TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/6 I403 2222747-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2020
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Entscheidungsdatum

06.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2222747-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , StA. Guinea-Bissau, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.07.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Guinea-Bissau zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Guinea-Bissau, stellte am 24.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag stattfindenden Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie an, dass sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten, einem Italiener, Guinea-Bissau verlassen habe, da zu Hause Krieg herrsche. Sie sei aufgrund der von ihrem Lebensgefährten ausgehenden Gewalt von Italien nach Österreich geflohen. Hier habe sie einen neuen Freund, bei dem sie leben wolle. Befragt zu ihren Rückkehrbefürchtungen gab sie an, dass sie nicht zurückkönne, da sie in Guinea-Bissau keine Krankenversicherung habe. Sie müsse operiert werden, und deshalb wolle sie in Österreich bleiben.

Am 18.03.2019 fand eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA / belangte Behörde) statt, bei welcher die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Sie gab an, dass ihr in ihrer Heimat niemand habe helfen können. Sie habe keine Eltern und nicht gewusst, wie sie in Guinea-Bissau ohne Unterstützung hätte weiterleben können.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 23.07.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 als unbegründet ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Guinea-Bissau abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Guinea-Bissau zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI).

Dagegen wurde fristgerecht am 20.08.2019 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Es wurde beantragt, dass der Bescheid behoben und der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten, in eventu der subsidiär Schutzberechtigten, in eventu ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt wird. Zudem möge in eventu eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilt werden und wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt. Der Bescheid wurde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft und moniert, dass die belangte Behörde nicht geprüft habe, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um ein Opfer von Menschenhandel handle.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.08.2019 vorgelegt. Die für den 30.04.2020 anberaumte Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht musste aufgrund der COVID-19 Pandemie abberaumt werden. Am 02.07.2020 wurde eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der Beschwerdeführerin, ihrer Rechtsvertretung sowie einer Vertreterin der belangten Behörde abgehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Guinea-Bissau, gehört der Volksgruppe der Papel an und ist christlichen Glaubens.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin ist ledig und kinderlos.

Die Beschwerdeführerin ist eingeschränkt arbeitsfähig. Sie wurde aufgrund eines Sturzes aus dem vierten Stock operiert und orthopädisch behandelt. Durch diesen Unfall sind leichte Einschränkungen in ihrer Beweglichkeit gegeben, so hinkt sie etwa. Die Beschwerdeführerin leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Gebrechen.

Die Beschwerdeführerin verfügt über eine vierjährige Schulbildung und Arbeitserfahrung als Verkäuferin.

Die Beschwerdeführerin hat keine familiären Beziehungen in Österreich, führt aber eine Beziehung, jedoch ohne gemeinsamen Wohnsitz. Sie lebt in Österreich von der Grundversorgung und geht keiner geregelten Beschäftigung nach. Sie hat keine Deutschprüfung abgeschlossen und ist auch sonst in keiner Weise sprachlich, wirtschaftlich oder kulturell in Österreich integriert.

Die Beschwerdeführerin lebte in der Hauptstadt Bissau. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in der Heimat verfügt.

Die Beschwerdeführerin ist unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführerin wird in Guinea-Bissau nicht aufgrund der angeblichen Zugehörigkeit ihres Vaters zum Militär verfolgt. Sie war auch nicht Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel und wurde auch nicht in Italien von ihrem früheren Lebensgefährten gehangen gehalten.

1.3. Zur Rückkehrsituation:

Die Beschwerdeführerin würde bei einer Rückkehr nach Guinea-Bissau in eine existentielle Notlage geraten. Aufgrund der vorherrschenden wirtschaftlichen Lage (siehe dazu Punkt 1.4.) und der COVID-19 Pandemie ist nicht von einer raschen Besserung des wirtschaftlichen Wohlstands in Guinea Bissau auszugehen.

1.4. Zur Lage in Guinea-Bissau:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 9.1.2020: Oppositionsführer gewinnt Präsidentenwahl (betrifft: Abschnitt 2 /Politische Lage)

Der Oppositionsführer und ehemalige Premier Umaro Cissoko Embaló hat die Präsidentenwahlim westafrikanischen Guinea-Bissau für sich entschieden (BBC 1.1.2020; vgl. ET 1.1.2020). Deramtierende Präsident, José Mario Vaz, fiel bereits im November 2019 in der ersten Runde aus den Wahlen aus (AJ 27.11.2019; vgl. BBC 1.1.2020). Embaló trat als Kandidat der "Bewegung füreine Demokratische Alternative" - Movimento para Alternância Democrática - (MADEM-G15) an.Die Partei bildete sich, nachdem sich in der vergangenen Legislaturperiode eine Gruppe von 15Abgeordneten von der Mehrheitspartei PAIGC - Partido Africano da Independência da Guiné eCabo Verde - abspaltete. Als Angehöriger der Fulani-Ethnie, die mehrheitlich muslimischen Glaubens sind, spielt Cissoko immer wieder die religiöse Karte, was ihm in dem multiethnischen und multireligiösen Land große Kritik einbringt. Im Wahlkampf trat er immer wieder mit einer nicht landestypischen arabischen Kopfbedeckung auf, außerdem pflegt er enge Beziehungen zu arabischen und anderen mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern (DW 26.10.2019). Umaro Cissoko Embaló, ehemaliger General und Absolvent der Politikwissenschaft, war von November 2016 bis Jänner 2018 Premierminister unter José Mario Vaz (BBC 1.1.2020; vgl. JA1.1.2020). Der ehemalige Regierungschef Umaro Cissoko Embaló, gewann die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen. Laut offiziellen Angaben der Nationalen Wahlkommission (CNE) erhielt der 47-jäh-rige 53,55% der abgegebenen Stimmen, gegenüber 46,45% für Domingos Simões Pereira, der Parteivorsitzende der PAIGC (JA 1.1.2020; vgl. BBC 1.1.2020). Pereira sprach nach der Bekanntgabe der Ergebnisse von «Wahlbetrug» (NZZ 1.1.2020) und versprach das Ergebnis anzufechten (BBC 1.1.2020; vgl. JA 1.1.2020). Die Wahlbeteiligung lag bei 72,67% und war praktisch identisch mit der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen vom 24.11.2019 (DW 1.1.2020; vgl. JA 1.1.2020). In der ersten Runde, hatte der PAIGC-Vorsitzende Pereira mit 40,13% der Stimmen Vorsprung vor dem zweitplatzierten Um-aro Cissoko Embaló (AJ 27.11.2019; vgl. JA 1.1.2020). Allerdings warb Embaló, der General in Reserve, für sich als Mann der Einigung und konnte nach dem ersten Wahlgang im November2019, die Unterstützung der ausgeschiedenen Kandidaten, einschließlich Vaz, für sich gewinnen (DW 1.1.2020 ; vgl. ET 1.1.2020; JA 29.12.2019). Politische Wahlbeobachter bestätigen, dass die Wahlen unter fairen und transparenten Bedingungen stattgefunden haben. Der designierte Präsident Cissoko Embaló erklärt sich bereit, mit der Regierungspartei (PAIGC) zusammenzuarbeiten, um die politische Stabilität im Land wiederherzustellen (AN 4.1.2020).

Bei Parlamentswahlen im Frühjahr 2019 hat die Regierungspartei PAIGC die meisten Sitze erzielt- verfehlte aber die absolute Mehrheit. Es waren drei Parteien, die den Machtkampf unter sich austrugen: Die neue politische Formation "Madem G15" (Bewegung für eine demokratische Alternative) wird mit 27 Abgeordneten die zweitgrößte Fraktion stellen, gefolgt von der PRS (Partei der sozialen Erneuerung) mit 21 Abgeordneten. Beide hatten kurz vor der Ergebnisverkündung ein Bündnis geschlossen. Die PAIGC hatte ihrerseits eine Koalition mit kleineren Parteien gebildet, um regierungsfähig zu bleiben (DW 13.3.2019). Guinea-Bissau zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Zwei Drittel der 1,8 Millionen Einwohnerverfügen über weniger als zwei Dollar pro Tag (ET 1.1.2020; vgl. NZZ 1.1.2020). Embaló hat während seines Wahlkampfes versprochen das Land, in dem etwa 1,6 Millionen Menschen leben, zu modernisieren (BBC 1.1.2020). Guinea-Bissau gilt als "failed State". Seit Jahren ist das Land ein wichtiger Umschlagplatz für den internationalen Drogenhandel mit Europa. Die vielen vorgelagerten Inseln und die schwachen staatlichen Institutionen machen es zur Drehscheibe für korrupte Geschäfte mit Drogenbaronen aus Südamerika, an denen auch zahlreiche Politiker und Militärs aus Guinea-Bissau beteiligt sind. Der Staat hat seine elementarsten Aufgaben praktisch aufgegeben. Viele Schulen und Universitäten sind geschlossen, das öffentliche Gesundheitswesen liegt am Boden, das Justizsystem ist de facto kollabiert (DW 26.10.2019). Die Bürger in dem von Instabilität, Gewalt und Drogenhandel erschütterten westafrikanischen Staat hoffen auf eine Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Vaz' Präsidentschaft war von politischer Instabilität geprägt. Ein Jahr nach seinem Amtsantritt im Jahr 2014 entließ er den damaligen Regierungschef Pereira - in den darauffolgenden Jahren folgten zahlreiche weitere Entlassungen von Premierministern und Regierungsmitgliedern (DW 1.1.2020; vgl. NZZ 1.1.2020). Seit seiner Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1974 gab es in Guinea-Bissau vier Staatsstreiche, zahlreiche Politiker wurden getötet (AJ 27.11.2019; vgl. DW 1.1.2020; NZZ 1.1.2020). José Mario Vaz war das erste Staatsoberhaupt, das seine Amtszeit ohne Absetzung oder Ermordung vollzog (AJ 27.11.2019; vgl. BBC 1.1.2020; NZZ 1.1.2020). Seine Amtszeit war jedoch von politischen Auseinandersetzungen und weitverbreiteten Korruptionsvorwürfen geprägt. Sein Wahlkampfteam beschuldigte Rivalen des Wahlbetrugs, aber die ECOWAS lehnte die Behauptungen ab und warnte, dass eine Militärtruppe bereit sei, im Falle eines Putsches die Ordnung wiederherzustellen (BBC 1.1.2020). Der Chef des Verteidigungsstabs, General Biague Na Ntam, hat wiederholt erklärt, die Armee werde sich nicht in den Wahlprozess einmischen (JA 29.12.2019).

Quellen:

- AJ - Al Jazeera.com (27.11.2019): Guinea-Bissau election: Former PMs advance to runoff vote, https://www.aljazeera.com/news/2019/11/guinea-bissau-election-pms-advance-runoff-vote-191127112547293.html, Zugriff 7.1.2020

- AN - Africanews.com (4.1.2020): Fraud trails a presidential poll loss - this time, in Guinea-Bissau, https://www.africanews.com/2020/01/04/fraud-trails-a-presidential-poll-loss-this-time-in-guinea-bissau/, Zugriff 8.1.2020

- BBC - BBC News Africa (1.1.2020): Guinea-Bissau: Former PM Embalo wins presidential election, https://www.bbc.com/news/world-africa-50965779, Zugriff 7.1.2020

- DW - Deutsche Welle (1.1.2020): Oppositionsführer Embalo gewinnt Präsidentenwahl in Guinea-Bissau, https://www.dw.com/de/oppositionsf%C3%Bchrer-embalo-gewinnt-pr%C3%A4sidentenwahl-in-guinea-bissau/a-51852956?maca=de-rss-de-top-1016-rdf, Zugriff 7.1.2020

- DW - Deutsche Welle (26.10.2019): Chaostage in Guinea-Bissau: Präsidentschaftswahlen auf der Kippe, https://www.dw.com/de/chaostage-in-guinea-bissau-pr%C3%A4sidentschaftswahlen-auf-der-kippe/a-50990155, Zugriff 7.1.2020

- DW - Deutsche Welle (13.3.2019): Guinea-Bissau: Regierung ohne klare Mehrheit, https://www.dw.com/de/guinea-bissau-regierung-ohne-klare-mehrheit/a-47898831, Zugriff 8.1.2020

- ET - Epoch Times (1.1.2020): Oppositionsführer gewinnt Präsidentenwahl in Guinea-Bissau, https://www.epochtimes.de/politik/welt/oppositionsfuehrer-gewinnt-praesidentenwahl-in-guinea-bissau-a3113722.html, Zugriff 7.1.2020

- JA - Jeune Afrique (29.12.2019): Guinée-Bissau: les électeurs aux urnes pour une présidentielle à l’issue incertaine, https://www.jeuneafrique.com/875362/politique/guinee-bissau-les-electeurs-aux-urnes-pour-une-presidentielle-a-lissue-incertaine/, Zugriff 7.1.2020

- JA - Jeune Afrique (1.1.2020): Guinée-Bissau: Umaro Sissoco Embaló élu président avec 53,55%des voix, https://www.jeuneafrique.com/876453/politique/guinee-bissau-umaro-sissoco-embalo-elu-president-avec-5355-des-voix/, Zugriff 7.1.2020

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (1.1.2020): Oppositionsführer gewinnt Präsidentschaftswahl in Guinea-Bissau, https://www.nzz.ch/international/oppositionsfuehrer-gewinnt-praesidentschaftswahl-in-guinea-bissau-ld.1531568, Zugriff 8.1.2020

Politische Lage

Die semipräsidentiale Demokratie Guinea-Bissau ist zugleich auch eine Mehrparteienrepublik und wird von einer demokratisch gewählten Regierung geführt. Präsident ist José Mário Vaz von der „Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Kap Verde“ (PAIGC = Partido Africano para a Independência da Guiné e Cabo Verde) (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 10.2018). Seit 2014 ist Präsident José Mário Vaz im Amt und laut internationaler Wahlbeobachter verlief die Abstimmung frei und fair (USDOS 20.4.2018). Der Präsident ist zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte, kann ein Vetorecht gegen Gesetze einlegen und das Parlament auflösen (AA10.2018).

Die Wahlen im Jahr 2014 haben das Land nach dem Militärputsch von 2012 wieder in Richtung demokratische Regierungsführung geführt (FH 1.2018). Vaz gewann im 2. Wahlgang im Mai 2014mit 61,9 % der Stimmen. Premierminister seit 30.01.2018 ist Artur Da Silva, und Außenminister seit 12.12.2016 ist Jorge Malú. Die letzten Parlamentswahlen fanden am 13.04.2014 statt. Die Wahlbeteiligung betrug 88,6 %; das Parlament hat 101 Sitze (AA 10.2018). Die Wahlen 2014 verzögerten sich aufgrund fehlender Mittel (FH 1.2018).

Das Land ist politisch extrem instabil (NZZ 27.9.2018). Die Stabilität bleibt auch unter Präsident Vaz weiterhin ein schwer fassbares Ziel. Ein Jahr nach seinem Amtsantritt entließ Vaz seinen Premierminister und Parteikollegen Domingos Simoes Pereira (BBC 19.2.2018).Ein langwieriger Machtkampf zwischen den Fraktionen der regierenden PAIGC-Partei und seinem Parteikollegen Pereira hat die Regierung und Präsident Vaz in eine politische Sackgasse gedrängt und seit August 2015 gibt es einen fortlaufenden Wechsel der Premierminister (BBC 19.2.2018; vgl. CIA2.10.2018). Das Land befindet sich in einem anhaltenden politischen Stillstand, der durch Turbulenzen unterbrochen wird (USDOS 20.4.2018). Seitdem ist das politische System durch Spaltungen zwischen Präsident und Parlament, sowie innerhalb der Regierungspartei gelähmt. Die verfassungsrechtliche Legitimität des derzeitigen Ministerpräsidenten und des Kabinetts wurde2017 angezweifelt und die Legislative wurde seit Jänner 2016 nicht mehr einberufen (FH 1.2018). Korruption bleibt ein großes Problem, das durch die kriminellen Aktivitäten des internationalen Drogenhandels verschärft wird (FH 1.2018). Es wird geschätzt, dass Kokain im Wert von mindestens einer Milliarde Dollar jährlich über Westafrika nach Europa transportiert wird. Dabei ist Guinea-Bissau ein Narco-Staat – der einzige in Afrika (NZZ 27.9.2018). Die politische Krise hat zu einigen Fällen von Gewalt und Einschüchterung geführt. Im Oktober2017 kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der rivalisierenden PAIGC-Fraktionen (FH 1.2018). Infolge der anhaltenden politischen Blockade im Jahr 2017 konnte das Parlament keine neuen Mitglieder der Nationalen Wahlkommission ernennen, weil deren Mandate bereits im Juniausgelaufen waren. Darüber hinaus hatte der Präsident noch keine Termine für die anstehenden Parlamentswahlen 2018 festgelegt und schlug im Dezember 2017 vor, die Wahlen zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl 2019 abzuhalten (FH 1.2018). Die Lage im Parlament ist derzeit sehr undurchsichtig und von internen Konflikten geprägt (AA10.2018). Zum sowieso schon schwachen Staat kommt hinzu, dass sich Regierung und Parlament seit zwei 2015 gegenseitig blockieren. Die Verwaltung ist praktisch zusammengebrochen. Schulen, Spitäler, Polizei und Justiz funktionieren nur noch rudimentär. Die Postangestellten beispielsweise erhalten seit Jahren kein Salär mehr (NZZ 27.9.2018).

In Guinea-Bissau gibt es nur wenige demokratische Machtübertragungen zwischen rivalisierenden politischen Parteien, da zumeist die PAIGC oder die militärischen Machthaber seit der Unabhängigkeit regieren. Die Oppositionsparteien haben eine realistische Chance, ihre Vertretung bei den Parlamentswahlen 2018 zu erhöhen, sollte die derzeitige politische Blockade rechtzeitig aufgelöst werden (FH 1.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (10.2018): Länderinformationen, Überblick, Guinea-Bissau, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guineabissau-node/guineabissau/220330, Zugriff 18.10.2018

-BBC News (19.2.2018): Guinea-Bissau country profile, https://www.bbc.com/news/world-africa-13443186, Zugriff 18.10.2018

-CIA - Central Intelligence Agency (2.10.2018): The World Factbook - Guinea-Bissau, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pu.html, Zugriff 18.10.2018

-FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Guinea-Bissau, https://www.ecoi.net/en/document/1442392.html, Zugriff 18.10.2018

-NZZ - Neue Zürcher Zeitung (27.9.2017): Transitland Guinea-Bissau: Aus jedem Trumpf einen Fluch machen, https://www.nzz.ch/international/transitland-guinea-bissau-aus-jedem-trumpf-einen-fluch-machen-ld.1318634, Zugriff 24.10.2018

-USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Guinea-Bissau, https://www.ecoi.net/en/document/1430125.html, Zugriff 18.10.2018

Sicherheitslage

Trotz positiver Entwicklungen seit April 2018 sind Unruhen und Ausbrüche von Gewalt aufgrund der nach wie vor fragilen Lage weiterhin möglich (AA 23.10.2018; vgl. BMEIA 23.10.2018, FD23.10.2018). In Folge von Armutskriminalität kommt es öfters zu Fällen von Straßenkriminalität (AA23.10.2018). Die Sicherheitsbedingungen verschlechtert sich weiter in der Hauptstadt und ihren Vororten, mitunter durch eine Zunahme der Zahl der bewaffneten Raubüberfälle. In den Provinzen liegen mehrere Regionen außerhalb der Kontrolle der Behörden und Sicherheitskräfte (FD23.10.2018). Im Rest des Landes ist die Kriminalitätsrate deutlich niedriger. In den nördlichen Landesgebieten (Grenzregion zur Casamance/Senegal) sind bewaffnete Gruppen und kriminelle Banden aktiv (AA 23.10.2018; vgl. BMEIA 23.10.2018, FD 23.10.2018) und in Teilen des Südens besteht nach wie vor Minengefahr (AA 23.10.2018). Laut österreichischem Außenministeriumbesteht im ganzen Land ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4). Der andauernde Machtkampf zwischen dem Präsidenten und der stärksten Partei PAIGC führt zur Verschlechterung der Versorgungslage (BMEIA 23.10.2018). Gewaltsame Demonstrationen können nicht ausgeschlossen werden (BMEIA 23.10.2018; vgl. FD 23.10.2018), insbesondere im Zusammenhang den geplanten Parlamentswahlen am 18.11.2018 (BMEIA 23.10.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.10.2018): Reise & Sicherheit – Guinea-Bissau, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guineabissau-node/guineabissausicherheit/220332, Zugriff 23.10.2018

-BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (23.10.2018): Reiseinformationen, Sicherheit & Kriminalität, Guinea-Bissau, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea-bissau/, Zugriff 23.10.2018

-FD - France Diplomatie (23.10.2018): Guinée-Bissao, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/guinee-bissao/, Zugriff 23.10.2018

Frauen

Nach dem Gesetz haben Frauen den gleichen rechtlichen Status und dieselben Rechte wie Männer, aber die Diskriminierung von Frauen bleibt ein Problem, besonders in ländlichen Gebieten, wo traditionelle und islamische Gesetze dominieren (USDOS 20.4.2018). Frauenbleiben trotz einiger rechtlicher Schutzbestimmungen beträchtlicher traditioneller und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Sie erhalten für gewöhnlich für die gleiche Arbeit weniger Lohn und haben weniger Chancen auf Bildung und Arbeitsplätze. Frauen bestimmter ethnischer Gruppen können kein Land besitzen oder verwalten oder Eigentum erben (FH 1.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Das Gesetz verbietet Diskriminierung, definiert allerdings nicht welche Formen der Diskriminierung gemeint sind. Die Regierung setzt dieses Gesetz nicht durch (USDOS20.4.2018).

Vergewaltigung – auch in der Ehe – ist gesetzlich verboten, es sind von zwei bis zwölf Jahren Gefängnis vorgesehen. Die Regierung setzt das Gesetz jedoch nicht wirksam durch und Vergewaltigung bleibt weit verbreitet. Das Gesetz erlaubt die strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigung nur, wenn diese vom Opfer gemeldet wird (USDOS 20.4.2018), was aufgrund der Angst vor sozialer Stigmatisierung und Vergeltung selten geschieht (FH 1.2018; vgl. USDOS20.4.2018). Die Regierung setzt in diesem Bereich keine spezifischen Maßnahmen (USDOS20.4.2018). Häusliche Gewalt wird vom Gesetz nicht speziell behandelt und ist weit verbreitet.

Das Gesetz verbietet (FGM/C - Female Genital Mutilation/Cutting) (USDOS 20.4.2018). Die Regierung, internationale Organisationen und Gemeindeführer arbeiten daran, weibliche Genitalverstümmelung zu eliminieren. Fast die Hälfte der Frauen des Landes ist von FGM/C betroffen (FH 1.2018). Das Integrated Peacebuilding Office der Vereinten Nationen in Guinea-

Bissau schätzt in seinem Bericht vom April 2017, dass 45% der weiblichen Bevölkerung eine FGM/C durchlaufen haben (USDOS 20.4.2018).

FGM/C wird mit einer Geldstrafe von bis zu fünf Millionen CFA-Francs (9.190 US-Dollar) und fünf Jahren Gefängnis bestraft. Muslimische Prediger und Gelehrte fordern die Abschaffung von FGM/C. Im Joint Programm arbeiten UN-Agenturen mit dem Justizministerium zusammen, um die Verbreitung und Anwendung des Gesetzes zu stärken (USDOS 20.4.2018). Die Regierung, internationale Organisationen und Gemeindeleiter setzten sich für die Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung ein (FH 1.2018).

Früh- und Zwangsehen sind weiterhin üblich (FH 1.2018). Das gesetzliche Mindestalter für eine Eheschließung liegt für beide Geschlechter bei 16 Jahren. Kinderehen kommen bei allen ethnischen Gruppen vor. Mädchen, die vor arrangierten Ehen fliehen, werden oft als Prostituierte verkauft. Die Regierung ist nicht bemüht das Problem einzudämmen (USDOS 20.4.2018).

Die Regierung von Guinea-Bissau erfüllt die Mindeststandards für die Bekämpfung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt jedoch erhebliche Anstrengungen (USDOS28.6.2018). Guinea-Bissau ist ein Ursprungsland für Zwangsarbeit und Menschenhandel zu sexuellen Zwecken (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 28.6.2018). Mädchen werden zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oder der häuslichen Knechtschaft verschleppt. Regierungsbeamte wurden beschuldigt, an Menschenhandel beteiligt zu sein, einschließlich dem Sextourismus (FH1.2018; vgl. USDOS 28.6.2018).

Quellen:

-FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Guinea-Bissau, https://www.ecoi.net/en/document/1442392.html, Zugriff 11.10.2018

-USDOS - US Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Guinea-Bissau, https://www.ecoi.net/en/document/1437560.html, Zugriff 11.10.2018-USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Guinea-Bissau, https://www.ecoi.net/en/document/1430125.html, Zugriff 11.10.2018

Grundversorgung

Guinea-Bissau zählt zu den ärmsten Ländern der Welt (AA 12.10.2018; vgl. FAO 1.2018) und der andauernde Machtkampf zwischen dem Präsidenten und der stärksten Partei PAIGC führt zur Verschlechterung der Versorgungslage (BMEIA 18.10.2018). In Guinea-Bissau herrscht eine chronische Ernährungsunsicherheit, welche seit Jahren von politischer Instabilität geprägt, bzw. verstärkt wird (FAO 1.2018).

Die Landwirtschaft ist geprägt durch Selbstversorgung, die Cashewnuss ist praktisch das einzige Exportgut (NZZ 27.9.2018; vgl. CIA 2.10.2018). Das macht das Land anfällig für die Folgen von Preisschwankungen (NZZ 27.9.2018). Guinea-Bissau ist stark von Auslandshilfen abhängig. Zwei von drei Personen leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze (CIA 2.10.2018). 69 % der Bevölkerung lebt von 2 US-Dollar pro Tag, mit einer höheren Armutsrate bei Frauen und Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren (FAO 1.2018).

Die legale Wirtschaft basiert auf Cashewnüssen und Fischfang. Illegaler Holzeinschlag und Drogenhandel spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Kombination aus begrenzten wirtschaftlichen Perspektiven, schwachen Institutionen und günstiger geographischen Lage, hat das Land zu einer Übergangsstation für Drogen auf ihrem Weg nach Europa gemacht (CIA2.10.2018).

Mit einer Bevölkerung von 1,9 Millionen Menschen, im Jahr 2017 hat das Land ein BIP pro Kopf von 724 US-Dollar und ein BIP von einer Mrd. US-Dollar. Das BIP des Landes wuchs um 6,5% pro Jahr zwischen 2013 und 2017 (FD 7.2018). Der UN Sicherheitsrat stellt fest, dass die Wirtschaft in Guinea-Bissau 2017 trotz anhaltender politischer Blockaden und wiederkehrender Protestbewegungen zwar weiter wachsen kann, dass aber die Ursachen für die Instabilität in Guinea-Bissau nicht beseitigt sind, sodass die erzielten Entwicklungsergebnisse nicht nachhaltig sein werden (UNSC 13.9.2017).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.10.2018)): Reise & Sicherheit - Guinea-Bissau,http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GuineaBissauSicherheit_node.html, Zugriff 12.10.2018

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (18.10.2018): Reiseinformation, Guinea-Bissau, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea-bissau/, Zugriff 18.10.2018

-CIA - Central Intelligence Agency (2.10.2018): The World Factbook, Guinea-Bissau, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pu.html, Zugriff 12.10.2018

-FAO - Food and Agricultural Organization (1.2018): WFP - World Food Programme: Monitoring food security in countries with conflict situations - A joint FAO/WFP update for the United Nations Security Council, https://www.ecoi.net/en/file/local/1422839/1226_1516882153_i8386en.pdf, Zugriff 16.10.2018

-FD - France Diplomatie (7.2018): Fiche Repères économiques Pays, Guinée-Bissao, https://www.diplomatie.gouv.fr/IMG/pdf/fichepays_guinee-bissau_20180809_1153_cle04db13.pdf, Zugriff 12.10.2018

-NZZ - Neue Zürcher Zeitung (27.9.2017): Transitland Guinea-Bissau: Aus jedem Trumpf einen Fluch machen, https://www.nzz.ch/international/transitland-guinea-bissau-aus-jedem-trumpf-einen-fluch-machen-ld.1318634, Zugriff 24.10.2018

-UNSC - UN Security Council (13.9.2017) Statement [made on behalf of the Security Council, atthe 8045th meeting, 13 September 2017, in connection with the Council's consideration of the item entitled "The situation in Guinea-Bissau"], http://www.refworld.org/docid/59bbc3e44.html, Zugriff 12.10.2018

Medizinische Versorgung

Eine medizinische Grundversorgung nach europäischem Standard ist nicht gewährleistet (BMEIA23.10.2018; vgl. AA 23.10.2018, EDA 24.10.2018). Für den Notfall kommen sehr wenige Einrichtungen in Guinea-Bissau in Betracht. Ein zuverlässiger Ambulanzdienst existiert nicht (AA23.10.2018). Schwere Erkrankungen und Verletzungen müssen im Ausland (Senegal oder Europa) behandelt werden (BMEIA 23.10.2018). Die medizinische Versorgung im Land bleibt eingeschränkt und ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch hoch problematisch (AA 23.10.2018). Die Zahl adäquat ausgebildeter Fachärzte ist sehr beschränkt und in der Hauptstadt konzentriert (AA23.10.2018). Die Krankenhäuser verlangen eine Vorschusszahlung (Bargeld), bevor sie Patientenbehandeln (EDA 24.10.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (23.10.2018): Reise & Sicherheit - Guinea-Bissauhttps://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/guineabissau-node/guineabissausicherheit/220332#content_5, Zugriff 23.10.2018

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (23.10.2018): Reiseinformation, Guinea-Bissau, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/guinea-bissau/, Zugriff 23.10.2018

-EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (24.10.2018): Reisehinweise für Guinea-Bissau, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/guinea-bissau/reisehinweise-fuerguinea-bissau.html, Zugriff 24.10.2018

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Guinea-Bissau. Zudem wurde die Beschwerdeführerin in Rahmen der mündlichen Verhandlung am 02.07.2020 befragt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit sowie der Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführerin gründen sich auf ihre diesbezüglichen Angaben vor der belangten Behörde am 18.03.2019. Die Identität steht mangels Vorlage unbedenklicher Identitätsdokumente nicht fest. Dass die Beschwerdeführerin ledig und kinderlos ist, ergibt sich aus deren glaubhaften Angaben vor dem erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung am 02.07.2020. Ihre Schulbildung und Arbeitserfahrung ergeben sich aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung am 02.07.2020.

Die Beschwerdeführerin klagte in der Verhandlung am 02.07.2020 über Schmerzen im linken Bein nach einem Sturz vom 4. Stock im Jahr 2015. Ihr wurde im Senegal eine Metallplatte eingesetzt, in Österreich war ein Hüftimplantat im Gespräch, ein aktueller Operationstermin ist allerdings nicht geplant. Aufgrund des Unfalles ergibt sich bei der Beschwerdeführerin eine Bewegungseinschränkung (Hinken), so dass von einer leichten Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit auszugehen ist. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus an einem Myom leidet, schränkt ihre Arbeitsfähigkeit dagegen nicht ein und stellt dies auch keine lebensbedrohliche Erkrankung dar.

Die Feststellungen zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich ergeben sich aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung am 02.07.2020.

Die familiären Beziehungen der Beschwerdeführerin in Guinea-Bissau konnten nicht abschließend festgestellt werden. Im Laufe des Administrativverfahrens machte die Beschwerdeführerin divergierende Angaben zu ihren Aufenthalten im Senegal sowie zu ihrem sozialen Umfeld. Bei der Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin etwa noch an, dass ihre Eltern in Guinea-Bissau leben würden. Vor der belangten Behörde und dem erkennenden Gericht führte sie dagegen aus, dass ihre Eltern verstorben wären, als sie 16 oder 17 Jahre alt gewesen wäre – somit in den Jahren 2006 bzw. 2007. Wenig plausibel erscheint, dass die Beschwerdeführerin über keinerlei Verwandte in der Heimat verfügt. Sofern sie in der Verhandlung angibt, dass ihre Eltern ihr nie jemanden „gezeigt“ hätten, scheint dies eine reine Schutzbehauptung zu sein. Dass ihre Eltern ihr zudem nicht einmal erzählt hätten, ob sie Tanten oder Onkel habe, ist ebenso nicht nachvollziehbar. Dass sie nur ihre Nachbarn in Guinea-Bissau gekannt haben will, ist nicht glaubhaft. In Zusammenschau mit den sonstigen Angaben der Beschwerdeführerin geht das erkennende Gericht davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Existenz von Verwandten und Freunden in Guinea-Bissau verschweigt.

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage war anzugeben, wie sie ihren jetzigen Freund, der auch aus Guinea-Bissau stammt, kennengelernt hat. Ihre Angabe, dass sie ihn sofort nach ihrer Ankunft am Bahnhof in Wien zufällig kennengelernt habe, ist nicht glaubhaft (zumal sie vor dem BFA erklärt hatte, ihn bereits über Facebook gekannt zu haben), sondern geht das Gericht davon aus, dass sie sowohl in Italien, wo sie sich etwa zwei Jahre aufhielt, was sie in der Verhandlung ebenfalls zunächst zu verschleiern versuchte, wie auch in Österreich über gute Kontakte zur Gemeinschaft der hier lebenden Menschen aus Guinea-Bissau verfügt und diese entsprechend auch in ihrem Herkunftsstaat selbst hat.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Auszug aus dem österreichischen Strafregister.

2.3. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin hatte bei der Erstbefragung erklärt, sie habe Guinea-Bissau mit ihrem italienischen Lebensgefährten (im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde dieser als „ XXXX “ bezeichnet) verlassen, da dort Krieg herrsche. Nachdem ihr Freund sie in Italien geschlagen habe, sei sie nach Österreich geflüchtet.

Vor der belangten Behörde dagegen erklärte sie, dass sie Guinea-Bissau verlassen habe, da sie dort niemanden gehabt habe, der ihr geholfen habe. Sie wolle sich ein eigenes Leben aufbauen. Nun gab sie an, ihren Lebensgefährten XXXX im Senegal kennengelernt und von diesem in Italien eingesperrt worden zu sein. Erst nachdem ihr ein Mann namens „ XXXX “, den sie über Facebook kontaktiert habe, geholfen habe, habe sie zu ihrem nunmehrigen Freund XXXX fliehen können.

Eine konkrete Verfolgungsgefahr brachte die Beschwerdeführerin gegenüber dem BFA damit nicht vor. Im Übrigen sind die vor dem BFA geschilderten Ereignisse vor ihrer Ankunft in Österreich auch nicht glaubhaft: Dass die Beschwerdeführerin über mehrere Wochen hinweg von XXXX eingesperrt worden sei, konnte sie etwa nicht nachvollziehbar erklären. So gab sie einerseits vor dem BFA an, XXXX habe auf einem Schiff gearbeitet und sei immer wieder eine Woche weg gewesen, dagegen meinte sie in der Verhandlung, dass er jeden Tag zur Arbeit gegangen und abends wieder zurückgekommen sei. Auch ist es nicht schlüssig, dass sie einerseits gefangen gehalten worden sein soll und andererseits in Besitz eines Mobiltelefons mit Internetzugang war. Dass sie zudem, wie sie vor dem BFA meinte, dass Fenster nicht einmal berührt habe, um zu testen, ob es sich öffnen ließ, ist bei einer wochenlangen Gefangenschaft auch nicht glaubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin nicht gefangen gehalten wurde.

Soweit im Beschwerdeschriftsatz moniert wird, dass nicht ausreichend geprüft worden sei, ob die Beschwerdeführerin Opfer von Menschenhandel und Prostitutionshandel geworden sei, so ergaben sich auch in der Verhandlung keine Hinwiese darauf, gab die Beschwerdeführerin doch an, freiwillig nach Italien gereist zu sein und auch nie der Prostitution nachgegangen zu sein. Wie bereits dargelegt ist auch ihre Gefangenschaft nicht glaubhaft. Es sind auf Basis der Aussagen der Beschwerdeführerin keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, dass sie Opfer von Menschenhandel geworden wäre.

Insgesamt wirkte die Beschwerdeführerin am Verfahren nur unzureichend mit, machte sie doch auch in der mündlichen Verhandlung kaum einheitliche, chronologische und nachvollziehbare Angaben. Daher ist es auch nicht möglich, Feststellungen zu ihrem Aufenthalt in Italien zu treffen.

Aufgrund ihrer widersprüchlichen Angaben war es auch nicht möglich genau festzustellen, wann und wie lange sich die Beschwerdeführerin im Senegal aufhielt. Glaubhaft ist, dass sie Guinea-Bissau Richtung Senegal verließ in der Hoffnung, dort ein besseres wirtschaftliches Auskommen zu finden.

In der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin erstmals eine Verfolgung vor und steigerte damit ihr Vorbringen, was bereits gegen dessen Glaubwürdigkeit spricht. Erstmalig führe die Beschwerdeführerin aus, sie fürchte eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit ihres Vaters zum Militär. Gefragt, warum sie erst jetzt hiervon spreche, gab die Beschwerdeführerin lapidar an, dass sie nicht nach der Tätigkeit ihres Vaters gefragt worden wäre (was im Übrigen auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht erfolgte); die Beschwerdeführerin war im Verfahren vor der belangten Behörde aber mehrfach gefragt worden, ob sie alles Wesentliche vorgebracht habe und sonstige Gründe vorliegen würden, warum sie nicht nach Guinea-Bissau zurückkehren könne. Sie konnte dann in der Verhandlung auch keinerlei Details nennen, ebenso wenig die Personen, durch welche sie sich bedroht fühle. Sie sei auch persönlich nie bedroht worden. Insgesamt ist dieses Vorbringen nicht glaubhaft, sondern stellt dies einen Versuch dar, nachträglich einen Fluchtgrund zu konstruieren.

Die Beschwerdeführerin scheint insgesamt nicht gewillt, die tatsächlichen Umstände ihrer Ausreise darzulegen. Sie konnte keinerlei Verfolgungsgefahr glaubhaft machen. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin Guinea-Bissau und anschließend den Senegal wohl in der Hoffnung auf ein wirtschaftlich besseres Leben verlassen.

2.4. Zu den Rückkehrbefürchtungen:

Soweit die Beschwerdeführerin angab, über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk in Guinea-Bissau zu verfügen, so scheint dies nicht glaubhaft. Allerdings kann nicht festgestellt werden, ob dieses Netzwerk im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführerin bereit wäre, sie zu unterstützen. Zudem ist die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin durch den vor fünf Jahren erfolgten Sturz und die damit verbundenen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen leicht eingeschränkt.

Zum Entscheidungszeitpunkt kann unter Bedachtnahme der derzeitigen wirtschaftlichen und politischen Lage in Guinea-Bissau nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall eine Rückführung einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Guinea-Bissau gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die nunmehrige COVID-19 Pandemie stellt eine weitere große Herausforderung vor allem für wirtschaftlich unterentwickelten Länder dar, auch wenn es in Guinea-Bissau offiziell aktuell nur wenige Fälle gibt (vgl. https://covid19.who.int/region/afro/country/gw: 1981 Fälle, Stand 03.08.2020), wobei Bissau das Epizentrum der Pandemie ist (mit 1680 Fällen mit Stand vom 14.07.2020 laut UNICEF, https://reliefweb.int/report/guinea-bissau/unicef-guinea-bissau-covid-19-situation-report-14-04-10-july).

Dass Frauen zudem nach wie vor diskriminiert werden, ergibt sich auch aus aktuellen Berichten (vgl. etwa Bertelsmann Stiftung: BTI 2020 Country Report Guinea-Bissau, 29. April 2020, abrufbar unter https://www.ecoi.net/en/file/local/2029569/country_report_2020_GNB.pdf (Zugriff am 10. Juli 2020). Dies erschwert die Möglichkeiten der Beschwerdeführerin am Arbeitsmarkt noch zusätzlich zu ihrer eingeschränkten Erwerbsfähigkeit. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin ein gesichertes Einkommen zur Erwirtschaftung ihrer Grundbedürfnisse erzielen kann. Eine Rückkehr erscheint deshalb derzeit nicht zumutbar.

2. 5. Zu den Länderfeststellungen:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde der Beschwerdeführerin das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Guinea-Bissau übermittelt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem eine Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin trat den Länderinformationen nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

3.1. Zum Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.2. bereits dargelegt, konnte die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer Verfolgung glaubhaft machen. So ist weder glaubhaft, dass sie wegen der Tätigkeit ihres Vaters für das Militär bedroht werden würde noch haben sich Hinweise ergeben, dass die Beschwerdeführerin Opfer von Menschenhandel war und deswegen im Falle einer Rückkehr nach Guinea-Bissau Verfolgung zu befürchten hätte.

Eine sonstige Bedrohung oder Verfolgung wurde weder von Seiten der Beschwerdeführerin behauptet noch war eine solche für das Bundesverwaltungsgericht erkennbar.

Daher ist festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat Guinea-Bissau keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gegenständlich war daher zu klären, ob im Falle der Rückführung der Beschwerdeführerin nach Guinea-Bissau Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würden bzw. eine reale Gefahr einer solchen Verletzung besteht oder die Rückführung für die Beschwerdeführerin als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, festgestellt, dass an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH, 26.06.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053).

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH, 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Die Beschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr nach Guinea-Bissau aber nicht nur eine schwierige Lebenssituation erwarten, sondern wäre davon auszugehen, dass sie keinerlei Lebensgrundlage mehr vorfinden würde und ihre Grundbedürfnisse nicht decken könnte. Guinea-Bissau zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und ist von chronischer Ernährungsunsicherheit geprägt. Die weltweite COVID-19 Pandemie stellt gerade für wirtschaftlich unterentwickelte Länder eine große Herausforderung dar. Auch wenn durchaus anzunehmen ist, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihren Angaben noch Kontakte und auch Verwandte in Guinea-Bissau hat, ist nicht anzunehmen, dass diese sie mittelfristig unterstützen könnten; bereits in der Vergangenheit hatte sie ja versucht, sich im Senegal eine neue Existenz aufzubauen, um der wirtschaftlichen Notlage in Guinea-Bissau zu entkommen, scheiterte damit aber offenbar. Ihre körperliche Einschränkung aufgrund des Sturzes aus großer Höhe erhöht ihre Vulnerabilität zudem. Es besteht daher die reale Gefahr, dass sie in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten würde und ihre in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzt würden.

Es liegt kein Aberkennungsgrund nach § 9 AsylG 2005 vor. Der Beschwerdeführerin ist daher gemäß § 8 AsylG 2005 subsidiärer Schutz zu gewähren und eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

Die auf der vom BFA vorgenommenen Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz aufbauenden Spruchpunkte waren in weiterer Folge zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe ersatzlose Teilbehebung Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Kassation mündliche Verhandlung real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung behoben Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2222747.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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