Entscheidungsdatum
29.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W252 2164564-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth Schmut LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
III. Die Spruchpunkte III. und IV. werden ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger Somalias, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.10.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 10.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei im Wesentlichen an, dass Somalia kein sicheres Land sei und er ein Fotogeschäft gehabt habe, in welchem er auch amerikanische und indische Filme vermietet habe. Dort hätten ihn die Al Shabaab bedroht und ihm gesagt, dass er sein Geschäft schließen müsse. Er habe aber weitergemacht und eines Tages seien die Al Shabaab gekommen und hätten einen Mitarbeiter und einen Kunden getötet. Nach diesem Vorfall habe er Angst um sein Leben bekommen und das Land verlassen.
2. Am 04.04.2017 erhob der BF Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG.
3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) am 27.04.2017 gab der BF im Wesentlichen an, dass er im Jahr 2007 seine erste Frau geheiratet habe und mit ihr noch bevor sie die Ehe geschlossen hätten, ein Kind bekommen habe. Dies habe die Al Shabaab mitbekommen und daraufhin Probleme gemacht. Auch der Schwiegervater des BF sei wegen der Volksgruppenzugehörigkeit des BF gegen die Ehe gewesen. Aus diesen beiden Gründen habe man sich 2009 wieder scheiden lassen. Daraufhin habe er seine jetzige Frau geheiratet und ein Geschäft eröffnet. Die Al Shabaab Milizen hätten sodann mit dem BF Kontakt aufgenommen und gefragt, ob sie in seinem Geschäft Bomben verstecken und es als Lager benützen könnten. Die Al Shabaab hätten immer wieder Leute zu ihm geschickt, die ihn geschlagen und das Geschäft demoliert hätten. Diese Vorfälle habe der BF auch bei der Polizei angezeigt, doch hätten die ihm nicht helfen können. Eines Tages habe er einen Anruf von den Al Shabaab bekommen, in dem ihm mitgeteilt worden sei, dass sie ihn töten werden. Die Al Shabaab hätten daraufhin sein Geschäft mit einer Handgranate attackiert, wodurch sein Geschäftsassistent und eine Kundin gestorben seien. Der BF habe sich dann mit seiner Familie versteckt und weil das Geld nur für ihn ausgereicht habe, sei er alleine geflüchtet. Die restliche Familie sei bei seinem Onkel geblieben, welcher am Tag der Ausreise des BF ebenfalls ermordet worden sei.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
In seiner Begründung stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der BF keinen glaubhaften Sachverhalt darlegen habe können. Es habe keine persönliche Bedrohung oder Verfolgung durch die Al Shabaab gegen seine Person gegeben. Dem BF sei es zumutbar, nach Mogadischu zurückzukehren.
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde gegen alle Spruchpunkte erhoben und wurde zusammengefasst ausgeführt, dass Österreich das erste Land für ihn als dunkelhäutigen Moslem gewesen sei, in dem er sich sicher gefühlt habe. In Mogadischu habe er keine Familie mehr und sorge sein ohnehin nicht sehr angesehene Clan nicht für das einzelne Mitglied. Da er der Al Shabaab namentlich bekannt sei, bestehe für ihn bei einer Rückkehr eine reale Gefahr der Verfolgung. Bei rechtsrichtiger Betrachtung hätte ihm die belangte Behörde den Status des Asylberechtigten zuerkennen müssen. Außerdem sei die humanitäre Situation in Somalia zunehmend fragil.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.05.2020 eine mündliche Verhandlung durch.
Ergänzend zum Länderinformationsblatt vom 17.09.2019 wurden dem BF dem Beschwerdevorbringen entsprechend folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht: ReliefWeb: Conflict and heavy floods force tens of thousands of people to flee their homes in Somalia, amidst COVID-19 threat, 08.05.2020; OCHA: Humanitarian Bulletin, März 2020; FSNAU: Quarterly Brief, 09.05.2020; ACCORD Anfragebeantwortung zu Somalia: Informationen zum Clan der Tunni, 12.06.2015.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Feststellungen zur Person des BF:
Der BF ist Staatsbürger von Somalia, gehört dem Clan der Tunni, Subclan XXXX , Subsubclan XXXX an, ist sunnitischer Moslem und stellte am 14.10.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF stammt aus Mogadischu. Er ist nicht zur Schule gegangen und hat keine Ausbildung absolviert.
Der BF ist verheiratet und hat fünf Kinder. Seine Ehefrau, seine Kinder aus zweiter Ehe, sowie seine Mutter, sein Stiefvater und ein Kind aus erster Ehe leben nunmehr in Kenia. Der BF hat keine Familienangehörigen mehr in Somalia.
Der BF ist gesund.
Der BF ist unbescholten.
Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Somalia:
a) Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia vom 17.09.2019:
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM. Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt. Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele. Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu. Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen. Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und –Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM. Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden. Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen. Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt. Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an. Diese leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden. Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich. Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische. Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar. Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIB 2019, Kap 3.1.3).
2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten) (LIB 2019, Kap 3.1.3).
Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut. Große Teile der Bevölkerung sind hinsichtlich Armut und Nahrungsversorgung vulnerabel. Eine Schätzung besagt, dass rund 77% der Bevölkerung mit weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag auskommen müssen und daher als extrem arm gelten – insbesondere in ländlichen Gebieten und IDP-Lagern. Nach anderen Angaben leben 69% der Bevölkerung in Armut, fast einer von drei Somalis lebt in extremer Armut. Dabei finden sich die höchsten Raten bei IDPs, in ländlichen Gemeinden und bei Nomaden. Es gibt viele IDPs und Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten. Die ländliche Bevölkerung und IDPs befinden sich in der am meisten vulnerablen Position. Erstere verfügen kaum über Mittel, um die durch die Dürre entstandenen Verluste wieder wettzumachen. Dadurch sind sie hinsichtlich neuerlicher Katastrophen wehrlos (LIB 2019, Kap. 22.2).
Grundversorgung: Somalia steht wieder vor einem großen humanitären Notfall. Am meisten betroffen sind IDPs und marginalisierte Gruppen. Das Land leidet unter den negativen Folgen unterdurchschnittlicher Regenfälle in der Gu-Regenzeit (April-Juni) 2019. Letztere hat sehr spät eingesetzt. Der gefallene Regen hat die Dürre-Bedingungen zwar etwas entspannt und den Zustand des Viehs etwas verbessert; trotzdem reichte er nicht aus, um die Landwirtschaft nachhaltig zu stärken. Am Ende ist die Gu zwar normal oder fast normal ausgefallen; doch war der Niederschlag erratisch und schlecht verteilt. Außerdem kam er um ein Monat später als normal. Bereits zuvor war die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) 2018 schlecht ausgefallen und Anfang 2019 war ungewöhnlich trocken. Mit Ausnahme der Gu im Jahr 2018 ist seit Ende 2015 jede Regenzeit unterdurchschnittlich ausgefallen (LIB 2019, Kap. 22.2).
Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Der humanitäre Bedarf ist nach wie vor hoch, Millionen von Menschen befinden sich in einer Situation akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung. In Nord-und Zentralsomalia herrschen durchgehend moderate bis große Lücken in der Versorgung. Dort wird für August/September 2019 in einigen Teilen mit IPC 3 und IPC 4 gerechnet. Das gleiche gilt für den Süden, wo aufgrund einer unterdurchschnittlichen Ernte die Lebensmittelpreise steigen werden. Der Preis für Sorghum befindet sich bereits auf einer außergewöhnlichen Höhe. Viele Menschen aus ländlichen Gebieten sind in Städte gezogen, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten (LIB 2019, Kap. 22.2).
Verarmte Pastoralisten mit kleinen Herden stehen in den nächsten Monaten vor Lücken in der Nahrungsmittelversorgung. Davon sind landesweit auch viele Agropastoralisten und Bauern betroffen. Während der Viehbestand vorübergehend von besserer Weide profitiert, ist in der Landwirtschaft mit einem Ernteausfall von 50% zu rechnen -etwa bei Mais und Sorghum. Nach neueren Angaben war die letzte Ernte in Südsomalia die schlechteste seit 1995 -68% unter dem Durchschnitt; im Nordwesten lag sie mit 44% unter dem Durchschnitt (LIB 2019, Kap. 22.2).
Schätzungen zufolge werden bis September 2019 5,4 Millionen Menschen von Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung betroffen sein; davon 3,2 Millionen in IPC-Phase 2 und 2,2 Millionen in den Phasen 3 und 4. Ca. eine Million Kinder unter fünf Jahren werden bis Mitte 2020 vor einer Situation der akuten Unterernährung stehen, 178.000 vor schwerer akuter Unterernährung. Bis zu 2,1 Millionen Menschen werden sich hinsichtlich Nahrungsmittelversorgung in einer Krisensituation finden (IPC >2), 6,3 Millionen werden von einer Versorgungsunsicherheit bedroht sein. Dieses Szenario gilt dann, wenn die gegenwärtig getätigten humanitären Interventionen nicht verstärkt werden. Mit Stand September 2019 verhindert eine großangelegte humanitäre Hilfe schlimmere Zahlen. Geht die Hilfeleistung zurück, ist von einer Verschlechterung auszugehen. Und auch für den Fall, dass die Deyr-Regenzeit (Oktober-Dezember) besser ausfallen sollte, wird sich dies frühestens Ende Dezember auf die Versorgungslage auswirken (LIB 2019, Kap. 22.2).
b) ReliefWeb: Conflict and heavy floods force tens of thousands of people to flee their homes in Somalia, amidst COVID-19 threat, 08.05.2020 (Übersetzung aus dem Englischen)
Schwere Überschwemmungen, Konflikte, eine lahmgelegte Wirtschaft, drohende Heuschreckenschwärme in der Wüste und die exponentielle Ausbreitung von COVID-19 bedrohen die Sicherheit und das Wohlergehen der 2,6 Millionen Binnenvertriebenen in Somalia. UNHCR geht davon aus, dass sich die humanitäre Lage mit der weiteren Ausbreitung von COVID-19 verschlechtern wird. Die meisten der Binnenvertriebenen in Somalia leben in überfüllten Siedlungen. Eine physische Distanzierung ist nahezu unmöglich, und es gibt kaum genug sauberes Wasser zum Trinken, geschweige denn zum Händewaschen. Jahrzehntelange Konflikte und ein weltweiter Mangel an Testkits haben dazu geführt, dass die Gesundheitsinfrastruktur des Landes in einer prekären Lage ist, um bei einer raschen Ausbreitung des Virus reagieren zu können. Viele somalische Binnenvertriebene mussten einen Einkommenseinbruch hinnehmen, da die COVID-19-Präventionsmaßnahmen zu Arbeitsplatzverlusten oder Arbeitszeitverkürzungen geführt haben, insbesondere für Tagelöhner und Menschen, die auf Märkten arbeiten. Gleichzeitig steigen die Lebensmittelpreise.
c) Humanitarian Bulletin SOMALIA, 1-31 March 2020 (Übersetzung aus dem Englischen)
Somalischen Behörden und UN-Organisationen arbeiten an einem Country Preparedness and Response Plan (CPRP), um den Auswirkungen auf die humanitäre Lage der Covid-19 Krise entgegenzuwirken. Angestrebt wird die Stärkung des Gesundheitssystems, während gleichzeitig kritische Programme und Aktivitäten im Rahmen des Somalia Humanitarian Response Plan (HRP) 2020 beibehalten werden. Weitere Maßnahmen zur Eindämmung der möglichen Verbreitung von COVID-19 sind zudem die Schließung von Schulen, das Verbot großer Versammlungen und die Aussetzung internationaler und inländischer Passagierflüge. Die Grenzen zu den Nachbarländern Äthiopien und Kenia wurden ebenfalls geschlossen, wodurch die grenzüberschreitende Bewegung von Menschen zwischen Doolow in der Region Gedo in Somalia, Dollo Ado in Äthiopien und Mandera in Kenia gestoppt wurde. Durch diese Einschränkungen werden allerdings auch Engpässe in der humanitären Hilfe und eine Durchbrechung der Lieferketten befürchtet.
Somalias Kapazitäten zur Eindämmung, Erkennung und Reaktion auf jede globale Gesundheitsbedrohung erreichten, gemessen am Health Emergency Preparedness Index 2016, 6 von 100 Punkten. Die Zahl der Gesundheitsfachkräfte in verschiedenen Teilen des Landes beträgt 2 pro 100.000 Menschen, verglichen mit dem weltweiten Standard von 25 pro 100.000 Menschen. Weniger als 20 Prozent der Gesundheitseinrichtungen verfügen über die erforderliche Ausrüstung und Ausstattung, um mit Epidemien fertig zu werden.
Die Gu Regenfälle des Jahres 2020 (April-Juni) begannen in Somalia mit mäßigen bis starken Regenfällen in den nördlichen Regionen und leichten bis mäßigen Regenfällen in den südlichen Regionen. Diese erhöhten Niederschläge lösten bereits Überschwemmungen und Stürme aus, welche Häuser zerstörten und Vieh töteten. In Baidoa, einem Bundesstaat im Südwesten des Landes, befürchten die humanitären Organisationen, dass die Gu Regenfälle die Notlage der Binnenvertriebenen in Baidoa verschlimmern werden. Auch wird der Ausbruch von Krankheiten wie Cholera und Diarrhöe befürchtet.
Gegenwärtig erlebt Somalia einen verheerenden Wüstenheuschreckenbefall - den schlimmsten Ausbruch dieser Art seit über 25 Jahren. Am 2. Februar rief die Regierung wegen des Heuschreckenaufkommens den nationalen Notstand aus. Da sich die Regenfälle intensivieren, ist zu erwarten, dass sich neue Schwärme von Wüstenheuschrecken bilden. Trotz ebenfalls möglicher Überschwemmungen werden die erwarteten durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Regenfälle in den meisten Teilen Somalias die Bedingungen für den Pflanzenbau aber verbessern und Weide- und Wasserquellen wieder auffüllen. Dies wird zu einer anhaltenden Erholung der pastoralen und agro-pastoralen Lebensgrundlagen beitragen, die zuvor von der Dürre betroffen waren, auch wenn die Auswirkungen der Heuschreckenplage den Nutzen in einigen Gebieten verringern werden.
Von den jüngsten Zusammenstößen in Janaale, Region Lower Shabelle, waren über 20.000 Menschen betroffen, wobei schätzungsweise 8.000 Menschen aus ihren Häusern nach Marka, Afgooye, Shalanbood und Mogadischu vertrieben wurden. Bei diesen Familien besteht ein immenser Bedarf an Hilfe und Verteilung von Hilfsgütern.
Der Somalische Humanitäre Fonds (SHF) stellt 22 Millionen US-Dollar zur Unterstützung der lebensrettenden Maßnahmen in Gebieten mit hoher Unterernährung, Nahrungsmittelunsicherheit, Schutzrisiken und beschränktem Zugang zu Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung. Angesichts der bevorstehenden Überschwemmungen und der Auswirkungen der Heuschreckenplage, ist allerdings wesentlich mehr finanzielle Unterstützung erforderlich.
d) FSNAU: Quarterly Brief, 09.05.2020 (Übersetzung aus dem Englischen)
Es wird erwartet, dass schätzungsweise 2,7 Millionen Menschen in ganz Somalia zwischen April und Juni ohne nachhaltige humanitäre Hilfe mit einer Krise oder schlimmeren Folgen (IPC Phase 3 oder höher) konfrontiert sein werden. Diese Zahl könnte zwischen Juli und September 2020 weiter ansteigen, womit sich die Gesamtzahl der Menschen, die in ganz Somalia mit akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert sind, auf 6,4 Millionen erhöht.
COVID-19 wird wahrscheinlich unverhältnismäßig negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlagen der städtischen Bevölkerung und der städtischen Haushalte von Binnenvertriebenen haben, da diese besonders von Lebensmittelein- bzw. verkäufen auf dem Markt und von Gelegenheitsarbeit abhängig sind. Dementsprechend wird die Bevölkerung in den wichtigsten städtischen Siedlungen für Binnenvertriebene zwischen April und September 2020 in der IPC-Phase 3 verharren, und die Bevölkerung in den wichtigsten Städten Somalias wird sich von einer IPC-Phase 2 zu einer IPC-Phase 3 verschlechtern.
Aufgrund der aktuellen Gegebenheit ist noch näher auf die derzeitig herrschende Pandemie einzugehen. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 15.06.2020, 08:00 Uhr, 17.039 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 678 Todesfälle; in Somalia wurden zu diesem Zeitpunkt rund 2618 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei ca. 88 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurde. Diesbezüglich ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Dunkelziffer viel höher sein wird, da in Somalia kein ausreichendes und effektives Testsystem besteht.
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Zu den Fluchtgründen des BF:
Eine Gefährdung des BF durch die Al Shabaab liegt nicht vor. Weder der BF wurde durch diese bedroht und geschlagen, noch wurde sein Geschäft durch diese bombardiert. Der BF wurde somit nicht konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Somalia Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Al Shabaab droht.
Zur Situation des BF im Falle einer Rückkehr:
Es wird festgestellt, dass der BF im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, in Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdeninformationssystem und einen Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem sowie durch Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung.
Die länderspezifischen Feststellungen entstammen einer Zusammenstellung der Staatendokumentation (die nicht nur für die Länderinformation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, sondern auch für das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist), welche auf einer ausgewogenen Sammlung zahlreicher seriöser, aktueller, internationaler, staatlicher und nicht staatlicher Quellen beruht. Dieses Dokument wurde ebenso wie die im Rahmen der Beschwerdeverhandlung eingebrachten Länderberichte dem Parteiengehör unterzogen. Eine substantiierte Stellungnahme ist nicht eingelangt, sodass das Bundesverwaltungsgericht von diesen aktuellen und seriösen Ausführungen ausgeht. Ebenso wurden Berichte von FSNAU, OCHA und UNHCR herangezogen, welchen maßgebliche Bedeutung beigemessen wird. An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel.
Die Situation zur Erkrankung von COVID-19 Infizierten ergibt sich aus der Übersicht der John Hopkins Universität bei der Abfrage der Homepage https://coronavirus.jhu.edu/map.html und die Risikogruppen für Personen aus den Anfragebeantwortungen des Sozialministeriums, welche auf der Homepage abrufbar sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html). So sind hier ältere Menschen über 60 Jahre und immungeschwächte Personen (z.B. Diabetes, Herzerkrankungen, Krebserkrankungen und Bluthochdruck) gefährdet. Auch liegt die Sterblichkeitsrate unter jener von MERS (bis zu 30 Prozent) und SARS (ca. 10 Prozent). Die Sterblichkeitsrate ist zurzeit geringer als die von bis zu drei Prozent, wobei auch die saisonale Grippe durch Influenzaviren eine Sterblichkeitsrate von 1 Prozent aufweist. Der BF ist jung und gesund. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF eine schwere Erkrankung erleiden wird oder gar den Tod.
Zu den Feststellungen zur Person des BF:
Die Feststellungen zur Herkunft und Clanzugehörigkeit des BF, sowie zu den Verwandten in Somalia bzw. nunmehr in Kenia beruhen auf den konsistenten Angaben des BF im Laufe des Verfahrens, die glaubhaft sind.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand beruht auf den nicht strittigen Angaben des BF im Laufe des Verfahrens.
Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:
Die erkennende Richterin geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund ihres persönlichen Eindrucks vom BF davon aus, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der BF konnte sein Vorbringen wenig nachvollziehbar schildern und sind in den wesentlichen Angaben des BF auch erhebliche Unschlüssigkeiten und Ungereimtheiten enthalten, die seine Angaben unglaubhaft erscheinen lassen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der behauptete Vorfall schon einige Zeit zurückliegt. Dass der BF dieses fluchtauslösende Ereignis insgesamt jedoch in einer derart unplausiblen und vor allem widersprüchlichen Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätte es sich tatsächlich so zugetragen und wäre es von fluchtauslösender Intensität.
Bereits hinsichtlich seiner Schul- und Berufsausbildung ergeben sich die ersten gravierenden Widersprüche. Noch in der Erstbefrag gab der BF an, dass er keine Schule besucht bzw. keine Ausbildung abgeschlossen habe. In der Einvernahme wiederum sagte der BF, dass er ein Jahr lang eine Privatschule in Mogadischu besucht habe und dass er Somali und Englisch schreiben könne (S. 4, Niederschrift der Einvernahme). Danach habe er von 2005-2015 selbstständig als Schuhputzer und Autoreiniger gearbeitet. Sein Onkel habe für den BF im Jahr 2010 ein Geschäft eröffnet, dort habe der BF Filme und Videokassetten verkauft. In seiner Beschwerde fügte der BF hinzu, dass er beide Tätigkeiten gleichzeitig gemacht habe und dadurch ein höheres Einkommen gehabt habe, sodass er auch ein paar Monate die Schule besuchen habe können. Damit nicht im Einklang steht eine weitere Aussage des BF, dass er aufgrund seines Stammes nicht die Schule besuchen habe können (S. 7, Niederschrift der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung wechselte der BF seinen Standpunkt und stellte richtig, dass es missverstanden worden sei, dass er beide Tätigkeiten gleichzeitig gemacht habe. Vielmehr habe er zu unterschiedlichen Zeiten als Schuhputzer und als Verkäufer gearbeitet (S. 5, Protokoll der mündlichen Verhandlung). Auch die Schule habe er gar nicht besucht, dies seien nur Englischkurse gewesen. Diese geschilderten Ungereimtheiten lassen bereits erste Zweifel am Wahrheitsgehalt des Fluchtvorbringens des BF aufkommen. Weitere Widersprüche kommen im weiteren Verlauf hinzu.
So brachte der BF in der Einvernahme erstmals vor, dass er im Jahre 2007 seine erste Frau geheiratet habe, da diese schwanger geworden sei. Auch die Al Shabaab hätten von diesem unehelichen Kind erfahren und hätten Probleme gemacht (S. 6, Niederschrift der Einvernahme). Einerseits ist diesbezüglich auf die Angabe des BF zu verweisen, dass sein erstes Kind mit seiner ersten Frau erst Ende Februar 2008 zur Welt gekommen sei und daher in diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr als uneheliches Kind gelten konnte (S. 4, Niederschrift der Einvernahme). Andererseits gab der BF wenig später zu Protokoll, dass die Probleme mit den Al Shabaab erstmals im Dezember 2014 begonnen hätten (S. 9, Niederschrift der Einvernahme), weshalb dem BF hinsichtlich der Probleme wegen seines unehelichen Kindes kein Glauben geschenkt werden kann.
Ferner divergieren seine Aussagen in Bezug auf die erstmalige Kontaktaufnahme der Al Shabaab. Zunächst schilderte der BF in der Einvernahme, dass die Al Shabaab Milizen zu ihm Kontakt aufgenommen und gefragt hätten, ob sie in seinem Geschäft Bomben verstecken und es als Lager benützen könnten. Dies habe er aber abgelehnt, wodurch sie ihm mit Problemen gedroht hätten (S. 6, Niederschrift der Einvernahme). In der mündlichen Verhandlung jedoch schmückte der BF sein Vorbringen aus, fügte plötzlich Details hinzu, die in der Einvernahme zur Gänze fehlten und bis dato völlig unerwähnt blieben. Ein junger Mann namens Khalid sei eines Tages mit zwei anderen Personen in sein Geschäft gekommen und sie hätten eine Tasche bei ihm abgestellt. Sie seien sogar bewaffnet gewesen und hätten ihn gegen dessen Willen gezwungen die Tasche zu behalten. Sein Mitarbeiter und der BF hätten große Angst gehabt, da sie nicht gewusst hätten, was sich in der Tasche befunden habe und ob es sich den um einen Sprengstoff handle. Daher hätten sie schnell das Geschäft verlassen und seien zu einem gegenüberliegenden Geschäft gelaufen. Danach seien die Männer aber wiedergekommen und hätten den BF angeblich nur auf die Probe gestellt, ob er denn auf die Sachen aufpassen könne (S.10-11, Protokoll der mündlichen Verhandlung).
Darüber hinaus setzen sich die Divergenzen fort, bzw. handelt es sich teilweise um gänzlich andere Erzählungen, wie auch hinsichtlich der angeblich zweiten Kontaktaufnahme durch die Al Shabaab. In der Einvernahme hieß es noch, dass die Al Shabaab daraufhin immer wieder Leute zum BF geschickt hätten und diese ihn geschlagen und sein Geschäft demoliert hätten (S. 6, Niederschrift der Einvernahme). Hingegen lautete es in der mündlichen Verhandlung, dass die Al Shabaab erst nach einigen Monaten wieder zu ihm gekommen seien und dieses Mal von ihm verlangt hätten, eine Waffe bei ihm zu lagern. Auch hätten sie einen eigenen Schlüssel für das Geschäft verlangt, um in der Nacht die Waffen zu holen (S. 11, Protokoll der mündlichen Verhandlung).
Folgt man den Erzählungen aus seiner Einvernahme, so sei er sodann auf Grund der Schläge und der Schäden im Geschäft zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet. An diesem Tag, als er von der Polizei zurückgegangen sei, habe er einen Anruf von den Al Shabaab bekommen, in welchem sie ihm gesagt hätten, dass sie ihn jetzt umbringen werden. Daraufhin habe er seinem Assistenten im Geschäft gesagt, dass sie umziehen müssen. So viel Zeit hätten sie allerdings nicht mehr gehabt, da in der Zwischenzeit die Al Shabaab das Geschäft mit einer Handgranate attackiert hätten und dabei seinen Assistenten und eine Kundin getötet hätten. Er selber sei nicht im Geschäft gewesen. In der zweiten Version seiner Fluchtgeschichte, das heißt in der Erzählung in der mündlichen Verhandlung wiederum, habe der BF nach der zweiten Kontaktaufnahme über Monate hinweg nur mehr noch Anrufe und SMS bekommen, in denen sie versucht hätten, ihn zu überreden. Eine endgültige Absage habe der BF ihnen per Telefon mitgeteilt, woraufhin diese ihm eine SMS geschickt hätten und ihn mit dem Tode bedroht hätten. Da habe der BF große Angst bekommen und sei zur Polizei gegangen. Das hätten die Al Shabaab mitbekommen und hätten erst daraufhin die Bombe in sein Geschäft geworfen (S. 12, Protokoll der mündlichen Verhandlung).
Schließlich sei der BF nach dem Anschlag auf sein Geschäft zu seinem Onkel gegangen und habe sich in dessen Wohnung versteckt. Dieser habe für ihn die Ausreise organisiert und ihm gesagt, dass seine restliche Familie bei ihm bleiben könne. Am Tag der Ausreise sei der Onkel von den Al Shabaab ermordet worden, dies habe der BF erst in der Türkei erfahren. Widersprüchlich hingegen die Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung. Hier sei der BF nach dem Anschlag auf sein Geschäft zuerst zu einem Freund gegangen und der Onkel sei erst dann dazugekommen. Von nun an habe sich der BF versteckt und jede Nacht woanders übernachtet. Auch habe er noch vor der Ausreise durch den Anruf seiner Frau erfahren, dass sein Onkel und des Weiteren der Bruder seiner Frau ermordet worden seien.
Ebenso ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass die Al Shabaab den BF über Monate hinweg nur mit Anrufen und SMS bedroht hätten und es dem BF ermöglichen sie über einen so langen Zeitraum zu vertrösten. Dies entspricht nicht der Gangart der Al Shabaab, denn wäre anzunehmen, dass diese bei tatsächlicher Absicht eher zu härteren Mitteln gegriffen hätten.
Das erkennende Gericht geht aufgrund der zahlreichen Widersprüche und der gänzlich unterschiedlichen Versionen seiner Fluchtgeschichte davon aus, dass sich der behauptete Vorfall nicht zugetragen hat und dass dieser nur erfunden wurde. Auffällig ist vor allem die viel detailliertere und gesteigerte Version in der mündlichen Verhandlung, die den Schluss zulässt, dass der BF seine Position im Verfahren zu stärken versucht hat und mit den gezwungen wirkenden Details ein stimmiges Bild des angeblichen Vorfalls vortäuschen wollte.
Aufgrund der zahlreichen aufgezeigten Widersprüche und nicht nachvollziehbaren Angaben konnte der BF keine Verfolgung ins Treffen führen.
Zur Rückkehrsituation des BF:
Die Feststellung zum Bestehen eines Abschiebehindernis beruht im Wesentlichen auf den aktuellen Informationen zur wiederkehrenden Versorgungsproblematik in Somalia. Die dazu evaluierten Berichte führen dazu allgemein aus, dass die periodischen Regenfälle erneut zu gering/nicht ausreichend ausgefallen sind und in weiten Teilen Somalias zu einer sich verschlimmernden Dürre geführt haben. Das Augenmerk wird insbesondere darauf gelegt, dass mit den Konsequenzen unterdurchschnittlicher Regenzeiten eine Region betroffen ist, die sich immer noch von den Auswirkungen der letzten langen Dürre erholt. Es kommt zu Ernteausfällen und Abnahme des Viehbestands. Es sind geschätzt 2,7 Millionen Menschen als in die ICP Kategorie 3 (crisis) fallend anzusehen.
Die Schäden durch die Heuschreckenplage sind noch auf die spät gepflanzte Aussaat limitiert; das Risiko von Schäden durch diese bleibt aber hoch. Insbesondere betroffen sind IDP Lager (IPC 3), während urbane Bereiche gewöhnlich unter IPC 1 oder 2 eingestuft werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch im urbanen Bereich - also auch außerhalb der IDP Siedlungen - eine Einstufung in IPC 3 vorgenommen wird, was gerade mit dem Zustrom an Einwohner/innen zu tun hat, der zu erhöhten Lebenserhaltungskosten und fehlenden Arbeitsmöglichkeiten geführt hat. Eine schlechte kommende Gu-Saison und/oder eine Fortentwicklung der Heuschreckenplage kann die allgemeine Nahrungsmittelversorgung außerdem wieder verschlechtern.
Auch COVID-19 wird wahrscheinlich unverhältnismäßig negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlagen der städtischen Bevölkerung und der städtischen Haushalte von Binnenvertriebenen haben. Dementsprechend wird die Bevölkerung in den wichtigsten städtischen Siedlungen für Binnenvertriebene zwischen April und September 2020 in der IPC-Phase 3 verharren, und die Bevölkerung in den wichtigsten Städten Somalias wird sich von einer IPC-Phase 2 zu einer IPC-Phase 3 verschlechtern.
Aus diesen Informationen geht hervor, dass die Versorgungslage in Somalia seit der großen Dürre grundsätzlich volatil ist. Zwar kommt es glücklicherweise durch gute Regenzeiten zur Entspannung der Situation, andererseits folgen unverlässliche Regenzeiten und erst in den letzten Monaten eine Heuschreckenplage, die zu einem nationalen Notstand führten.
Konkret den BF betreffend wird nicht übersehen, dass er keine nahen Angehörigen mehr in Somalia hat und daher keine entsprechende Unterstützung erwartet werden kann. Eine finanzielle Unterstützung scheidet insofern schon aus, als dass seine Angehörigen in einem Flüchtlingslager wohnen und daher selbst kaum über Ressourcen verfügen. Dass erweiterte Clanstrukturen hier helfend einschreiten können, kann im Lichte der allgemeinen Einstufung in IPC 3 nicht mehr einfach angenommen werden. Das Konzept der Clan-Solidarität wurde in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen.
Der BF, zugehörig zum Clan der Tunni, ist außerdem kein Angehöriger des in Mogadischu angesiedelten Mehrheitsclans der Hawiye. Daher ist nicht davon auszugehen, dass der Clan den BF effektiv unterstützen könnte. Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, sind potentiell gegenüber Kriminalität vulnerabler. So führt das LIB hierzu an:
„Generell gilt, dass eine Einzelperson immer dann in der „Minderheiten“-Rolle ist, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Sie gilt als „Gast“ in dem Territorium, was sie in eine schwächere Position bringt als die „Gastgeber“. In diesem System von „hosts and guests“ sind also Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt.
Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr eine derartige Unterstützung durch einen fremden Clan (Hawiye) zu Teil wird, die mit der Unterstützung durch den Jilib innerhalb der eigenen Clanfamilie vergleichbar wäre.
Zudem geht aus der ACCORD Anfragebeantwortung hervor, dass Angehörige des Clans der Tunni systematisch schikaniert, verfolgt und diskriminiert werden, da sie über keinen Schutz durch größere Clans verfügen. Die Tunni seien außerdem ein dem Clan der Digil Mirifle niederer Berufskasten, die als zweitklassig wahrgenommen werden.
Es muss daher gegenständlich davon ausgegangen werden, dass der BF von der Versorgungskrise in seinem Herkunftsort unmittelbar betroffen wäre.
Eine Wiederansiedlung in Somalia bzw. Mogadischu müsste daran scheitern, dass die Versorgungslage in Somalia insgesamt grundsätzlich angespannt ist, und der BF in anderen Landesteilen keinerlei Unterstützung durch Clan und Jilib erlangen könnte, weshalb er als IDP in Zusammenhang mit der Versorgungskrise gerade besonders vulnerabel wäre.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1 Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.2. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, kann eine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr des BF durch die Al Shabaab im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu nicht angenommen werden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass der BF einer aktuellen und maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr im Hinblick auf die Mitgliedschaft zur sozialen Gruppe der Familie, unterliegen würde. Der BF machte daher keine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.
3.2. Zu Spruchpunkt II.
3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht werden (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443).
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016 mwN, VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 mit Verweis auf Diakité und Elgafaji).
Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH vom 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 - mit Verweis auf EGMR vom 5.09.2013, I. vs Schweden, Nr. 61204/09).
3.2.2. Im gegenständlichen Fall liegen in der Wiederkehr der Dürre und der Nahrungsversorgungssituation wie auch in der Person des BF Gründe, die ein solches reales Risiko nahelegen. Die Feststellungen dazu führen aus, dass die unterdurchschnittlichen beiden Regenzeiten im Kontext einer Region, die sich eben erst von der letzten langen und schweren Dürre 2016/2017 erholen muss, dazu geführt haben, dass 2,7 Millionen Menschen in Somalia als mit der ICP Stufe 3 (crisis) akut von der Versorgungskrise betroffen gelten.
Während die aktuellste Information von einer Verbesserung der Getreideernte und des Viehbestandes nach einer guten Regensaison berichtet, sind immer noch Millionen Menschen von Versorgungsengpässen betroffen und in die Stufe IPC 3 einzuordnen. Weiter bleibt das Risiko für Schäden wegen der Heuschreckenplage hoch. Gerade für das urbane Gebiet wird die IPC Stufe 3 angenommen. Auch die Covid-19 Krise wird dazu beitragen, dass sich die Versorgungslage weiterhin verschlechtert und angespannt bleibt.
Damit bleibt die Versorgungslage in Somalia gesamt bereits volatil und kann von einer nachhaltigen Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung in der Region noch nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus ist die Lage in der Herkunftsregion des BF besonders prekär.
Betreffend Mogadischu ist auszuführen, dass für zuziehende, vermögenslose und alleinstehende Personen ohne soziale Anbindung vor Ort, Clan und/oder Kernfamilie, eine nach wie vor akute Unterversorgung mit Nahrungsmitteln als Folge der vorangegangenen Dürreperiode vorliegt. Dezidiert wird ausgeführt, dass Personen sich keinen Lebensunterhalt werden sichern können, die in der Stadt weder über eine Kern- noch über eine erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügen; solche Personen würden gezwungen sein, sich in Lagern für Binnenvertriebene niederzulassen. Gerade die Nahrungsmittelversorgung solcher Personen in Mogadischu beschreiben die Länderberichte als nach wie vor kritisch. Hinzu kommt, dass der BF nicht über Fertigkeiten verfügt, die nahe legen, dass er dazu imstande wäre, sich sein Auskommen vor Ort aus eigenem trotz der beschriebenen örtlichen Gegebenheiten zu sichern. Ferner hat der BF vor Ort keine Unterstützung zu erwarten, die ihn vor der mangelhaften Versorgung bewahren könnte: Die Familie des BF befindet sich mittlerweile in einem Flüchtlingslager in Kenia. Zudem gehört der BF einem Clan an, der in Somalia eine Minderheit bildet; auch für seinen Clan ist mithin nicht davon auszugehen, dass er den BF effektiv unterstützen könnte. Angesichts dieser Umstände und der beschriebenen schlechten Versorgungslage von zuziehenden Personen ohne sozialen Anschluss ist ernstlich zu befürchten, dass der BF nach seiner Rückkehr nach Mogadischu in eine aussichtslose Lage geraten oder gar umkommen würde. Bei einer Rückkehr wäre der BF nicht in der Lage, sich den notwendigsten Lebensunterhalt erwirtschaften zu können. Damit muss davon ausgegangen werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr konkret von den Versorgungsschwierigkeiten in seiner Heimatregion betroffen wäre.
Im Ergebnis liegen somit im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Somalia außergewöhnliche Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung gemäß den Vorgaben des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 widersprechen würden.
3.2.3. In Abwägung der persönlichen Umstände des BF kommt eine IFA in einen anderen Teil Somalias nicht in Betracht:
Im Hinblick auf eine allfällige Niederlassung des BF an einem anderen Ort in Nordsomalia (Somaliland oder Puntland) ist auf die besonders prekäre Versorgungslage hinzuweisen, indem dort bis Dezember 2019 für große Gebiete sogar die IPC Stufen 4 und 5 (Emergency und Famine) prognostiziert wurden. Überdies verfügt der BF in Nordsomalia weder über ein soziales (Clan) noch über ein familiäres Netzwerk.
Ferner führt die generell prekäre Versorgungslage von Binnenflüchtlingen, insbesondere, wenn sie wie der BF einem Minderheitenclan angehören, dazu, dass ihm keine zumutbare innerstaatliche Alternative offensteht, sich der prekären Versorgungslage in seiner Heimatstadt anderswo in Somalia zu entziehen. Dabei ist auch maßgeblich, dass weite Teile Somalias nach wie vor unter einer besorgniserregenden Sicherheitslage leiden und unter intensivem Einfluss der Al Shabaab stehen.
Bezüglich der bereits bestehenden Pandemie, aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass COVID-19 sowohl in Österreich als auch in Somalia ist, der BF allerdings nicht zur Risikogruppe gehört, da er wieder gesund und jung ist.
Für den BF besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.
3.2.4. Ausschlussgründe nach § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor.
3.2.5. Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia zuzuerkennen. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG war dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres zu erteilen.
3.3. Zu Spruchpunkt III.
In weitere Folge waren die Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheids zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall vorwiegend tatsachenlastig ist und die Beweiswürdigung den entscheidenden Punkt darstellt. Wie unzweifelhaft der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den gegenständlichen Fall uneinheitlich zu beurteilen wäre. Vielmehr gründet sich die vorliegende Entscheidung auf die bisher ergangene Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes, insbesondere auch eine aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Im Übrigen liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung Glaubwürdigkeit individuelle Verhältnisse mangelnde Asylrelevanz Menschenrechtsverletzungen subsidiäre Schutzgründe subsidiärer Schutz Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W252.2164564.1.00Im RIS seit
04.11.2020Zuletzt aktualisiert am
04.11.2020