TE Bvwg Beschluss 2020/8/7 W107 2229214-1

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Veröffentlicht am 07.08.2020
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Entscheidungsdatum

07.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §34 Abs3
WiEReG §10a

Spruch

W107 2229214-1/13Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , als wirtschaftliche Eigentümerin der folgenden Rechtsträger: XXXX GmbH (FN XXXX ), XXXX GmbH (FN XXXX ), XXXX GmbH (FN XXXX ), XXXX GmbH (FN XXXX ), XXXX (FN XXXX ), XXXX (FN XXXX ) vertreten durch FROTZ RIEDL Rechtsanwälte, Schottengasse 10/12, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen als zuständige Behörde I. Instanz vom 19.12.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird gemäß §§ 31 Abs. 1, 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die ordentliche Revision (Ro 2020/13/0010), gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2020, W 195 2226816-1/9E, ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Schreiben vom 18.12.2018 beantragte die Beschwerdeführerin als wirtschaftliche Eigentümerin bestimmter - im Spruch angeführter - Rechtsträger beim Bundesministerium für Finanzen (in Folge: belangte Behörde) als zuständige Registerbehörde die Einschränkung der Einsicht im Register der wirtschaftlichen Eigentümer gemäß § 10a WiEReG mit der wesentlichen Begründung, der Einsichtnahme würden überwiegende, schutzwürdige Interessen entgegenstehen, weil die Beschwerdeführerin bzw. ihre gesamte Familie aufgrund der Herstellung von Keksen und Snackartikel unter dem Familiennamen einen sehr hohen Bekanntheitsgrad habe, großes Vermögen besitze und aufgrund der dadurch exponierten Stellung in der Öffentlichkeit einer - bereits in den 1980/90er Jahren von der deutschen Polizei nachweislich festgestellten – erhöhten Gefahr, Opfer von Anschlägen, Entführungen und /oder Erpressungen zu werden, ausgesetzt sei. Die Gefährdung sei daher bei der Beschwerdeführerin höher als bei durchschnittlichen wirtschaftlichen Eigentümern und bestehe auch aktuell.

2. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.12.2018 wurde die vorläufige Einschränkung der Einsicht gemäß § 10a Abs 3 WiEReG verfügt, da der Antrag nicht offenbar unbegründet gestellt worden sei. Zum geforderten Nachweis einer konkreten und aktuellen Gefährdung führte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 07.02.2019 aus, dass sich potentielle Täter nach wie vor an prominenten Namen und hohen Vermögen hinsichtlich potentieller Opfer für Straftaten orientieren würden, daher eine Gefährdung der Beschwerdeführerin aktuell noch immer gegeben sei, die in der Vergangenheit (1980er, 1990er Jahre) analysierte Gefährdung der Beschwerdeführerin als potentielles Opfer von Entführung und/oder Erpressung sei von der deutschen Polizei nachweislich festgestellt worden und eine aktuelle Gefährdung durch konkrete Täter oder Tätergruppen nicht bekannt sei. Eine Beschränkung der Einsichtnahme sei im Hinblick auf eine Gefährdung der Beschwerdeführerin als Opfer einer Entführung, Erpressung oder Bedrohung aber bereits präventiv vorzunehmen, um eben die Begehung derartiger Straftaten - welche nachweislich gegenüber Mitglieder großer Familienunternehmen erfolgten und erfolgen - zu verhindern bzw. zu erschweren.

3. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 19.12.2019, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf Einschränkung der Einsicht bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen gemäß § 10a WiEReG ab und hob die Verfügung der Einschränkung der Einsicht auf. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde mangels Übermittlung konkreter Nachweise durch die Beschwerdeführerin keine Feststellungen zu deren gegenwärtiger Gefährdungslage habe treffen können; es habe auch nicht festgestellt werden können, dass in der Vergangenheit bereits Straftaten gegen die wirtschaftliche Eigentümerin oder nahe Angehörige verübt oder angedroht worden seien. Eine Gefährdungslage aus sonstigen Umständen liege ebenfalls nicht vor, zumal ein länger zurückliegendes erhöhtes Gefährdungspotential nicht ausreiche für die Vornahme einer Einschränkung der Einsicht. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin keine gegenwärtigen Tatsachen nachgewiesen, die die Annahme rechtfertigten würden, dass die Einsichtnahme in das Register der Wirtschaftlichen Eigentümer die Beschwerdeführerin als wirtschaftliche Eigentümerin bestimmter Rechtsträger einem unverhältnismäßigen Risiko - bzw. der Gefahr, Opfer einer der in § 10a Abs. 2 Z 1 bis 4 WiEReG genannten Straftaten zu werden - aussetzen würde. Der bloße Umstand, dass das wirtschaftliche Eigentum bekannt werden würde, stelle jedenfalls kein unverhältnismäßiges Risiko gemäß § 10a Abs. 2 WiEReG dar.

4. In der dagegen erhobenen Beschwerde wird moniert, dass nicht das Vermögen alleine, sondern vielmehr der bekannte (Unternehmens)Familienname und der damit verbundenen Marke ausreichend sei, um überwiegende schutzwürdige Interessen zu begründen. Es sei im bekämpften Bescheid nicht dargelegt worden, welche Umstände bzw. Gefährdungen zu einer anderen Einschätzung der Gefährdungslage der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf, Opfer möglicher Straftaten zu werden, führen würde. Zudem sei jedenfalls die Interessenabwägung zwischen wirtschaftlichem Eigentümer und den in das Register Einsicht Nehmenden neu bewerten, da aufgrund der Umsetzung der 5. Geldwäscherichtlinie mit 10.01.2020 die Einsicht bei berechtigtem Interesse in eine öffentliche Einsicht umgewandelt worden sei.

5. Die Beschwerde und der Akt des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6. Mit Schreiben vom 24.06.2020 übermittelte die belangte Behörde, vertreten durch die Finanzprokuratur, eine Beschwerdebeantwortung und führte zusammengefasst aus, Zweck des Wirtschaftlichen Eigentümer Registers sei die erhöhte Transparenz und die Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Die Ausnahmebestimmung des § 10a WiEReG sei entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes restriktiv auszulegen. Die Beschwerdeführerin habe nicht darlegt, weshalb eine Einsichtsmöglichkeit der in § 9 Abs 1 Z 3 – 6 und Z 8 – 15 WiEReG genannten Verpflichteten zu einer Gefahrenerhöhung führe. Ebenso wenig sei sie in der Vergangenheit Opfer einer Straftat gewesen oder sei ihr eine solche angedroht worden.

7. Am 01.07.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Das gegenständliche Verfahren wurde mit den Verfahren zu W107 2229212-1 ( XXXX ), W107 2229213-1 ( XXXX ), W107 2229215-1 ( XXXX ), W107 2229216-1 ( XXXX ), W107 2229217-1 ( XXXX ) und W107 2229218-1 ( XXXX ) zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Der Beschwerdeführer zu W 107 2229217-1 ( XXXX , in Folge: BF1), der ausgewiesene Rechtsvertreter sämtlicher Beschwerdeführer, die belangte Behörde sowie Vertreter der Finanzprokuratur wurden gehört.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.05.2020, W192 2226816-1/9E, wurde der gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen als zuständige Registerbehörde vom 18.10.2019 erhobenen Beschwerde betreffend die Einschränkung der Einsicht gemäߧ 10a WiEReG stattgegeben. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 23.06.2020 ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, welche nunmehr unter der Aktenzahl Ro 2020/13/0010 anhängig ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A) Aussetzung des Beschwerdeverfahrens:

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage der Einschränkung der Einsicht bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen bzw. eines unverhältnismäßigen Risikos bei wirtschaftlichen Eigentümern im Hinblick darauf, Opfer von Straftaten zu werden und damit auch mit der Frage, ob und bejahendenfalls welche (auch) in der Vergangenheit liegende(n) Straftat(en) gegen den wirtschaftlichen Eigentümer oder nahe Angehörige verübt oder angedroht worden sein müssen, damit „überwiegende schutzwürdige Interessen des wirtschaftlichen Eigentümers“ vorliegen, die eine Einschränkung der Einsichtnahme gemäß § 10a WiEReG rechtfertigen, auseinanderzusetzen.

Derzeit ist ein Revisionsverfahren betreffend das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.05.2020, W 195 2226816-1/9E, beim Verwaltungsgerichtshof, protokoliert unter der Aktenzahl Ro 2020/13/0010, anhängig, das die Lösung der grundsätzlichen Rechtsfrage, welche Straftaten (wann) in der Vergangenheit gegen den wirtschaftlichen Eigentümer oder nahe Angehörige verübt oder angedroht werden bzw. worden sein müssen, damit eine Einschränkung gemäß § 10a WiEReG gerechtfertigt ist, zum Gegenstand hat.

Damit hat das gegenständliche Beschwerdeverfahren zu W107 2229214-1 die gleiche zu lösende Rechtsfrage zum Gegenstand. Diese Frage war bereits in Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht in der o. zit. Rechtssache Gegenstand, wobei das Bundesverwaltungsgericht der diesbezüglichen Beschwerde Folge gegeben und dem Antrag auf Einschränkung der Einsicht gemäß § 10a WiEReG stattgegeben hat.

Eine Entscheidung in diesem Revisionsverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof ist noch nicht ergangen. Die zu erwartende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist relevant für die gegenständliche Rechtssache, da sie die idente Rechtsfrage betrifft. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt. Gegenwärtig langen beim Bundesverwaltungsgericht wiederholt Beschwerdeverfahren ein, welche die gleiche zu lösende Rechtsfrage zum Gegenstand haben. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation ist davon auszugehen, dass auch in naher Zukunft zu erwartende Verfahren diese Rechtsfrage betreffen.

Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG, BGBl.Nr.10/1985, ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

Da – wie oben dargestellt - die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 VwGVG gegeben sind, wird das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in der im Spruch bezeichneten Rechtssache ausgesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof wird von der Aussetzung unter einem verständigt.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aussetzung Aussetzungsantrag Einschränkung Gefährdung der Sicherheit Gefährdungspotenzial Grundsatz der Transparenz Interessenabwägung konkrete Darlegung Konkretisierung mündliche Verhandlung Nachweismangel ordentliche Revision Risikotragung Risikovermeidung schutzwürdige Interessen Straftat Transparenz VwGH wirtschaftlicher Eigentümer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W107.2229214.1.00

Im RIS seit

04.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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