TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/8 96/21/0413

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Veröffentlicht am 08.10.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §8;
AsylG 1991 §9 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der (am 17. Dezember 1972 geborenen) AM, vertreten durch Mag. Ursula Eichler, Rechtsanwalt in Linz, Goethestraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Dezember 1995, Zl. St 428/95, betreffend Ausweisung und Feststellung gemäß § 54 FrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der russischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG ausgewiesen (I.); weiters wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß die Beschwerdeführerin in der russischen Föderation gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei (Spruchpunkt II.).

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, daß die Beschwerdeführerin am 24. August 1995 in einem LKW versteckt unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist sei. Am 29. August 1995 habe sie einen Asylantrag gestellt, zu diesem Zeitpunkt sei daher die Beschwerdeführerin im Sinne des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG "betreten" worden. Der Beschwerdeführerin komme eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zu, weil sie nicht direkt aus dem Staat, in dem sie behaupte, Verfolgungen befürchten zu müssen, eingereist sei.

Den Angaben der Beschwerdeführerin sei zu entnehmen, daß sie lediglich befürchte, in ihrem Heimatstaat der Verfolgung durch Rebellengruppen (Widerstandskämpfer) der Tschetschenen ausgesetzt zu sein. Eine Gefährdung/Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG von seiten des Heimatstaates der Beschwerdeführerin werde von ihr nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin habe auch bestätigt, daß der Bürgerkrieg in ihrem Heimatland bereits beendet sei. Die von Rebellengruppen ausgehenden Gefahren könnten nicht als solche im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG angesehen werden. Wenn die Beschwerdeführerin anführe, daß ihr Heimatstaat nicht in der Lage sei, sie vor Übergriffen der Rebellengruppen zu schützen, so sei ihr entgegenzuhalten, daß sie die russischen Behörden nicht einmal um Hilfe ersucht habe. Daß diese der Beschwerdeführerin keinen Schutz bieten könnten, sei lediglich eine Vermutung. Bei der Prüfung nach § 54 Abs. 1 FrG gehe es nicht um die Abschiebung in ein bestimmtes Gebiet des Heimatstaates des Fremden, sondern um den Heimatstaat in seiner Gesamtheit. Daß die Beschwerdeführerin in diesem "Gesamtstaat" einer Gefährdung unterliege, behaupte sie selbst nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in ihr Heimatland sowie auf Unzulässigkeit der Ausweisung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung, daß die Beschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt ist, unbestritten. Auf dem Boden dieser Sachverhaltsannahme ist der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG unbedenklich.

Die Beschwerdeführerin erblickt eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, daß die belangte Behörde ihr Vorbringen unbeachtet gelassen habe und weder die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens noch die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen angebe.

Die Beschwerdeführerin ist hiezu darauf hinzuweisen, daß die erfolgreiche Geltendmachung eines Verfahrensmangels die ausdrückliche Dartuung der Relevanz desselben voraussetzt. Solche Angaben enthält die Beschwerde allerdings nicht.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, daß sie das erstemal in Österreich (aus dem LKW) habe aussteigen können und somit Österreich das erste Land sei, das sie nach ihrer Ausreise aus ihrem Heimatstaat betreten habe, ist ihr die auf ihren Angaben beruhende Darstellung entgegenzuhalten, wonach sie während der gesamten Reisebewegung nach Österreich den LKW lediglich einmal verlassen habe, ihn aber auch theoretisch in anderen durchreisten Staaten hätte verlassen können. Daß diese ihre Angabe unrichtig sei, wird nicht ausdrücklich behauptet. Wenn daher die belangte Behörde den Angaben der Beschwerdeführerin folgte, kann dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden Überprüfung der Beweiswürdigung nicht als unschlüssig erkannt werden. Die Beschwerdeführerin hat sich nach ihren Angaben durch lautes Schreien und Klopfen gegenüber dem LKW-Lenker bemerkbar gemacht und habe sie dieser aussteigen lassen. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht behauptet, daß ein solches Bemerkbarmachen zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort der Reise keinen Erfolg gehabt hätte.

Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde habe nicht begründet, daß die Außerlandesschaffung der Beschwerdeführerin im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten sei. Vertrete man den Standpunkt der Behörde, so wäre jedenfalls jeder Asylwerber sofort auszuweisen. Sie habe rechtzeitig einen Asylantrag gestellt, der Antrag sei in erster Instanz abgewiesen worden, die aufschiebende Wirkung der Berufung sei nicht ausgeschlossen worden, die Berufung sei fristgerecht erhoben worden und das Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet, sodaß ihr jedenfalls gemäß § 7 Asylgesetz 1991 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme.

Auch mit diesem Vorbringen kann die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind die Bestimmungen des § 17 FrG auf Fremde anwendbar, denen Asyl nicht gewährt wurde, keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 bewilligt wurde und denen keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Asylgesetz 1991 zukommt. Die Auffassung im angefochtenen Bescheid, daß der Beschwerdeführerin eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt - die beiden anderen Alternativen kommen sachverhaltsmäßig nicht in Betracht -, ist unbedenklich; nach den unbestrittenen Feststellungen gelangte die Beschwerdeführerin weder "direkt" aus einem Gebiet, wo ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne des Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention bedroht war (Art. 31 Z. 1 der Konvention), noch "direkt" aus dem Staat, in dem sie behauptete, insoweit Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991), nach Österreich; ferner liegt auch kein Anhaltspunkt für die Annahme vor, sie hätte gemäß § 37 FrG wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem sie direkt einreiste, zurückgewiesen werden dürfen und es wäre ihr die Einreise gestattet worden oder zu gestatten gewesen (§ 6 Abs. 2 zweiter Fall Aslygesetz 1991). Ein allenfalls fristgerechter Asylantrag allein konnte daher der Beschwerdeführerin keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verschaffen.

Bei der Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG hat die Behörde Ermessen zu üben. Diese Ermessensübung hat sich davon leiten zu lassen, von welchem Gewicht die Störung der öffentlichen Ordnung ist. Andere Umstände hat die Behörde hiebei nicht zu berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1208). Bereits aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG ist die Ausweisung unter Berücksichtigung des hohen Stellenwertes, der den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten zukommt, gerechtfertigt. Die im Grunde des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG verfügte Ausweisung der unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereisten Beschwerdeführerin, die nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten auch über kein gültiges Reisedokument und über keine Aufenthaltsberechtigung verfügt, ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde meint, die belangte Behörde habe den Antrag der Beschwerdeführerin nach § 54 FrG rechtlich falsch beurteilt. Es sei zwar richtig, daß die Verfolgung der Beschwerdeführerin nicht unmittelbar von der russischen Regierung ausgegangen sei. Es sei jedoch bekannt, daß ein starker Konflikt zwischen den tschetschenischen und russischen Truppen herrsche und die Beschwerdeführerin einen Schutz seitens der russischen Regierung nicht zu erwarten habe. Die russische Regierung sei nicht in der Lage, die Bevölkerung vor den Attacken zu schützen. Fest stehe jedenfalls, daß der Heimatstaat der Beschwerdeführerin überhaupt nicht gewillt und auch nicht in der Lage sei, ihr Schutz zu bieten.

Auch mit diesen allgemein gehaltenen Behauptungen und Vermutungen kann die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder von diesem infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation von ihm mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zl. 97/21/0242). Die belangte Behörde hat ihrer Beurteilung die Angaben der Beschwerdeführerin zugrundegelegt und daraus auf das Nichtvorliegen stichhaltiger Gründe für die Annahme einer in den Abs. 1 und 2 des § 37 FrG umschriebenen, sie treffenden Gefahr bzw. Bedrohung geschlossen. Die Annahme der Behörde, daß vorliegend eine Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG von der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht worden sei, begegnet keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die stichhaltigen Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG auf das gesamte Gebiet des genannten Staates beziehen müssen, um eine Bedrohung im vorerwähnten Sinn in dem vom Antrag erfaßten Staat glaubhaft machen zu können (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 97/21/0242). Daß dies bei ihr der Fall wäre, hat die Beschwerdeführerin aber nicht einmal behauptet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210413.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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