TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/10 G305 2193620-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2020
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Entscheidungsdatum

10.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2193620-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich und durch MMag. Dr. Franz Stefan PECHMANN, Rechtsanwalt, Prinz Eugen-Straße 70/2/1.1, 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .07.2020 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 12.09.2015 stellte der zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigte, irakische Staatsangehörige, XXXX , geboren am XXXX in XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1. Am XXXX .09.2015 wurde er von Organen der Landespolizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, den Irak deshalb verlassen zu haben, das sein Vater in der Regierung Sassam Husseins ein hoher Offizier gewesen sei und dass seine beiden Onkels getötet worden seien. Auf seinen Vater sei ein Anschlag verübt worden, bei dem dieser schwer verletzt worden sei. Sodann seien sie von XXXX nach XXXX geflohen. Sein Vater sei immer wieder vom IS bedroht. Da er, der Beschwerdeführer, Angst vor einer Entführung hatte, habe ihm der Vater gesagt, er solle das Land verlassen.

Zur Reiseroute befragt, gab der BF an, dass er im Oktober mit einem PKW von zu Hause aus nach ARBIL gefahren sei. Von dort sei er illegal in die Türkei geflogen. In XXXX habe er sich, gemeinsam mit seinem Bruder und einem Cousin, XXXX , fünf bis sechs Monate lang aufgehalten. In der Folge seien er, sein Bruder und der Cousin nach IZMIR weitergereist und hätten sie schlepperunterstützt mit einem Schlauchboot auf die Insel MYTILINI übergesetzt. Dort seien sie erkennungsdienstlich behandelt worden. Dann seien sie mit dem Schiff nach KAFALA gefahren, anschließend mit Bus nach SALONIKI und hätten sie ihre Fahrt über die Balkanroute bis nach Österreich fortgesetzt. In Traiskirchen stellten sie den Asylantrag am 12.09.2015.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage erbrachte beim BF keinen Treffer zu einem anderen europäischen Staat.

1.2. Am XXXX .07.2017 wurde der BF ab 12:30 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass er den Irak wegen seines Vaters verlassen habe; dieser habe Saddam und den Ministern sehr nahegestanden und sei die gesamte Familie deshalb in Gefahr. Als die Regierung 2003 gestürzt wurde, seien sie von XXXX nach XXXX gezogen. Sie seien von XXXX immer hin und her gezogen. Am XXXX .10.2014 sei vor dem Haus der Familie Sprengstoff gelegt worden. Bei der Sprengstoffexplosion sei sein Bruder leicht am Rücken und am Kopf verletzt worden. Seine Mutter habe sich am Fuß verletzt und beim Vater seien durch Splitter zwei Nerven am Oberarm durchtrennt worden. Er sei sogleich mit dem Vater in ein Krankenhaus, wo er eine „Schnellversorgung“ bekommen habe. Später sei es gelungen, die medizinische Behandlung des Vaters in XXXX fortzusetzen. In XXXX habe man ihm, dem BF, gesagt, dass er das Land verlassen müsse, da er schon volljährig sei. Als fluchtauslösendes Moment bezeichnete der BF den Sprengstoffanschlag.

1.3. Mit Bescheid vom XXXX .03.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), wider ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen werde (Spruchpunkt IV.), und dass festgestellt werde, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

1.4. Gegen diesen, dem BF am 04.04.2018 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob dieser im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die er auf die Beschwerdegründe „Verletzung von Verfahrensvorschriften“, „mangelhafte Feststellungen“, „mangelhafte Beweiswürdigung“ und „unrichtige rechtliche Beurteilung“ stützte und mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen, für den Fall der Abweisung des Beschwerdeantrages gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat zukomme und feststellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung plus gem. § 55 AsylG vorliegen und den BF diese von Amts wegen erteilen, sowie in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs. 1 AsylG vorliegen und ihm eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz von Amts wegen zu erteilen ist.

1.5. In der Folge brachte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 27.03.2018 erhobene Beschwerde und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.

1.6. Am XXXX .07.2020 wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des ausgewiesenen Rechtsvertreters (im Folgenden kurz: RV) und des Beschwerdeführers, dessen Bruders, XXXX , sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache durchgeführt, anlässlich welcher der BF als Partei einvernommen wurde.

1.7. Am 13.07.2020 langte im Wege seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen vom 17.03.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität XXXX geboren am XXXX und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch und verfügt er über Grundkenntnisse der deutschen Sprache [VH-Niederschrift S. 16].

Er hat seit dem XXXX .09.2015 den Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (vom XXXX .09.2015 bis XXXX .10.2017 in XXXX und seit dem XXXX .10.2017 bis laufend in XXXX ) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Partei in Österreich und der darauffolgenden Asylantragstellung:

Vor seiner am XXXX .04.2015 stattgehabten Ausreise aus dem Irak lebte der BF im Haus seines Vaters in XXXX , Ortschaft XXXX in der Provinz XXXX [Niederschrift BFA vom XXXX .07.2017, S. 8 oben]. Von dort fuhr er mit dem PKW nach XXXX , von wo aus er mit dem Flugzeug in die Türkei weiterreiste. In der Folge hielt er sich in XXXX (Türkei) auf, ehe er mit seinem Bruder und dem Cousin nach IZMIR weiterfuhr. Von IRZMIR aus setzten die drei genannten Personen - schlepperunterstützt - mit dem Schlauchboot nach MYTILINI (Griechenland) über, wo sie erkennungsdienstlich behandelt wurden. Dann reisten sie mit dem Schiff nach KAFALA weiter und von hier aus mit dem Bus nach SALONIKI und von hier aus teils mit dem Bus, teils zu Fuß nach Mazedonien. In der Folge ging es über die sog. Balkanroute bis nach Österreich, wo die drei zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im September 2015, von Ungarn kommend, die österreichische Grenze überquerten und am 12.09.2015 einen Asylantrag stellten [BF1 in Erstbefragungsprotokoll vom XXXX .09.2015, S. 4 Pkt. 9.9].

Bis zu seiner Ausreise wohnte der BF im Einfamilienhaus des Vaters in der Ortschaft XXXX in der Provinz XXXX .

Dort lebt dessen Eltern und dessen, zu einem nichtfeststellbaren Zeitpunkt im XXXX geborene Schwester XXXX ; diese Schwester ist weder verheiratet, noch hat sie Kinder [VH-Niederschrift vom XXXX .07.2020, S. 13].

1.3. Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und drei Jahre die HTL, dies in XXXX , Provinz XXXX . Die HTL schloss er am XXXX .12.2014 ab. Eine weiterführende Ausbildung absolvierte er nicht. Im Irak erlernte er keinen Beruf bzw. übte er dort auch keinen Beruf aus [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 6 unten]. Sein Vater, der sich seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein, im Jahr 2003 in Pension befindet und eine staatliche Pension vom Staat Irak bezieht, sorgte für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers [VH-Niederschrift, S. 7 oben; S. 9]. Der Vater des BF diente zwar als Offizier in der irakischen Armee, doch hatte der BF deswegen und/oder aus anderen Gründen weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten, noch mit den Verwaltungsbehörden des irakischen Staates noch mir sonstigen Dritten ein Problem [VH-Niederschrift, S. 10 Mitte]. Auch der übrige, im Irak verbliebene Teil der Kernfamilie des Beschwerdeführers, bestehend aus dem Vater, der Mutter und einer zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im XXXX geborenen Schwester, hatte zu keinem Zeitpunkt ein Problem aus politischen oder religiösen Motiven, noch wegen ihrer Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber [VH-Niederschrift, S. 14].

Der im Irak verbliebene Teil der Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor im Haus des Vaters in XXXX [VH-Niederschrift vom 06.07.2020, S. 13]. Dieser Teil der Kernfamilie hat sich zu keinem Zeitpunkt außerhalb vom Irak aufgehalten [VH-Niederschrift, S. 14 oben].

Ihren Bedarf an Lebensmitteln und Trinkwasser deckt die im Irak verbliebene Kernfamilie des BF über die in XXXX gelegenen Märkte. Die Schwester des BF ist unverheiratet und studiert derzeit Mathematik an der Universität in XXXX [VH-Niederschrift, S. 14]. Die Mutter des BF ist noch berufstätig und XXXX während des Aufenthaltes des BF im Irak als XXXX an einer XXXX mit der Bezeichnung „ XXXX “ in XXXX ; gegenwärtig XXXX an einer, in der Nähe des Hauses der Familie befindlichen, XXXX unbekannter Bezeichnung [VH-Niederschrift, S. 15 oben]. Sohin erzielen sowohl der Vater als auch die Mutter des BF, Einkünfte; der Vater bezieht vom irakischen Staat eine Pension als ehemaliger, seit dem Jahr 2003 in Pension befindlicher Offizier und die Mutter bezieht ein Gehalt als Grundschullehrerin.

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Partei:

Der BF war nie Mitglied einer politischen Partei oder anderen aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung.

Er hatte weder mit der Polizei noch mit den Verwaltungsbehörden noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Gegen ihn liegt keine strafgerichtliche Verurteilung eines Gerichtes des Herkunftsstaates vor; er wurde auch nie einer Straftat bezichtigt und deswegen von den Strafverfolgungsbehörden des Herkunftsstaates verfolgt. Auch mit den Milizen des Herkunftsstaates hatte er kein Problem [VH-Niederschrift, S. 7 unten]. Er hatte auch nie persönlichen Kontakt zu Mitgliedern einer Miliz des Herkunftsstaates und war zu keinem Zeitpunkt Adressat einer Rekrutierung bzw. eines Rekrutierungsversuchs. Er, wie auch der Vater und die übrigen Mitglieder seiner Kernfamilie, erhielten zu keinem Zeitpunkt ein Drohschreiben von einer Miliz des Herkunftsstaates [VH-Niederschrift, S. 8; Niederschrift des BFA vom XXXX .07.2017, S. 7]. Er war auch nie Mitglied des IS bzw. hat er zu keinem Zeitpunkt für den IS gekämpft [VH-Niederschrift, S. 18].

Der BF selbst wurde auch nie zum Militär des Herkunftsstaates einberufen [Niederschrift des BFA vom XXXX .07.2017, S. 6 Mitte].

Die Familie des Beschwerdeführers war auch nie Adressat eines aus religiösen, politischen oder aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber von einer Miliz des Herkunftsstaates oder dem IS auf Ihr Familienhaus gezielt verübten Sprengstoffanschlags.

Insgesamt vermochte er nicht glaubhaft zu machen, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen wäre bzw. nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer solchen ausgesetzt sein könnte.

1.5. Zu Situation des BF im Bundesgebiet:

1.5.1. Der BF hat im Bundesgebiet außer seinen Bruder, XXXX , und einen Cousin väterlicherseits, den zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt geborenen, in XXXX , keine im Bundesgebiet lebenden Verwandten. Ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen ihm und seinen Verwandten nicht. Der BF und dessen Cousin besuchen einander lediglich zwei Mal pro Jahr. Zuletzt gab es vor der Corona-Krise Besuchskontakt, danach nicht mehr [VH-Niederschrift vom XXXX .07.2020, S. 15].

1.5.2. Er hat einen Deutschkurs besucht und mit einer Prüfung auf dem Niveau A2 abgeschlossen. Weitere Deutschkurse besuchte er nicht [VH-Niederschrift vom XXXX .07.2020, S. 16]. In Österreich besucht er keine Kurse, Schule oder Universität. Er spielt Fußball im Fußballclub XXXX [VH-Niederschrift, S. 17].

1.5.3. Der BF geht in Österreich auch keiner regelmäßigen Beschäftigung nach; vielmehr bezieht er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [VH-Niederschrift vom XXXX .07.2020, S. 16 unten und 17 oben].

1.5.4. Er nutzte seinen Aufenthalt in Österreich, Verbrechen und Gräueltaten des IS im Internet zu liken und diesen sowie dessen Mitglieder bei der Begehung von Straftaten aller Art in psychischer Hinsicht zu unterstützen [Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX . 10 ff].

Ihm wurde vom Strafgericht zur Last gelegt, im Zeitraum von Februar 2014 bis zumindest 2017 in XXXX und an nicht näher bekannten Orten im Irak sich auf andere Weise in dem Wissen, dass er dadurch die kriminelle Organisation oder deren strafbaren Handlungen fördert, als Mitglied an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen beteiligt zu haben, die, wenn auch nicht ausschließlich auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarerer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, in der sich freiwillig der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen haben soll.

Nachweislich soll er ab dem XXXX .02.2014, sohin noch während seiner Anwesenheit im Herkunftsstaat, Handlungen gesetzt haben, die der psychischen Unterstützung von dem IS angehörenden Personen dienen sollten [Urteil des LG XXXX vom XXXX , S. 3ff; Urteil des XXXX vom XXXX , S. 2ff].

Handlungen dieser Art setzte er zumindest bis zum XXXX .05.2016, sohin bis weit über die Asylantragstellung in Österreich.

1.5.4.1. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation gem. § 278a StGB, weiter wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung gem. § 278b Abs. 2 StGB, und wegen des Vergehens der Aufforderung zu terroristischen Straftaten und der Gutheißung terroristischer Straftaten nach§ 282a Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 19 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dabei legte ihm das Gericht zur Last, er habe sich zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2014 dem Islamischen Staat angeschlossen, wobei er diesem noch im Irak zugesichert hätte, ihn zumindest in psychischer Hinsicht zu unterstützen und überdies zugesichert hätte, den Islamischen Staat auch anderen Personen im In- und Ausland nahezubringen, dass die Taten und Zielsetzungen des IS gerechtfertigt und richtig seien. Auf Grund dieser Zusage sei es dem BF auch möglich gewesen, gemeinsam mit seinem Bruder XXXX und dem Cousin XXXX aus dem vom IS besetzten Gebiet im Irak auszureisen, was ohne die Zustimmung des IS faktisch nicht möglich gewesen wäre [Urteil des LG XXXX vom XXXX ]. Zum Vorwurf wurde ihm weiter gemacht, mit diversen, im Irak ansässigen Personen Konversationen zu führen, wobei diese Personen dazu angetan waren, den IS, dessen Eroberungen und dessen Herrschaft gegenüber den jeweiligen Personen als gut und vorteilhaft darzustellen. Nach seiner Ankunft in Österreich soll der BF mehrmals IS-Parolen skandiert, typische IS-Lieder bzw. IS-Hymnen gesungen und sich - für mehreren Personen wahrnehmbar - offen erfreut darüber gezeigt haben, als in den Medien einmal über einen Anschlag des IS auf Schiiten berichtet wurde. Während dieser Handlungen soll der Beschwerdeführer den Feststellungen des Strafgerichtes zufolge mit dem Vorsatz gehandelt haben, sich als Mitglied an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zu beteiligen, „die, wenn nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht […]“ [Urteil des LG XXXX . 11f]. Dabei soll es dem Beschwerdeführer bei seinen Werbe- und Propagandapostings und Chats für den Islamischen Staat geradezu darauf angekommen sein, „sich an einer kriminellen Organisation zu beteiligen und der Terrorvereinigung Islamischer Staat anzuschließen um diese, sei es durch die wiederkehrende und geplante Begehung schwerer strafbarer Handlungen oder auf sonstige Art und Weise - etwa durch die Stärkung der Gruppenmoral von Angehörigen des Islamischen Staates in ihrer Bereitschaft zur Ausführung terroristischer Straftaten - zu unterstützen“ [Urteil des LG XXXX , S. 12 Mitte].

Bei der Strafzumessung wertete das Strafgericht beim Beschwerdeführer „die bisherige Unbescholtenheit, das umfangreiche und reumütige, der Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, seine familiäre Situation im Irak, das teilweise Alter unter einundzwanzig Jahren und das längere Zurückliegen der Tat“ als mildernd, als erschwerend hingegen „das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit fünf Vergehen, der lange Deliktsraum und die Tatwiederholungen“.

1.5.4.2. Der gegen das in Punkt 1.5.4.1. näher bezeichnete strafgerichtliche Urteil erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft XXXX gab XXXX als Berufungsgericht Folge, in dem es die über den Beschwerdeführer verhängte (zweijährige) Freiheitsstrafe auf drei Jahre erhöhte und aussprach, dass davon der Teil von zwei Jahren gem. § 43a Abs. 4 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werde und dass dem Beschwerdeführer auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last fallen.

Unter sorgfältiger Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe sprach das Berufungsgericht im Kern aus: „[…] Angesichts dieses Strafzumessungssachverhalts entspricht die vom Erstgericht verhängte Strafe nicht dem mit dem strafbaren Verhalten des Angeklagten verbundenen (insbesondere) hohen Gesinnungsunwert, weshalb es einer Anhebung der Freiheitsstrafe auf drei Jahre bedarf. […]“

1.5.4.3. Wegen der ihm zur Last gelegten, den Gegenstand der strafgerichtlichen Verurteilung bildenden Taten wurde über den BF am XXXX .05.2018 in Untersuchungshaft genommen.

In der Folge wurde der unbedingt verhängte Teil der Freiheitsstrafe - unter Anrechnung der Vorhaft - in der Justizanstalt XXXX vollzogen [Urteil des XXXX vom XXXX , S. 2].

1.5.5. Der Beschwerdeführer lebt von Leistungen aus der Grundversorgung.

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war diese Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Während seines Aufenthalts im Irak bis zu dessen, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen, den IS oder durch die Polizei des Herkunftsstaates war der BF keiner asylrelevanten Bedrohung und/oder Verfolgung ausgesetzt. Überdies sind keine Umstände hervorgekommen, dass er nach erfolgter Rückkehr in den Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung und/oder Verfolgung ausgesetzt sein könnte.

1.6.1. Die Asa’ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz’ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz’ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata’ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft oder der palästinensischen Minderheit durch diese Miliz besteht nicht. Anlässlich seiner PV in der am XXXX .07.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte der BF, dass er im Herkunftsstaat, konkret in seiner Heimatstadt XXXX in der Provinz XXXX , durch sechs Jahre die Grundschule, durch drei Jahre die Mittelschule und durch drei Jahre die HTL besuchte und dass er im Herkunftsstaat weder einen Beruf erlernt, noch einen solchen ausgeübt hätte. Nach eigenen Angaben war er zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer politischen Partei, einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Irak [VH-Niederschrift vom XXXX .07.2020, S, 7]. Er persönlich hatte auch keine Probleme mit den Milizen des Herkunftsstaates [VH-Niederschrift vom XXXX .07.2020, S. 7 unten]. Der BF hatte persönlich nie Kontakt mit einer Miliz des Herkunftsstaates. Keine Miliz des Herkunftsstaates hatte jemals eine Rekrutierungsaufforderung an ihn gerichtet. Er war auch nie Adressat einer Bedrohung durch eine Miliz des Herkunftsstaates bzw. erhielt er auch nie ein Drohschreiben von einer Miliz des Herkunftsstaates [VH-Niederschrift vom XXXX .07.2020, S. 8].

Dass sein Vater - wegen seiner Vergangenheit als Offizier im Militär des Herkunftsstaates - Probleme mit auch nur einer Miliz des Herkunftsstaates gehabt hätte, kam anlassbezogen nicht hervor. Dass der Vater des BF gemeinsam mit der Mutter und der Schwester des BF in dem in XXXX gelegenen Familienhaus lebt und sich durchgängig im Irak aufgehalten und diesen nie verlassen hat, er weiters eine Pension vom irakischen Staat bezieht und die Mutter des BF bis laufend einer Tätigkeit als XXXX in XXXX nachgeht, ergibt sich, dass keines der im Irak aufhältigen Mitglieder der Kernfamilie des Beschwerdeführers Probleme mit einer Miliz gehabt haben kann bzw. hat und damit einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung unterlegen sein kann bzw. unterliegt.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.06.2020

-        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html Zugriff am 30.06.2020

-        - ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff 30.06.2020

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 30.06.2020

-        - GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020

-        - Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 13.3.2020

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 30.06.2020

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 30.06.2020

1.6.2. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF ging während seines Aufenthalts im Irak weder einer Berufsausbildung nach, noch übte er - nach eigenen Angaben - bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat eine Berufstätigkeit aus. Er hat auch keine asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung seiner Person im Rahmen eines Berufs behauptet bzw. glaubhaft gemacht.

Quellen:

-        - AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020

-        - USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff 13.3.2020

1.6.3. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben maximal eine Stunde vom nächstgelegenen Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, doch haben viele aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Ob der Tatsache, dass sich der BF selbst als gesund bezeichnete und angegeben hatte, dass er keine Medikamente einnehme, steht fest, dass er gesund ist und keine, über das normale Maß hinausgehende, medizinische Betreuung benötigt. Er ist von den in den Länderinformationen beschriebenen Problemlagen am Medizinsektor nicht betroffen, sodass sich eine nähere Auseinandersetzung mit denselben erübrigt.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.06.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff 30.06.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff 30.06.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff 30.06.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 30.06.2020

1.7. Aus den Angaben des BF lassen sich keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass er mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen seines Religionsbekenntnisses, seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätte. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass er oder die Angehörigen seiner Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten. Im Herkunftsstaat war er nie Adressat einer Verfolgung durch die dortigen Strafverfolgungsbehörden bzw. liegt gegen ihn auch keine strafgerichtliche Verurteilung durch ein irakisches Gericht vor.

Der BF gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist sunnitischer Muslim und hatte weder mit den Angehörigen derselben Glaubensrichtung noch mit den Angehörigen einer anderen, im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtung Probleme.

Auch hatte er mit den Angehörigen einer Miliz des Herkunftsstaates oder mit dem IS kein Problem. Zu keinem Zeitpunkt war er Adressat einer Rekrutierungsaufforderung durch Angehörige einer Miliz des Herkunftsstaates oder durch den IS. Bevor er den Irak verließ, war er weder durch eine Miliz des Herkunftsstaates noch durch den IS einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt.

Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist der BF keiner, aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort , realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass er als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben der BF1 anlässlich ihrer Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten Dokumente und Urkunden.

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen - diesbezüglich - glaubhaften Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die Konstatierungen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Situation des BF im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben und auf den Angaben, die er anlässlich seiner PV in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemacht hatte.

Anlässlich seiner Erstbefragung hatte der BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden angegeben, den Irak aus Angst vor einer Entführung durch den IS verlassen zu haben. Zudem brachte er vor, dass sein Vater ein hoher Offizier in der Regierung Saddam HUSSEINS gewesen sei und dass seine beiden Onkel s getötet worden seien. Auf seinen Vater sei ein Anschlag verübt und sei dieser dabei schwer verletzt worden. Sie seien in der Folge von XXXX nach XXXX geflohen und sie sein Vater immer vom IS bedroht worden [BF in Protokoll der LPD XXXX vom XXXX .09.2015, S. 11, Pkt. 11].

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA gab er als Fluchtgrund an, dass er den Irak deshalb verlassen hätte, weil „sie“ am XXXX .10.2014 Sprengstoff vor deren Haus in der Ortschaft XXXX gelegt hätten, der in der Folge explodiert sei. Bei der Explosion habe sich sein Bruder „leicht am Rücken und am Kopf“ verletzt. Die Mutter hätte sich am Fuß verletzt und sein Vater seien durch die Splitter zwei Nerven am Oberarm durchtrennt worden. Dabei habe er, der BF, den Vater ins Krankenhaus gebracht, wo dieser eine Schnellversorgung bekommen habe. Später sei es ihnen gelungen, die medizinische Behandlung des Vaters in XXXX fortzusetzen. In XXXX habe man dem BF gesagt, dass er schon volljährig sei und er das Land verlassen müsse. Somit sei er von seiner Familie weggegangen [Niederschrift des BFA vom XXXX .07.2017, S. 4f]. Über Nachfragen gab der BF an, dass er am XXXX .04.2015 aus dem Irak ausgereist sei [Niederschrift des BFA vom XXXX .07.2017, S, 8]. Zudem gab er an, dass Milizen ein großes Interesse an seiner Person hätten [Niederschrift des BFA vom XXXX .07.2017, S. 7].

Während die Fluchtroute und deren Ablauf - abgesehen von einer nicht entscheidungsrelevanten Diskrepanz zwischen den Orten der Ausreise in die Türkei - glaubhaft geschildert wurden, konnte er den Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates (Fluchtgründe) nicht glaubhaft machen.

Sowohl den Sprengstoffanschlag, als auch eine Verfolgung des Vaters (zunächst bloß durch den IS, dann umgestellt auf namentlich nicht näher genannte Milizen des Herkunftsstaates) bzw. seiner eigenen Person vermochte der BF nicht glaubhaft zu machen. So hatte der BF anlässlich seiner Erstbefragung noch behauptet, dass sein Vater immer wieder vom IS bedroht worden sei und dass er das Land aus Angst vor Entführung und auf Geheiß des Vaters verlassen habe. Daran, dass der Vater des BF immer wieder vom IS bedroht worden sei, rückte der BF anlässlich seiner Befragung durch die belangte Behörde ab und führte hier erstmals ins Treffen, dass die Familie durch die im Herkunftsstaat tätigen Milizen bedroht worden sei, weil der Vater im Regime Saddam HUSSEINS in der irakischen Armee als Offizier gedient habe.

Dieser augenfällige Widerspruch macht die angebliche Bedrohung der Familie völlig unglaubwürdig. Es wird nicht verkannt, dass die Einvernahme durch die Organe der Sicherheitsbehörden primär der Erkundung der Reiseroute dient, doch wird im Rahmen der Erstbefragung auch kurz nach dem Fluchtgrund gefragt. Wenn sich der Befragte hinsichtlich seiner Angaben derart in Widersprüche verstrickt, wie dies beim BF der Fall ist, gebietet es die allgemeine Lebenserfahrung, dass es sich beim dargelegten Fluchtmotiv um ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt handelt. Wäre der Vater, ebenfalls ein sunnitischer Muslim, tatsächlich vom (sunnitischen) IS bedroht worden, hätte der BF bei Wahrunterstellung dieser ersten Angabe auch bei seinen weiteren Einvernahmen daran festgehalten.

Ab der Einvernahme durch das BFA stellte der BF das Bedrohungsszenario in ein Verfolgungsszenario, für das (namentlich nicht näher genannte) Milizen des Herkunftsstaates verantwortlich gezeichnet hätten. Diesen Milizen versuchte der BF zudem einen, angeblich am XXXX .10.2014 auf das Familienhaus verübten Sprengstoffanschlag, bei dem angeblich sein Bruder, die Mutter und der Vater verletzt worden seien. Dem Sprengstoffanschlag auf das in der Ortschaft XXXX gelegene Familienhaus sollen Verfolgungshandlungen vorausgegangen sein, die die Familie dazu bewogen, dass sie „in XXXX immer hin und hergezogen“ sind „je nach Situation“ [BF in Verhandlungsniederschrift vom 06.07.2020, S. 10 Mitte]. Vor dem BFA behauptete er noch: „Wir waren immer auf der Flucht, von einem Haus zum Anderen, sie haben es dennoch geschafft an uns ranzukommen und uns Sprengstoff vor die Tür zu legen und unseren Vater zu verletzen.“ [Niederschrift des BFA vom 06.07.2017, S. 5]. Das spricht für eine permanente Flucht der Familie innerhalb des Irak, deren Höhepunkt der angebliche Sprengstoffanschlag auf das Familienhaus, bei dem zufällig alle Familienmitglieder anwesend gewesen sein sollen. Von der Behauptung einer permanenten Flucht der Familie rückte der BF, wie schon oben dargestellt, in seiner PV vor dem Bundesverwaltungsgericht ab.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht sprach der BF davon, dass alle Milizen, die den Irak führen würden, den Vater gesucht und verfolgt hätten [BF in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .07.2020, S. 10 unten]. Über Nachfragen vermochte er jedoch keine konkret gegen den Vater gerichteten Verfolgungshandlungen zu nennen, jedoch gab er an, dass zwei seiner Onkels väterlicherseits, und zwar XXXX und XXXX , getötet worden seien, weshalb der Vater davon ausging, dass er der nächste sein würde [BF in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .07.2020, S. 11 oben]. Über weiteres Nachfragen gab der BF an, dass beide Onkels im Jahr 2007, und zwar im Monat April, getötet worden seien. Dass auch der Vater wegen seiner Vergangenheit als Offizier im irakischen Militär mit dem Tod bedroht sein könnte, vermochte der BF nicht glaubhaft zu machen, zumal er vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass der Vater und die weiteren - im Irak aufhältigen - Angehörigen seiner Kernfamilie in dem in XXXX gelegenen Haus der Familie leben. Der Vater bezieht seit seiner Pensionierung im Jahr 2003 eine Pension vom irakischen Staat. Die Mutter war während des Aufenthalts des BF im Herkunftsstaat und ist sie bis laufend als XXXX tätig. Als solche bezieht sie ein Gehalt vom irakischen Staat. Sohin ist die Mutter als XXXX nach wie vor im Dienst des Staates Irak und der bezieht der Vater als Pensionist eine staatliche Pension. Eine derartige soziale Situation und vor allem der Umstand, dass die Mutter stets in XXXX , sprechen dafür, dass die Familie seit der Pensionierung des Vaters und dem Umzug der Familie von XXXX nach XXXX im Jahr 2003, als der BF gerade einmal acht Jahre alt war, und an diesen Umzug keine eigene Erinnerung hat, unbehelligt dort lebte. Der Umstand, dass der Vater, die Mutter und die unverheiratete Schwester des BF bis laufend in XXXX leben, sprechen gegen die vom BF unsubstantiiert behaupteten, angeblichen telefonischen Drohungen gegen den Vater, die er - nach den Angaben des BF - angeblich in jenem Jahr erhalten haben soll, als die beiden Onkels getötet wurden [BF in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .07.2020, S. 12]. Das war im Jahr 2007. Hinsichtlich der wider den Vater ausgesprochenen Drohungen blieb der BF stets unkonkret, was insgesamt dessen Glaubwürdigkeit in deren Grundfesten erschüttert.

Die vom BF behauptete, von den behaupteten (telefonischen) Drohungen motivierte Flucht der ganzen Familie des BF bzw. auch nur von Teilen derselben von XXXX in ein Dorf in der Nähe von XXXX , in dem Familienangehörige seiner Mutter (konkret drei Onkels) leben sollen, und von hier wieder zurück erscheint dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht als tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt. Der Umstand, dass die Mutter ihre Tätigkeit als XXXX ausschließlich an Schulen in der Stadt XXXX ausübte, spricht gegen die vom BF sehr vage angedeutete Fluchtbewegung. Die vom BF beschriebenen Ortswechsel, die er mit einer sehr vagen und unsubstantiierten Bedrohungs- bzw. Verfolgungssituation verband, dürften dem Anschein nach eher einem Besuch der in der Nähe von XXXX wohnenden Verwandten der Mutter gedient haben, zumal die Familie immer wieder in das Elternhaus zurückkehrte. Bei Wahrunterstellung einer Verfolgungssituation würden tatsächlich Verfolgte für längere Zeit nicht mehr ins Familienhaus zurückkehren, da sie dort leicht aufgefunden werden können. Dass der Vater des BF den Irak - im Gegenzug zu den damit in Widerspruch stehenden Behauptungen vor dem BFA, dass der Vater im Jahr 2015 in die Türkei ausgereist wäre - offenbar nie verließ und dort bis heute lebt, [BF in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .07.2020, S. 13], spricht ebenfalls gegen eine aktuelle Bedrohung bzw. Verfolgung des Vaters, von wem immer. Dies steht auch im Einklang mit einer (im Widerspruch zu seinen anderslautenden Angaben getätigten) Angabe, dass sich der Vater nach dem Sturz von Saddam HUSSEIN versteckt und sich nicht mehr getraut hätte, das Haus zu verlassen [Verhandlungsniederschrift vom XXXX .07.2020, S. 9 oben].

Abgesehen davon schloss der BF für sich selbst aus, jemals mit Milizen bzw. Angehörigen von Milizen oder dem IS Kontakt gehabt zu haben. Er hat auch zu keinem Zeitpunkt behauptet und schon gar nicht glaubhaft gemacht, dass er im Herkunftsstaat jemals Adressat von Drohungen bzw. Verfolgungshandlungen von wem und aus welchen Beweggründen immer, war. Er selbst war bis knapp vor seiner Ausreise aus dem Irak ein Schüler, der nach eigenen Angaben nie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Irak gewesen sein soll und der auch keine Probleme mit der Polizei, den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates gehabt haben soll. Einen Kontakt zu einer Miliz des Herkunftsstaats schloss er für sich aus [BF in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .07.2020, S. 8]. Es war daher zu konstatieren, dass er selbst im Herkunftsstaat weder einer asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt war, noch bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt sein wird.

Insgesamt vermittelte der BF dem erkennenden Gericht einen unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindruck und erscheint die äußerst widersprüchliche, vom Gehalt vage und unsubstantiiert gebliebene Fluchtgeschichte als ein den Tatsachen widersprechendes Gedankenkonstrukt.

Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration des BF in Österreich

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Integrationsschritten ergeben sich aus den diesbezüglich vorgelegten Nachweisen im Akt. Die Konstatierungen zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen mehrerer Verbrechen und Vergehen resultieren auf den in den Feststellungen dargestellten Urteilen des Landesgerichtes XXXX und des XXXX . Auf derselben Quelle beruhen die Feststellungen zum Inhalt der Urteile.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .03.2018 erhobene Beschwerde des BF ist rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/03

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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