TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/5 W282 2224784-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W282 2224784-1/16E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 22.07.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, gesetzlich vertreten durch XXXX , diese vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.06.2020 und 22.07.2020 zu Recht:

A)

I. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG wird Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 2 und 3 FPG mit 4 Monaten ab Rechtskraft des Erkenntnisses festgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.             Verfahrensgang:

1. Die minderjährige Beschwerdeführerin (BF), gesetzlich vertreten durch die Cousine ihrer Mutter, beantragte am 21.02.2019 die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung“ aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005. Begründend führte sie dabei zusammengefasst aus, sie habe in Serbien die achtjährige Grundschule absolviert und bis zu ihrer Ausreise gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihren drei Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen gelebt. Der Stiefvater habe zudem übermäßig Alkohol getrunken. Die Cousine der Mutter der Beschwerdeführerin, die in Österreich über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfüge, habe daher die pflegschaftsgerichtliche Übertragung der Obsorge für die minderjährige Beschwerdeführerin beantragt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2018 sei sie schließlich mit der Obsorge betraut worden. Die Beschwerdeführerin sei zur Gänze in die Familie der Obsorgeberechtigten und in deren Lebensalltag integriert, beziehe dort ihr eigenes Zimmer und stehe einer Integration in die österreichische Gesellschaft und Kultur aufgeschlossen gegenüber.

2. In der am 09.05.2019 durchgeführten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch kurz „Bundesamt“) gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie sei seit XXXX 2018 in Österreich aufhältig und habe während ihres bisherigen Aufenthaltes Deutschkurse auf dem Sprachniveau A1 und A1 Plus besucht. Sie habe keine Freunde, aber sei im Familienverband ihrer Cousine unterwegs. Die Beschwerdeführerin strebe eine Ausbildung zur Friseurin an und verfüge über eine Einstellungszusage; eine schriftliche Bestätigung könne sie allerdings nicht vorlegen. Der Beschwerdeführerin wurde durch das Bundesamt aufgetragen, eine Aufstellung aller in Österreich lebenden Familienangehörigen innerhalb einer Frist von zwei Wochen vorzulegen. Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, weder ihre Mutter noch ihr Stiefvater würden in Serbien einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Beschwerdeführerin habe in Serbien nichts, wovon sie leben könnte. Hinzu komme, dass sie bei einer Rückkehr nach Serbien von ihrem Stiefvater malträtiert werden würde. Er würde sie schlagen, mit ihr schreien und sie an den Haaren ziehen. Die Beschwerdeführerin wüsste auch nicht, wo sie in Serbien leben sollte, zumal die Familie nur eine Einzimmerwohnung bewohne.

3. Mit Bekanntgabe vom 24.05.2019 wurde dem Bundesamt eine Auflistung der im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen der Beschwerdeführerin übermittelt.

4. Am 12.06.2019 richtete das Bundesamt an die Staatendokumentation eine Anfrage, ob nach serbischem Recht die Eltern der Beschwerdeführerin die Erziehungsberechtigten bleiben oder die Eltern nach serbischem Recht ausdrücklich auf die Obsorge verzichten müssen. Die entsprechenden Informationen wurden dem Bundesamt am 28.08.2019 übermittelt.

5. Mit Bescheid vom XXXX wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK abgewiesen, gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt I.-III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammengefasst aus, in Österreich bestehe aufgrund der Übertragung der Obsorge auf die Cousine der Beschwerdeführerin ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Der Grund für die Übertragung des Sorgerechts sei die schlechte finanzielle Lage sowie die schlechten Zukunftsperspektiven in der Heimat gewesen. Die Obsorgeberechtigte beziehe Notstandshilfe und deren Gatte eine Invaliditätspension, weshalb die Behörde davon ausgehen müsse, dass die Beschwerdeführerin in Zukunft eine Belastung für eine Gebietskörperschaft darstellen könnte. Außer den in Österreich lebenden Familienverband der Cousine seien keine weiteren entscheidungsrelevanten sozialen Bindungen geltend gemacht worden. Die leiblichen Eltern sowie die Geschwister der Beschwerdeführerin würden in Serbien leben. Eine Weiterführung des Familienlebens mit ihrer Kernfamilie sei in Serbien ohne Einschränkungen möglich. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Serbien in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde, zumal sie über die landesüblichen Sprachkenntnisse verfüge und ihre gesamte Kernfamilie in Serbien lebe. Die persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich würden daher nicht schwerer wiegen als die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen.

6. Mit der am 22.10.2019 eingelangten Beschwerde erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid. Dabei brachte sie nach einer kurzen Sachverhaltsdarstellung im Wesentlichen vor, der Bescheid leide an Rechtswidrigkeit seines Inhalts als auch an Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde sei entgegen des Akteninhalts zur Feststellung gelangt, dass die Beschwerdeführerin über einen leiblichen Vater in Serbien verfügen würde. Hierdurch werde das Bild suggeriert, die Beschwerdeführerin könnte in Serbien in eine intakte Kernfamilie zurückkehren, was jedoch nicht den Tatsachen entspreche. Aus der Perspektive des Stiefkindes zähle der Stiefvater eben nicht zur (rechtlichen) Kernfamilie. Ferner habe das Bundesamt seine Feststellungen hinsichtlich der Auswirkungen einer allfälligen Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Serbien, und zwar insbesondere zu dem Umstand, dass diese in Serbien „ohne Einschränkungen“ ein Familienleben mit der Kernfamilie weiterführen könnte, unter gänzlicher Außerachtlassung gegenteiliger Verfahrens- bzw. Beweisergebnisse getroffen. Es habe sich offenkundig nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die Beschwerdeführerin gerade aufgrund der zerrütteten Familienverhältnisse in Serbien in das Bundesgebiet eingereist sei und die gerichtliche Obsorgeübertragung auf die Cousine auch darauf zurückzuführen sei. Außerdem übersehe die belangte Behörde im Zuge der Interessenabwägung durch das zentrale Abstellen auf die in Serbien lebende Kernfamilie auch, dass die gerichtliche Obsorgeübertragung aufgrund einer auch im fremdenrechtlichen Verfahren relevanten Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 181 ABGB erfolgt sei. Eine Kindeswohlgefährdung liege immer dann vor, wenn die Obsorgepflichten von den leiblichen Eltern objektiv nicht erfüllt oder gröblich vernachlässigt werden oder wenn die leiblichen Eltern durch ihr Gesamtverhalten schutzwürdige Interessen des Kindes ernstlich und konkret gefährden. Aufgrund der Kindeswohlgefährdung durch den leiblichen Elternteil und den Stiefvater der Beschwerdeführerin und die anschließende gerichtliche Obsorgeübertragung auf die Cousine der Beschwerdeführerin sei aus rechtlicher Sicht bereits gerichtlich mittelbar festgestellt worden, dass der Beschwerdeführerin eine Wiederaufnahme des Familienlebens mit ihrer Kernfamilie in Serbien nicht zumutbar sei und die familienrechtlichen Bande dahingehend abgeschnitten worden seien. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

7. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G311 abgenommen und der Gerichtsabteilung W282 neu zugewiesen.

8. Am 22.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu der die Beschwerdeführerin sowie ihre gesetzliche Vertreterin erschienen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin erschien unentschuldigt nicht zu dieser Verhandlung. In Folge wurde die Verhandlung auf den 22.07.2020 zur Klärung der Vertretungsverhältnisse vertagt.

9. Am 14.07.2020 teilte der bisherige Rechtsvertreter mit, dass die Vollmacht aufgelöst sei.

10. Am 22.07.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung in Anwesenheit der geladenen Rechtsberaterin der BF fortgesetzt. Sowohl die BF als auch ihre gesetzliche Vertreterin wurden in dieser Verhandlung einvernommen.

II.         Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.             Feststellungen:

1.1.    Zur Person der Beschwerdeführerin und ihrem (Privat)Leben in Österreich:

Die minderjährige Beschwerdeführerin führt die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist serbische Staatsangehörige. Ihre Muttersprache ist Serbisch. Die Beschwerdeführerin ist gesund und erwerbsfähig.

Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin lag vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet in Serbien, wo sie geboren wurde und auch ihre Schulpflicht absolviert hat. Sie hat mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater sowie ihren drei Geschwistern im gemeinsamen Haushalt gelebt; ihr Stiefvater trank übermäßig Alkohol. Aufgrund der schlechten finanziellen Situation der Familie ist die Beschwerdeführerin im Juni 2018 zur Cousine ihrer Mutter, die ebenfalls serbische Staatsangehörige und in Österreich im Besitz eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ ist, ins Bundesgebiet eingereist.

Seither lebt die Beschwerdeführerin mit der Cousine ihrer Mutter und mit deren Ehemann, deren Sohn sowie den drei Enkelkindern im gemeinsamen Haushalt. Darüber hinaus ist die Beschwerdeführerin über die Cousine, die in Österreich Notstandshilfe/Mindestsicherung bezieht, sozialversichert. Der Ehemann der Cousine bezieht eine Invaliditätspension in Höhe von EUR 1.080,00 monatlich. Die Beschwerdeführerin, die nicht erwerbstätig ist und kein Einkommen erzielt, wird von der Cousine ihrer Mutter finanziell unterstützt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX 2018 wurde die Obsorge für die Beschwerdeführerin der Mutter entzogen und XXXX übertragen. Die Beschwerdeführerin steht weiterhin in Kontakt zu ihrer ursprünglich in Serbien lebenden Mutter. Die Mutter und eine Schwester der BF halten sich derzeit in Deutschland auf, jedoch verfügt die Mutter und die Schwester dort nicht über einen Aufenthaltstitel. Die Mutter der BF hat sich vom Stiefvater der BF (vgl. Punkt 2. des Verfahrensgangs) mittlerweile getrennt. Eine weitere Schwester der BF, die verheiratet ist, hält sich noch in Serbien im Heimatort der BF auf, mit dieser hat die BF auch noch Kontakt.

Mit Ausnahme der Familie der Cousine verfügt die Beschwerdeführerin über keine umfangreichen sozialen Kontakte in Österreich, sie hat jedoch ihrem Wohnhaus mittlerweile Freunde gefunden. Während ihres Aufenthaltes hat sie an Deutschkursen, zuletzt auf dem Sprachniveau A2, teilgenommen. Sie strebt eine Ausbildung zur Friseurin an. Die BF ist auch nicht ehrenamtlich oder Mitglied in einem Verein. Sie war auch im Inland nicht erwerbstätig.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Eine Antragstellung für einen Aufenthaltstitel nach § 41a Abs. 10 NAG bei der hierfür örtlich zuständigen Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien ist nicht erfolgt, weil die gesetzliche Vertreterin der BF von der MA 35 „weggeschickt“ und an das Bundesamt verwiesen wurde.

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

1.2.    Zur Situation in Serbien:

1.2.1. Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

1.2.2. Politische Lage:

Die Volksvertretung in der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna skupština, 250 Abgeordnete). Vorgezogene Parlamentswahlen fanden zuletzt am 24.4.2016 statt. Stärkste Kraft ist erneut die Liste der proeuropäischen Serbischen Fortschrittspartei SNS (sie spaltete sich 2008 von der Serbischen Radikalen Partei SRS ab; zusammen mit kleineren Parteien wie der SNP 105 Mandate) gefolgt von der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS, 22 Mandate). Die oppositionelle proeuropäische Demokratische Partei (DS, 15 Mandate mit einem kleinen Partner) ist seit der Abspaltung einer Gruppe um den ehemaligen Staatspräsidenten Boris Tadi? 2014 deutlich geschwächt. Einige Oppositionsparteien haben sich in der „Allianz für Serbien“ zusammengeschlossen. Sie unterstützen die seit 8. Dezember anhaltenden Demonstrationen in zahlreichen Städten des Landes, die sich gegen Missstände und die Politik der Regierung richten. Aleksandar Vucic (SNS) ist der Präsident und Ministerpräsidentin der R. Serbien ist die parteilose Ana Brnabic.

Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben.

Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können.

1.2.3. Sicherheitslage:

Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen.

Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst.

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen.

Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an.

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) hat sich die Lage beruhigt.

Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina.

1.2.4. Rechtsschutz/Justizwesen:

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss.

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien.

Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange.

Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden.

1.2.5. Sicherheitsbehörden:

Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2018 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat, vor allem durch die Umsetzung der neuen Strafprozessordnung. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gab keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2018 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 155 Strafanzeigen gegen 227 Personen wegen 1.004 Verbrechen ein; 145 waren Polizisten und 82 Zivilbeamte.

Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“.

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich.

1.2.6. Folter und unmenschliche Behandlung:

Obwohl die Verfassung Folter verbietet, soll diese bei Festnahmen und in Untersuchungshaft zur Erpressung von Geständnissen gelegentlich angewandt werden. Die Straflosigkeit bei Missbrauch oder Folter ist bei der Festnahme oder Erstinhaftierung weit verbreitet. Es gibt nur wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter.

Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) veröffentlichte im Mai 2018 einen Bericht, in dem der Ausschuss Bedenken hinsichtlich der Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam äußerte und die Behörden aufforderte, die Misshandlung der Polizei zu bekämpfen.

1.2.7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten:

Eine Vielzahl unabhängiger nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersucht und veröffentlicht ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Während Regierungsbeamte im Allgemeinen kooperativ sind und auf ihre Fragen reagieren, werden die Gruppen von nicht staatlichen Akteuren, einschließlich der Pro-Regierungs-Medien, kritisiert, belästigt und bedroht, weil sie sich kritisch gegenüber der Regierung oder entgegen den nationalistischen Ansichten zum Kosovo, dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und den Kriegen der 90er Jahre äußern. Im Laufe des Jahres 2018 veröffentlichten mehrere Medien Artikel, in denen zahlreichen Journalisten, NGO-Aktivisten und unabhängige Einrichtungen vorgeworfen wurde, „Verräter“ des Landes zu sein, die versuchen, die Verfassungsordnung gewaltsam zu stürzen.

Ausländische und inländische Nichtregierungsorganisationen (NGO) agieren in der Regel frei, aber diejenigen, die offen kritische Positionen gegenüber der Regierung vertreten oder sensible oder kontroverse Themen ansprechen, sind in den letzten Jahren mit Bedrohungen und Belästigungen konfrontiert worden. Während des gesamten Jahres 2018 war die Direktorin der NGO Center for Euro-Atlantic Studies, Gegenstand einer anhaltenden Schmutzkampagne in den Medien als Reaktion auf ihre Unterstützung von Kriegsverbrecherverfolgungen und die Mitgliedschaft Serbiens in der NATO.

1.2.8. Ombudsmann:

Der Bürgerbeauftragte spielt eine Schlüsselrolle bei der Gewährleistung des Rechts der Bürger auf eine gute Verwaltungspraxis und die Behörden sind verpflichtet, über die Umsetzung seiner Empfehlungen zu berichten. Im vierten Jahr in Folge diskutierte das Parlament jedoch nicht in der Plenarsitzung den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten, sodass keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Überprüfung der Regierung gezogen wurden.

Im Jahr 2018 haben insgesamt 9.120 Bürgerinnen und Bürger die Dienste des Bürgerbeauftragten in Anspruch genommen, von denen 2.432 durch persönliche und 3.350 durch Telefongespräche. Es gab insgesamt 3.338 eingereichte Beschwerden, davon 56 auf eigene Initiative des Bürgerbeauftragten. 2.346 Fälle wurden abgeschlossen. Gleichzeitig wurden rund 2.720 Fälle aus den Vorjahren bearbeitet und davon 1.443 Fälle abgeschlossen, sodass 2018 insgesamt 3.789 Fälle abgeschlossen wurden. Der Anteil der Beschwerden hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten ist im Jahresbericht des Ombudsmann Büros 2018 mit 64 unter 3.338 Beschwerden mittlerweile gering und macht lediglich 1,92 % aller Beschwerden aus.

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien.

In drei Gemeinden mit signifikantem albanischem Bevölkerungsanteil gibt es eigene Zweigstellen der nationalen Ombudsmanninstitution. In der Provinz Wojwodina kann ein eigenständiges Ombudsmannsbüro seinen Aktivitäten unabhängig nachgehen.

1.2.9. Allgemeine Menschenrechtslage:

Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden.

Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit.

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien.

1.2.10. Todesstrafe:

Die Gesetzte sehen für keine Straftat die Todesstrafe vor.

Die in der serbischen Verfassung integrierte Menschenrechtscharta verbietet die Todesstrafe (Art. 24 Abs. 1). Das gilt auch für Militärstraftaten. Die Bundesrepublik Jugoslawien hat das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet. Das Protokoll trat am 06.12.2001 in Kraft und gilt – im Wege der Rechtsnachfolge – auch für Serbien.

1.2.11. Frauen/Kinder:

Die Verfassung garantiert in Art. 15 die rechtliche Gleichheit der Geschlechter. Das im März 2009 verabschiedete allgemeine Antidiskriminierungsgesetz konkretisiert diesen Grundsatz ebenso wie zahlreiche Einzelgesetze. Im Mai 2012 wurde erstmals eine Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Systematische geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen von staatlicher Seite können nicht festgestellt werden, in führenden Ämtern in Politik und Wirtschaft sind Frauen - trotz Fortschritten in Einzelbereichen - jedoch immer noch unterrepräsentiert. Im Februar 2016 verabschiedete die Regierung daher eine neue „Nationale Strategie für Geschlechter-Gleichberechtigung“ für den Zeitraum 2016-2020. Ziel der Strategie: Kampf gegen Geschlechter-Klischees, besserer Zugang für Frauen im Wirtschafts- und im politischen Leben. Frauen sind von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen. Serbien ist traditionell Durchgangs- und in zunehmendem Umfang auch Herkunfts- bzw. Zielland des organisierten Frauenhandels.

Trotz gesetzlicher Gleichstellung besteht Diskriminierung gegen Frauen weiter. Auch Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor ein Problem. 25 Frauen sind bis August 2018 an den Folgen von häuslicher Gewalt gestorben. Vergewaltigung, einschließlich Vergewaltigung in der Ehe, wird mit bis zu 40 Jahren, sexuelle Belästigung bis zu einem Jahr Freiheitstrafe sanktioniert. Häusliche Gewalt wird mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Während die Gesetzeslage es Frauen ermöglicht, eine einstweilige Verfügung gegen den Gewalttäter zu erwirken, setzt der Staat die Gesetze nicht wirksam durch. Frauenorganisationen behaupten, dass Fälle von sexueller Belästigung und unangemessener Berührung selten untersucht werden.

Die serbische Regierung veröffentlicht im März 2019 einen Bericht zur Übereinstimmung von nationalem Recht und Rechtspraxis mit der europäischen Sozialcharta. Darin finden sich Informationen zur Verfügbarkeit von Notunterkünften für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Laut dem Bericht gibt es in Serbien 14 Notunterkünfte („safe houses“) / Unterkünfte für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Davon werden zehn Häuser vom Zentrum für Sozialarbeit verwaltet, nämlich jene in Novi Sad, Zrenjanin, Jagodina, Sombor, Niš, Pan?evo, Leskovac, Šabac, Priboj und Smederevo. Weiters gibt es zwei Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt, die den Zentren für Entwicklung von Sozialschutzdiensten zugerechnet werden, nämlich jene in Kragujevac und Vranje. Eine Unterkunft für dringende Fälle mit einer Notrufnummer für Frauen, Kinder und Gewaltopfer befindet sich in Vlasotince und in Belgrad gibt es eine Beratungsstelle für häusliche Gewalt mit kostenloser Rufnummer. Die Mehrheit der Notrufnummern ist rund um die Uhr erreichbar.

Serbien ist eine kinderfreundliche Gesellschaft. Familien mit Kindern werden daher überall bevorzugt behandelt. Serbien verfügt über ein ausgebautes Netz an staatlichen Kindergärten. Vor allem in der Hauptstadt Belgrad gibt es mittlerweile außerdem eine Vielzahl an privaten Einrichtungen der vorschulischen Erziehung.

Es gibt keine Hinweise auf speziell gegen Kinder gerichtete Handlungen wie z.B. Kinderzwangsarbeit. Allerdings sind Angaben von Menschenrechtsorganisationen zufolge oft Kinder – und Frauen Opfer innerfamiliärer Gewalt sowie – in geringerem Umfang – von Menschenhandel.

1.2.12. Bewegungsfreiheit:

Die Verfassung garantiert das Recht auf Reisefreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung, wobei dies auch in der Praxis seitens der Regierung eingehalten wird. Die Regierung kooperiert durch Zusammenarbeit mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen bei der Schutz- und Hilfegewährung für Binnenvertriebene, Flüchtlinge, rückkehrende Asylwerber, Staatenlose und andere Problemgruppen.

Es gibt keine formalen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Den Serben steht es frei, ihren Wohn-, Arbeits- und Ausbildungsort zu wechseln und das Recht auf Reisen ist gewährleistet. Seit 2010 können serbische Bürger ohne Visum in den EU-Schengenraum einreisen.

1.2.13. Grundversorgung/Wirtschaft:

Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung.

Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen.

Im Jahr 2018 lag die Arbeitslosenquote in Serbien geschätzt bei rund 13,7 % und die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) geschätzt bei rund 32,05 %. Im gleichen Jahr betrug das Bruttoinlandsprodukt von Serbien geschätzt rund 50,65 Milliarden US-Dollar und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien geschätzt rund 7.243 US-Dollar. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug im Jahr 2018 rund 2 % gegenüber dem Vorjahr.

1.2.14. Sozialbeihilfen:

Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen.

Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung, um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich. Zusätzlich sind diese Sozialämter generell für die Jugendfürsorge und Kindschaftsangelegenheiten zuständig.

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld ausbezahlt.

1.2.15. Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung ist außerhalb der größeren Städte nicht überall gewährleistet.

Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren – oft private – Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen.

Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können.

Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Insbesondere fehlt eine nationale Organspenderdatenbank. Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können.

1.2.16. Rückkehr:

Die erfolgreiche Wiedereingliederung von Rückkehrern, insbesondere von besonders gefährdeten Personen wie den Roma, die eine große Anzahl von Rückkehrern darstellen, erfordert mehr Aufmerksamkeit. Es bedarf einer verbesserten Kommunikation und Koordination zwischen den jeweiligen Regierungen, zwischen staatlichen Stellen und lokalen Behörden sowie mit internationalen Organisationen und NGOs, die an der Wiedereingliederung von Rückkehrern beteiligt sind.

In Zusammenarbeit mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen werden Hilfsleistungen und Unterstützung für intern Vertriebene, Flüchtlinge, Asylwerber, Staatenlose und andere hilfsbedürftige Personen bereitgestellt.

Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein “Build Your Future”-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten.

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält.

1.2.17. Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF):

Die Zahl der unbegleiteten Minderjährigen, die in Asyl-, Aufnahme- und Transitzentren untergebracht sind, stieg bis Ende 2018 auf 500. Es gibt jedoch nur drei Zentren im Rahmen des Sozialsystems mit einer Kapazität von 30 Betten, die sich der Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen widmen.

Besondere staatliche Auffang- bzw. Aufnahmeorganisationen für zurückkehrende Minderjährige gibt es nicht; grundsätzlich sind die Sozialämter in den einzelnen Städten und Gemeinden mit der Wahrnehmung solcher Aufgaben betraut. Im Bedarfsfall kann bei rechtzeitiger Ankündigung (auf Zeit oder auf Dauer) eine Unterbringung in staatlichen Waisenhäusern erfolgen.

Für Rückkehrende und andere bedürftige Gruppen gibt es keine speziellen Wohnprogramme. Eine Ausnahme stellen die temporären Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige (UMCs) und Opfer von Menschenhandel (VoTs) dar. Übergangswohnungen stehen lediglich für schutzbedürftige Gruppen, wie z.B. UMCs oder VoTs, durch das Sozialhilfezentrum zur Verfügung. Sobald Personen als schutzbedürftig eingestuft werden, gewährt das Zentrum automatisch Obdach.

2.             Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen, und durch Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie der Zeugin XXXX in der mündlichen Verhandlung am 22.07.2020.

Es besteht aufgrund dieser Beweisergebnisse auf der Tatsachenebene kein Zweifel daran, dass zwischen der Obsorgeberechtigten XXXX und der BF aufgrund des gemeinsamen Haushalt und des Abhängigkeitsverhältnisses ein Familienleben iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK besteht.

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und ihrem (Privat)Leben in Österreich:

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin und ihrer Staatsangehörigkeit ergeben sich aus der vorgelegten Kopie ihres Reisepasses und ihrer Geburtsurkunde (AS 6-8), den Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den Ausführungen im Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 21.02.2019 sowie in der Beschwerde. Dass die Muttersprache der Beschwerdeführerin Serbisch ist, folgt aus ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dass die Beschwerdeführerin gesund ist, beruht auf den Angaben vor der belangten Behörde (vgl. S. 2 der Niederschrift vom 09.05.2019). Aus dem guten Gesundheitszustand sowie dem jungen Alter der Beschwerdeführerin resultiert deren Erwerbsfähigkeit.

Die Feststellungen zu ihrem Leben in Serbien, ihrer Schulbildung, ihren in Serbien lebenden Familienangehörigen und ihrer Einreise ins Bundesgebiet stützen sich auf die dahingehenden glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie in der Beschwerde und den Ausführungen in der Einvernahme vor dem Bundesamt und der Einvernahme vor der dem Bundesverwaltungsgericht

Die Feststellungen zur Cousine ihrer Mutter sowie deren Familienangehörigen ergeben sich ebenfalls aus den Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt sowie der vorgelegten Aufenthaltskarte ebengenannter Cousine (vgl. AS 47). Die Einkommensverhältnisse der Familie und die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin über die Cousine ihrer Mutter mitversichert ist, resultieren aus den vorgelegten Kopien des Bescheides der MA 40 vom XXXX .2018 (vgl. AS 22-25), der Verständigung der Pensionsversicherungsanstalt vom Jänner 2019 (vgl. AS 26) sowie dem Schreiben der XXXX Gebietskrankenkasse vom XXXX .2018 (vgl. AS 27) und den damit in Einklang stehenden Angaben der Beschwerdeführerin in der verwaltungsbehördlichen Einvernahme (vgl. S. 2 f der Niederschrift vom 09.05.2019). Die Feststellungen zum gemeinsamen Haushalt, der finanziellen Unterstützung sowie der Obsorgeübertragung beruhen ebenfalls auf den vorgelegten Nachweisen (zum Obsorgebeschluss des Bezirksgerichts XXXX siehe AS 13-21 sowie zum Protokoll des Bezirksgerichts XXXX siehe AS 20) und den Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt (vgl. S. 2 f der Niederschrift vom 09.05.2019). Dass die Beschwerdeführerin weiterhin in Kontakt mit ihrer Mutter steht, ergibt sich aus dem Protokoll des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2018 (vgl. AS 20) sowie daraus, dass die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt in der Lage war, aktuelle Angaben über ihre in Serbien lebende Familie zu tätigen (vgl. S. 3 f der Niederschrift vom 09.05.2019).

Dass die Beschwerdeführerin über nur geringe sozialen Kontakte mit Ausnahme der Familie der Cousine verfügt, beruht auf ihrer eigenen Angabe im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wenngleich sie angibt zwischenzeitig in ihrem Wohnhaus Freunde gefunden zu haben. Weiters gab die BF in der Verhandlung an, sonntags in die Kirche zu gehen. Die Feststellungen zur Teilnahme an Deutschkursen stützen sich auf die Angaben der Beschwerdeführerin in der Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht. Vor dem Bundesamt wies die BF auch auf einen Schreibfehler in der vorgelegten Bestätigung hin, wonach es sich nicht um einen B1-Kurs, sondern um einen A1-Kurs gehandelt habe (vgl. S. 2 der Niederschrift vom 09.05.2019). Dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführerin zur Erreichung ihres Ausbildungsziels bereits nennenswerte Schritte unternommen hat, ergibt sich daraus, dass sie schon in der Einvernahme vor dem Bundesamt angab, sie verfüge bereits über eine Einstellungszusage, eine dahingehende Bestätigung allerdings nicht vorzulegen vermochte (vgl. S. 3 der Niederschrift vom 09.05.2019). Auf die gleichlautende Frage in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2020 antwortete die BF, Sie habe sich bereits in der „Lugner City“ nach einer Lehrstelle erkundigt, eine Einstellungszusage oder ein bedingter Lehrvertag, wurde aber erneut nicht vorgelegt.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister.

2.2.    Zu den Feststellungen zur Situation in Serbien:

Die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat beruht auf § 1 Z 6 Herkunftsstaaten-Verordnung (in Folge kurz als „HStV“ bezeichnet).

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien ergeben sich aus dem zugrunde gelegten aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Serbien vom 05.06.2020, dem die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die Feststellungen zur Jugendfürsorge in Serbien beruhen weiters auch auf der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.06.2020 (OZ 11).

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlagen:

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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