Entscheidungsdatum
05.08.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W109 2200706-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 07.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2019 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 27.06.2015 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Parachi, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 28.06.2015 wurde im Rahmen der in Dari durchgeführten Erstbefragung protokolliert, die Muttersprache des Beschwerdeführers sei Dari. Der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und stamme aus Kapisa. Er habe sechs Jahre die Schule besucht und sei bis zuletzt Schüler gewesen. Zum Fluchtgrund ist protokolliert, das Herkunftsdorf würde von den Taliban beherrscht, sie hätten ihn rekrutieren wollen. Das habe er abgelehnt. Die Taliban hätten mit seinen Eltern gesprochen und sie bedroht, sie würden den Beschwerdeführer töten, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeite.
Am 06.04.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher mit seinem Einverständnis in deutscher Sprache einvernommen. Er führte zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, sein Onkel sei Talib gewesen, deshalb sei die Familie des Beschwerdeführers von der Polizei verdächtigt worden, sie seien ebenso Taliban. Der Vater des Beschwerdeführers sei deshalb festgenommen und eine Woche festgehalten worden. Die Taliban hätten gewollt, dass der Beschwerdeführer mit ihnen zusammenarbeite. Der Onkel habe ihn bedroht.
Zur Muttersprache des Beschwerdeführers holte die belangte Behörde zwei Anfragenbeantwortungen der Staatendokumentation ein.
Am 18.04.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, der Beschwerdeführer spreche Parachi, in Dari könne er bloß einige Wörter. Da kein Dolmetscher für die Sprache Parachi bestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht abschließend darlegen können. Die Sicherheitslage im Herkunftsstaat sei schlecht und würde der Beschwerdeführer auch wegen seiner fehlenden Sprachkenntnisse in eine ausweglose Lage geraten. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet bereit sehr gut integriert.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 07.06.2018, zugestellt am 12.06.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer müsse über Paschtu- und Dari-Kenntnisse verfügen, die er bewusst verschleiert habe. Der Beschwerdeführer habe seine Mitwirkungspflicht verletzt und lediglich unkonkrete und emotionslose Angaben einer Rahmenbehauptung gemacht. Die Ausführungen seien nicht lebensnah. Dem Beschwerdeführer stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif zur Verfügung.
3. Am 06.07.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, Onkel und Cousin des Beschwerdeführers würden den Taliban angehören und verlangen, dass auch der Beschwerdeführer sich den Taliban anschließe. Die Polizei vermute, dass der Beschwerdeführer ein Mitglied der Taliban sei. Ihm drohe im Fall der Rückkehr Verfolgung wegen zumindest unterstellter politischer Gesinnung seitens der Taliban wegen seiner Weigerung, mit ihnen zusammenzuarbeiten und aufgrund ihm wegen seiner Flucht aus Afghanistan zugeschriebenen politischen Gesinnung. Weiter befürchte er staatliche Verfolgung, da er bereits mit den Taliban in Verbindung gebracht und der Vater deswegen festgenommen worden sei. Die Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig. Die Sicherheitslage sei schlecht, ebenso die Situation für Rückkehrer. Der Beschwerdeführer spreche nur Parachi und habe keine Sprachkenntnisse verschleiert.
Mit Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 03.12.2018, 31 U 84/18g, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt.
Mit Bescheid vom 04.01.2019 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, der Beschwerdeführer habe gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet am 24.01.2018 verloren.
Am 23.04.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 14.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin, ein länderkundlicher Sachverständiger und eine Dolmetscherin für die Sprachen Paschtu und Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme. Die Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte mit dessen Zustimmung in deutscher Sprache.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde Dr. XXXX zum Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens im gegenständlichen Beschwerdeverfahren zur Abklärung des Fluchtvorbringens erstellt.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen einer Zwangsrekrutierung durch den Onkel und einer strafrechtlichen Verfolgungsgefahr von Seiten der afghanischen Polizei wegen einer unterstellten Mitgliedschaft bei den Taliban aufrecht.
Mit Schreiben vom 23.07.2020 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? ÖSD-Zertifkat A2 vom 20.07.2017
? Teilnahmebestätigungen für Workshops und Freizeitangebote
? Schulbesuchtsbestätigungen
? Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse
? Bestätigung über gemeinnützige Arbeit
? Mehrere Empfehlungsschreiben
? Einige Fotos
? Arbeitsrechtlicher Vorvertrag
? Gewerbeanmeldung „Botendienst“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Parachi. Er bekennt sich zur sunnitschen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Parachi. Der Beschwerdeführer verfügt zudem über geringe Kenntnisse in Dari und Paschtu.
Der Beschwerdeführer ist gesund.
Mit Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 03.12.2018, 31 U 84/18g, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt.
Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Kapisa, Distrikt Nijrab im Tal XXXX . Die Familie hatte dort ein Haus und landwirtschaftliche Grundstücke, an deren Bewirtschaftung der Beschwerdeführer mitarbeitete. Außerdem arbeitete er als Autowäscher.
Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat sechs Jahre eine Koranschule besucht.
Im Herkunftsdorf lebt noch ein Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers mit seiner Familie, außerdem die Mutter des Beschwerdeführers mit ihrer Mutter (der Großmutter des Beschwerdeführers), sie kehrte aus dem Iran dorthin zurück.
Der Vater des Beschwerdeführers und sein Bruder leben im Iran, wo der Vater Reinigungsarbeiten erledigt. Der Beschwerdeführer hat außerdem zwei Schwestern, diese sind verheiratet und leben im Iran. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seinen Angehörigen im Iran.
In Österreich hat der Beschwerdeführer an Deutschkursen und anderen Bildungsangeboten teilgenommen und zudem drei Jahre eine Berufsschule für Gartenbau und Floristik besucht. Er verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Mit Wirksamkeit 22.01.2019 hat der Beschwerdeführer das Gewerbe „Botendienst“ angemeldet.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Es wird nicht festgestellt, dass der Onkel des Beschwerdeführers für die Taliban kämpft und den Beschwerdeführer aufgefordert hat, für die Taliban zu kämpfen. Dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe bis hin zur Tötung von Seiten seines Onkels drohen, weil er sich geweigert hat, für die Taliban zu kämpfen, wird nicht festgestellt.
Es wird nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer von den afghanischen Sicherheitskräften unterstellt wurde, für die Taliban zu kämpfen und sein Vater deshalb von der Polizei festgehalten wurde. Es wird auch nicht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer von den Dorfbewohnern unterstellt wurde, gemeinsam mit seinem Cousin bei Kämpfen Arbakis getötet zu haben. Dass der Beschwerdeführer von den Familien der getöteten gesucht wird, wird nicht festgestellt.
1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Kapisa gehört zu den volatilen Provinzen des Herkunftsstaates, hiervon betroffen ist insbesondere auch der Herkunftsdistrikt. Die Taliban sind dort präsent, der Distrikt ist umkämpft und gilt als unsicher. 2018 und 2019 kam es zu militärischen Operationen von Seiten der Regierungsstreitkräfte und der mit US-Unterstützung, um Dörfer von den Taliban zurückzuerobern. Zuletzt kam es auch zu Vertreibungen. XXXX wurde im März 2019 von den Taliban erobert.
Im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen oder durch Übergriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Kabul, Herat und Balkh zählen zu den am stärksten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Teilen Afghanistans. Die Krankheit breitet sich im ganzen Land aus. Zur Bekämpfung des Virus wurden landesweit Sperrmaßnahmen verhängt. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen, die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind eingeschränkt, Hotels, Teehäuser und ähnliche Einrichtungen sind ebenso geschlossen. Öffentliche Verkehrsmittel, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Es ist mit schwerwiegenden Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen seiner Bevölkerung zu rechnen. Insbesondere Menschen, die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind, sind betroffen. Die Lebensmittelpreise sind stark gestiegen, unter anderem die COVID-19-Beschränkungen behindern den landwirtschaftlichen Anbau.
Die Wirtschafts- und Versorgungslage in Afghanistan war bereits zuvor schlecht. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Armutsrate und Arbeitslosigkeit sind hoch. Die afghanische Wirtschaft stützt sich hauptschlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der Wirtschaftsleistung ausmacht und weitgehend das tatsächliche Einkommen der afghanischen Haushalte bestimmt.
Finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit existiert in Afghanistan nicht. Sozialleistungen gibt es – abseits von Pensionen in sehr wenigen Fällen, kostenloser Bildung und Gesundheitsversorgung – nicht.
Dem Beschwerdeführer wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Ihm wäre es im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich, Fuß zu fassen. Er liefe Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit und seiner Herkunft ergeben sich aus den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens, die auch die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte (AS 404).
Im Hinblick auf die Muttersprache des Beschwerdeführers ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass der Beschwerdeführer – wenngleich in vielfältigen Schreibweisen protokolliert – gleichbleibend angegeben hat, aus XXXX zu stammen (Erstbefragung AS 3, 7; Einvernahme AS 311; Verhandlung, OZ 9, S. 6) und dies jeweils als Tal umschrieb (AS 317; OZ 9, S. 6). Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Sprache Parachi vom 19.02.2018 ergibt sich, dass Parachi in „ XXXX “ – einem Seitental des Nejrao – gesprochen wird (AS 178). Damit erweist sich die Angabe des Beschwerdeführers, seine Muttersprache sei Parachi (Einvernahme, AS 299; Verhandlung, OZ 9, S. 3) vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat als plausibel. Die belangte Behörde stellt im Hinblick auf die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers lediglich fest „Zu Ihren Sprachkenntnissen haben Sie ausgeführt, dass Sie Parachi (Paratschi), Deutsch und etwas Dari sprechen.“ (AS 404) und führt beweiswürdigend unter oberflächlicher Bezugnahme auf die bereits zitierte Anfragenbeantwortung aus, „dass die Sprache Paratschi in Ihrer Region existiert ist möglich, da die Sprache in einigen Tälern des Hindukush und des Panshir sowie einigen Dörfern oder Provinz Kapisa, sowie östlich von Kabul gesprochen wird“ (AS 501-502), um dann in Spekulationen im Hinblick auf eine dem Beschwerdeführer vorzuwerfende Verschleierung seiner Sprachkenntnisse überzugehen. Hierin lässt die belangte Behörde, nachdem sich aus der Anfragenbeantwortung bereits klar ergibt, dass die Sprache in XXXX gesprochen wird, erkennen, dass sie sich mit den von ihr selbst eingeholten Länderinformationen lediglich oberflächlich auseinandergesetzt und die Angaben des Beschwerdeführers nicht ernstlich vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat gewürdigt hat.
Auch auf die Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Schulbildung, Unterrichtssprache vom 19.02.2018 (AS 189 ff.) geht die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung lediglich unzureichend und selektiv ein und erweckt im Zusammenschau mit der bereits oben angemerkten oberflächlichen Auseinandersetzung mit der Muttersprache des Beschwerdeführers den Eindruck einer ergebnisorientierten Beweiswürdigung. Insbesondere stellt die belangte Behörde auch einen Zusammenhang der Informationen im Hinblick auf Muttersprache und Schulbildung zu den konkreten Angaben des Beschwerdeführers und der Lage in der Herkunftsprovinz nicht her.
Richtig ist, dass sich aus der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Schulbildung, Unterrichtssprache vom 19.02.2018 ergibt, dass der Unterricht an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen Afghanistans in den Sprachen Paschtu und Dari zu erfolgen hat und die Lehre der Sprachen landesweit verpflichtend ist (AS 189). Hieraus lässt sich jedoch noch nicht – wie die belangte Behörde vermeint – ableiten, dass der Beschwerdeführer in der Schule in Dari und/oder Paschtu unterrichtet worden und eine oder beide der Sprachen beherrschen muss. So ergibt sich aus der von der belangten Behörde selektiv beweiswürdigend verwerteten Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Schulbildung, Unterrichtssprache vom 19.02.2018, dass es zusätzlich zu normalen Schulen insbesondere in ländlichen Gebieten religiöse und informelle Schulen gibt. In unsicheren Regionen werde die Bildung von der Dorfgemeinschaft organisiert, zumeist von Imamen in Moscheen und der Unterrichtsschwerpunkt liege dann zumeist auf religiösen Fächern (AS 193). Ebenso ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.07.2020 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), dass zwischen den gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die Schulbildung sowie deren praktischer Umsetzung große Diskrepanz besteht. Damit ist nicht per se nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde vermeint (AS 301), wie der Beschwerdeführer die Schule besuchen und dennoch keinen Unterricht in Paschtu und/oder Dari erhalten konnte. Insbesondere hat die belangte Behörde, obgleich sie dem Beschwerdeführer auch auf dieser Grundlage Sprachkenntnisse in Dari/Paschtu unterstellen möchte, den Beschwerdeführer nicht näher zu seinem Bildungsweg befragt und auch seine konkreten diesbezüglichen Angaben außer Acht gelassen. So gibt der Beschwerdeführer gleich eingangs im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 06.04.2018 an, er sei Analphabet (AS 209). Zwar ist im Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme am 06.04.2018 protokollier, der Beschwerdeführer habe befragt zum Schulbesuch angegeben „Ja, ich habe 6 Jahre die Grundschule besucht, es ist aber nicht wie hier. Es war etwa 30 oder 20 Schüler, es gab 12 Klassen.“ Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sind angesichts der im alltäglichen Sprachgebrauch in Österreich völligen Ungebräuchlichkeit des Begriffes „Grundschule“ erhebliche Zweifel daran angebracht, dass es sich hierbei um eine wortwörtliche Protokollierung der Angaben des Beschwerdeführers handelt. Darüber, was der Beschwerdeführer in der Schule gelernt hat und in welcher Sprache er unterrichtet wurde, stellt die belangte Behörde allerdings nur Mutmaßungen an. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführer allerdings auch zu seiner schulischen Laufbahn im Herkunftsstaat befragt und gab hierzu an, er habe sechs Jahre eine Koranschule besucht (OZ 9, S. 6), der Koran sei auf Arabisch gelesen worden und die Erklärungen seien auf Parachi gewesen (OZ 9, S. 8). Demnach hat der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat lediglich eine lokale religiöse Schule im ländlichen Raum besucht und ist damit, vor dem Hintergrund der Informationen aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Sprache Parachi vom 19.02.2018, der zufolge in „ XXXX “ Parachi gesprochen wird (AS 178), plausibel, dass der Beschwerdeführer keinen Unterricht in Dari oder Paschtu erhalten hat, auch wenn dies gesetzlich vorgesehen gewesen wäre. Hierfür spricht auch, dass sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.07.2020 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report: Afghanistan, Security situation von Juni 2019 ergibt, dass die südlichen Distrikte, zu denen der Bericht auch Nijrab zählt, breits im Jahr 2012 mit den Aufständischen sympathisierten wobei etwa für das Jahr 2015 berichtet wird, dass diese besonders unsicher und charakterisiert seien von einer „never-ending story“ lokaler Warlords und Taliban, die sich gegenseitig bekriegen würden und schlechten ökonomischen Verhältnissen, die zur hohen Rate Militanter und privater Fehden beitragen würden (Kapitel 2.17 Kapisa, Insbesondere Unterkapitel 2.17.2 Conflict background and actors in Kapisa, S. 176-177). Wie bereits ausgeführt hat die Sicherheitslage erhebliche Auswirkungen auf die Schulbesuchsmöglichkeiten der Kinder der betroffenen Region und ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer – so wie es auch der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Schulbildung, Unterrichtssprache vom 19.02.2018 entnommen werden kann, lediglich religiösen Unterricht beim lokalen Imam erhalten hat. Dass dieser im lokalen Kontext in der im Tal verbreiteten Sprache Parachi erfolgt, erscheint dagegen plausibel. Auch unberücksichtigt lässt die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme angegeben hat, dass er bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan weder den Herkunftsstaat noch die Herkunftsprovinz jemals verlassen hat (AS 311). Auch der vom Beschwerdeführer plausibel geschilderten „Lebensstil“ lässt nicht vermuten, dass der Beschwerdeführer außerhalb seines Herkunftsdorfes bzw. „seines“ Tales viel herumgekommen ist und gibt der Beschwerdeführer auch selbst an, sein Dorf bis zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat nie verlassen zu haben (AS 319).
Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer, nachdem sein Vater und Onkel Paschtu sprechen könnten, auch selbst Paschtu sprechen müsse, ist auszuführen, dass die Tatsache, dass innerhalb einer Familie in der gemeinsamen Muttersprache „Parachi“ kommuniziert wird und nicht in Paschtu, keineswegs „abstrakt“ ist, wie die belangte Behörde vermeint (AS 502). Viel mehr ist die Erwartung innerfamiliärer Kommunikation in einer anderen Sprache als der gemeinsamen Muttersprache lebensfremd. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer „Kundenkontakt“ gehabt habe und nicht alle Kunden über Parachi-Kenntnisse verfügen könnten, ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer – wie auf der Landkarte ersichtlich – aus einem Tal stammt, das nach seiner geographischen Beschaffenheit nicht zur Durchreise geeignet ist und ist bedingt durch die bereits oben angesprochene schlechte Sicherheitslage nicht zu erwarten ist, dass regelmäßig Besucher ohne lokalen Bezug dorthin kommen. Auch ist daraus, dass der Beschwerdeführer sich beim Autowaschen im Kundenkontakt in Paschtu oder Dari ausreichend verständlich machen konnte, noch nicht abzuleiten, dass er über fließende Dari- oder Paschtu-Kenntnisse verfügt, die für die Einvernahme in einem Asylverfahren ausreichen. Im Hinblick auf die beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde, denen zufolge „auch nicht nachvollziehbar [wäre] wie Sie nach dem relativ kurzen Aufenthalt im Bundesgebiet ohne Muttersprachenkenntnisse Ihrer Heimat, an gute Deutschkenntnisse (ÖSD A2) geraten wären“ (AS 502) ist zunächst anzumerken, dass die belangte Behörde an dieser Stelle offenkundig Amts- und Muttersprache verwechselt. Andererseits erscheint nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer mangels Ansprechpartnern in seiner eigenen der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Sprache Parachi vom 19.02.2018 zufolge sehr seltenen Muttersprache in Österreich gezwungen war, möglichst schnell Deutsch zu lernen, um überhaupt mit irgendjemandem kommunizieren zu können. Insgesamt erweisen sich die Ausführungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer würde Sprachkenntnisse verschleiern, als nicht nachvollziehbar. Dass er über geringe Kenntnisse in Dari (AS 209, 313; OZ 9, S. 3) und Paschtu (OZ 9, S. 3) verfüge, hat der Beschwerdeführer allerdings wiederholt angegeben.
Zur Volksgruppenzugehörigkeit ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat, dass er der Volksgruppe der Parachi angehöre (OZ 9, S. 5), wobei das Länderinformationsblatt die Volksgruppenzugehörigkeit und Sprache im Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten behandelt und berichtet, es würden in Afghanistan eine große Zahl an kleinen und kleinsten Völkern und Stämmen, die Sprachen aus unterschiedlichsten Sprachfamilien sprechen, leben. Nachdem der Beschwerdeführer glaubhaft machen konnte, dass seine Muttersprache „Parachi“ ist, folgt das Bundesverwaltungsgericht seiner in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geäußerten Selbstzuschreibung im Hinblick auf die Volksgruppenzugehörigkeit. Zwar ist in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 06.04.2018 protokolliert „Ich bin der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig“ (AS 315), ebenso in der Erstbefragung (AS 3: „Tajeke“). Allerdings geht aus dem Länderinformationsblatt hervor, dass „Tadschike“ fallst alle dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammenfasst (Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.2. Tadschiken). Dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.11.2019 von seinem Rechtsvertreter befragt gibt der Beschwerdeführer an, er habe dies damals nicht verstanden (OZ 9, S. 8). Der Beschwerdeführer bestritt die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in deutscher Sprache (AS 311) und aus dem Einvernahmeprotokoll geht nicht hervor, dass dem Beschwerdeführer der abstrakte Begriff der „Volksgruppe“ in verständlicher Alltagssprache erklärt worden wäre (AS 315). Dass der Beschwerdeführer mit Kenntnissen der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen („Elementare Sprachanwendung“) die Frage nach der Volksgruppenzugehörigkeit nicht verstanden haben könnte, scheint damit plausibel und ist damit auch nachvollziehbar, dass er sich erst im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.11.2019 im Hinblick auf seine Volksgruppenzugehörigkeit verständlich machen konnte.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass im Lauf des Verfahrens kein anderslautendes Vorbringen erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung des Beschwerdeführers nachweisen würden.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung beruht auf dem im Akt einliegenden Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung des Bezirksgerichts Fünfhaus, 31 U 84/18g, vom 03.12.2018 (OZ 5).
Die Angaben zu seinen Lebensverhältnissen und jenen seiner Familie im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen gleichbleibend erstattet.
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers beruhen auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers, die auch die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte. Dass Kontakt zu den Angehörigen besteht, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.11.2019 bestätigt (OZ 10, S. 8). Zu den Lebensverhältnissen der Angehörigen im Iran konnte der Beschwerdeführer zudem nachvollziehbare Angaben machen und beantwortete er die diesbezüglichen Fragen spontan und ohne zu zögern. Daher geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Ausreise der Kernfamilie – insbesondere auch unter Berücksichtigung der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz (siehe hierzu noch unter 2.3.) glaubhaft sind.
Zu seinen Kurs- und Workshopbesuchen hat der Beschwerdeführer Teilnahmebestätigungen vorgelegt (AS 335, 337, 345-349, Beilagen zu OZ 9). Zum Schulbesuch liegen Schulbesuchsbestätigungen im Akt ein (AS 339-343, AS 359), zudem einige Fotos zur Teilnahme des Beschwerdeführers an Projekten. Zu seinen Sprachkenntnissen hat der Beschwerdeführer ein ÖSD-Zertifikat vorgelegt (AS 333). Die Gewerbeanmeldung hat der Beschwerdeführer vorgelegt (OZ 7).
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen teilt das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis die Einschätzung der belangten Behörde, dass dieses nicht glaubhaft ist. Zwar berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht in seiner Muttersprache schildern konnte, was zweifellos Einfluss auf die Lebendigkeit und Dichte seines Vorbringens hat. Allerdings erweist sich das Vorbringen insbesondere vor dem Hintergrund der Länderberichte als nicht plausibel.
Zwar berichten die vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.07.2020 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachten UNHCR Richtlinien zur Feststellung des Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge UNHCR-Richtlinien), dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über Territorium und Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang zur Rekrutierung anwenden. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, seien gefährdet, getötet oder bestraft zu werden. Auch Kinder bzw. Minderjährige würden rekrutiert (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59-60). Auch die EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) – vom Bundesverwaltungsgericht ebenso mit Schreiben vom 23.07.2020 (OZ 14) in das Verfahren eingebracht – berichtet, dass es zu Zwangsrekrutierungen durch unter anderem die Taliban kommt, betont allerdings, dass es den Taliban grundsätzlich nicht an freiwilligen Kämpfern mangelt und sie nur unter außergewöhnlichen Umständen auf Zwangsrekrutierung zurückgreifen würden. So würden sie etwa Personen mit militärischem Hintergrund rekrutieren, wie etwa Mitglieder ANSF oder im Fall akuter Anspannung. Druck, sich den Taliban anzuschließen, sei nicht immer gewaltsam, sondern würde durch die Familie, den Klan oder religiöse Netzwerke ausgeübt und von den lokalen Gegebenheiten abhängen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 6. Individuals at risk of forced recruitment by armed groups, insbesondere Buchstabe a. Forced recruitment by the Taliban, S. 53-54). Damit ist zwar oberflächlich betrachtet plausibel, dass der Beschwerdeführer von Seiten seines Onkels Druck erfährt, sich den Taliban anzuschließen. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erweist sich jedoch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, sowie auf Grundlage von Berichten mit höherem Detailgrad als unplausibel.
Zunächst gehören der Beschwerdeführer und seine Familie einer ethnischen Minderheit an und ist dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.07.2020 (OZ 14) in das Verfahren eingebrachten EASO COI Report Afghanistan: Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von September 2016 entnehmen, dass die Taliban sich zwar nicht als paschtunische nationalistische Bewegung begreifen, dass jedoch die überwiegende Mehrheit der Taliban-Rekruten Paschtunen sind. Die Rekrutierung von Angehörigen anderer Ethnien sei möglich, komme aber kaum vor, auch wenn die Taliban zunehmend aus allen ethnischen Gruppen rekrutieren würden und dieser Anteil größer sei, als früher. Die Rekrutierung hänge von der lokalen Dynamik des Konfliktes ab (Kapitel 1.3 Zugehörigkeit zu Ethnien und Stämmen, S. 18-19). Im Hinblick auf die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass Tadschiken, Paschtunen und Nuristani die größten ethnischen Gruppen in der Provinz sind, wobei die Tadschiken hauptsächlich im nördlichen Teil der Provinz leben (Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.16. Kapisa). Für „ XXXX “ lässt sich der Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation: Afghanistan, Sprache Parachi von 19.02.2018 entnehmen, dass dort etwa 1.500 Sprecher der Sprache ansässig sind (AS 179). Im Hinblick darauf erscheint wenig plausibel, dass die Taliban zur regionalen Verankerung in der Herkunftsprovinz auf die Unterstützung der Parachi angewiesen sind und legt der Beschwerdeführer auch keine spezifischen Umstände dar, die vermuten lassen würden, dass die Taliban im konkreten Fall von ihrem oben beschriebenen üblichen Verhalten – nämlich der Rekrutierung von Paschtunen – abweichen würden.
Damit ist zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der Onkel des Beschwerdeführers von den Taliban rekrutiert würde und als aktiver Kämpfer in ihrem Dienst steht, obwohl er Parachi ist. Allerdings ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer selbst in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 06.04.2018 angegeben hat, sein Onkel sei etwa 70 Jahre alt (AS 319). Damit ist der Onkel des Beschwerdeführers eindeutig nicht im wehrfähigen Alter und scheint die bewaffnete Beteiligung des Onkels an aktiven Kampfhandlungen im Feld mit der Waffe in der Hand – so wie sie der Beschwerdeführer darstellt (OZ 9, S. 10) – nicht plausibel. Insbesondere geht auch aus dem EASO COI Report: Afghanistan – Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen von September 2016 insgesamt hervor, dass von der Rekrutierung junge Männer betroffen sind. So konnte der Beschwerdeführer bereits nicht glaubhaft machen, dass sein Onkel Mitglied der Taliban ist.
Außerdem ist die Schilderung des Beschwerdeführers in sich nicht konsistent. So gab er im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.11.2019 an, der Onkel habe ihn, nachdem der Vater von der Polizei verprügelt worden war und wegen der Verletzungen im Bett gelegen sei zu ihm gesagt, „du musst diese Waffe nehmen und musst in den Heiligen Krieg mit uns gehen.“ (OZ 9, S 9). Weiter schildert der Beschwerdeführer, er habe die Waffe nicht genommen und sich einige Tage versteckt. Vor der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer auch angegeben, der Onkel habe ihn bedroht (AS 323) und gibt auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht befragt, was der Onkel mache, an, er werde umgebracht (OZ 9, S. 10). Damit steht jedoch nicht in Einklang, dass der Onkel des Beschwerdeführers – obgleich sich der Beschwerdeführer vor dem Onkel versteckt haben will – im Zeitpunkt, als der Krieg begonnen haben soll, beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen und vom Beschwerdeführer zur Tür gebracht worden sein soll (OZ 9, S 10). Auch gibt der Beschwerdeführer an, er sei hierbei von anderen Dorfbewohnern gesehen worden, weil er mit dem Onkel und dem Sohn, als er sie zur Tür gebracht habe, auch hinausgegangen und deshalb werde ihm unterstellt, er habe ebenso an den Kämpfen teilgenommen.
Insgesamt ist die Schilderung des Beschwerdeführers damit weder im Hinblick auf die behauptete vom Onkel ausgehende Bedrohung, noch im Hinblick auf die behauptete Bedrohung wegen einer ihm unterstellten Zugehörigkeit zu den Taliban schlüssig.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.16. Kapisa, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan, Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.17. Kapisa, S. 175 ff.). Im Hinblick auf XXXX berichtet das Länderinformationsblatt, es sei im März 2019 von den Taliban erobert worden (Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.16. Kapisa). Auf dieser Berichtslage hinsichtlich der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz und insbesondere im Herkunftsdistrikt beruht auch die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in die Herkunftsprovinz die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen oder durch Übergriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie im Herkunftsstaat beruhen auf der Kurzinformation der Staatendokumentation, COVID-19 Afghanistan; Stand: 21.7.2020.
Die Feststellungen zur Wirtschafts- und Versorgungslage beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung. Dort wird auch berichtet, dass es finanzielle oder sonstige Unterstützung in Afghanistan nicht existiert.
Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig und verfügt über im Herkunftsstaat erworbene Berufserfahrung als Autowäscher und in der Landwirtschaft. Außerdem hat er im Bundesgebiet die Schule besucht. Zudem gehört er als Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zur im Herkunftsstaat mit 80 bis 89,7 % der Gesamtbevölkerung mehrheitlich vertretenen Religionsgemeinschaft (Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit). An körperlichen Vorerkrankungen leidet der Beschwerdeführer nicht, weswegen er hinsichtlich COVID-19 nicht zur Risikogruppe gehört.
Allerdings verfügt der Beschwerdeführer lediglich über geringe Kenntnisse in den Sprachen Dari und Paschtu. Im Hinblick auf die Städte Herat, Kabul und Mazar-e Sharif wird berichtet, es seien unterschiedliche Ethnien präsent und Kenntnisse der Sprachen Dari oder Paschtu würden im Allgemeinen ausreichen, dann würde der sprachliche Hintergrund kein entscheidender Faktor sein. Damit wäre der Beschwerdeführer im Fall einer dortigen Niederlassung mit Verständigungsschwierigkeiten konfrontiert, bis er seine Kenntnisse in zumindest einer der beiden Sprachen hinreichend ausbauen kann und würde hierdurch zweifellos bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft behindert.
Zudem verfügt der Beschwerdeführer in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über Familienangehörige oder sonstige soziale Anknüpfungspunkte. Damit verfügt der Beschwerdeführer nicht über ein soziales Netzwerk, dass dem Länderinformationsblatt zufolge für das Überleben in Afghanistan wichtig und für Rückkehrer bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan besonders ausschlaggebend ist. Insbesondere stelle ein Mangel an Netzwerken eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar (Kapitel 22. Rückkehr). Auch EASO schätzt ein Unterstützungsnetzwerk per se als essentiell für die Ansiedelung ein (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Reasonableness to settle, Unterabschnitt Individual circumstances, S. 136). Aktuell ist das wirtschaftliche Leben in den drei Städten zudem bedingt durch Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eingeschränkt, insbesondere Tagelöhner sind hiervon betroffen. Der ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) von 05.06.2020 zufolge gibt es aufgrund der landesweiten COVID-19-Beschränkungen weniger Gelegenheitsarbeit. Dies treffe insbesondere den informellen Arbeitsmarkt, auf den ein großer Teil der afghanischen Arbeitskräfte angewiesen sei. Bei Arbeitsmangel biete dieser kein Sicherheitsnetz. Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in der Lage ist, Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, erscheint unter diesen Bedingungen – insbesondere nachdem Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten, als formelle Qualifikation (Kapitel 20. Grundversorgung, Abschnitt Arbeitsmarkt), über die der Beschwerdeführer im Übrigen nicht verfügt – als nicht wahrscheinlich. Zudem ist dem Bericht, Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener von Friederike Stahlmann vom 27.03.2020 zu entnehmen, dass insbesondere Rückkehrer stigmatisiert werden, weil sie primär für die Gefahr durch Corona verantwortlich gemacht werden. Das Stigma, Seuchenüberträger zu sein, treffe auch aus Europa Eingereiste (S. 2). Dadurch würde die Niederlassung des Beschwerdeführers zusätzlich erschwert und die Suche des Beschwerdeführers nach Arbeit und Unterkunft zweifellos weiter behindert.
Angesichts dessen, dass Hotels, Teehäuser und vergleichbare Einrichtungen geschlossen sind, es auch keine staatliche Unterbringung von Rückkehrer gibt (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr) wäre der Beschwerdeführer, nachdem er in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht über soziale Anknüpfungspunkte verfügt, durch die ihm allenfalls Unterkunft gewährt werden könnte, im Fall der Rückkehr unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht.
Hinsichtlich einer allfälligen Unterstützung durch die Familie ist anzumerken, dass diese unter den aktuellen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht hinreichend gesichert erscheint. So ist dem Bericht ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) vom 05.06.2020 zu entnehmen, dass teilweise zahlreiche Geschäfte und Büros geschlossen wurden. Auch dem Länderinformationsblatt ist zu entnehmen, dass unter anderem geschäftliche Aktivitäten eingeschränkt sind. Damit scheint eine Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine im Iran aufhältigen Angehörigen nicht gesichert, wobei mit Blick auf deren Lebensverhältnisse auch nicht gesichert erscheint, dass diese den Beschwerdeführer längerfristig unterstützen können. Staatliche Unterstützung existiert dagegen nicht und wird hinsichtlich Rückkehrunterstützung berichtet, dass ein koordinierter Mechanismus nicht existiert. Insbesondere wird Rückkehrhilfe nur temporär und kurzfristig gewährt und funktioniert eine allfällige Anschlussunterstützung nicht lückenlos (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr).
Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt), Mazar-e Sharif oder Kabul (Stadt) nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen zu bestreiten und seine Lebensgrundlage zu erwirtschaften und insbesondere, dass es ihm nicht möglich wäre, Fuß zu fassen und er Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Unterkunft und Kleidung nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.1. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen Zwangsrekrutierung
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof differenziert in ständiger Judikatur zwischen der per se nicht asylrelevanten Zwangsrekrutierung durch eine Bürgerkriegspartei von der Verfolgung, die an die tatsächliche oder unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Zwangsrekrutierung kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist daher, mit welcher Reaktion durch die Milizen aufgrund einer Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, gerechten werden muss und ob in ihrem Verhalten eine (unterstellte) politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (19.04.2016, VwGH Ra 2015/01/0079 mwN).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen, dass er von seinem Onkel aufgefordert wurde, für die Taliban zu kämpfen, noch, dass ihm im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe bis hin zur Tötung von Seiten des Onkels drohen, weil er sich geweigert hat, für die Taliban zu kämpfen. Damit konnte er für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verfolgungsgefahr im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht glaubhaft machen.
3.1.2. Zur behaupteten Strafverfolgung wegen unterstellter Zugehörigkeit zu den Taliban
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der staatlichen Strafverfolgung im Allgemeinen keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn zu erblicken. Unter bestimmten Umständen, nämlich dann, wenn die strafrechtliche Verfolgung auf ein nationalen Normen zuwiderlaufendes Verhalten des Betroffenen im Einzelfall, das etwa auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht, abzielt und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Es kommt somit auf die angewendeten Rechtsvorschriften, die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an (VwGH, 20.12.2016, Ra 2016/01/0126 mwN).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm von Seiten der afghanischen Sicherheitskräfte oder der Dorfbewohner unterstellt wurde, für die Taliban zu kämpfen. Damit hat der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit staatlicher Strafverfolgung wegen einer ihm unterstellten Mitgliedschaft bei den Taliban zu rechnen und erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Verhältnismäßigkeit von in diesem Fall drohenden Sanktionen.
Im Ergebnis war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides sohin spruchgemäß abzuweisen.
3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein – im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen – höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bezogen auf den Einzelfall nicht gedeckt werden können. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des EGMR ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingte Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Es muss viel mehr detailliert und konkret dargelegt werden, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
Ebenso ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab des Art. 3 MRK anerkannt, dass es unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR Ausnahmefälle geben kann, in denen durch eine schwere Erkrankung bzw. einen fehlenden tatsächlichen Zugang zur erforderlichen Behandlung im Herkunftsstaat die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
3.3.1. Zur Rückkehr in die Herkunftsprovinz
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt besteht im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Herkunftsprovinz die Gefahr, dass dieser im Zuge von Kampfhandlungen zwischen Aufständischen und Regierungsstreitkräften oder durch Übergriffe Aufständischer misshandelt oder verletzt wird bzw. zu Tode zu kommt.
Demnach droht dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur.
3.3.2. Zur Nichtverfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemä