TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/4 I414 2233176-1

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Veröffentlicht am 04.08.2020
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Entscheidungsdatum

04.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §31 Abs1
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs6
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2233176-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christian Egger als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer trat erstmals am 16.01.2019 in Österreich in Erscheinung, als er aufgrund eines EU-Haftbefehls an der ungarisch-rumänischen Grenze festgenommen und in die Justizanstalt Korneuburg überstellt wurde.

Mit Schreiben vom 26.02.2020 wurde der BF seitens des BFA darüber informiert, dass ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung geführt wird. Ihr wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 10 Tagen eingeräumt.

Der BF wurde am 24.04.2019 aus der Untersuchungshaft entlassen, da er wegen des Verdachts nach § 28a SMG freigesprochen wurde. Am selben Tag wurde der BF von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde mit 24.04.2019 durch das BFA eingestellt.

Am 09.06.2020 wurde der BF dabei betreten, mit einem gefälschten bulgarischen Personalausweis eine Anmeldebescheinigung zu beantragen.

Am 10.06.2020 wurde der BF von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlasse (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.)

Mit Verfahrensanordnung vom 10.06.2020 wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Am 10.06.2020 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

Der Beschwerdeführer reiste am 17.06.2020 freiwillige aus dem Bundesgebiet nach Serbien aus.

Mit Schriftsatz vom 18.06.2020, bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangt, erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 21.07.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist Staatsangehörige Serbiens. Seine Identität steht fest.

Der BF reiste letztmalig am 09.03.2019 in den Schengen-Raum ein.

Der BF ist im Besitz eines gültigen serbischen Reisepasses.

Der BF verfügt über ein polnisches Visum, gültig von 05.03.2020 bis 01.03.2021.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

In Österreich war und ist er nicht in Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer Niederlassungsbewilligung.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde dazu aufgefordert bzw. verpflichtet wurde, sich in das Hoheitsgebiet von Polen zu begeben.

Der BF ist in Österreich einer illegalen Beschäftigung nachgegangen.

Der BF reiste am 17.06.2020 freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Serbien aus.

Die sofortige Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet war nicht erforderlich.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zu den Feststellungen:

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Identität des BF ergibt sich aus dem vorliegenden serbischen Reisepass. Das letztmalige Einreisedatum ergibt sich aus dem im Reisepass ersichtlichen Einreisestempel. Zudem geht aus dem vorliegenden Reisepass eindeutig hervor, dass der BF im Besitz eines gültigen Visums für Polen ist.

Dass der BF strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus dem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellung, dass der BF über keinen regulären österreichischen Aufenthaltstitel verfügte, ergibt sich aus den Auszügen des IZR und ZMR in Verbindung mit den eigenen Aussagen des BF. Die Feststellung, dass der BF Schwarzarbeit betrieben hat, ergibt sich aus dem eigenen Angaben des BF vor der belangten Behörde und den LPD Wien, Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug am 09.06.2020.

Nach dem Regelungskonzept des Artikel 6 der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) berechtigt ein von einem Schengen-Staat ausgestellter Aufenthaltstitel den Inhaber grundsätzlich, sich mit einem gültigen Reisedokument bis zu 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der übrigen Schengen-Mitgliedstaaten zu bewegen. Im vorliegenden Fall wurde jedoch der Aufenthalt des BF unabhängig vom Datum seiner Einreise in das Bundesgebiet unrechtmäßig, zumal dieser einer unrechtmäßigen Beschäftigung nachging. Insofern wurde der legale Aufenthalt des BF illegal.

Die Feststellung, wonach der BF im gegenständlichen Verfahren nicht aufgefordert wurde, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet von Polen zu begeben, ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt und der entsprechenden rechtlichen Würdigung der belangten Behörde im Bescheid.

Die am 17.06.2020 erfolgte Ausreise des BF nach Serbien ergibt sich aus den diesbezüglich im Akt einliegenden Unterlagen (Ausreisebestätigung, etc).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Stattgabe der Beschwerde:

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Anwendung des § 52 Abs 6 FPG:

„In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 52 Abs. 6 FPG vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG zu lesen ist. Dort wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Verpflichtung nicht entsprochen wird, hat es zu einer Rückkehrentscheidung zu kommen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer "Verpflichtung" des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben (VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310). Die Frage der "Unverzüglichkeit" stellt sich dann in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der "Verpflichtung" ergangen ist. Wird ihr "unverzüglich" entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben, andernfalls ist sie zu verhängen.“ VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234

§ 52 FPG setzt die Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie um (siehe dazu RV 1078 BlgNR 24. GP 29). Art. 6 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Dass die Behörde dieser im Hinblick auf den Daueraufenthaltstitel des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland gebotenen Anordnung nachgekommen wäre, wurde weder im angefochtenen Bescheid festgestellt, noch ergibt sich dies aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

[…]

„Der Mitbeteiligte war sodann aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet jenes Mitgliedstaates zu begeben, von dem der ihm erteilte Aufenthaltstitel stammt (hier: Spanien). Das hat das BFA indes nicht getan. Der Mitbeteiligte wurde zwar im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 10. April 2015 zur unverzüglichen Ausreise aus Österreich aufgefordert. Diese Ausreiseaufforderung erfolgte jedoch nicht in Bezug auf Spanien, sondern - nur so konnte sie angesichts der Aufforderung, das ihm ausgehändigte Informationsblatt bei der österreichischen Botschaft seines Heimatlandes persönlich zu übergeben, verstanden werden - in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Volksrepublik China. Die ausgesprochene Ausreiseverpflichtung war demnach von ihrer Zielrichtung her verfehlt, weshalb sie auch nicht die Konsequenz nach sich ziehen konnte, dass nunmehr eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei.“ VwGH 10.04.2014, 2013/22/0310

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit sohin Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Staatsangehörige der Republik Serbien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2) oder wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen (Z 3).

Der Beschwerdeführer war nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer Niederlassungsberechtigung für Österreich, jedoch eines gültigen Visums für Polen. Da die Begrifflichkeit der „sonstigen Aufenthaltsberechtigung“ des § 52 Abs 6 FPG weit auszulegen ist, ist daher auch ein Visum eines anderen Mitgliedsstaates darunter zu subsumieren. Aufgrund der illegalen Erwerbstätigkeit war der BF nicht mehr zum legalen Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Gemäß § 52 Abs. 6 FPG hat sich ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 leg.cit. zu erlassen.

Nach der Judikatur des VwGH ist § 52 Abs. 6 FPG vor dem Hintergrund der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG zu lesen. Schon aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung ergibt sich unzweifelhaft, dass der Gesetzgeber damit die Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 Rückführungsrichtlinie beabsichtigte (vgl. 1078 BlgNR XXIV. GP, S 29). In der Bestimmung wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Ausreiseverpflichtung nicht entsprochen wird oder eine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, hat eine Rückkehrentscheidung zu erfolgen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer „Verpflichtung“ des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Die Frage der „Unverzüglichkeit“ stellt sich in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der „Verpflichtung“ ergangen ist. Wird ihr „unverzüglich“ entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234 mit Verweis auf das Erkenntnis vom 10.04.2012, 2013/22/0310).

Hinsichtlich der Frage, ob vom BF eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht und daher seine sofortige Ausreise erforderlich ist, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gefährdungsprognose zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass ein weiterer Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0453). Es ist darüber hinaus auch zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgesprochen hat, dass es im Kontext des § 52 Abs. 6 FPG nicht schlichtweg auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ankommt, sondern (iS eines zusätzlichen Kriteriums) darauf, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet erforderlich ist (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007).

Der BF ist nach eigenen Angaben nach in Österreich Schwarzarbeit nachgegangen und war im Besitz eines angeblich gefälschten bulgarischen Personalausweises. Festgestellt wurde auch, dass der BF im Besitz eines gültigen Visums für Polen ist. Im Bescheid wurden keine spezifischen Ausführungen hierzu getroffen, sondern lediglich ausgeführt, dass der BF zwar ein gültiges polnisches Visum habe, jedoch sein Aufenthalt in Österreich durch die von ihm durchgeführte Schwarzarbeit unrechtmäßig geworden sei. Unter der Annahme, dass der BF durch dieses Dokument zum Aufenthalt in Polen berechtigt ist, wäre dieser aufzufordern gewesen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet jenes Mitgliedstaates zu begeben, von dem der ihm erteilten Aufenthaltsberechtigung stammt. Das hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl indes nicht getan. Im Übrigen wurde dem BF der angefochtene Bescheid, mit dem eine Rückkehrentscheidung erlassen worden war, unmittelbar im Anschluss an die erwähnte Einvernahme vom 10.06.2020 bzw. in der Schubhaft ausgehändigt, sodass es ihm auch vor diesem Hintergrund nicht möglich gewesen wäre, einer Aufforderung zur Ausreise im Vorfeld des Ausspruchs der Rückkehrentscheidung und Verhängung der Schubhaft nachzukommen.

Aber auch für eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit im Sinne des § 52 Abs. 6 letzter Satz zweiter Fall FPG (mit welcher neben dem verhängten dreijährigen Einreiseverbot auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung begründet worden ist) reichen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht aus. Für diese Annahme ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, für die insoweit auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erstellung einer Gefährlichkeitsprognose bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots zurückgegriffen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2011/21/0237). Es ist daher auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die geforderte Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. Dasselbe gilt für das den Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen zu Grunde liegende Verhalten (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 10. September 2013, Zl. 2013/18/0052, und vom 19. Februar 2013, Zl. 2012/18/0230, mwN). Wenn auch ein öffentliches Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit unbestritten ist, so reichen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen jedoch für eine nachvollziehbare Darstellung der Gefährdungsannahme nicht aus. Die Behörde beschränkte sich im Wesentlichen auf die Ausführung, dass der BF im Bundesgebiet einer Schwarzarbeit nachgegangen wäre und zudem einen gefälschten Personalausweis benutzte (vgl. VwGH 10.04.2014, 2013/22/0310). Es wurde weder Anzeige an die Finanzpolizei erstattet, noch besteht ein strafgerichtliches Verfahren gegen den Fremden. Diese Feststellungen wären im Übrigen aber auch für die Beurteilung der Dauer eines Einreiseverbots erforderlich gewesen (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, Zl. 2011/21/0237) (in diesem Sinne VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310). In diesem Zusammenhang ist weiters anzumerken, dass der BF diesbezüglich weder zur Anzeige bei der Finanzpolizei gebracht wurde, noch wurden die genaueren Umstände dieser Erwerbstätigkeit ermittelt. Er ist zudem auch unbescholten.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hinzuweisen, dass der Bescheid auch mit weiteren Begründungsmängeln behaftet ist. Denn auch wenn die Regelung des § 51 Abs. 1 FPG eine Verpflichtung der Behörden, gegen jeden Fremden, der sich in Österreich nicht rechtmäßig im Sinne des § 31 FPG aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, zu implizieren scheint, so ist gemäß § 9 BFA-VG jedenfalls die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung zu prüfen; dadurch ergibt sich die Pflicht der Behörden, von einer Aufenthaltsbeendigung dann abzusehen, wenn diese gegen Art 8 EMRK verstoßen würde. Diesbezüglich ist festzustellen, dass eine Auseinandersetzung mit dem Privat- und Familienleben des BF in Polen gänzlich unterblieben ist und er diesbezüglich auch gar nicht befragt wurde. Darüber hinaus gilt das Verbot der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Der BF ist jedoch in Polen aufenthaltsberechtigt.

Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- und Familienleben eines Drittstaatsangehörigen darf nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt worden, sondern ist auch die Situation in anderen Mitgliedsstaaten in den Blick zu nehmen. Dies folgt unzweifelhaft daraus, dass Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten bezogen sein soll (VwGH vom 15.12.2011, 2011/21/0237, VwGH vom 26.03.2015, 2013/22/0284).

Aus diesen Gründen ist – in Stattgabe der Beschwerde – die mit Spruchpunkt II. des gegenständlich angefochtenen Bescheides verhängte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 6 FPG ersatzlos zu beheben, ebenso wie die darauf aufbauenden Spruchpunkte I. sowie III. bis V..

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben freiwillige Ausreise Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2233176.1.00

Im RIS seit

05.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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