TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/5 W282 2222664-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W282 2222664-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien vertreten durch RA Mag. Astrid WAGNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.07.2020 zu Recht:

a)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Gegen den Beschwerdeführer (BF), ein 1984 in Österreich geborener und aufgewachsener serbischer Staatsangehöriger, wurde nach mehreren strafrechtlichen Verurteilungen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge Bundesamt oder belangte Behörde) nach seiner letzten Verurteilung im Jahr im Jahr 2017 u.a. wegen Einbruchdiebstahls ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet. Möglich wurde dieses Verfahren durch die Aufhebung von § 9 Abs. 4 BFA-VG im Zuge des Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 zum 31.08.2018. Diese Bestimmung hatte bis dahin Rückkehrentscheidungen gegen in Österreich geborene, aufgewachsene und langjährig rechtmäßig aufhältige Fremde für unzulässig erklärt.

2. Am 06.12.2018 wurde dem BF vom Bundesamt ein Parteiengehör in die Justizanstalt Hirtenberg übermittelt. In Antwort darauf ließ der BF von der JA Hirtenberg mehrere Unterlagen u.a. über die gemeinsame Obsorge für seinen Sohn, der sich bei der Lebensgefährtin des BF aufhält, übermitteln.

3. Mit dem (angefochtenen) Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt oder BFA) vom XXXX .2019 wurde gegen BF eine Rückerentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), seine Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt (Spruchpunk II.), ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.2019 zur GZ G307 2222664-1/5Z wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsberater Beschwerde und brachte darin vor, der BF sei in Österreich geboren und aufgewachsen. Er habe zwei minderjährige Söhne, wobei er sich die Obsorge für einen seiner beiden Söhne mit den Kindsmüttern teile, mit der er nach der Haftentlassung auch zusammenwohnen werde. Der BF habe daher ein intensives Familien- und Privatleben iSd Art. 8 ERMK, die gegenteiligen Feststellungen der belangten Behörde hätten keine Grundlage.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.08.2020 vom Bundesamt vorgelegt. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G311 abgenommen und der Gerichtabteilung W282 neu zugewiesen.

6. Am 16.07.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, anlässlich der der BF und seine aktuelle Lebensgefährtin einvernommen wurden. In der Verhandlung wurde der BF von einer Rechtsvertreterin vertreten, der er unmittelbar zuvor Vollmacht erteilt hatte. Die zuvor eingeschrittene Rechtsberatungsorganisation legte am 16.07.2020 die Vollmacht zurück. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter zu dieser Verhandlung.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen

Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1 Der Beschwerdeführer (BF) ist serbischer Staatsbürger und Angehöriger der Volksgruppe der Roma. Er ist ledig, gesund und erwerbsfähig.

1.2 Der BF wurde 1984 in Österreich geboren, ist hier aufgewachsen, seine Schulpflicht absolviert und hat sich Zeit seines Lebens überwiegend im Bundesgebiet aufgehalten. Unterbrechungen seines Aufenthaltes sind auf längere Urlaubsreisen des BF nach Serbien zurückzuführen. Der BF spricht Deutsch auf Muttersprachenniveau, weiters spricht er Serbisch und Romanes. Der BF hat im Bundesgebiet die Hauptschule abgeschlossen und eine Lehre als Einzelhandelskaufmann begonnen, jedoch nicht angeschlossen. Der Vater des BF ging als dieser 18 Jahre alt war nach Serbien zurück, da er dort eine Pension erhielt und reiste nur für medizinische Behandlungen zurück ins Bundesgebiet. Der BF ist mit seinem Bruder alleine im Bundesgebiet verblieben.

1.3 Der BF hat sich bisher nur zu Urlaubszwecken bzw. für Verwandtenbesuche in seinem Heimatland aufgehalten. In den Jahren 2005 bis 2006 hat sich der BF längerfristig in Serbien aufgehalten, da sein Vater schwer erkrankt war, welcher mittlerweile auch verstorben ist. Zwischen März 2014 und Jänner 2015 hielt sich der BF bei seiner Schwester in der Schweiz auf. Dem BF wurden seit seiner Geburt verschiedene Aufenthaltstitel bzw. Niederlassungsnachweise erteilt. Seit 2007 verfügt er über den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG), die ihm hierfür ausgestellte Dokumentationskarte ist mit 04.02.2018 abgelaufen. Über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfügt er seit 1999. Der BF hat einen Antrag auf Verlängerung der Dokumentationskarte gestellt. Der BF war seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und niedergelassen.

1.4 Der BF hat eine Tante in Serbien, die bereits im hohen Alter ist, alle übrigen Verwandten des BF befinden sich im Bundesgebiet bzw. wohnen in der Schweiz. Der BF verfügt über keine nennenswerten Bindungen zu seinem Heimatstaat, zumal er sich dort auch in seiner Jugend nur zu Urlaubszwecken aufgehalten hat. Der Beschwerdeführer ist Vater zweier minderjähriger Kinder, wobei er mit seinem jüngeren Sohn XXXX und der Kindsmutter, seiner aktuellen Lebensgefährtin, seit seiner Haftentlassung im Februar 2020 wieder in einem gemeinsamen Haushalt lebt und ein Familienleben führt; diese unterstützt den BF auch finanziell. Der BF teilt sich die gemeinsame Obsorge für diesen Sohn mit der Kindsmutter. Ebenso hat der BF intensiven Kontakt zu seinem älteren Sohn XXXX , der sich bei der früheren Lebensgefährtin des BF aufhält, zu der BF ebenfalls Kontakt hat. Auch für seinen Sohn XXXX teilt sich der BF die Obsorge mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin.

1.5 Der BF verfügt in Bezug auf seine sehr lange Aufenthaltsdauer über eine übliche soziale und gesellschaftliche Integration, die durch den letzten Aufenthalt in Strafhaft etwas eingeschränkt ist. Der BF verfügt über einen Freundeskreis der aus österreichischen Staatsbürgern und Angehörigen anderer Nationalitäten besteht. Der BF wurde in Haft von Familienmitgliedern und seiner Lebensgefährtin besucht, im Rahmen von Freigängen aus der Haft besuchte er auch seine Kinder. Er ist in den letzten fünf Jahren aufgrund seiner Haft nicht in Vereinen, einer Kirche oder sonst ehrenamtlich tätig gewesen und ist auch derzeit derart nicht aktiv.

1.6 Der BF war in den Jahren 2000 bis Jänner 2005 mit kurzen Unterbrechungen als Arbeiter bzw. Arbeiterlehrling erwerbstätig. Danach folgten Erwerbstätigkeiten als Arbeiter von 31.12.2007 bis 13.06.2008. Im Jahr 2009 war der BF nur für eine Woche, im Jahr 2010 für zwei Monate legal erwerbstätig. Demgegenüber stehen vor allem ab 2010 lange Zeiträume des Bezugs von Krankengeld, Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe gegenüber. Nach seiner Haftentlassung hat der BF erneut Arbeitslosengeld bezogen, mittlerweile ist er seit Ende Juni 2020 in einem Reinigungsunternehmen erwerbstätig. Die wirtschaftliche Integration des BF ist daher als geringwertig festzustellen.

2. Zu den strafrechtlichen Verurteilungen:

2.1 Der Strafregisterauszug des BF weist vier Vorstrafen auf. Er wurde erstmals 2007 von einem Landesgericht wegen der Verbrechen des Diebstahls, schweren Diebstahls bzw. Einbruchdiebstahls und Gewerbsmäßigem Diebstahl und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Abs. 1, 130 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei davon 10 Monate bedingt auf drei Jahre nachgesehen wurden. Der unbedingte Teil der Strafe wurde noch 2007 vollzogen, der bedingte Teil wurde 2010 endgültig nachgesehen. Der BF wurde verurteilt, weil er im Herbst 2006 aus Geldnot gemeinsam mit Komplizen in gewerbsmäßiger Absicht bei Wohnungseinbrüchen Digitalkameras, Laptops sowie Mobiltelefone, Schmuck und andere Wertgegenstände gestohlen hat, wobei der Gesamtwert der gestohlenen Gegenstände ca. 10.440,- € betrug. Der BF drang dabei mit seinen Komplizen über das Stiegenhaus in eine Wohnhausanlage ein und sein Komplize brach dort Wohnungstüren auf. Dem BF kam dabei die Rolle des „Aufpassers“ zu, während seine Komplizen die Einbrüche ausführten. Für die Strafbemessung wurde beim BF kein Umstand als erschwerend gewertet, als mildernd wurde sein Geständnis, die teilweise Schadenswiedergutmachung und der bis dahin ordentliche Lebenswandel gewertet.

2.2 Es folgte im September 2012 eine Verurteilung durch ein Landesgericht wegen Körperverletzung und Nötigung (§§ 83, 105 StGB) wobei dieser Tat ein Beziehungskontext zu Grunde lag. Der BF geriet mit seiner früheren Lebensgefährtin und Mutter seine Sohnes XXXX im Oktober 2011 anlässlich der Übergabe von persönlichen Gegenständen nach Ende der Beziehung in erheblichen Streit, der in einer Gewalttätigkeit des BF eskalierte. Der BF versetze seiner früheren Lebensgefährtin im Zuge des Streits eine Ohrfeige und zerrte diese in den Aufzug einer U-Bahnstation, wo er sie fixierte um ihr ein Mobiltelefon wegzunehmen. Der BF wurde hierfür zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.

2.3 Die dritte Verurteilung erfolgte im Jänner 2016. Der BF wurde von einem Landesgericht wegen der Vergehen des Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 3 und Abs. 5 sowie § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall und Abs. 2 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, wobei ihm Strafaufschub gewährt wurde. Dem BF wurde vorgeworfen von Juni 2015 bis September 2015 einer bestimmten Person 150 Marihuana und 30 Gramm Kokain überlassen zu haben, wobei der BF selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Taten deshalb beging, um sich Barmittel für den Ankauf weiteren Suchtgifts für den Eigengebrauch zu verschaffen. Weiter besaß er auch Marihuana und Kokain zum Eigengebrauch.

2.4. Die letzte Verurteilung des BF erfolgte im Oktober 2017. Der BF wurde von einem Landesgericht als Beteiligungstäter an den (teils versuchten) Verbrechen des Diebstahls, schweren Diebstahls bzw. Einbruchdiebstahls, Gewerbsmäßigem Diebstahls und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 2 Z 1, 130 StGB) sowie der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e StGB) zuerst zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Die Tatzeiträume lagen bei dieser Verurteilung zwischen Ende Februar 2017 und Ende März 2017. Der BF trug als Beteiligungstäter dazu bei, dass seine beiden ebenfalls verurteilten Komplizen in mehrere Wohnungen einbrechen konnten. Teils fuhr er seine Komplizen mit einem Fahrzeug nur zu den Tatorten bzw. von diesen weg, teils tätigte der BF auch „Aufpasserdienste“ während seine Komplizen die Einbrüche faktisch verübten oder half einem seiner Komplizen beim Erklettern von Fassaden. Weiters trug er dazu bei, dass seine Komplizen erbeutete Bankomatkarten und Sparbücher, über die sie nicht verfügen durften, an sich nehmen konnten, wobei sie versuchten, mit den gestohlenen Bankomatkarten auch Geld abzuheben, wobei der BF sie hierfür zu einem Bankomaten fuhr. Mildernd wurde das reumütige Geständnis gewertet und dass es teilweise beim Versuch geblieben war. Erschwerend wurde das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, Tatbegehung während Strafaufschubs und die Vorstrafenbelastung des BF gewertet. Einer Strafberufung der Staatsanwaltschaft Wien wurde vom OLG Wien Folge gegeben und die Strafe des BF auf 3 Jahre und 6 Monate erhöht. Der BF wurde aus der Strafhaft am XXXX .2020 bedingt entlassen und die Bewährungshilfe angeordnet.

II. Beweiswürdigung

1.1 Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen sowie durch Einvernahme des BF sowie der Zeugin D. im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.07.2020.

1.2. Auf dem Verwaltungsakt (AS 6f) und den Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister (IZR) basieren weiters die Feststellungen zu den bisherigen Aufenthaltstiteln des BF und der Tatsache, dass der BF nach wie vor einen aufrechten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ nach § 45 NAG innehat. Diesbezüglich entbehrt die Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, der Aufenthaltstitel des BF besaß bis 04.02.2018 „Gültigkeit“ (AS 343) einer Grundlage, da der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ nach § 45 NAG als unbefristetes Niederlassungsrecht – im Gegensatz zu der hierfür ausgestellten Dokumentationskarte – eben unbefristet ist. Hinweise darauf, dass der Aufenthaltstitel nach § 20 Abs. 4 NAG erloschen wäre, bestehen ggst. nicht.

Ebenso unklar ist die Herkunft der Feststellungen der belangten Behörde, wonach der BF im Bundesgebiet nicht aufrecht gemeldet sei (AS 341 unten), und dass der Aufenthalt des BF durch „Schuldsprüche und Verteilungen [..] illegal wurde“. Die erste Feststellung ist schlichtweg aktenwidrig, als der BF während seines Haftaufenthaltes in der JA Hirtenberg – als der angefochtene Bescheid erlassen wurde - dort natürlich behördlich mit einem Nebenwohnsitz gemeldet war, zumal ihm das Bundesamt selbst dorthin das schriftliche Parteiengehör vom im Dezember 2018 übermittelte. Hinsichtlich der zweiten Feststellung erliegt die belangte Behörde offenbar dem Irrtum, es handle sich bei dem BF um eine bloß zum visumfreien Aufenthalt berechtigten Fremden, dessen Aufenthalt bei Nicht-Erfüllen der Einreisevoraussetzungen nach dem Schengener Grenzkodex unrechtmäßig werden könne. Daran, das der BF den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ nach wie vor innehat, auch wenn seine Aufenthaltstitelkarte zwischenzeitig abgelaufen ist, besteht jedoch kein Zweifel. Hinweise auf eine Rückstufung auf einen befristeten Aufenthaltstitel durch die Niederlassungsbehörde finden sich im Verwaltungsakt nicht.

Soweit das Bundesamt von „großen Unterbrechungen“ bei den behördlichen Wohnsitzmeldungen im angefochtenen Bescheid ausgeht, kann sich das Bundesverwaltungsgericht dem nicht anschließen. Längere Unterbrechungen iSd monatelanger Abwesenheit des BF zeigten sich nur zwischen Dezember 2005 und Mai 2006 sowie von 26.03.2014 bis 26.01.2015, wobei der BF in seiner Einvernahme glaubhaft diese Abwesenheiten erklären konnte. Während er Anfang 2006 aufgrund der Erkrankung seines Vaters in sein Heimatland reiste, hielt er sich von 2014 bis Anfang 2015 bei seiner Schwester in der Schweiz auf. Keine der Meldeunterbrechungen dauerte dabei länger als 12 Monate.

1.3 Die Feststellungen zu den Familienverhältnissen, dem Kontakt zum Heimatstaat der sozialen und gesellschaftlichen Integrationsstufe und den Deutschkenntnissen basiert maßgeblich auf dem im Rahmen der Einvernahme des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen Eindruck (Niederschrift OZ 9) zumal der BF vom Bundesamt selbst nicht einvernommen wurde. Da der BF im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsen ist, war auch von Deutschkenntnissen auf Muttersprachen-Niveau auszugehen.

Wie die belangte Behörde angesichts des Aufenthalts der zwei minderjährigen Söhne des BF, für die er sich die Obsorge mit den jeweiligen Kindsmüttern teilt, sowie angesichts seiner aktuellen Lebensgefährtin, die ihn in Haft auch besucht hat, im angefochtenen Bescheid zur Würdigung gelangt, der BF habe „nur geringe familiäre Bindungen in Österreich“, ist nicht nachvollziehbar. Zum Entscheidungszeitpunkt ist sogar das Bestehen eines intensiven Familienlebens - untermauert durch die Zeugenaussage seiner Lebensgefährtin - im Bundesgebiet erwiesen: Der BF wohnt nach seiner Haftentlassung mit seinem jüngeren Sohn und dessen Mutter in einer Lebensgemeinschaft zusammen. Weiters wird der BF auch von seiner Lebensgefährtin finanziell unterstützt. Zusätzlich hat der BF auch an den Wochenenden Kontakt zu seinem älteren (minderjährigen) Sohn XXXX , der sich bei seiner früheren Lebensgefährtin aufhält. Anzumerken ist, dass diese auch bei der mündlichen Verhandlung am 16.07.2020 samt dem gemeinsamen Sohn als Zuhörerin anwesend war. Diesbezüglich war erkennbar, dass diese den BF hinsichtlich seines Verbleibs im Bundesgebiet unterstützt und dass der BF jene Probleme, die u.a. zu seiner Verurteilung wegen Körperverletzung im Jahr 2012 an dieser Person geführt haben, offenkundig überwunden hat.

1.4 Die Feststellungen zur nur sehr gering vorhandenen wirtschaftliche Integration des BF, durch die lange zurückliegenden und deutlich überwiegend von Arbeitslosengeld- bzw. Notstandshilfebezug überlagerten Berufstätigkeiten des BF basieren auf den im Verwaltungsakt einliegenden Auszügen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger betreffend des BF und den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung. Die aktuelle Erwerbstätigkeit ergibt sich aus der in mündlichen Verhandlung vorgelegten Bestätigung des AMS über die Einstellung des Leistungsbezugs aufgrund Erwerbstätigkeit (Beilage ./B zur Niederschrift)

1.5. Die Feststellungen zu den vier Verurteilungen des BF samt den näheren Tatumständen gründen sich auf den Strafregisterauszug des BF und auf die im Akt des Bundesamtes einliegenden Abschriften der diesbezüglichen strafgerichtlichen Urteile (AS 33f, AS 89f, AS 121f, AS 127f). Der BF gab hierzu in der Verhandlung lebensnah an, dass ihm erst durch seine letzte Verurteilung und das erstmals verspürte Haftübel klargeworden wäre, in welchem erheblichem Umfang er sein Zusammenleben mit seinen Kindern durch seine Straffälligkeit riskiere. Er habe insbesondere in der Haft viel „verloren“, sein Vater sei während seiner Haft gestorben, er habe seine Wohnung verloren. Die maßgebliche, letzte Verurteilung wg. der Einbruchsdiebstähle sei auch in Zusammenhang mit seiner Drogensucht gestanden, da er sich hierdurch ein Einkommen zur Befriedigung seiner Sucht verschaffen wollte. Er habe aber keinerlei Kontakt zu dem damaligen „Freundeskreis“ mehr und habe seine Sucht durch Therapie überwunden.

Feststellungen zum Herkunftsstaat waren ggst. nicht zu treffen, da die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Fall unzulässig ist.

III. rechtlich war zu erwägen:

Zu A)

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit demnach Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlagen:

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

„(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige  

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

§ 9 Abs. 4 BFA-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 56/2018 lautete wie folgt:

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

3.2 Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids (Rückkehrentscheidung):

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die folgenden Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423): Erstens die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, zweitens das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, drittens die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, viertens der Grad der Integration, fünftens die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, sechstens die strafgerichtliche Unbescholtenheit, siebentens Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, achtens die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und schließlich neuntens die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Unter „Privatleben“ im Sinne von Art. 8 EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Nr. 60654/00, Sisojeva ua gg. Lettland).

Zur Aufenthaltsdauer ist festzuhalten, dass einer Aufenthaltsdauer von mehr als zehn Jahren für sich betrachtet eine sehr große Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt. Dabei geht der Verwaltungsgerichtshof in gefestigter Judikatur davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels) ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Allerdings ist auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend vom einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. zum Ganzen grundlegend VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 11 bis 16, und darauf verweisend zuletzt, mwN, VwGH 22.8.2019, Ra 2018/21/0134, 0135, Rn. 20).

Bis zum Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FrÄG 2018) mit BGBl. I Nr. 56/2018 verhinderte § 9 Abs. 4 Z 2 BFA-VG die Erlassung von Rückehrentscheidungen ggü. Fremden, die in Österreich geboren und langjährig rechtmäßig aufhältig und niedergelassen waren. § 9 Abs. 4 leg. cit. wurde mit dieser Novelle aufgehoben und trat am 31.08.2018 außer Kraft. Die Verwirklichung des maßgeblich die Straffälligkeit des BF betreffenden Sachverhalts fand vor diesem Zeitpunkt statt.

Die Gesetzesmaterialien zum FrÄG 2018 halten hierzu wie folgt fest:

„Der geltende § 9 Abs. 4 Z 2 normiert, dass gegen einen Drittstaatsangehörigen selbst bei hypothetischem Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer Beendigung des Aufenthalts eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden darf, wenn sich der Betreffende auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und er von klein auf im Inland aufgewachsen sowie langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. Selbst wenn die Behörde demnach vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen die Voraussetzungen des Abs. 4 Z 2 erfüllenden Drittstaatsangehörigen im Zuge einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis kommen würde, dass beispielsweise aufgrund gravierender Straffälligkeit die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten wäre und die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer solchen damit überwiegen, kann eine Rückkehrentscheidung aufgrund des Abs. 4 Z 2 dennoch nicht erlassen werden. Ein solches absolutes Verbot zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen Drittstaatsangehörige, auch wenn diese von klein auf im Inland aufgewachsen und langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, ist jedoch weder unionsrechtlich noch verfassungsrechtlich geboten (vgl. etwa zur Rechtmäßigkeit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen in Deutschland geborenen und dort circa 30 Jahre aufhältigen türkischen Staatsangehörigen bei erheblicher Delinquenz EGMR 28.6.2007, 31753/02 [Kaya gg. Deutschland]) und erscheint es nicht sachgerecht, die Möglichkeit zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung selbst bei objektivem Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer Beendigung des Aufenthalts in jedem Fall auszuschließen. In diesem Sinne war auch in der Vorgängerbestimmung zu § 9 Abs. 4, § 61 Z 3 und 4 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005, das darin vorgesehene Verbot der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht absolut, sondern konnte bei (schwerer) Straffälligkeit eine aufenthaltsbeendende Maßnahme sehr wohl erlassen werden. Davon abgesehen ergibt sich bereits aus Abs. 1, dass vor Erlassung jeder aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen der zwingend durchzuführenden Prüfung nach Art. 8 EMRK eine sorgfältige Abwägung der persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu erfolgen hat. Die Kriterien, die dabei insbesondere zu berücksichtigen sind, sind in Abs. 2 demonstrativ genannt. Bereits nach dieser Bestimmung und unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung finden die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts sowie die Schwere allfällig begangener Straftaten des Betreffenden entsprechend umfassende Berücksichtigung. Auch die Bestimmung des Abs. 4 Z 1, wonach eine Rückehrentscheidung gegen die in Abs. 4 Z 1 genannten Drittstaatsangehörigen nur erlassen werden darf, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG vorliegen, erweist sich vor diesem Hintergrund lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt. Aus den vorgenannten Gründen wird daher vorgeschlagen, § 9 Abs. 4 ersatzlos entfallen zu lassen. An der gemäß Abs. 1 iVm Abs. 2 erforderlichen umfassenden Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK, bei der ua. die Art und Dauer des Aufenthaltes, die Bindungen zum Heimatstaat und die Schutzwürdigkeit des Privatlebens zu beachten sind, ändert ein Entfall des Abs. 4 selbstverständlich nichts. Der Entfall eines vom Einzelfall losgelösten, absolut wirkenden Rückkehrentscheidungsverbots bzw. der Vorwegnahme des Ergebnisses einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK führt vielmehr dazu, dass den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles in gebührender Weise Rechnung getragen werden kann.“

Auf Basis der nach der Aufhebung dieser Bestimmung resultierenden Rechtslage, in Bezug auf Fälle, in denen vor 31.08.2018 eine Rückkehrentscheidung unzulässig gewesen wäre, erging bereits Judikatur des VwGH:

„Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, betreffend Vergewaltigung; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel)“ VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238)

Demnach ist bei Vorliegen solcher besonders verwerflicheren Straftaten, auch bei einem – aufgrund der langen Aufenthaltsdauer – sehr großem Interesse des Fremden im Bundesgebiet zu verbleiben, eine Rückkehrentscheidung auf Basis von § 52 Abs. 4 oder Abs. 5 FPG zu erlassen, wenn von dem Fremden eine maßgeblich große Gefährdung ausgeht.

Vice-Versa ist aber aufgrund dieser Judikatur auch davon auszugehen, dass ggü. einem Fremden, der bis 31.08.2018 in den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 4 BFA-VG vor dem FrÄG 2018 gefallen wäre, eine Rückkehrentscheidung unzulässig ist, wenn dieser zwar straffällig geworden ist, die Beurteilung dieser Straffälligkeit – also der Delikte und der näheren Tatumstände – jedoch den Begriff der geforderten „gravierenden Straffälligkeit“ nicht erfüllt. In diesem Fall erübrigt sich aus Sicht des Verwaltungsgerichts auch eine tiefgehende Prüfung der anderen Determinanten des § 9 Abs. 2 BFA-VG, da bereits mangels Verwirklichung dieser gravierenden bzw. schweren Straffälligkeit die Interessensabwägung des § 9 Abs. 2 leg. cit. – aufgrund des langen rechtmäßigen Aufenthalts – zu Gunsten des Fremden auszugehen hat.

Es ist daher näher zu untersuchen, ob der BF bis zum 31.08.2014 vor der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen seine Person durch § 9 Abs. 4 BFA-VG idF vor dem FRäG 2018 geschützt war und ob seine Straffälligkeit iSd obigen Judikatur als „gravierend“ bzw. „schwer“ zu qualifizieren ist.

Dass der BF in den Anwendungsbereich des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG fällt, kann im gegenständlichen Fall nicht zweifelhaft sein, da sich schon aus dem Verwaltungsakt der Behörde selbst ergibt, dass mehrere Verfahren zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen aufgrund der weitestgehend ähnlichen Vorgängerbestimmung des § 61 Abs. 4 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005 eingestellt wurden (z.B. AS 63). Auch steht fest, dass sich der BF seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, von klein auf hier aufgewachsen ist und hier auch niedergelassen war. Auf den BF wäre daher der ehemalige § 9 Abs. 4 Z 2 BFA-VG anzuwenden gewesen und hätte sich der BF auf diesen Verfestigungstatbestand grds. berufen können.

Im zweiten Schritt ist somit zu prüfen, ob die BF begangenen Straftaten ihrer Art nach oder aufgrund der Tatumstände eine „schwere“ bzw. „gravierende“ Straffälligkeit begründen. Generell ist hierzu festzuhalten, dass sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichts eine „gravierende“ Straffälligkeit nicht zwangsweise nur aus der Begehung von qualitativ „schweren“ Straftaten, wie die in obiger Judikatur genannten Delikte des § 53 Abs. 3 Z 6 bis 8 FPG, grenzüberschreitender Drogenschmuggel oder Vergewaltigung ergeben kann. Vielmehr erscheint es auch möglich, dass sich aus einer hohen Quantität an Verurteilungen wegen (im Vergleich zu den zuvor erwähnten) „minderschweren“ Straftaten, insbesondere bei oftmaliger Begehung von Delikten gegen dasselbe Rechtsgut bzw. Wiederholungstaten, eine „gravierende Straffälligkeit“ iSd der oben wiedergegebenen gesetzgeberischen Überlegungen zur Aufhebung von § 9 Abs. 4 BFA-VG ergibt, wenn diese zusätzlich von einer für den Fremden negativen Zukunfts- bzw. Gefährdungsprognose begleitet wird. Die vom VwGH im obigen Judikat postulierte „spezifische Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen“ entsteht dabei durch die hohe Wahrscheinlichkeit für weitere entsprechende Tatbegehungen durch den Fremden, durch gleichzeitiges Vorliegen einer geringen Wahrscheinlichkeit für eine zukünftig erfolgreiche soziale, wirtschaftliche und vor allem rechtschaffene Integration des Fremden, auch wenn dieser bereits lange im Bundesgebiet aufhältig ist.

Hierzu ist ausdrücklich festzuhalten, dass es keineswegs das Ziel des Verwaltungsgerichts ist, die Straftaten des BF in irgendeiner Weise zu relativieren, zu beschönigen oder zu verharmlosen. Insbesondere das Gewaltdelikt ggü. seiner ehemaligen Lebensgefährtin wiegt zweifelfrei schwer. Dennoch ist die Straffälligkeit des BF bei Betrachtung der vier Vorstrafen - denkbar knapp - noch nicht als „gravierend“ zu qualifizieren. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der BF bei seinen Verurteilungen wegen Einbruchsdiebstahls „nur“ als Beteiligungstäter fungierte, da er „Aufpasserdienste“ leitstete bzw. bei der Verurteilung 2017 auch das Fahrzeug lenkte, mit dem er seine Komplizen zum Tatort chauffierte und von diesem wieder wegbrachte. Die Verurteilung wegen Drogendelikten im Jahr 2015 beruhte maßgeblich auch auf der Tatsache, dass der BF selbst süchtig war. Es steht daher für das Verwaltungsgericht fest, dass der BF in erheblichem Umfang straffällig geworden ist. Dennoch bleibt diese erhebliche Straffälligkeit – mit nur noch sehr geringem Abstand – aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts hinter dem Begriff der geforderten „gravierenden“ bzw. „schweren“ Straffälligkeit zurück. Der BF wurde diesbezüglich vom erkennenden Richter in der mündlichen Verhandlung am 16.07.2020 auch mit Nachdruck auf die Bestimmung des § 52 Abs. 11 FPG hingewiesen, wonach eine derzeitige Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nicht unbeschränkt pro futuro wirkt, und dass im Fall, dass er in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten setzt, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde, eine solche erneut vom Bundesamt gegen ihn erlassen werden kann. Unter einem solchen „Verhalten“ wäre dabei insbesondere jede neuerliche strafrechtliche Verurteilung zu verstehen.

In Bezug auf die Zukunftsprognose des BF ist festzuhalten, dass dieser seit Ende Juni 2020 erwerbstätig ist und der Bezug von Arbeitslosengeld eingestellt wurde. Vor allem aber konnte in der Verhandlung vom 16.07.2020 der BF auch den glaubhaften persönlichen Eindruck vermitteln, dass ihm seine Familie und seine beiden Söhne sehr viel bedeuten und ihm nun klar sei, dass er im Falle eines weiteren (strafrechtlichen) Fehltritts, seine Familie im bisherigen Sinne verlieren würde. Es ist aufgrund des Beweisverfahren auch nicht auszuschließen, dass die problematische familiäre Situation in der Jugend des BF, dessen Vater unmittelbar nach dem Erreichen der Volljährigkeit des BF dauerhaft nach Serbien zurückkehrte, maßgeblich die Straffälligkeit des BF begünstigt hat. Aufgrund der familiären Bindung des BF, insbesondere an seine Söhne, in Zusammenhalt mit der nunmehrigen Erwerbstätigkeit des BF kann grundsätzlich eine moderat positive Zukunftsprognose getroffen werden. Letztlich ist daher nicht mehr davon auszugehen, dass eine große Gefahr für weitere Tatbegehungen durch den BF besteht, zumal dieser nun auch durch seine Lebensgefährtin finanziell unterstützt wird.

Somit ist festzuhalten, dass auch Sicht des Verwaltungsgerichts im Hinb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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