TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/10 I419 2233568-1

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Veröffentlicht am 10.08.2020
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Entscheidungsdatum

10.08.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I419 2233568-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch RAin Dr.in Martina SCHWEIGER-APFELTHALER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12.06.2020, Zl. 1071711305-190761105, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte am 04.01.2019 beim LH von Wien eine Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin, wobei der Antrag der noch nicht erledigt ist. Der LH benachrichtigte das BFA davon.

Mit dem angefochtenen Bescheid erließ das BFA wider den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für 10 Jahre (Spruchpunkt I), erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II) und aberkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt III).

2. Beschwerdehalber wird dagegen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei entgegen der Rückkehrentscheidung nicht abgereist, weil er die damals schwangere Gattin nicht zurücklassen habe wollen. Den Ehegatten sei es nicht zumutbar, auf verschiedenen Kontinenten zu leben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer nigerianischer Staatsangehörigkeit stellte 2015 in Griechenland, in Ungarn und schließlich unter einer Aliasidentität in Österreich Anträge auf internationalen Schutz. Das BFA wies den ersten Antrag 2017 verbunden mit einer Rückkehrentscheidung und einem siebenjährigen Einreiseverbot ab, einen Folgeantrag von 2018 im selben Jahr wegen entschiedener Sache zurück. Die jeweils dagegen erhobenen Beschwerden wies dieses Gericht ab (I409 2168372-1/4E vom 25.08.2017, zugestellt am 30.08.2017 an die Rechtsvertretung, und I413 2168372-2/3E vom 11.04.2019).

1.2 Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, wo dieser bis 16 in die Schule ging, leben dessen Mutter, Anfang 70, mit einem seiner Brüder in Edo State, eine Schwester und ein Bruder in River State und eine Schwester in Lagos. Zur Mutter hat er Kontakt über den erstgenannten Bruder. Er ist arbeitsfähig und arbeitswillig. Bis 2017 hat er in der Wohngemeinde geringfügig im Straßendienst gearbeitet, 2018/19 litt er an Lumboischialgie, einer Kombination von Ischias-Schmerz und Hexenschuss.

1.3 Das LG Wiener Neustadt hat den Beschwerdeführer am 22.09.2015 wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften durch Erwerben und Besitzen sowie durch gewerbsmäßiges Überlassen zu 10 Monaten bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe verurteilt, weil dieser 2015 einmal (am 06.07.) 1,8 g brutto THC-haltiges Cannabiskraut, in fünf Fällen (Ende Juli) weitere rund 6 g davon, sowie (zu einem Zeitpunkt zwischen Mai und Juni) ein Säckchen und weiters zusammen mit einem Mittäter (am 29.07.) zwei Säckchen davon (1,5 g brutto) und 8 Kugeln Kokain (5,9 g brutto) erworben und besessen, zudem ferner das genannte Cannabiskraut, ausgenommen die erstgenannten 1,8 g, unterschiedlichen Personen gewinnbringend verkauft hatte.

Konkret hatte er die beiden Säckchen mit 1,5 g mit dem Mittäter gemeinsam einem verdeckten Ermittler überlassen, die 6 g bei fünf Gelegenheiten einer Abnehmerin, und das nicht näher bestimmte Säckchen einem weiteren Abnehmer.

Er war deshalb von 29.07.2015 bis zur Verurteilung in Haft. Das LG hat ihm am 16.05.2019 die endgültige Nachsicht erteilt. Die Strafe wird voraussichtlich am 22.09.2020, also im nächsten Monat getilgt sein.

1.4 Er hat am 21.12.2018 in Neapel eine etwa ein Jahr ältere Staatsangehörige Ungarns geheiratet, die seit Juni 2018 in Österreich gemeldet sowie als Arbeiterin seit August 2018 mit Ausnahme dreier Monate Anfang 2019 und eines Krankenstands von zwei Wochen für eine Reinigungsfirma in einem Hotel tätig ist. Diese hat eine unbefristete Anmeldebescheinigung des LH von Wien als Arbeitnehmerin inne. Der LH von Wien hat dem BFA mitgeteilt, dass nach Aktenübermittlung an die LPD Wien von einer „echten Ehe“ auszugehen sei.

Die Eheleute kennen einander seit Anfang 2018 und wohnen spätestens seit der Rückkehr von der Hochzeit zusammen, derzeit in einer Wohngemeinschaft mit einem geschiedenen Landsmann des Beschwerdeführers als Unterkunftsgeber. Die Gattin, die derzeit auch für den Unterhalt des Beschwerdeführers aufkommt, hat im November 2019 die vierte Fehlgeburt erlitten.

1.5 Der Beschwerdeführer hat keine weiteren Familienangehörigen in der EU, Norwegen, Liechtenstein, Island oder der Schweiz. Er spricht Englisch und wuchs in Nigeria auf, dessen Botschaft in Wien ihm im Juli 2018 einen Reisepass ausstellte. Für die Trauung hielt er sich etwa ein Monat in Italien auf, ansonsten hat er das Bundesgebiet seit der Rückkehrentscheidung nicht verlassen. Er ist seit 26.06.2015 durchgehend im Inland mit Hauptwohnsitz gemeldet.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts sowie den genannten Entscheidungen dieses Gerichts von 2017 und 2019. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt, betreffend die Gattin des Beschwerdeführers die Register ZMR und Fremdenregister eingesehen sowie zur Gattin eine Sozialversicherungsabfrage durchgeführt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Stattgebung der Beschwerde und Aufhebung des Bescheids):

3.1 Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I):

3.1.1 Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer EWR-Bürgerin, der das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG zukommt. Damit erfüllt er die Voraussetzung des § 54 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Z. 1 NAG für das Aufenthaltsrecht als Angehöriger der EWR-Bürgerin und ist begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG.

3.1.2 Nach § 67 Abs. 1 FPG kann (unter anderem) gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. (VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360)

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist „nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen“. (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 mwN)

Der VwGH hält hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz kontinuierlich fest, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht. (01.04.2019, Ra 2018/19/0643; 15.11.2018, Ra 2018/19/0541 mwN)

Fallbezogen bedarf es mit Blick darauf, dass sich eine derartige Gefahr bereits beträchtliche Zeit nicht verwirklicht hat, sondern einmal 2015 und seither nicht mehr, und angesichts der „Art und Schwere“ der Taten einer Betrachtung der weiteren Rechtsprechung.

3.1.3 Zum Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 FPG hat der VwGH im Fall eines wegen Gebrauchs besonders geschützter falscher Urkunden zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten Verurteilten ausgeführt, dass dessen Verhalten nicht geeignet war, den Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 FPG zu verwirklichen. Dieser Fremde war als angeblicher Unionsbürger eingereist, hatte sich an einer falschen Anschrift angemeldet und am Tag nach der Verurteilung einen zwei Monate später nach Beschwerde rechtskräftig abgewiesenen Asylantrag gestellt. Der VwGH hielt dazu fest, dass dem auch sonst (neben der gerichtlichen Straftat) gezeigten fremdenrechtlichen Fehlverhalten des Fremden vor allem angesichts des aufrechten Bestandes einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht eine solche Bedeutung zukomme, dass schon deshalb das Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührenden Gefahr angenommen werden könnte. Die vor dem VwGH angefochtene (UVS-) Entscheidung war knapp 1,5 Jahre nach der Straftat ergangen. (26.06.2014, Ro 2014/21/0024)

Demgegenüber wurde im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer zu bedingt nachgesehenen 10 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei allerdings die Straftaten bereits über 5 Jahre zurückliegen und das sonstige Fehlverhalten des Beschwerdeführers sich auf die Verwendung der (etwa zur gleichen Zeit angegebenen) Aliasdaten zu seiner Person beschränkt.

3.1.4 Wie der VwGH ferner (zum Aufrechtbleiben eines unbefristeten Aufenthaltsverbots) ausgesprochen hat, kann aus einem über sieben Jahre zurückliegenden Fehlverhalten nicht ohne Weiteres auf das Vorliegen einer weiterhin vom begünstigte Drittstaatsangehörigen ausgehenden tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG geschlossen werden. (19.06.2012, 2012/18/0026) Dem lag als Sachverhalt zu Grunde, dass der Fremde zu einem Jahr unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden war, weil er im Juni 2004 versucht hatte, 235 g Kokain im Inland an einen Abnehmer zu verkaufen. Nach seiner vorzeitigen Entlassung erzwang der Fremde das Ende seiner Schubhaft mittels Hungerstreiks und tauchte unter. Im November 2010 beantragte er (zum zweiten Mal) die Aufhebung des Aufenthaltsverbots.

Im Vergleich dazu zeigt sich im vorliegenden Verfahren beim Beschwerdeführer eine weit geringere Tatschwere, zumal es sowohl bei der Weitergabe von Cannabiskraut als auch beim Besitz des Kokains jeweils um eine Menge im einstelligen Grammbereich ging, und eine gänzlich bedingt nachgesehene Strafe von noch dazu 25 % kürzerer Dauer verhängt wurde.

3.1.5 Schließlich hat der VwGH im Fall einer zweimal nach dem SMG Verurteilten, über die zuletzt eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 20 Monaten und daneben eine unbedingte Geldstrafe von 240 Tagessätzen ausgesprochen worden war, unter anderem ausgeführt, es sei zu berücksichtigen, dass nur eine zur Gänze bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt wurde, sowie weiters, dass der Fremden für den Zeitraum der letzten zweieinhalb Jahre vor Erlassung des angefochtenen Bescheides kein strafbares Verhalten mehr angelastet wurde. (13.12.2012, 2012/21/0181)

Der Sachverhalt, welcher zur zuletzt zitierten Entscheidung vorlag, die eine Unionsbürgerin mit Recht auf Daueraufenthalt betraf, beinhaltete als Fehlverhalten, dass die Fremde, über die 2011 ein Aufenthaltsverbot verhängt (und mit der genannten Entscheidung vom VwGH behoben) worden war, 2006 Suchtgift in Form von insgesamt ca. 5 g Amphetamin erworben und besessen hatte und dann 2009 zwei Verbrechen des Suchtgifthandels und das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften beging, indem sie in zwei Schmuggelfahrten mit dem Lebensgefährten Heroin und Kokain in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge aus Slowenien eingeführt sowie Heroin in vierzehn Fällen als Beitragstäterin (wobei das Fünfzehnfache der Grenzmenge überschritten wurde) und in zwei Fällen als unmittelbare Täterin an andere Personen überlassen habe, und ferner Suchtgift nicht ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen hatte.

Auch wenn wegen des Rechts auf Daueraufenthalt bei dieser Fremden zu prüfen war, ob ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellte (analog zu § 66 Abs. 1 FPG), wogegen im vorliegenden Beschwerdefall die Voraussetzung der Rechtsfolge eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr wäre, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (§ 67 Abs. 1 FPG), wird mangels einschränkender Formulierung des VwGH davon auszugehen sein, dass sowohl die gänzliche bedingte Nachsicht einer Freiheitsstrafe als auch eine mehrjährigen Periode, für die keine Strafvorwürfe vorliegen, generell in Fällen der Gefährlichkeitsbeurteilung zugunsten des Fremden zu gewichten sind, somit auch nach Verurteilungen gemäß SMG.

3.1.6 Nach all dem geht das Gericht davon aus, dass die dem Beschwerdeführer nachgewiesenen Taten mit Blick auf die inzwischen vergangene Zeit, das nun schon länger geführte Familienleben mit der Frau – auch wenn es aus dem festgestellten Grund noch kinderlos ist – und den seither gepflogenen Lebenswandel in der Gesamtschau nicht derart gewichtig sind, dass sie den Beschwerdeführer als einen Fremden qualifizieren, von dem wegen seines Verhaltens eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht. Unter Berücksichtigung der genannten familiären und zeitlichen Elemente lässt sich eine derartige Gefahr aus der im Ganzen betrachteten aktuellen Lebenssituation des Beschwerdeführers seiner Person nicht zuschreiben, auch wenn die Strafe erst in etwa sechs Wochen getilgt sein wird.

3.1.7 Auch das BFA findet neben dem genannten Fehlverhalten, das dem Strafurteil zu Grunde lag, und dem Verwenden der Aliasidentität wenig, was für die Erlassung des Aufenthaltsverbots spricht, und erwähnt dazu z. B., die Heirat erwecke den Anschein, der Beschwerdeführer wolle lediglich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat verhindern. Die Ausführungen des BFA im bekämpften Bescheid (zu allen drei Spruchpunkten), wonach sich der Beschwerdeführer mit seiner Gattin auch in einem anderen Land (gemeint: EWR-Staat) niederlassen könne, erweisen sich im Hinblick auf das Erfordernis einer qualifizierten Gefährlichkeit auch nicht als hinreichende Begründung dafür, dass das Aufenthaltsverbot erforderlich wäre.

Demgemäß liegen die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG für ein Aufenthaltsverbot beim Beschwerdeführer nicht vor. Die dagegen erhobene Beschwerde ist daher berechtigt, weshalb es wie geschehen ersatzlos aufzuheben war.

3.2 Zur Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde (Spruchpunkte II und III):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist (u. a.) begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Das BFA verweist in der Begründung für die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs auf die Gründe des Aufenthaltsverbots („Wie oben ausführlich begründet …“, S. 18). Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen aber nach ständiger Rechtsprechung die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes keinesfalls zu ersetzen (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053; 12.09.2013, 2013/21/0094 mwN).

Das BFA erachtete im August 2017 die Erlassung eines mit sieben Jahren befristeten Einreiseverbotes (samt Rückkehrentscheidung) für gerechtfertigt, hat diese seinerzeit erlassene durchführbare Rückkehrentscheidung nicht durchgesetzt und sah nun - trotz der mittlerweile eingegangenen Ehe mit einer Unionsbürgerin und des Ablaufs der Probezeit der Bewährungsstrafe sowie des Wohlverhaltens seit rund fünf Jahren - ein Aufenthaltsverbot von zehn Jahren und überdies die sofortige Ausreise des Revisionswerbers vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens für erforderlich an, obwohl mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bis Mitte 2020 zugewartet wurde. Damit macht auch der Ablauf selbst diesen Spruchpunkt II nicht nachvollziehbar. (Vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360)

Weil die Behebung des Spruchpunkts I indes den Spruchpunkt II gegenstandslos macht, erübrigt sich die Frage nach einer anderweitigen Begründung für den Letzteren. Er war jedenfalls als obsolet aufzuheben.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Das BFA verweist zu diesem Spruchpunkt wiederum auf die Delinquenz des Beschwerdeführers, auf dessen Erwerbslosigkeit, die verwendete Alias-Identität und das Einreiseverbot.

Im Sinne des zu Spruchpunkt II Ausgeführten war auch dieser Spruchpunkt ohne weitere Überlegung die Stichhaltigkeit seiner Begründung betreffend aufzuheben, weil das Aufenthaltsverbot als eine notwendige Voraussetzung entfällt.

Im Ergebnis war demnach der gesamte angefochtene Bescheid wie geschehen ersatzlos aufzuheben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwN).

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2233568.1.00

Im RIS seit

04.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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