende Sorglosigkeit zur Last. Die von der Wiedereinsetzungswerberin ins Treffen geführte berufliche und persönliche Überbelastung der Vertreterin vermag einen Wiedereinsetzungsantrag nicht zu begründen.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist zudem entgegen § 24 Abs 2 VwGG nicht von einem Rechtsanwalt eingebracht worden. Ein Auftrag an die Wiedereinsetzungswerberin, den Wiedereinsetzungsantrag diesbezüglich zu verbessern, erübrigt sich aber, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keine Anhaltspunkte für die Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Formgebrechens die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (VWGH vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0070; VwGH vom 11. September 2013, Zl. 2013/02/0152).

Somit konnte im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag weder nachvollziehbar aufgezeigt werden, dass die Antragstellerin bzw. ihre Vertretung durch ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis gehindert waren, die gegenständliche Frist zur Einbringung einer Revision zu wahren, noch, dass der Antragstellerin oder ihrer Vertreterin an der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder lediglich ein minderer Grad des Versehens anzulasten ist.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war daher gemäß § 46 VwGG keine Folge zu geben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 164/2013 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision im Hinblick ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Die vorliegende Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Beschwerdefrist Einbringung Erkundigungspflicht Fahrlässigkeit Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung minderer Grad eines Versehens ordentliche Revision Rechtsirrtum Rechtsmittelbelehrung Rechtsmittelfrist Sorgfaltspflicht Überlastung unabwendbares Ereignis Unkenntnis unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verfahrenshilfeantrag Verschulden Versehen verspäteter Antrag Verspätung Voraussetzungen Wiedereinsetzungsantrag zumutbare Sorgfalt Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2222942.1.01

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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