TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/29 I419 2143933-1

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Entscheidungsdatum

29.07.2020

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §66
FPG §67
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I419 2143933-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12.12.2016, Zl. 1052032904-150177957, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben. Die Spruchpunkte III und IV des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA mit dem bekämpften Bescheid abwies (Spruchpunkte I und II). Unter einem erteilte es ihm keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“, erließ wider ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak fest (Spruchpunkt III). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit „Tage“ (der Begründung zufolge gemeint: 14 Tage) ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV).

2. Die Beschwerde dagegen wurde am 24.07.2020 eingeschränkt, und zwar betreffend die Spruchpunkte I und II zurückgezogen, und richtet sich nunmehr ausdrücklich gegen Spruchpunkt III, daneben mangels Zurückziehung weiter auch gegen Spruchpunkt IV.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist seit 28.02.2019 mit einer knapp acht Jahre älteren Staatsangehörigen Rumäniens verheiratet. Diese ist in Österreich seit Jänner 2018 mit Unterbrechungen als Arbeiterin unselbständig erwerbstätig, anfangs gut 14 Monate bei einer GmbH in Oberösterreich, derzeit bei einer solchen in Salzburg. Das Ehepaar hat seit März 2019 einen gemeinsamen Wohnsitz und wohnt seit August 2019 in einer etwa 41 m² großen Wohnung, für die es € 380,-- Miete und € 180,-- Akonto der Betriebskosten zu zahlen hat.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist Inhaber einer von der BH Salzburg im Juli 2019 ausgestellten Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin, die bis 2024 gilt. Seine Identität steht fest. Seit Jänner 2020 arbeitet auch er bei einer GmbH in Salzburg. Sein monatlicher Grundlohn beträgt € 1.850,-- brutto.

1.2 Zum Vorbringen:

Das BFA hat am 25.04.2019 vorgebracht, es bestehe der Verdacht einer Scheinehe, und zwar wegen des Altersunterschieds der Ehegatten, weil ein Beschwerdeverfahren betreffend den Asylantrag anhängig sei, und weil der Beschwerdeführer das Aufenthaltsrecht als Angehöriger erlange.

Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Aufenthaltsehe vorläge.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und der Beschwerde samt der angeführten Beschwerdeergänzung. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Integrierten Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2 Zum Beschwerdeführer

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf die eben genannten Beweise, speziell auf seine diesbezüglich unbedenklichen Angaben, zu seinem Familienstand und zu seiner Frau zudem auf die Heiratsurkunde der Gemeinde XXXX vom Tag der Eheschließung.

2.3 Zum Vorbringen

Die Bedenken des BFA beruhen im Kern darauf, dass die Gattin des Beschwerdeführers etwa 8 Jahre älter ist als dieser. Die weiter genannten Gründe, nämlich das anhängige Beschwerdeverfahren und die Rechtsfolge der Heirat, sind Sachverhaltselemente, auf die als Motive der Trauung kein Hinweis existiert. Es liegt auch kein Hinweis vor, dass der Beschwerdeführer kein Eheleben führen würde.

Trauungen kommen bei ledigen Beschwerdeführern, die sich schon etliche Jahre im Inland aufhalten, gerichtsbekannt gelegentlich vor. Eine Eheschließung zwischen einem (als Asylwerber vom BFA abweisend beschiedenen) Beschwerdeführer und einer EWR-Bürgerin würde dem BFA zufolge immer dann den Verdacht eines Rechtsmissbrauchs indizieren, wenn der Drittstaatsangehörige deutlich jünger ist als die EWR-Bürgerin. Ein Erfahrungssatz, wonach Aufenthaltsehen häufiger zwischen älteren Frauen und (im Vergleich zur Braut) jüngeren Männern geschlossen werden als umgekehrt, ist dem Gericht nicht bekannt.

Es ist dem Akt kein anderer Hinweis zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen wäre. Erhebungen dazu sind insofern nicht erforderlich, als unbestritten keine rechtskräftige Feststellung im Sinn des § 54 Abs. 7 NAG vorliegt.

Demgemäß konnte das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nicht festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Aufhebung Spruchpunkte III und IV)

Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer EWR-Bürgerin, der das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG zukommt. Damit erfüllt er die Voraussetzung des § 52 Abs. 1 Z. 1 NAG für das Aufenthaltsrecht als Angehöriger der EWR-Bürgerin. Diese Bestimmung ist ungeachtet des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG auch auf Asylwerber anwendbar, weil die dort festgelegte Nichtanwendbarkeit des NAG nur für Fälle gilt, in denen kein Freizügigkeitssachverhalt vorliegt (vgl. VwGH 26.02.2013, 2010/22/0129).

Somit ist er seit seiner Heirat begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, was selbst dann der Fall wäre, wenn er die Ehe als Aufenthaltsehe geschlossen hätte, und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung im Sinn des § 54 Abs. 7 NAG vorliegt.

Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden. Vielmehr sind die Bestimmungen des vierten Abschnitts des achten Hauptstücks des FPG einschlägig, die in §§ 66 f aufenthaltsbeendende Maßnahmen (auch) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige regeln (Ausweisung und Aufenthaltsverbot). Ebenso kommt bei begünstigten Drittstaatsangehörigen die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 („Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) von vornherein nicht in Betracht, weil die gesamte Bestimmung des siebten Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0115 mwN)

Die beiden ersten Teile des Spruchpunkts III sind demnach ersatzlos aufzuheben. Damit ist auch die Bezeichnung des Aufenthaltstitels nicht mehr zu berichtigen. Da die Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung nach § 52 Abs. 9 FPG infolge der Rückkehrentscheidung getroffen wurde, und die Letztere entfällt, liegt auch die rechtliche Voraussetzung für diese Feststellung mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht mehr vor.

Der angefochtene Spruchpunkt III war demnach, der Beschwerde Folge gebend, zur Gänze ersatzlos aufzuheben. Da auch die Festlegung der Ausreisefrist nach § 55 FPG auf der entfallenden Rückkehrentscheidung beruhte, war Spruchpunkt IV gleichermaßen aufzuheben.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid im Umfang der Anfechtung aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der innerstaatlichen Umsetzung der Freizügigkeitsrichtline und der Anwendung der Bestimmungen über die Abschiebung auf begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Schlagworte

Abschiebung aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begünstigte Drittstaatsangehörige berücksichtigungswürdige Gründe Ehe ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Frist Kassation Rechtsgrundlage Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2143933.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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