TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/6 W247 1304006-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

06.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W247 1304006-7/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VI. bis VIII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl vom 22.06.2018, Zl. XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 8 Abs. 4, 9, 10 Abs. 1 Z 5, 57 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, idgF., iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., sowie §§ 52 Abs. 2 Z 4, 53 Abs. 1 iVm Abs. 3, 55 Abs. 1 bis Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) ist russischer Staatsangehöriger und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig.

I. Verfahrensgang:

1.1. Der BF reiste am 13.06.2006 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach zweimaliger Zurückweisung des Antrags durch das ehemalige Bundesasylamt - ohne in die Sache einzutreten, weil der BF bereits zuvor einen Antrag auf internationalen Schutz in Polen gestellt hatte, - und jeweiliger Behebung der Bescheide durch den ehemaligen Unabhängigen Bundesasylsenat, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesasylamts vom 24.07.2007, ZI. XXXX abgewiesen.

1.2. Mit Bescheid des ehemaligen Unabhängigen Bundesasylsenats vom 26.03.2008, ZI XXXX , wurde die Berufung des BF vom 01.08.2007 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.03.2009 erteilt (Spruchpunkt III.). Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde damit begründet, dass angesichts der Sicherheitslage in Tschetschenien ein Refoulement des BF unzulässig sei und keine zumutbare Fluchtalternative zur Verfügung stehe, insbesondere weil dem BF Anknüpfungspunkte in andere Teile der Russische Föderation und ausreichende berufliche Qualifikationen fehlen würden. Hinsichtlich Spruchpunkt II. und III. erwuchs der Bescheid mit 02.04.2008 in Rechtskraft. Spruchpunkt I. erwuchs nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde des Verwaltungsgerichtshofes mit Beschluss vom 30.06.2009 in Rechtskraft.

1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom 31.08.2011, ZI. XXXX wurde dem BF gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 entzogen (Spruchpunkt II.) und er gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Bescheidbegründend wurde ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage in Tschetschenien nachhaltig geändert habe, insbesondere stelle sie sich seit 2009 besser dar, als vergleichsweise in den Jahren vor 2003. Außerdem bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der BF im Falle seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation einer Gefahr iSd § 8 AsylG ausgesetzt wäre.

Aufgrund der fristgerechten Bescheidbeschwerde des BF vom 14.09.2011 wurde der Bescheid des Bundesasylamts vom 31.8.2011 mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 25.04.2014, XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das nunmehrige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das BFA an die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 26.03.2008 gebunden sei und eine Verbesserung der Sicherheitslage, die vor diesem Zeitpunkt stattgefunden hat, nicht zur Begründung der Aberkennung des subsidiären Schutzes heranziehen könne. Das BVwG gehe daher von einem mangelhaften Ermittlungsverfahren aus.

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12.04.2016 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF zuletzt bis zum 03.04.2018 verlängert.

1.4. Der BF brachte am 28.02.2018 einen Antrag auf erneute Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung ein und wurde in Folge vom BFA, nach Straffälligkeit im Bundesgebiet, ein Aberkennungsverfahren eingeleitet.

1.5. Anlässlich der Prüfung seines Aberkennungsverfahrens wurde der BF am 14.03.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und von der Prüfung eines Aberkennungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Im Zuge dessen gab er an, in Österreich noch seine Frau und seine Kinder zu haben, die auch subsidiär schutzberechtigt seien. Außerdem habe er noch seine Brüder und seiner Mutter in Österreich, wobei zu seinen Brüdern kein Kontakt mehr bestünde. Des Weiteren habe er Freunde und Bekannte in Österreich. In Österreich habe er einen Staplerkurs, sowie Deutschkurse absolviert und Saisonarbeit geleistet. Er leide an Hämorrhoiden, weshalb er Medikamente nehme und habe Probleme mit dem Herzen, weshalb er jedes Jahr untersucht werde. In der Russischen Föderation lebe noch sein Vater, zu dem er jedoch keinen Kontakt habe. Im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation fürchte er, getötet zu werden. Es gäbe außerdem das Problem mit seiner Familie. Auch ein Leben in Österreich sei für den BF gefährlich, weil die Gefahr von seinen Brüdern ausgehe. Er hätte gerne die österreichische Staatsbürgerschaft und würde gern hier arbeiten und leben. Seine Brüder und Mutter würden ihm das jedoch verbieten wollen.

1.7. Mit angefochtenem Bescheid vom 22.06.2018. Zl. XXXX , wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.), kein Aufenthaltstitel nach § 57 erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), die Abschiebung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG iVm § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt V.), eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI.), der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt VII.) und ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Im Rahmen der Entscheidungsbegründung wurde durch die belangte Behörde insbesondere angeführt, dass der Beschwerdeführer vom LG für Strafsachen XXXX wegen eines Verbrechens, nämlich der absichtlichen schweren Körperverletzung, verurteilt wurde und ihm daher der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei. Er stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dar. Sein Verhalten entspreche in keiner Weise dem Grundinteresse der österreichischen Bevölkerung auf Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Der BF verfüge weder über eine berufliche, noch soziale Verfestigung in Österreich und sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung trotz privater und familiärer, jedoch nicht schützenswerter Anknüpfungspunkte, gerechtfertigt. Aufgrund seiner Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren erscheint im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von 3 Jahren gerechtfertigt und notwendig.

1.8. Mit Verfahrensanordnung vom 22.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Verfügung gestellt.

1.9. Gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, richtete sich gegenständliche fristgerechte, am 17.07.2018 eingebrachte Beschwerde. Mit gegenständlicher Beschwerde wurde der Bescheid des BFA mit Ausnahme des Spruchpunkt V. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten. Nach Ansicht des BF lägen die Voraussetzung für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vor. Die belangte Behörde begründe die Aberkennung des subsidiären Schutzes mit der strafrechtlichen Verurteilung des BF. Richtig sei, dass er strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, er sei jedoch unbescholten und habe Verantwortung für seine Tat übernommen. Darüber hinaus sei er in Österreich hervorragend integriert, spreche sehr gut Deutsch und sei bis zu seiner Verhaftung einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Beschwerdeseitig wurde beantragt 1.) den Bescheid zu beheben und dem BF subsidiären Schutz zu gewähren, 2.) in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die 1. Instanz zurückzuverweisen, 3.) in eventu dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und 4. eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Spruchpunkt V. des Bescheides erwuchs in Folge dessen am 27.07.2018 in Rechtskraft.

1.10. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2018 langte am 23.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages des BF auf internationalen Schutz vom 13.06.2006, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.03.2018, der Beschwerde vom 17.07.2018 gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, sowie der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, die Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremden- und Grundversorgungs-Informationssystem, dem AJ-Web, die beschwerdeseitig vorgelegten Unterlagen, dem Strafregister der Republik Österreich, sowie den beiden Strafurteilen und dem psychiatrischen Gutachten des Univ. Doz. Dr. XXXX vom 28.06.2019, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und gehört der Volksgruppe der Tschetschenen und dem muslimischen Glauben an. Er spricht Tschetschenisch als Muttersprache, Russisch und Deutsch.

Der BF ist mit XXXX verheiratet und hat mit ihr 6 gemeinsame Kinder im Alter zwischen 14 und 3 Jahren. Sowohl seiner Ehefrau, als auch den gemeinsamen Kindern, wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten bereits rechtskräftig aberkannt und ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilt.

Spätestens am 13.06.2006 ist der BF in Begleitung seiner Ehegattin, XXXX , seiner Tochter, XXXX und seinem Bruder XXXX nach Österreich eingereist und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 26.03.2008, GZ: XXXX , kam ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde damit begründet, dass angesichts der Sicherheitslage in Tschetschenien ein Refoulement des BF unzulässig sei und keine zumutbare Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

Der Beschwerdeführer besuchte 10 Jahre die Schule und hat in der Russischen Föderation als Verkäufer und Bauarbeiter gearbeitet. Er verfügt in seinem Herkunftsstaat noch über Verwandte in der Person seines Vaters, mit dem er derzeit jedoch keinen Kontakt hat. In Österreich hat der BF seine Ehegattin und deren 6 gemeinsame Kinder, zu ihnen besteht Kontakt. Außerdem leben noch seine Mutter und zumindest 4 Brüder des BF in Österreich. Zu seinen Brüdern hat der BF keinen Kontakt mehr. Zwischen dem BF und seinen in Österreich lebenden Verwandten besteht kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Abgesehen von seiner in Österreich lebenden Ehegattin und seinen 6 Kindern sind im Verfahren keine Hinweise auf nennenswerte soziale, gesellschaftliche oder berufliche Anknüpfungspunkte des BF in Österreich hervorgekommen. Der BF ist in Österreich lediglich kurzfristigen Gelegenheitsjobs nachgegangen. Die überwiegende Zeit hat er jedoch Sozialhilfen bezogen. Der BF hat einen Staplerkurs, sowie einen Computerkurs absolviert, sowie die Sprachdiplome A1 und A2 erworben und spricht gut Deutsch. Einer darüber hinausgehenden Aus-, Fort- oder Weiterbildung ist der BF im Bundesgebiet nicht nachgegangen. Der BF war weder vereinsmäßig, noch ehrenamtlich tätig.

Eine Selbsterhaltungsfähigkeit des BF liegt aktuell nicht vor.

Der BF laboriert an chronischen Hämorrhoiden und leidet an paranoider Schizophrenie, weshalb er auch Medikamente einnimmt. Er leidet jedoch an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen (im Endstadium) Krankheiten.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich straffällig, im Strafregister der Republik Österreich sind folgende Verurteilungen ersichtlich:

1) LG F. STRAFS. XXXX vom 13.12.2017 RK 05.04.2018

§ 87 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 26.11.2016

Freiheitsstrafe 3 Jahre

2) LG F. STRAFS. XXXX vom 21.08.2019 RK 21.08.2019

§ 107 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 10.10.2018

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Der ersten strafgerichtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass der BF gezielt drei Schüsse mit einer Faustfeuerwaffe auf seinen Bruder abgab, wobei er ihn mit einem Projektil am rechten Knie traf, wodurch sein Bruder eine Schusswunde am Knie erlitt.

Der BF hat sich somit des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung schuldig gemacht.

Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht als erschwerend den Umstand, dass der BF zur Tatbegehung eine Waffe eingesetzt und die Tat nach dem ersten Abschnitt des besonderen Teils gegen einen Angehörigen gesetzt hat, sowie als mildernd den Umstand, dass der BF bislang gerichtlich unbescholten war.

Der zweiten strafgerichtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass der BF einen Justizwachebeamten mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht hat, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zu ihm sagte, dass er ihn bei nächster Gelegenheit schlagen werde und ihn dazu aufforderte ein richtiger Mann zu sein und ihn zuerst zu schlagen, damit er (Anm.: der BF) ihn (Anm.: den Justizwachebeamten) fertig machen könne.

Der BF hat sich somit des Vergehens der gefährlichen Drohung schuldig gemacht.

Im Zuge der Strafbemessung erkannte das Gericht als erschwerend sein getrübtes Vorleben und als mildernd seine herabgesetzte Impulskontrolle.

Der BF befand sich seit dem 16.05.2017 in Haft, seit 26.03.2019 in der JA XXXX und verbüßte dort seine Haftstrafe bis zum 15.05.2020. Seit 08.06.2020 ist der BF bei seiner Ehegattin in Wien gemeldet.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt eine Gefährdung in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA, dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts und der Einsicht in die beiden strafgerichtlichen Urteile. Die Feststellungen zum Zeitraum der Strafhaft des BF, sowie seines Entlassungszeitraumes ergeben sich aus einer Haftauskunft der JA, sowie aus einem aktuellen Auszug des ZMR.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.3. Die Feststellungen zu Identität, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und sozialen, familiären bzw. privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen einerseits auf dessen insofern unbedenklichen Angaben vor dem BFA, sowie auf seinen in der Beschwerde gemachten Angaben, andererseits hat der Beschwerdeführer im Asylverfahren unbedenkliche Dokumente zu seiner Identität, nämlich einen russischen Inlandspass, vorgelegt. Seine Identität steht also fest. Dass der BF gut Deutsch spricht und Deutschkurse besucht hat, ergibt sich einerseits aus dem Umstand, dass seine Einvernahme vor dem BFA überwiegend auf Deutsch geführt werden konnte, sowie andererseits aus den vorgelegten bestandenen Sprachdiplomen A1 und A2 (ÖSD vom 16.03.2010 und vom 22.09.2010).

2.4. Der aufenthaltsrechtliche Status der Ehefrau und der Kinder des BF ergibt sich aus aktuellen IFA-Auszügen.

2.5. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF beruhen auf seinen Angaben im gegenständlichen Verfahren, sowie den vorliegenden medizinischen Unterlagen. Danach leidet er an chronischen Hämorrhoiden (S. 2 des BFA-Prot.). Daraus ergibt sich jedoch noch keine schwere oder gar lebensbedrohliche Erkrankung des Beschwerdeführers. Aus dem Verwaltungsakt des BF ist ersichtlich, dass ihm im Rahmen seines Asylverfahrens durch Befund von Dr. XXXX vom 30.06.2006 eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde, welche durch Gutachten von Dr. XXXX vom 25.01.2007 jedoch nicht bestätigt wurde. Nach ihrem Gutachten lag kein psychosewertiges Krankheitsbild vor. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 14.03.2018, gab der BF zwar an, an keinen psychischen Beeinträchtigungen zu leiden (S. 2 des BFA-Prot.), doch wurde im Zuge des Beweisverfahrens des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , seiner zweiten Verurteilung, ein psychiatrisches Gutachten, datiert mit 28.06.2019, von Univ. Doz. Dr. XXXX eingeholt, demzufolge der BF an paranoider Schizophrenie leidet. Nach diesem Gutachten sei seine Dispositionsfähigkeit aufgrund von Impulskontrollstörungen zum Zeitpunkt der zweiten Tat eingeschränkt, er jedoch zurechnungsfähig gewesen. Aus dem Gutachten ergibt sich des Weiteren, dass der BF medikamentös eingestellt ist. Dass der BF, wie von ihm vorgebracht, Probleme mit dem Herzen hat, konnte schlussendlich nicht festgestellt werden und wurden dazu auch beschwerdeseitig keinerlei Unterlagen vorgelegt. Nach Ansicht des Gutachters könne dies auch Ausfluss aus der Psychose sein, da diese angstgekoppelt seien und sich körperlich äußern können. Auch dabei handelt es sich weder um eine schwerwiegende, noch eine lebensbedrohliche Erkrankung des BF. Da das Gutachten nach Ansicht des Gerichts noch eine zeitliche Aktualität aufweist und der BF in der Folge für zurechnungsfähig befunden wurde, war die Einholung eines erneuten psychiatrischen Gutachtens zur Einholung des Gesundheitszustands des BF nicht erforderlich.

2.6. Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit und der Inanspruchnahme von Sozialhilfen des BF in Österreich ergeben sich aus seinen eigenen Angaben vor dem BFA, sowie Auszügen aus dem AJ-Web und dem GVS.

2.7. Die Feststellungen zum gesetzten, strafrechtswidrigen Verhalten und der daraus ableitbaren Gefährdungsprognose ergeben sich insbesondere aus dem Strafregister der Republik Österreich, sowie den Ausführungen der im Akt einliegenden und im angefochtenen Bescheid auszugsweise wiedergegebenen Urteilen des LG für Strafsachen XXXX und des LG für Strafsachen XXXX .

2.8. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A)

3.2. Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl)

3.2.1. §§ 8, 9 AsylG lauten auszugsweise:

Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1.         der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2.         dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) […]

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5)-(7) […]

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9 (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2.

er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3.

er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2.

der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3.

der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.

Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG hat die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits auf Grund der Verurteilung wegen eines Verbrechens nach § 17 StGB, also einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, die mit mindestens dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, zu erfolgen. Der Gesetzgeber stellt dabei ausschließlich auf die erfolgte Verurteilung und die Höhe der Strafdrohung ab.

Der VwGH hat jedoch in seiner Entscheidung vom 06.11.2018, Ra 2018/18/0295-15 festgestellt, dass vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH vom 13.09.2018, C-369/17, Ahmed, die bisherige Rechtsprechung, wonach bei Vorliegen einer entsprechenden rechtskräftigen Verurteilung zwingend und ohne Prüfkalkül der Asylbehörde eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 stattzufinden hat, nicht weiter aufrecht zu erhalten ist. Vielmehr ist bei der Anwendung des 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 - welcher nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie umsetzt - jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der EuGH dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. EuGH 13.09.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55) und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht.

Es ist daher zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens eine vollständige Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen und anhand dieser Würdigung anschließend zu beurteilen, ob dem BF deshalb der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen ist. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen.

Verwiesen wurde auch darauf, dass die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie (Ausschluss von der Gewährung subsidiären Schutzes, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat) eine Ausnahme von der in Art. 18 Statusrichtlinie aufgestellten allgemeinen Regel bildet und daher restriktiv auszulegen ist (siehe die zitierten Entscheidungen des EuGHRn 52, und VwGH, Rz 24).

Relevant ist nach der zitierten Rechtsprechung auch der EASO-Bericht „Ausschluss: Artikel 12 und Artikel 17 der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU)“ (siehe: https://www.easo.europa.eu/sites/default/files/Exclusion-Judicial-Analysis-DE.pdf),welcher empfiehlt, „dass die Schwere der Straftat, aufgrund deren eine Person vom subsidiären Schutz ausgeschlossen werden könne, anhand einer Vielzahl von Kriterien, wie u.a. der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage beurteilt werden solle, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftatangesehen werde“ (siehe die zitierten Entscheidungen des EuGH Rn 56, und VwGH Rz 23).

Als Beispiele schwerer Straftaten nennt der EASO-Leitfaden „Ausschluss“ etwa folgende Delikte (Pkt. 2.2.3.2. des Leitfadens):

?        Mord

?        Mordversuch

?        Vergewaltigung

?        bewaffneter Raub, Folter

?        gefährliche Körperverletzung

?        Menschenhandel

?        Entführung

?        schwere Brandstiftung

?        Drogenhandel und Verschwörung zum Zweck der Förderung terroristischer Gewalt

?        schwere Wirtschaftsverbrechen mit erheblichen Verlusten (z. B. Unterschlagung)

3.2.2. Der BF wurde unstrittig wegen der Begehung der Straftaten der gefährlichen Drohung und der absichtlichen schweren Körperverletzung, wobei Letztere nach der österreichischen Rechtsordnung ein Verbrechen ist, verurteilt. Die Verurteilung wegen eines Verbrechens stellt nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 dar, auch wenn dies nicht alleine dafür entscheidend ist, ob eine „schwere Straftat“ vorliegt, die im Ergebnis zur Aberkennung dieses Schutztitels führen darf.

Als Beispiel für schwere Straftaten ist im zitierten EASO-Leitfaden eine gefährliche Körperverletzung genannt. Das österreichische Strafrecht unterscheidet hingegen lediglich zwischen einer „bloßen“ Körperverletzung und einer schweren Körperverletzung, wobei der Strafrahmen bei der schweren Körperverletzung deutlich höher angesetzt ist, als bei der „einfachen“ Körperverletzung. Im Falle des BF betrug der angedrohte Strafrahmen einem bis zu zehn Jahren, demzufolge dieses Delikt nach den nationalen Vorschriften auch als Verbrechen – weil Freiheitsstrafandrohung mehr als drei Jahre – qualifiziert wird.

Des Weiteren ist festzuhalten, dass auch bereits aus dem Umstand der Kategorisierung des nationalen Gesetzgebers in die Tatbestände einer „Körperverletzung“ (§ 83 StGB) und einer „schweren Körperverletzung“ (§ 84 StGB) bzw. - wie in casu relevant - „absichtlichen schweren Körperverletzung“ (§ 87 StGB) geschlossen werden kann, dass es sich bei der „absichtlichen schweren Körperverletzung“ als Qualifikation zur „normalen“ Körperverletzung um eine „schwere Straftat“ handelt.

3.2.3. Insofern ist auch diese begangene Tat geeignet eine „schwere Straftat“ darzustellen, die zur Aberkennung eines Schutztitels führen kann. Bei der Beurteilung, ob es sich hierbei um eine „schwere Straftat“ iSd. EuGH Rechtsprechung handelt, schlagen zum Nachteil des BF die besondere Gefährlichkeit der Umstände der Tatbegehung, sowie ein vom BF zu Tage getretenes, mangelndes Unrechtsbewusstsein - seine Tat betreffend - aus. Der BF hat „auf engstem Raum einer Wohnung, in der sich neben dem Tatopfer auch eine Frau und mehrere Kleinkinder befanden, zumindest 3 Schüsse abgegeben, wobei der letzte Schuss sogar das Türblatt durchschlug, was ein besonderes Risiko für das Opfer und Unbeteiligte in sich birgt“ (Entscheidungsgründe des Urteils des LG für Strafsachen XXXX , Seite 6/7). Aus der Urteilsbegründung geht weiters hervor, dass sich der (nunmehrige) BF offenbar selbst mehr als Opfer der Situation gesehen hatte. Wie das LG für Strafsachen XXXX weiters ausführt, war dem BF bei dieser Straftat sicherlich eine gewisse Provokation durch seinen Bruder zugute zu halten, allerdings führte diese nicht dazu, dass der BF aus der momentanen Situation heraus seiner Wut und seiner gekränkten Ehre Luft machte, sondern dieser sein Vorgehen wohl überlegt hatte, sich eigens dafür eine Waffe besorgt hatte und offensichtlich auch aus dem niedrigen Beweggrund eines Rachebedürfnisses agierte. Wie sich der Urteilsbegründung weiters entnehmen lässt, äußerte der (nunmehrige) BF nach Urteilsfindung auch sein Unverständnis über die erfolgte Verurteilung, woraus sich eine mangelnde Einsicht des BF hinsichtlich des Unrechtsgehaltes seiner Handlungen schließen lässt.

Aus dem EASO-Leitfaden „Ausschluss“ (vgl. Pkt. 2.5. des Leitfadens) ergibt sich, dass auch das Verhalten der Person nach der Straftat zu prüfen und dann zu entscheiden ist, ob sie des Schutzes würdig ist. Aus dem Leitfaden ergibt sich Folgendes: „Unbeschadet früheren Fehlverhaltens kann das Verstreichen eines gewissen Zeitraums in Kombination mit Zeichen der Reue, Wiedergutmachung und Übernahme von Verantwortung für frühere Taten den Befund rechtfertigen, dass ein Ausschluss nicht länger gerechtfertigt ist.“

3.2.4. Die oa. Verurteilung hat in casu nicht etwa ein grundlegendes Umdenken des BF hinsichtlich seines Betragens im Bundesgebiet bewirkt, noch hat sich der BF durch eine längere Zeit des Wohlverhaltens etwa als geläutert erwiesen. Vielmehr kam es am 21.08.2019 zu einer weiteren strafrechtlichen Verurteilung des BF aufgrund einer gefährlichen Bedrohung eines Justizwachebeamten. Dem BF wurde hierbei im Zuge der Strafbemessung als erschwerend sein getrübtes Vorleben und als mildernd seine herabgesetzte Impulskontrolle angerechnet.

3.2.5. Insgesamt betrachtet hat der BF somit schlussendlich weder die Verantwortung für seine Straftaten übernommen, noch eine grundlegende Änderung seines kriminellen Verhaltens im Bundesgebiet vollzogen.

3.2.6. Der BF ist damit des internationalen Schutzes in Form des subsidiär Schutzberechtigten unwürdig. Die Aberkennung des subsidiären Schutzes durch die belangte Behörde in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erfolgte sohin zu Recht, weshalb die Beschwerde hinsichtlich dieses Spruchpunktes als unbegründet abzuweisen war.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Da mit der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 der Entzug der entsprechenden Aufenthaltsberechtigung verbunden ist, erging auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids zu Recht.

3.4. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird, weil dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.4.1. Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

3.4.2. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

3.4.3. Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

3.5.1. Die diesbezüglich maßgeblichen Rechtsgrundlagen stellen sich wie folgt dar:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 FPG nicht erteilt wird, mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

§ 52 FPG lautet auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung

§ 52 (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) – (8) [...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) [...]“

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet auszugsweise:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) […]“

3.5.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.5.3. Was einen allfälligen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers betrifft, lässt sich das Bundesverwaltungsgericht von nachstehenden Erwägungen leiten:

Vom Prüfungsumfang des Begriffs des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, die miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554).

In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Bei der Beurteilung der Frage, ob der BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (Vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

3.5.4. Im Bundesgebiet halten sich die Ehefrau des BF, seine 6 minderjährigen Kinder, sowie zumindest 4 seiner Brüder und seine Mutter auf. Bezüglich seiner Brüder gab er selbst an, zu ihnen keinen Kontakt zu haben, weshalb ein intensives Familienleben mit diesen nicht besteht. Mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern, lebte er im gemeinsamen Haushalt bis zu seiner Inhaftierung und seit seiner Haftentlassung am 15.05.2020, weshalb von einem Familienleben mit diesen auszugehen ist.

3.5.5. Zugunsten des BF ist zu werten, dass er sich seit seiner Antragstellung im Juni 2006, sohin über 14 Jahre, durchgehend im Bundesgebiet aufhält, gut Deutsch spricht, seine Einvernahme vor dem BFA konnte überwiegend auf Deutsch geführt werden und einen Freundeskreis aufgebaut hat. Vor dem Hintergrund seines langjährigen Aufenthalts sind seine Deutschkenntnisse jedoch noch nicht als außergewöhnlich zu qualifizieren. Zudem ist insbesondere das Familienleben des BF mit seiner Ehegattin und seinen 6 minderjährigen Kindern zu berücksichtigen, zumal bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auch auf die wechselseitigen Beziehungen eines Elternteils und seines Kindes sowie auf die im Entscheidungszeitpunkt konkret absehbaren zukünftigen Entwicklungen Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH vom 24.09.2019, Ra 2019/20/0420).

3.5.6. Zweifellos haben sowohl die Ehefrau des BF als auch deren Kinder ein berechtigtes Interesse an der Fortführung des Familienlebens, zumal ein gemeinsamer Haushalt besteht und insbesondere den minderjährigen Kindern des BF ermöglicht werden soll, die Beziehung zu ihrem Vater zu sichern. Das Familienleben des BF mit seiner Ehefrau und seinen Kindern war jedoch aufgrund seiner Haft von 16.05.2017 bis 15.05.2020 zumindest sehr stark eingeschränkt. Infolge seiner mehrjährigen zu verbüßenden H

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten