TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/17 G304 2178521-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G304 2178521-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA: Irak, vertreten durch RA Dr. Andreas WALDHOF, 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2017, Zl. XXXX , betreffend internationalen Schutz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.07.2020 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) verließ seinen Herkunftsstaat Irak legal am 11.08.2015 und stellte nach seiner schlepperunterstützten illegalen Einreise ins Bundesgebiet am 05.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion XXXX , am 06.09.2015 (im Folgenden Erstbefragung) gab der BF an, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX im Irak, geboren, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung, ledig sowie kinderlos und habe zuletzt in XXXX , Bagdad, gelebt.

Zu den Gründen seiner Ausreise sowie den Befürchtungen im Falle einer Rückkehr in den Irak befragt, führte der BF wie folgt aus: „Weil mein Name XXXX ist und ich Sunnit bin, wurde ich oft von den Schiiten-Milizen bedroht. Diese haben auch meinen Vater geschlagen und sie wollten uns vertreiben. Es war dort für mich keine Sicherheit mehr. Ich hatte dort auch keine Zukunft mehr.“ Den Entschluss zur Ausreise aus dem Irak habe er vor drei Monaten gefasst [Anm. somit bereits Anfang Juni 2015].

Nach seiner Berufsausbildung befragt, gab der BF an „Studium Wirtschaft“, letzter ausgeübter Beruf „Bauarbeiter“.

2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der BF am 14.08.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen (im Folgenden: Einvernahme vor dem BFA).

Eingangs bestätigte der BF, die arabische Sprache zu verstehen und im Verfahren bislang wahrheitsgemäße Angaben gemacht zu haben. Ferner legte der BF Unterlagen, unter anderem einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis, einen irakischen Personalausweis beides jeweils im Original, eine irakische Wohnsitzkarte in Kopie und die Sterbeurkunde des Bruders vim 06.08.2015 in Kopie, vor.

Zur Person und seinen Lebensumständen befragt gab der BF an, dass er sunnitischer Araber sei, zwölf Jahre die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen und dann vier Jahre die Wirtschaftsuniversität besucht. Der BF gab an „Ich habe die Uni abgeschlossen in Bagdad“. Seinen Lebensunterhalt habe er sich als Tischler verdient, als solcher habe er 7 Jahre gearbeitet. Er habe sein Leben lang mit seiner Familie in XXXX , Irak, gelebt. Seine Mutter, sein Vater und sein Bruder XXXX würden derzeit in der Türkei leben, seine Schwester sei nach wie vor in Bagdad, XXXX wohnhaft. Sein Bruder XXXX sei ermordet worden. Er habe nur Kontakt mit seiner Schwester.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an:

„Am 02.08.2015 sind bewaffnete, maskierte Milizen bei uns zu Hause eingedrungen. Sie haben unser Haus durchsucht, meinen Vater geschlagen und meinem Bruder mitgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war ich in der Arbeit. Meine Mutter hat mich angerufen und hat mir den ganzen Vorfall weinend geschildert. Außerdem hat sie mir erzählt, dass sie nach mir namentlich gefragt haben. Meine Mutter hat mir gesagt: „komm nicht nach Hause, weil man nach dir sucht.“ Ich bin zu einem Freund gegangen und habe mich dort versteckt. Am 11.08.2015 habe ich den Irak verlassen. Das sind alle meine Fluchtgründe.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein und ich möchte nicht mehr in den Irak zurückkehren.

F: Weshalb haben Milizen Ihr zu Hause aufgesucht?

A: Der Bezirk in dem wir wohnten war ein schiitischer Bezirk. Wir sind Sunniten. Nach dem Vorfall mit der IS wurden alle sunnitischen Familien bedroht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mit dem Vorfall den Einmarsch des IS im Irak meine.

F: Wurden Sie jemals persönlich bedroht? Ist jemals jemand persönlich an Sie herangetreten?

A: Nein, ich war währenddessen in der Arbeit.

F: Welche Miliz war für den Vorfall verantwortlich?

A: Ich weiß es nicht. Sie waren bewaffnet und maskiert.

F: Was war Ihr fluchtauslösendes Ereignis, was konkret hat Sie dazu veranlasst, das Land zu verlassen?

A: Sie haben meinen Vater verhaftet, sie haben meinen Bruder umgebracht. Ich habe keine Möglichkeit mehr gesehen, im Irak zu bleiben.“

3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 03.11.2017, dem BF zugestellt am 14.11.2017, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das BFA nach Wiedergabe der Einvernahme des BF und den Feststellungen zu dessen Person aus, dass seitens des BFA nicht festgestellt werden könne, dass der BF den Irak aufgrund einer bestehenden Verfolgung verlassen habe. Der BF vermochte eine Verfolgungsgefahr in seiner Heimat nicht glaubwürdig darzulegen. Das Vorbringen beinhalte keine glaubhaften, gegen den BF persönlich gerichteten Verfolgungshandlungen und habe er sein Vorbringen auch widersprüchlich dargestellt.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das BFA, es liege keine Verfolgung des BF im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention (im Folgenden: GFK) vor, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem BF sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Dem BF sei kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen und sei seine Abschiebung gemäß § 50 FPG zulässig.

4. Mit Verfahrensordnung vom 10.11.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Verfügung gestellt.

5. Mit dem am 01.12.2017 beim BFA eingelangten und mit demselben Datum datierten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. In der Beschwerde wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) möge angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 05.09.2015 Folge gegeben wird und dem BF den Status eines Asylberechtigten zuerkennen; in eventu der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zuerkannt wird; in eventu ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 55, 57 AsylG 2005 erteilt wird; sowie die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und die Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak gem. § 46 FPG aufheben. Des Weiteren wurde beantragt eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

In der Sache bringt BF nach Wiederholung seiner bereits vorgebrachten Ausreisegründe und unter Beanstandung der Ermittlungen zur Echtheit der vorgelegten Bescheinigungsmittel und der Länderfeststellungen im Wesentlichen vor, sich aufgrund seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit in seinem vorwiegend von Schiiten bewohnten Wohnviertel in Bagdad nicht sicher gefühlt habe, nicht frei leben habe können und in ständiger Angst gelebt habe, da er mit Verurteilungen und Verfolgungen schiitischer Miliz sowie deren Anhänger, die sein Viertel umringt hätten, konfrontiert gewesen sei. Diese Miliz habe auch seinen Bruder entführt und ermordet.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 06.12.2017 vom BFA vorgelegt und langten am 07.12.2017 beim BVwG ein.

7. Am 08.07.2020 legte der rechtsfreundliche Vertreter des BF elektronisch eine Heiratsurkunde vor, aus der sich ergibt, dass der BF am XXXX .2020 im Standesamt XXXX Frau XXXX , geb. XXXX geheiratet hat. Der BF würde mit seiner nunmehrigen Gattin bereits seit sechs Monaten zusammenleben und wurde seiner Gattin der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Es sei daher in jedem Fall erforderlich, zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens dem Mandanten das Asylrecht zuzuerkennen oder allenfalls die Asylschutzberechtigung oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Der Rechtsvertreter verwies des Weiteren darauf, dass sich die Lebenssituation im Irak im letzten Halbjahr weit mehr noch verschlechtert hat und Österreicher nicht in den Iran (gemeint ist jedoch wohl der Irak) ausreisen dürfen, da das Außenministerium die Abwertung mit Punkt 6 gemacht habe, was bedeute, dass man dort nicht hinreisen sollte, weil dies lebensgefährlich sei.

8. Am 23.07.2020 führte das BVwG in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF und eines Dolmetschers für die arabische Sprache durch. Der mittlerweile bevollmächtigte rechtsfreundliche Vertreter nahm an der Verhandlung nicht teil, ebenso wenig ein Vertreter des BFA. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem BF unter Anderem Gelegenheit gegeben neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen.

Der Lauf der Verhandlung gestaltete sich nach Belehrung des BF wie folgt:

„Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen Lebensumständen:

VR: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF: Ja, die Angaben sind korrekt.

VR: Gehören Sie einer bestimmten ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe an?

BF: Ich bin Araber. Ich bin irakischer Staatsangehöriger.

VR: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an?

BF: Ich bin sunnitischer Moslem.

VR: Wie gut sprechen Sie schon Deutsch?

BF: Ein wenig. (BF antwortet auf Deutsch)

VR: Haben Sie bereits Deutschprüfungen abgelegt?

BF: Ich habe die Prüfung für A1 gemacht. Ich habe den Kurs für A2 besucht, aber die Prüfung nicht bestanden.

VR: Sind Sie verheiratet oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Ja, ich bin verheiratet.

VR: Traditionell oder zivil?

BF: Sowohl als auch.

Der BF legt eine Heiratsurkunde der Republik Österreich vor, sowie ein Zeugnis für die Sprachprüfung A1. Diese werden in Kopie zum Akt genommen.

VR: Sind Sie verlobt oder beabsichtigen Sie in nächster Zeit zu heiraten, also eine zweite Ehe einzugehen?

BF: Nein. Ich habe meine Wahl getroffen und ich bleibe bei ihr.

VR: Haben Sie leibliche oder adoptierte Kinder?

BF: Nein, noch nicht.

VR: Können Sie heute Dokumente oder andere Beweismittel vorlegen, die Ihre Angaben zu Ihrer Identität belegen (zB Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde)?

BF: Ich habe meinen irakischen Personalausweis und meinen Staatsbürgerschaftsnachweis bereits vorgelegt.

VR: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schulausbildung absolviert bzw. einen Beruf erlernt?

BF: Ich habe 6 Jahre die Grundschule, 3 Jahre die Mittelschule und 3 Jahre das Gymnasium besucht. Ich habe auch maturiert.

VR: Gibt es eine weitere Ausbildung?

BF: Nein.

VR: Sie gaben vor der belangten Behörde an, vier Jahre die Wirtschaftsuniversität in Bagdad besucht zu haben.

BF: Ja, aber ich habe das nicht abgeschlossen.

VR: Sie haben aber angegeben, dass Sie das Studium abgeschlossen haben.

BF: Ich habe die vier Jahre Betriebswirtschaftslehre studiert und die Prüfung auch abgelegt. Aber das Zeugnis konnte ich nicht abholen.

VR: Haben Sie das Studium also abgeschlossen oder nicht?

BF: Nein.

VR: Warum haben Sie das vor der belangten Behörde angegeben?

BF: Ich habe nie gesagt, dass ich das Studium abgeschlossen habe.

VR: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Ich habe als Tischler gearbeitet.

VR: Wie lange?

BF: Sieben Jahre lang.

VR: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung?

BF: Nein.

VR: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen?

BF: Ich habe den Irak am 11.08.2015 verlassen.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

VR: Sie wurden bereits im Verfahren vor der belangten Behörde zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein. Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zur Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint? Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

BF: Ja, ich kann mich noch erinnern. Ich bleibe dabei, was ich damals gesagt habe.

VR: Warum glauben Sie, haben die Milizen nach Ihnen gesucht?

BF: Der Grund war, dass sie von mir verlangt haben, mich ihnen anzuschließen und mit ihnen zu kooperieren, was ich abgelehnt hatte.

VR: Es müsste also eine sunnitische Miliz gewesen sein.

BF: Nein, eine schiitische Miliz.

VR: Warum sollte eine schiitische Miliz wollen, dass Sie sich ihnen anschließen?

BF: Ich habe in einem schiitischen Bezirk gelebt habe und war noch jung. Alle jungen Menschen wurden aufgefordert sich der Miliz anzuschließen um gegen den IS zu kämpfen.

VR: Sie gaben vor der belangten Behörde an: Vorhalt, Seite 5 des Bescheides, 3. Frage von unten

BF: Wir lebten in dem Bezirk XXXX in Bagdad. Dieser Bezirk ist von Schiiten bewohnt. Als der IS aktiv wurde und in den Irak gekommen ist, haben die schiitischen Milizen alle sunnitischen Familien in jedem Bezirk angegriffen und sie vertrieben. Unser Haus wurde auch gestürmt. Zum Glück war ich in der Arbeit und nicht zuhause. Das alles geschah, nachdem sie des Öfteren von mir verlangt haben, mitzuwirken und ich dies abgelehnt habe.

VR: Sie ändern Ihre Geschichte dauernd ab.

BF: Nein, ich habe nichts geändert. Ich habe auch das erste Mal gesagt, dass mein Haus gestürmt wurde und auch, dass ich bei der Arbeit war.

VR: Sie sprechen von einem Ereignis, bei dem die Milizen gekommen sind, Ihren Vater geschlagen haben und Sie nicht zuhause waren. Danach sind Sie nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Jetzt gaben Sie an, die Milizen haben Sie mehrfach aufgefordert, mitzuwirken. Das sind mehrere Vorfälle.

BF: Ich habe das Ganze auch bei der ersten Einvernahme erwähnt.

VR: Sie wurden gefragt, ob das Protokoll stimmt. Es wurde rückübersetzt und Sie haben es unterschrieben. Wenn es nicht stimmt, hätten Sie es nicht unterschreiben dürfen.

BF: Ich habe es schon erwähnt.

VR: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Ich kann nicht in den Irak zurückkehren.

Die VR wiederholt die Frage.

BF: Ich würde getötet werden.

VR: Von wem?

BF: Von den Milizen, die mir damals das Leben bedroht haben.

VR: Sind Sie seit 2015 jemals bedroht worden?

BF: Nein.

VR: Am 02.08.2015 haben diese maskierten, bewaffneten Männer nach Ihnen gefragt. Wurden Sie bedroht?

BF: Ich war damals nicht zuhause.

VR: Aber sie fragten, „Wo steckt er?“. Haben sie Ihnen gedroht?

BF: Ich habe auch bei der ersten Einvernahme erwähnt, dass ich namentlich bedroht wurde.

VR: Sie gaben an, „außerdem hat sie mir erzählt, dass sie namentlich nach mir gefragt haben.“

BF: Sie hat mir gesagt, ich soll nicht nachhause kommen, weil sie wusste, dass ich getötet werden würde.

VR: Das haben Sie nicht erzählt.

BF: Doch, ich habe es dort auch erwähnt.

VR: Sie sagten, „Meine Mutter hat mir gesagt: „Komm nicht nachhause, weil man nach dir sucht.““

BF: Das stimmt.

VR: Da ist von „Töten“ nicht die Rede.

BF: Sie hat mir erzählt, dass die vermummten Männer das Haus gestürmt haben und nach mir verlangt haben. Das habe ich beim BFA erzählt.

VR: Das ist richtig. Aber von einer Drohung war nicht die Rede. Wie lange haben Sie zu diesem Zeitpunkt schon in der Tischlerei gearbeitet, in der Sie sich an diesem Tag aufhielten?

BF: Es war das siebente Jahr. Ich habe als Bautischler, also für Decken, gearbeitet. Jedes Mal bei einer anderen Baustelle.

VR: Sie waren also auch an diesem Tag bei irgendeiner Baustelle.

BF: Ich habe an diesem Tag bei meinem Schwager in seinem Haus gearbeitet, im Universitätsviertel.

VR: Sind die Milizen jemals wiedergekommen?

BF: Nein, weil meine Familie abgehauen ist. Sie leben nicht mehr da.

VR: Aber in den nächsten neun Tagen bis zur Ausreise, sind sie in dieser Zeit wiedergekommen?

BF: In diesen letzten neun Tagen kamen sie nicht wieder. Meine Eltern waren noch zuhause, aber ich hielt mich bei meinem Freund namens Ibrahim auf.

VR: Sind Sie sich bewusst, wie unglaubwürdig das ist?

BF: Warum glauben Sie mir nicht?

Die VR hält dem BF die Widersprüche und Inkonsistenz seiner Angaben vor.

BF: Ich glaube, sie haben sich damit begnügt, meinen Bruder zu töten. Vielleicht hätten sie mich später gesucht, schlussendlich haben sie ja schon meinen Bruder genommen.

VR: Sie persönlich sind also kein einziges Mal bedroht worden?

BF: Ich persönlich stand ihnen nicht gegenüber.

Die VR wiederholt die Frage.

BF: Nein, bin ich nicht.

VR: Unter der Annahme, dass Sie die von Ihnen geschilderten Probleme oder Schwierigkeiten nicht hätten, könnten Sie dann wieder in Ihrem Herkunftsstaat leben?

BF: Nein, weil mein Name ein sunnitischer Name ist und ich nie Ruhe gehabt hätte.

VR: Es leben aber viele Sunniten im Irak, gerade in Bagdad.

BF: Ich persönlich kann nicht mehr im Irak leben. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht mehr in den Irak zurückkehren werde.

VR: Wollen Sie zu Ihren Asylgründen noch etwas angeben?

BF: Nein.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

VR: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail) bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Ich habe nur mit meiner Schwester einmal in der Woche oder alle zwei Wochen über WhatsApp Kontakt. Sonst habe ich keinen Kontakt.

VR: Wo lebt Ihre Schwester?

BF: In Bagdad.

VR: Ist sie auch Sunnitin?

BF: Ihr Mann ist ein Schiit.

VR: Sie kann ohne Probleme dort leben?

BF: Wenn ihr Mann Schiit ist, und in dem Bezirk lebt, dann hat man keine Probleme.

VR: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein, ich habe nur meine Frau.

VR: Wie lange kennen Sie Ihre Frau schon?

BF: Seit August 2019.

Die VR ersucht den D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen.

VR: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ja, A1.

VR: Haben Sie den Kurs für A2 besucht?

BF: A2 ist nicht fertig.

VR: Sie sprechen also ein bisschen Deutsch?

BF: Ja.

Die VR stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und auf Deutsch beantwortet hat.

Die VR ersucht den D, wieder zu übersetzen.

VR: Warum sprechen Sie nicht besser Deutsch? Sie sind seit fast fünf Jahren in Österreich.

BF: Ich habe nie einen Zugang zu einem regelmäßigen Deutschkurs gehabt.

VR: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein, ich habe nur ehrenamtliche Arbeiten geleistet. Nachgefragt gebe ich an, dass es sich um Open Marks handelt, es ist eine soziale Organisation von Studenten. Ich habe eine zweite ehrenamtliche Tätigkeit als Trainer, als Fußballtrainer.

Der BF legt eine Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit vor. Diese wird in Kopie zum Akt genommen.

VR: Sie trainieren irakische Kinder?

BF: Ja.

VR: Haben Sie auch Kontakt zu Österreichern?

BF: Ja.

VR: Wie verständigen Sie sich?

BF: Auf Deutsch.

VR: Wie können Sie sich verständigen, wenn Sie kaum Deutsch sprechen?

BF: Mein Wortschatz genügt für die Kommunikation mit Freunden und ich habe den Google Übersetzer am Handy.

VR: Warum haben Sie sich nicht bemüht, besser Deutsch zu lernen?

BF: Es wurde mir kein Deutschkurs zur Verfügung gestellt.

VR: Warum haben Sie nicht mit Ihrer Gattin Deutsch gesprochen?

BF: Warum sollen wir Deutsch sprechen, wenn wir beide Araber sind?

VR: Beziehen Sie derzeit Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung (zB Taschengeld, Unterkunft)?

BF: Ja.

VR: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse, eine Schule oder eine Universität oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein oder haben Sie sonstige soziale Kontakte, die Sie erwähnen möchten?

BF: Bei diesem sozialen Verein, XXXX , das gehört zur XXXX und bei der irakischen XXXX Schule.

VR: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt?

BF: Nein.

Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Die VR verliest die für das gegenständliche Beschwerdeverfahren relevanten Passagen der aktuellen Länderberichte.

Die VR erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte.

Nach Übersetzung des ersten Absatzes erklärt der BF, dass ihn die Länderberichte nicht interessieren, da egal sei, was dort geschrieben sei. Der Irak sei für ihn eine rote Linie.

VR: Wollen Sie etwas zur Situation im Irak sagen?

BF: Ich möchte sagen, dass die Lage im Irak unsicher ist und ich weiß, was mich anbelangt, kann ich nicht zurück. Ich fühle mich im Irak nicht in Sicherheit.

Die VR legt dem BF die Situation entsprechend den Länderberichten zusammengefasst dar.

VR: Wollen Sie dazu etwas sagen?

BF: Nein, für mich ist der Irak ein abgeschlossenes Thema. Ich habe mich hier integriert.

Seitens der Partei erfolgt keine Stellungnahme und es wird auch keine Frist für eine schriftliche Stellungnahme beantragt.

Abschließende Bemerkungen:

VR: Ich bin mit der Befragung am Ende. Wollen Sie noch abschließend etwas sagen?

BF: Ich möchte darum bitten, dass Sie mir eine Chance geben, dass ich hier ein normales Leben führen kann. Ich möchte nicht mehr warten, sondern arbeiten und normal leben.

VR: Haben Sie den Dolmetscher im gesamten Verlauf der Verhandlung gut verstanden?

BF: Ja. „

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt den im Spruch angeführten Namen, ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung. Er wurde am 27.10.1985 in Bagdad geboren. Der BF ist seit 16.03.2020 mit der in Österreich asylberechtigten Frau XXXX verheiratet und hat keine Kinder. Der BF spricht arabisch und hat Grundkenntnisse der deutschen Sprache.

Der private und familiäre Lebensmittelpunkt des BF lag bis zu seiner Ausreise im August 2015 im Irak. Zuletzt lebte der BF gemeinsam mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem Bruder, der am XXXX .2015 verstorben ist, in einem Haus in Bagdad, XXXX .

Der BF besuchte zwölf Jahre die Schule und dann die Wirtschaftsuniversität, die er jedoch nicht abgeschlossen hat. Der BF verdiente seinen Unterhalt sieben Jahre lang – bis zu seiner Ausreise - als Tischler auf Baustellen in Bagdad.

1.2 Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Bruder des BF von schiitischen Milizen ermordet wurde. Es konnte des Weiteren auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Herkunftsstaat einer Bedrohung durch schiitischen Milizen ausgesetzt gewesen wäre und auch nicht, dass eine solche Bedrohung aktuell noch besteht.

Bereits im Juni 2015 beschloss der BF seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Am 11.08.2015 verließ der BF den Irak von Bagdad legal mit dem Flugzeug Richtung Türkei und reiste in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 05.09.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.3. Die Schwester des BF ist mit einem Schiiten verheiratet und lebt nach wie vor in Bagdad, sein Vater und ein Bruder leben in der Türkei. Zwischen dem BF und seinen im Irak lebenden Verwandten besteht aufrechter aber spärlicher Kontakt.

1.4. Der BF ist ein körperlich gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit hinreichender Ausbildung in der Schule und Berufserfahrung als Tischler. Der BF leidet weder an einer schweren noch einer unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung. Der BF verfügt über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.

Das Vorbringen des BF vor dem BFA, in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates wonach – im Wesentlichen zusammengefasst – er den Irak verlassen habe, weil er von schiitischen Milizen bedroht worden sei bzw. weil die schiitische Miliz in als Kämpfer anwerben wollte, wird dieser Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt. Weitere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates wurden nicht vorgebracht.

1.5. Der BF war im Irak nicht politisch tätig. Der BF gehört keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat keine Schwierigkeiten aufgrund seiner politischen Überzeugung, seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Religionsbekenntnisses oder sonstige Probleme zu gewärtigen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

1.6. Es kann nicht festgestellt werden, dass für den BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine individuelle Gefährdung besteht, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.

1.7. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Der BF hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner politischen Gesinnung Probleme noch sonst irgendwelche Probleme. Auch sonstige Gründe, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat allenfalls entgegenstehen würden, konnten nicht festgestellt werden.

1.8. Der BF hält sich seit spätestens 05.09.2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig ins Bundesgebiet ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Der BF bezieht seit der Antragstellung nach eigenen Angaben bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und lebt in Wien. Er ist nicht legal erwerbstätig.

Der BF hat in Österreich eine Ehefrau, die er nach eigenen Angaben im August 2019 kennen gelernt hat und während des laufenden Beschwerdeverfahrens geheiratet hat, ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig und pflegt die üblichen sozialen Kontakte. Er besuchte bereits Deutschkure und hat die A1 Prüfung abgelegt. Er verfügt lediglich über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache.

1.9. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der gegenüber dem BF offengelegten Quellen getroffen:

1. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da‘wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.09.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt 27.09.2018 beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.05.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante „Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

-        Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker- 180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

-        BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985. Zugriff 18.10.2018

-        BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528. Zugriff 18.10.2018

-        CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook - Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html. Zugriff 19.10.2018

-        DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salih- as-new-president/a-45733912, Zugriff 18.10.2018

-        Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

-        The Guardian (3.10.2018): Iraqi president names Adel Abdul-Mahdi as next prime minister, https://www.theguardian.com/world/2018/oct/03/iraqi-president-names-adel-abdul-mahdi-as- next-prime-minister, Zugriff 18.10.2018

-        ICG - International Crisis Group (9.5.2018): Iraq’s Pre-election Optimism Includes a New Partnership with Saudi Arabia, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and- arabian-peninsula/iraq/iraqs-pre-election-optimism-includes-new-partnership-saudi-arabia. Zugriff 18.10.2018

-        KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

-        LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?. http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC Iraqi-elections Report 2018.pdf. Zugriff 18.10.2018

-        Reuters (15.9.2018): Iraq parliament elects Sunni lawmaker al-Halbousi as speaker, breaking deadlock, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics/iraq-parliament-elects-sunni-lawmaker-al-halbousi-as-speaker-breaking-deadlock-idUSKCN1LV0BH. Zugriff 18.10.2018

-        Rol - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 18.10.2018

-        Der Standard (13.5.2018): Wahlen im Irak: Al-Abadi laut Kreisen in Führung, https://derstandard.at/2000079629773/Irakische-Parlamentswahl-ohne-groessere-Zder. Zugriff 2.11.2018

-        Der Standard (3.10.2018): Neue alte Gesichter für Iraks Topjobs, https://derstandard.at/2000088607743/Neue-alte-Gesichter-fuer-Iraks-Topiobs. Zugriff 19.10.2018

-        TA - Tagesanzeiger (12.5.2018): Im Bann des Misstrauens, https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/im-bann-des-misstrauens/storv/29434606, Zugriff 18.10.2018

-        UNSC - United Nations Security Council (17.1.2018): Report of the Secretary-General pursuant to resolution 2367 (2017), https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/N1800449.pdf, Zugriff 19.10.2018

-        WZ - Wiener Zeitung (12.5.2018): Erste Wahl im Irak nach Sieg gegen IS stößt auf wenig Interesse, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/964399_Erste-Wahl-im- Irak-nach-Sieg-gegen-IS-stoesst-auf-wenig-Interesse.html, Zugriff 23.10.2018

1.1. Parteienlandschaft

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da‘wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran („Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi‘s Nasr („Victory")-Allianz (LSE 7.2018).

C:\Users\hieblc\AppData\Local\Temp\ABBYY\PDFTransformer\12.00\media\image3.jpeg

Quelle: LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf. Zugriff 2.11.2018

Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).

Quellen:

-        Al Jazeera (6.6.2018): Iraq orders recount of all 11 million votes from May 12 election, https:// www.aljazeera.com/news/2018/06/iraq-orders-recount-11-million-votes-12-election-180606163950024.html. Zugriff 23.10.2018

-        Al-Monitor (23.8.2018): Many Iraqi legislators call for canceling election results, https://www.al- monitor.com/pulse/originals/2018/05/iraq-election-fraud.html. Zugriff 23.10.2018

-        The Arab Weekly (7.10.2018): Room for optimism in Iraq under new leadership, https://thearabweekly.com/room-optimism-iraq-under-new-leadership. Zugriff 23.10.2018

-        BP - Baghdad Post (17.12.2017): All Shia political parties have armed militias - Nujaba, https://www.thebaghdadpost.com/en/Storv/21086/All-Shia-political-parties-have-armed-militias-Nujaba. Zugriff 22.10.2018

-        CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq‘s Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy- Brief.pdf, Zugriff 22.10.2018

-        Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

-        The Guardian (12.5.2018): Martyr or master? Future of anti-Isis militias splits Iraq ahead of elections, https://www.theguardian.com/world/2018/may/12/iraq-elections-become-battleground-iranian-influence, Zugriff 22.10.2018

-        HoC - House of Commons (12.6.2018): Briefing paper: Iraq and the 2018 election, researchbriefings.files.parliament.uk/documents/.../CBP-8337.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        IRIS - Institute of Regional and International Studies (11.5.2018): Iraq Votes 2018: Election Mobilization Strategies, https://auis.edu.krd/iris/sites/default/files/IraqVotes2018_MobilizationStrategies1.pdf. Zugriff 2.11.2018

-        ISPI - Istituto per gli studi di politica internazionale (10.5.2018): After IS: The meaning of Iraq’s election for the Arab Sunni community, https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/ commentary_seloom_10.05.2018.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (22.5.2018): Sadr-Communist Alliance And Iraq’s 2018 Elections Interview With Benedict Robin, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/05/sadr-communist- alliance-and-iraqs-2018.html. Zugriff 22.10.2018

-        KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

-        LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf. Zugriff 23.10.2018

-        LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf, Zugriff 18.10.2018

-        MEMO - Middle East Monitor (16.1.2018): Iraq: 3 major Sunni provinces form alliance to run in elections, https://www.middleeastmonitor.com/20180116-iraq-3-major-sunni-provinces-form- alliance-to-run-in-elections/, Zugriff 22.10.2018

-        MEMO - Middle East Monitor (27.2.2018): Iraq Islamic party will not run in upcoming elections, https://www.middleeastmonitor.com/20180227-iraq-islamic-party-will-not-run-in-upcoming-elections/, Zugriff 22.10.2018

-        Niqash (7.7.2016): Too Many Contradictions: Why Iraq’s New Political Parties Law Can Never Work, http://www.niqash.org/en/articles/politics/5304/. Zugriff 22.10.2018

-        Niqash (5.4.2018): Formerly-Armed Angels? The Controversial Iraqi Militia That Now Prefers Social Work To Politics, http://www.niqash.org/en/articles/security/5873/. Zugriff 22.10.2018

-        Reuters (19.5.2018): Cleric Moqtada al-Sadr's bloc wins Iraq election, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-results/cleric-moqtada-al-sadrs-bloc-wins-iraq-election-idUSKCN1IJ2X0. Zugriff 19.10.2018

-        Reuters (24.5.2018): Iraqi PM Abadi says election fraud allegations to be investigated, https:// www.reuters.com/article/us-iraq-election-fraud/iraqi-pm-abadi-says-election-fraud-allegations-to-be-investigated-idUSKCN1IP2Z2. Zugriff 23.10.2018

-        Reuters (10.8.2018): Recount shows Iraq's Sadr retains election victory, no major changes, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election/recount-shows-iraqs-sadr-retains-election-victory-no-major-changes-idUSKBN 1KV041, Zugriff 19.10.2018

-        Der Standard (29.10.2017): Kurdenpräsident Barzani hinterlässt einen Trümmerhaufen, https://derstandard.at/2000066849335/Kurdenpraesident-Barzani-hinterlaesst-einen-Truemmerhaufen, Zugriff 22.10.2018

-        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2016): Die  »Volksmobilisierung« im Irak, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2016A52_sbg.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Die Badr-Organisation: Irans wichtigstes politisch-militärisches Instrument im Irak, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A27 sbg.pdf, Zugriff 22.10.2018

-        WI - al-Waqä’i‘a al-iräqiyya (12.10.2015): Law No. 36 of 2015 on Political Parties, https://www.ilo.org/dvn/natlex/docs/ELECTRONIC/102986/124758/F1240401810/4383.pdf. Zugriff 22.10.2018

-        WoR - War on the Rocks (25.8.2017): Iraq‘s competing security forces after the battle for Mosul, https://warontherocks.com/2017/08/iraqs-competing-security-forces-after-the-battle-for-mosul/, Zugriff 22.10.2018

-        WSJ - Wall Street Journal (9.8.2018): Iraq Election Results Unchanged After Recount on Fraud Allegations, https://www.wsj.com/articles/iraq-election-results-unchanged-after-recount- on-fraud-allegations-1533852653. Zugriff 23.10.2018

-        WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916_Schluesselland-Irak.html. Zugriff 15.10.2018

1.2. Protestbewegung

Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Proteste aus. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Reich an Ölvorkommen, liefert die Provinz Basra 80 Prozent der Staatseinnahmen des Irak. Unter den Einwohnern der Provinz wächst jedoch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen dem enormen Reichtum und ihrer eigenen täglichen Realität von Armut, Vernachlässigung, einer maroden Infrastruktur, Strom- und Trinkwasserknappheit (Carnegie 19.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

Die Proteste im Juli weiteten sich schnell auf andere Städte und Provinzen im Süd- und Zentralirak aus (DW 15.7.2018; vgl. Presse 15.7.2018, CNN 17.7.2018, Daily Star 19.7.2018). So gingen tausende Menschen in Dhi Qar, Maysan, Najaf und Karbala auf die Straße, um gegen steigende Arbeitslosigkeit, Korruption und eine schlechte Regierungsführung, sowie die iranische Einmischung in die irakische Politik zu protestieren (Al Jazeera 22.7.2018). Die Proteste erreichten auch die Hauptstadt Bagdad (Joel Wing 25.7.2018; vgl. Joel Wing 17.7.2018). Am 20.7. wurden Proteste in 10 Provinzen verzeichnet (Joel Wing 21.7.2018). Demonstranten setzten die Bürogebäude der Da‘wa-Partei, der Badr-Organisation und des Obersten Islamischen Rats in Brand; praktisch jede politische Partei wurde angegriffen (Al Jazeera 22.7.2018). Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, sowie zu Todesfällen (Kurier 15.7.2018; vgl. CNN 17.7.2018, HRW 24.7.2018). Ende August war ein Nachlassen der Demonstrationen zu verzeichnen (Al Jazeera 3.8.2018). Im September flammten die Demonstrationen wieder auf. Dabei wurden in Basra Regierungsgebäude, die staatliche Fernsehstation, das iranische Konsulat, sowie die Hauptquartiere fast aller Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Mindestens 12 Demonstranten wurden getötet (Vox 8.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

Quellen:

-        Al Jazeera (22.7.2018): Iraq protests: What you should know, https://www.aljazeera.com/indepth/features/iraq-protests-180717074846746.html. Zugriff 23.10.2018

-        Al Jazeera (3.8.2018): Protests in Iraq dwindle after weeks of anger, https://www.aljazeera.com/news/2018/08/protests-iraq-dwindle-weeks-anger-180803192747710.html, Zugriff 24.10.2018

-        Carnegie - Carnegie Middle East Center (19.9.2018): The Basra Exception, http://carnegie- mec.org/diwan/77284?lang=en. Zugriff 23.10.2018

-        CNN - Central News Network (17.7.2018): Protests spread, turn deadly in Iraq: At least 8 are dead, dozens hurt, https://edition.cnn.com/2018/07/16/world/iraq-protests-violent/index.html. Zugriff 23.10.2018

-        The Daily Star (19.7.2018): In Iraq, old grievances fuel deadly protests, https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2018/Jul-19/457085-in-iraq-old-grievances-fuel-deadly-protests.ashx, Zugriff 23.10.2018

-        DW - Deutsche Welle (15.7.2018): Protests spread from oil-rich Basra across southern Iraq, https://www.dw.com/en/protests-spread-from-oil-rich-basra-across-southern-iraq/a-44678926. Zugriff 23.10.2018

-        HRW - Human Rights Watch (24.7.2018): Iraq: Security Forces Fire on Protesters, https://www.hrw.org/news/2018/07/24/iraq-security-forces-fire-protesters, Zugriff 24.10.2018

-        ICG - International Crisis Group (31.7.2018): How to cope with Iraq’s summer brushfire, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/b61-how-cope-iraqs-summer-brushfire, Zugriff 23.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (14.7.2018): Protests In Iraq Greatly Escalate And Spread Throughout South, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/protests-in-iraq-greatly- escalate-and.html, Zugriff 24.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (17.7.2018): Iraq Government Starts Crackdown On Protests, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/iraq-government-starts-crackdown-on.html. Zugriff 24.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (21.7.2018): 2 Killed As Protests Hit 10 Provinces In Iraq, https:// musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/2-killed-as-protests-hit-10-provinces.html. Zugriff 24.10.2018

-        Joel Wing - Musings on Iraq (25.7.2018): Silencing Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/silencing-protests-in-iraq.html. Zugriff 24.10.2018

-        Kurier (15.7.2018): Proteste im Irak eskalieren weiter: Mehrere Tote, https://kurier.at/politik/ausland/proteste-im-irak-eskalieren-weiter-mehrere-tote/400066748. Zugriff 24.10.2018

-        NPR - National Public Radio (27.9.2018): Months Of Protests Roil Iraq‘s Oil Capital Basra, https://www.npr.org/2018/09/27/651508389/months-of-protests-roil-iraqs-oil-capital-basra? t = 1539869569857&t= 1540298050551, Zugriff 23.10.2018

-        Die Presse (15.7.2018): Massive Proteste breiten sich im Süden des Irak aus, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5464674/Massive-Proteste-breiten-sich-im-Sueden-des-Irak-aus, Zugriff 24.10.2018

-        Vox (8.9.2018): The violent protests in Iraq, explained, https://www.vox.com/world/2018/9/7/17831526/iraq-protests-basra-burning-government-buildings-iran-consulate-water, Zugriff 24.10.2018

-        WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/_em_cms/ globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=994916&em_loc=69&em_ref=/nachrichten/

welt/weltpolitik/&em_ivw=RedCont/Politik/Ausland&em_absatz_bold=0. Zugriff 2.11.2018

2. Sicherheitslage

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten