TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/31 I421 2233356-1

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Veröffentlicht am 31.07.2020
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Entscheidungsdatum

31.07.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I421 2233356-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin Steinlechner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Baier Rechtsanwälte KG, Kärntner Ring 12, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 24.06.2020, Zl. 1265581902/200520929 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wird Folge gegeben und Spruchpunkt IV. wird ersatzlos behoben.

B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde im Rahmen einer Kontrolle der Finanzpolizei am 23.06.2020 auf einer Baustelle in XXXX in Arbeitskleidung angetroffen, ohne im Besitz von arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen zu sein, und wurde ihm eine Übertretung nach dem AuslBG vorgeworfen.

2. Am selbigen Tag wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangten Behörde) niederschriftlich einvernommen.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.06.2020, zugestellt am 29.06.2020, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt III.), ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

4. Mit Mandatsbescheid vom 24.06.2020 wurde gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

5. Am 29.06.2020 erfolgte die Abschiebung des BF auf dem Luftweg nach Belgrad.

6. Gegen das im Spruchpunkt IV. des Bescheides erlassene Einreiseverbot richtet sich die am 21.07.2020 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, wobei unrichtige bzw. nicht ausreichende Sachverhaltsfeststellung und damit zusammenhängend eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgebracht wurde. Der BF habe sich gemeinsam mit einem Kollegen im XXXX XXXX aufgehalten, weil die serbische Firma XXXX , die für die Sanierungsarbeiten im Schloss Fenster und Türen liefern hätten sollen, sie dorthin geschickt hätten. Die Geschäftsbeziehung sei von der XXXX GmbH vermittelt worden. Sie hätten einerseits bei der Übergabe der ersten Lieferung dabei sein sollen, weiters auch mit der Geschäftsführerin der XXXX GmbH weitere Lieferungen besprechen sollen. Die Besprechung mit der Geschäftsführerin sei jedoch aufgrund schwerer Operationen nicht möglich gewesen. Zudem habe sich die erste Lieferung aufgrund der COVID-19-Situation sowie aufgrund heftiger Regenfälle verzögert. Vor allem wegen der unsicheren Situation mit den Reisebeschränkungen seien der BF und sein Kollege nicht nach Serbien zurückgefahren, sondern haben Türen und Fenster vermessen, um richtige Maße für die weiteren Lieferungen durch den Produzenten vorliegen zu haben. Weder dem BF noch dessen Kollege sei bewusst gewesen, dass für diese Arbeiten eine Beschäftigungsbewilligung in Österreich erforderlich sei. Kleinere Arbeiten hätten die beiden im Schloss verrichtet, um nicht unnötig herumzusitzen, wofür sie jedoch keine separate Entlohnung erhalten hätten. Auch habe der BF bereits ein Angebot für den Antritt einer Arbeit in Schweden. Die Behörde habe das bisherige unbescholtene Verhalten des BF nicht berücksichtigt und ohne weitere Begründung das Einreiseverbot mit der – unangemessenen – gesetzlichen Höchstdauer verhängt. Weiters sei nicht berücksichtigt worden, dass keine „typische“ Schwarzarbeit gegen Entlohnung vorliege. Aufgrund der Beabsichtigung, in Schweden eine Arbeit anzunehmen und die bereits erfolgte Stellung der damit in Zusammenhang stehenden Anträge bestehe keine Gefahr, dass der BF wieder nach Österreich kommen werde, um dort zu arbeiten. Es werde daher beantragt, den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufzuheben, in eventu den Spruchpunkt IV. aufzuheben und ein kürzeres Einreiseverbot zu verhängen.

7. Mit Schriftsatz vom 22.07.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 24.07.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

I.       Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist serbischer Staatsangehöriger. Die Identität des BF steht fest. Er hielt sich im Zeitraum vom (mindestens) 09.06.2020 bis zu seiner Abschiebung am 29.06.2020 in Österreich auf.

Mit Hauptwohnsitz war der BF ausschließlich für den Zeitraum seiner polizeilichen Anhaltung vom 23.06.2020 bis zum 29.06.2020 im Bundesgebiet melderechtlich erfasst.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er absolvierte in Serbien eine höhere Wirtschaftsschule mit Matura. Er vermietet vier Wohnungen in Serbien, ist ansonsten aber derzeit beschäftigungslos.

Der BF ist verheiratet und Vater eines Kindes. Die Ehegattin, das Kind sowie Vater und Schwester des BF leben in Serbien, wo auch der BF seinen Lebensmittelpunkt hat. Der BF hat in Österreich keine Verwandten, er weist im Bundesgebiet kein schützenswertes Familien- und Privatleben auf.

Am 23.06.2020 wurde der BF um 09:10 Uhr von Organen der Finanzpolizei XXXX in XXXX , XXXX in Arbeitskleidung auf der Baustelle angetroffen, ohne im Besitz von arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen zu sein. Der Aufenthalt des BF wurde von der Firma XXXX bezahlt, welche die serbische Firma XXXX vermittelt hat. Weder verfügt der BF über eine Anmeldebescheinigung, einen Aufenthaltstitel, ein Visum oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht für Österreich oder die EU.

Anlässlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde gab der BF an, sowohl über eine Bankomatkarte als auch über Barmittel in Höhe von etwa EUR 300,-- zu verfügen.

Am 29.06.2020 wurde der BF auf dem Luftweg nach Belgrad abgeschoben. Serbien erweist sich als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 6 der Herkunftsstaaten-Verordnung.

Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.

Die Beschwerde richtet sich nur gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Zum Sachverhalt:

Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem unbestrittenen Akteninhalt, den Angaben des BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.06.2020 sowie der Beschwerde und den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister und einem Sozialversicherungsdatenauszug.

Die Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich aus der Vorlage des serbischen Reisepasses mit der Reisepassnummer 010646591 vor der belangten Behörde. Die Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus den Angaben des BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 23.06.2020, AS 17), der finanzpolizeilichen Niederschrift vom 23.06.2020 (AS 1) sowie dem Abschiebebericht des Stadtpolizeikommandos Schwechat vom 29.06.2020 (AS 147).

Der Umstand, dass der BF ausschließlich im Zeitraum seiner polizeilichen Anhaltung im Bundesgebiet melderechtlich erfasst war, wird durch einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich.

Der Gesundheitszustand des BF ergibt sich aus dessen glaubhaften Angaben im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.06.2020 (Protokoll, AS 15), die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit aus dem Umstand, dass der BF ohne Arbeitsbewilligung einer Tätigkeit nachgehen konnte und seinen eigenen Angaben, eine Firma gründen zu wollen (Protokoll vom 23.06.2020, AS 17). Die Umstände zur Schulbildung und Wohnungsvermietung bzw. die Feststellungen zum Beschäftigungszustand des BF ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 23.06.2020, AS 21).

Hinsichtlich der Feststellungen zur Ehe, zum Kind sowie deren Wohnsitz in Serbien ist auf die diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde verweisen, ebenso hinsichtlich dem Umstand, dass auch Vater und Schwester des BF in Serbien leben (Protokoll vom 23.06.2020, AS 21).

Dass der BF in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörige aufweist, ergibt sich aus dessen glaubhaften Angaben vor der belangten Behörde (Protokoll vom 23.06.2020, AS 21). Da sämtliche genannten Angehörigen in Serbien ansässig sind, der BF selbst auch in Serbien lebt und er bis zu seiner Abschiebung Ende Juni 2020 lediglich für die Dauer von drei Wochen im Bundesgebiet aufhältig war, konnte die Feststellung zum Lebensmittelpunkt in Serbien sowie ein Nichtbestehen eines schützenswertes Familien- und Privatleben in Österreich getroffen werden.

Der Umstand, dass der BF über keine arbeitsmarkbehördliche Bewilligung verfügt, ergibt sich aus dem gegenständlichen Verwaltungsakt sowie einer Abfrage bei der Sozialversicherung, welche zu keinem Auskunftsergebnis führte. Die Betretung des BF in Arbeitskleidung auf der Baustelle in XXXX ergibt sich aus der finanzpolizeilichen Niederschrift vom 23.06.2020 (AS 1) und den diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 23.06.2020, AS 17), ebenso, dass die Firma XXXX für den Aufenthalt des BF aufgekommen ist (AS 17). Die Vermittlung mit der serbischen Firma über die Firma XXXX ergibt sich aus der Stellungnahme des BF vom 24.06.2020 (AS 71). Der BF führte selbst aus, dass er weder über eine Anmeldebescheinigung, einen Aufenthaltstitel, ein Visum oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht für Österreich oder die EU verfügt (Protokoll vom 23.06.2020, AS 17).

Der BF gab im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.06.2020 glaubhaft an, sich seit 09.06.2020 in Österreich aufzuhalten sowie über eine Bankomatkarte und Barmittel in Höhe von EUR 300,-- zu verfügen (AS 21).

Die Feststellung, dass der BF auf dem Luftweg nach Belgrad abgeschoben wurde, ergibt sich aus dem Abschiebebericht des Stadtpolizeikommandos Schwechat vom 29.06.2020 (AS 147).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister vom 27.07.2020.

Der Umstand, dass sich die Beschwerde nur gegen den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides richtet, ergibt sich aus der Beschwerde vom 21.07.2020, in der ausgeführt wurde: „Bekämpft wird Punkt IV. des Spruches, mit welchem gegen den Beschuldigten gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 Fremdenpolizeigesetz ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wird.“

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.

Der BF als Staatsangehöriger von Serbien ist Drittstaatsangehöriger und folglich Fremder iSd. soeben angeführten Bestimmung.

Zu Spruchteil A)

3.1. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot):

3.1.1 Rechtslage

Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs 1 ist, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. (...);

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

(...)

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass [...] bei Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs 2 FPG anzunehmen […] (vgl. zum Erfordernis einer Einzelfallprüfung aus der ständigen Rechtsprechung auch etwa VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310, 30.7.2014, 2013/22/0281) (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs 2 FrPolG 2005 indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FrPolG 2005 auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047, mwN) (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

3.1.2 Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Soziale Bindungen in Österreich erweisen sich - wie bereits erwähnt - als nicht vorhanden. Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Serbien.

An der Verhinderung von Schwarzarbeit kommt zum Schutz der öffentlichen Interessen ein hoher Stellenwert zu (VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047), insbesondere zur Verhinderung von Schäden für die österreichische Wirtschaft, auch an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu.

Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal der Lebensmittelpunkt in Serbien liegt und er keine schützenswerten Bindungen in Österreich oder in anderen vom Einreiseverbot umfassten Staaten hat bzw. nicht substantiiert vorbrachte. Abgesehen von der illegalen Erwerbstätigkeit liegen keine Integrationsmomente vor.

Die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) oder das Unterbleiben eines Einreiseverbotes kommt nur in Betracht, wenn vom betroffenen Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht und sein Fehlverhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit nur geringfügig beeinträchtigt (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Hier gilt es aber zu berücksichtigen, dass bereits die einmalige Verwirklichung des Tatbestandes des § 53 Abs 2 Z 7 FPG die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311) und gegenständlich keine erforderliche Bewilligung nach dem AuslBG vorlag. Da aber ein erstmaliges Fehlverhalten vorliegt, das auch durch die Reisebeschränkungen in Folge der Covid 19 Pandemie (mit)bedingt war, kann nicht von einer gravierenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung ausgegangen werden. In Zusammenschau mit der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF, geht das erkennende Gericht von keiner Wiederholungsgefahr aus und fällt demzufolge die Gefährdungsprognose zugunsten des BF aus. Auch der Umstand, dass der BF beabsichtigt, in Schweden eine Arbeit anzunehmen und dazu das Behördenverfahren gewillt ist einzuhalten, spricht für eine günstige Zukunftsprognose in Bezug auf den BF und dessen grundsätzliche Rechtstreue. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des nicht gravierenden Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des BF getroffenen Gefährlichkeitsprognose war das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben und der Beschwerde stattzugeben.

3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, konnte eine mündliche Verhandlung gem § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten.

Ergänzend wird ausgeführt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt wurde und der BF bereits am 29.06.2020 nach Serbien abgeschoben wurde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und war eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose illegale Beschäftigung Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2233356.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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