Entscheidungsdatum
10.08.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I403 2233613-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bulgarien, vertreten durch die „Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH“ und „Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH“ in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2020, Zl. XXXX zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bulgarien, wurde am 31.05.2020 durch Exekutivbeamte der LPD XXXX einer Personskontrolle unterzogen und in weiterer Folge aufgrund einer aufrechten Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft XXXX festgenommen. Am selben Tag wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt.
Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 05.06.2020 („Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“) wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt werde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot, in eventu einen ordentlichen Schubhaftbescheid zu erlassen und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von 10 Tagen eine schriftliche Stellungnahme hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse in Österreich abzugeben. Von dieser Möglichkeit machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 26.06.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund des Vergehens des teils durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren, verurteilt.
Am 26.06.2020 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Hierbei gab er an, er sei gesund, ledig und habe keine Sorgepflichten. Er sei seit dem Jahr 2013 in Österreich aufhältig und habe von 2013 bis 2015 in XXXX gearbeitet, jedoch nie eine Anmeldebescheinigung beantragt und sei er auch nie aufrecht im Bundesgebiet gemeldet gewesen. Seine Kernfamilie, bestehend aus seinem Vater und seiner Schwester, sei in Bulgarien aufhältig, auch verfüge er über eine Unterkunft in seinem Herkunftsstaat. In Österreich habe er keine familiären Anknüpfungspunkte und auch keine maßgeblichen Integrationsschritte gesetzt. Er wolle nach Bulgarien zurückkehren und werde sich auch einer Abschiebung nach Bulgarien nicht widersetzen.
Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 26.06.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 26.06.2020 wurde gemäß „§ 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Zudem wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß „§ 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Eine für den 20.07.2020 angesetzte Abschiebung des Beschwerdeführers auf dem Luftweg musste aufgrund eines Landeverbotes storniert werden. Am 16.07.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe. Diesem Antrag wurde stattgegeben und er wurde am 20.07.2020 aus der Schubhaft entlassen. Am 21.07.2020 übermittelte der Verein Menschenrechte Österreich der belangten Behörde eine Ausreisebestätigung, wonach der Beschwerdeführer am 20.07.2020 mit dem Bus von Österreich nach Bulgarien ausgereist sei.
Mit Schriftsatz vom 24.07.2020 wurde Beschwerde gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben, in eventu die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes verkürzen. Inhaltlich wurde insbesondere kritisiert, der angefochtene Bescheid ließe eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers vermissen.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.08.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bulgarien und somit EWR-Bürger. Seine Identität steht fest.
Er ist gesund und erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer war – abgesehen von seinen Aufenthalten in einer Justizanstalt und in einem Polizeianhaltezentrum - nie aufrecht im Bundesgebiet gemeldet, ging hier zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach und hat in Österreich keine maßgeblichen privaten sowie keine familiären Anknüpfungspunkte.
Der Vater und die Schwester des Beschwerdeführers halten sich in Bulgarien auf, wo auch sein Lebensmittelpunkt liegt und er über eine Unterkunft verfügt.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 26.06.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund des Vergehens des teils durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren, verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen hat und zwar dem Verfügungsberechtigten eines Unternehmens Werkzeug im Wert von ca. 4.300,- Euro durch Einbruch zwischen dem 05.05.2018 und dem 06.05.2018, indem er mit einem Schraubenzieher die Fensterscheibe eines KFZ einschlug und das sich in diesem befindende Diebesgut an sich nahm, sowie zwischen dem 25.10.2017 und dem 27.10.2017 dem Verfügungsberechtigten eines anderen Unternehmens ca. 150 Liter Diesel im Wert von ca. 200 Euro, indem er Treibstoff aus einem LKW abzapfte. Als mildernd wurden im Rahmen der Strafbemessungsgründe der bisher ordentliche Lebenswandel und das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers gewertet, erschwerende Umstände sind nicht zutage getreten.
Neben seiner strafgerichtlichen Verurteilung hat der Beschwerdeführer überdies gegen eine Vielzahl an fremden-, unions- sowie verwaltungsrechtliche Bestimmungen verstoßen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister (woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Festnahme nie aufrecht im Bundesgebiet gemeldet war), dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger (woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachging) und dem Strafregister eingeholt.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines im Original vorgelegten – und sich in Kopie im Akt befindlichen - bulgarischen Personalausweises Nr. XXXX fest.
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen und zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 26.06.2020 sowie aus dem Umstand, dass den insoweit im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten wurde.
Die Feststellungen hinsichtlich der seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen ergeben sich aus der im Akt enthaltenen, gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX .
Die zahlreichen fremden-, unions- sowie verwaltungsrechtlichen Verstöße des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben, wonach er seit dem Jahr 2013 in Österreich aufhältig gewesen sei und von 2013 bis 2015 im Bundesgebiet gearbeitet habe. In einer Zusammenschau mit den eingeholten Auszügen aus dem IZR, dem Zentralen Melderegister sowie dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger steht fest, dass der Beschwerdeführer insoweit zumindest gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, des Meldegesetzes sowie des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes verstoßen hat (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.3.1.2.).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:
Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 27/2020 lautet:
„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.“
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger jener Fremde, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger von Bulgarien ist sohin EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 29/2020 lautet:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
3.1.2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war aus folgenden Gründen abzuweisen:
Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner bulgarischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich des § 67 FPG fällt und die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als fünf bzw. mehr als zehn Jahren nicht erfüllt ist, gelangt für ihn fallgegenständlich der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.
Gegen den Beschwerdeführer als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG sohin zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).
Die belangte Behörde stützte das gegenständlich angefochtene Aufenthaltsverbot zunächst auf das der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 26.06.2020 zugrundeliegende Fehlverhalten. So hatte er einerseits zwischen dem 05.05.2018 und dem 06.05.2018 Werkzeug im Wert von ca. 4.300,- Euro durch Einbruch in ein KFZ gestohlen, indem er mit einem Schraubenzieher dessen Fensterscheibe einschlug und das sich darin befindende Diebesgut an sich nahm. Überdies zapfte er zwischen dem 25.10.2017 und dem 27.10.2017 ca. 150 Liter Diesel im Wert von ca. 200 Euro aus einem fremden LKW ab.
Dem Beschwerdevorbringen, wonach das Strafgericht im Rahmen der Strafbemessungsgründe den bisher ordentlichen Lebenswandel und das reumütige Geständnis des Beschwerdeführers als mildernd gewertet habe, während keinerlei erschwerende Umstände zutage getreten seien und dass angesichts des Umstandes, dass die der Verurteilung zugrunde liegenden Tathandlungen in den Jahren 2017 und 2018 gesetzt wurden, sodass bereits aufgrund der seither verstrichenen Zeit keine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer „auf der Hand…liegen“ würde (AS 160), ist entgegenzuhalten, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters nach höchstgerichtlicher Judikatur grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. zuletzt VwGH 30.04.2020, Ra 2019/20/0399, mwH). Fallgegenständlich wurde der Beschwerdeführer erst am 26.06.2020 verurteilt und aus der Untersuchungshaft entlassen, ehe er unmittelbar danach in Anschlussschubhaft genommen wurde, aus welcher er wiederum am 20.07.2020 entlassen wurde. Zuvor hatte er sich über Jahre hinweg dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen, indem er ohne aufrechte Meldung in der Anonymität gelebt hatte. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer längeren Phase des Wohlverhaltens gesprochen werden, welche nahelegen würde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet fortan keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mehr darstellen würde, zumal die dreijährige Probezeit, unter welcher seine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten bedingt nachgesehen wurde, erst vor etwa eineinhalb Monaten zu laufen begonnen hat.
Im Hinblick auf das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist zudem zu berücksichtigen, dass er - ungeachtet des Umstandes, dass er lediglich einmal strafgerichtlich verurteilt wurde - bis zuletzt gegen eine Vielzahl an fremden-, unions- sowie verwaltungsrechtlichen Bestimmungen verstoßen und dadurch seine Gleichgültigkeit der österreichischen Rechtsordnung gegenüber zum Ausdruck gebracht hat.
Wenngleich die Dauer seines Aufenthaltes sowie seiner Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nicht exakt bestimmt werden kann, steht bereits aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde - wonach er seit dem Jahr 2013 in Österreich aufhältig sei und von 2013 bis 2015 im Bundesgebiet gearbeitet habe (AS 39ff) - in einer Zusammenschau mit den eingeholten Auszügen aus dem IZR, dem Zentralen Melderegister sowie dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger fest, dass er einerseits gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) verstoßen hat, da nach § 3 Abs. 2 AuslBG ein Ausländer (soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist) eine Beschäftigung nur antreten und ausüben darf, wenn für ihn eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn er eine für diese Beschäftigung gültige "Rot-Weiß-Rot - Karte", "Blaue Karte EU, Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("ICT"), Aufenthaltsbewilligung als mobiler unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("mobile ICT"), Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft" mit Zugang zum Arbeitsmarkt (§ 20f Abs. 4)" oder "Niederlassungsbewilligung - Künstler" oder eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", eine "Aufenthaltsberechtigung plus", einen Befreiungsschein (§ 4c) oder einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" oder "Daueraufenthalt - EU" besitzt. Der Beschwerdeführer war jedoch zu keinem Zeitpunkt in Besitz einer der genannten arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen. Darüber hinaus hat er es unterlassen, binnen drei Tagen ab seiner Unterkunftnahme in Österreich eine verpflichtende Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet vorzunehmen (vgl. §§ 2 Abs. 1 und 7 Abs. 1 Meldegesetz) und hat zudem in jedem Fall auch gegen die Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) verstoßen. Es ist davon auszugehen, dass er zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate gemäß § 51 NAG erfüllt hatte, jedenfalls aber hat er es unterlassen, in Einklang mit § 53 Abs. 1 NAG der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde binnen vier Monaten ab seiner Einreise seinen länger als dreimonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet anzuzeigen, um sich eine erforderliche Anmeldebescheinigung ausstellen zu lassen.
Neben seiner strafgerichtlichen Verurteilung sind dem Beschwerdeführer sohin bis zuletzt mehrere, teils über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltende Rechtsverstöße anzulasten, sodass im Rahmen einer Gesamtschau davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.
Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann jedoch ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall ein Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.
Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch eine soziale Integration des Beschwerdeführers ist nicht gegeben, hatte er doch – wie dargelegt - noch nie einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich (abgesehen von seinen Aufenthalten in einer Justizanstalt und in einem Polizeianhaltezentrum) und ging er zu keinem Zeitpunkt einer legalen Beschäftigung nach. Es liegt jedenfalls keine umfassende Verankerung in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht im Bundesgebiet vor und wurde eine solche weder im Administrativ- noch im Beschwerdeverfahren auch nur ansatzweise behauptet.
Das familiäre und private Interesse des Beschwerdeführers an einem Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.
Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes von vier Jahren stellt sich angesichts der Art des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes – vor dem Hintergrund einer zulässigen Höchstdauer von zehn Jahren sowie den im gegenständlichen Fall vorliegenden Umständen - als angemessen dar, zumal sich der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privatleben in engen Grenzen hält. Auch im Beschwerdeverfahren wurden keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus. Anhand seines Gesamtfehlverhaltens zeigte er unzweifelhaft, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zum Schutz der Bevölkerung erforderlich und dringend geboten ist, zumal er sich in der Vergangenheit dem Zugriff der Behörden entzogen hatte, indem er keinen Wohnsitz gemeldet hatte.
Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Reisebeschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bereits freiwillig nach Bulgarien ausgereist ist und ihm eine Einreise in seinen Herkunftsstaat möglich war.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der maßgebende Sachverhalt wurde vom BFA abschließend ermittelt. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu den vom Beschwerdeführer in Österreich begangenen strafbaren Handlungen sowie zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich sowie in Bulgarien, blieben unbestritten. Tatsächlich blieben alle im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen (so auch, dass der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben führt; dass er gesund ist; dass er in Österreich nie einen Wohnsitz hatte oder einer legalen Erwerbstätigkeit nachging) unwidersprochen. Unter diesen Umständen hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck zu keinem anderen Ergebnis geführt. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002).
Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Diebstahl Durchsetzungsaufschub EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gesamtbetrachtung Gesamtbeurteilung Gesamtverhalten AntragstellerIn Haft Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Unionsbürger Vergehen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2233613.1.00Im RIS seit
03.11.2020Zuletzt aktualisiert am
03.11.2020