TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/19 G305 2233802-1

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Veröffentlicht am 19.08.2020
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Entscheidungsdatum

19.08.2020

Norm

AVG §57 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

G305 2233802-1/9E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 12.08.2020 VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch den Verein Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, Schottengasse 3a/1/59, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX , vom XXXX .06.2020, Zl. XXXX , über die Anordnung der Schubhaft, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird a b g e w i e s e n.

III.    Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX , wurde über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Mit Schriftsatz vom 05.08.2020 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX .06.2020 und die seitdem andauernde Anhaltung in Schubhaft und verband die Beschwerde mit den Anträgen, das BVwG möge die Verhängung der Schubhaft sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären, sowie den angefochtenen (Mandats-)bescheid beheben, aussprechen, dass die Voraussetzungen für die Schubhaft iSd § 22a Abs. 2 BFA-VG nicht vorliegen, ihm den Kostenersatz im Umfang der VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, zuerkennen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung unter Einvernahme des BF und des angeführten Zeugen (Anm.: Raphael SINGER) durchführen, in eventu das gelindere Mittel iSd § 77 FPG anordnen, in eventu die ordentliche Revision an den VwGH zulassen und sämtlichen Beweisanträgen in vorliegendem Schriftsatz stattgeben.

3. Auf Grund der entsprechenden Verfügung des BVwG zur Aktenvorlage wurden von der Regionaldirektion XXXX des BFA noch am selben Tag die Bezug habenden Verwaltungsakten elektronisch übermittelt.

Am 06.08.2020 langte eine mit selbem Tag datierte Stellungnahme des BFA zur gegenständlichen Schubhaftbeschwerde ein, in der gleichzeitig dem Bundesverwaltungsgericht der bisherige Verfahrensgang zur Kenntnis gebracht wurde und dass ungeachtet der CoVid19-Krise auf Grund der Mitteilung der afghanischen Behörde davon auszugehen ist, dass mit der Ausstellung eines HRZ zu rechnen ist, sobald wieder Flüge nach Afghanistan möglich sind. Daher sei von einer zeitnahen Abschiebung innerhalb der zulässigen Höchstgrenzen der Schubhaftdauer zu rechnen.

4. In der gegenständlichen Rechtssache führte das Bundesverwaltungsgericht am 12.08.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, anlässlich der der BF nach erfolgter polizeilicher Vorführung aus dem XXXX und ein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Einvernommen wurde weiters XXXX , den der BF in der Beschwerdeschrift als Zeugen namhaft gemacht hatte. Nach durchgeführter Verhandlung wurde das Erkenntnis verkündet.

5. Am 14.08.2020 begehrte der BF im Wege seiner Rechtsvertretung die schriftliche Ausfertigung des am 12.08.2020 verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan lebte er mit seinen Eltern und Geschwistern in Baglan (Afghanistan). Er ist ledig und kinderlos.

1.2. Er ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF war zu keinem Zeitpunkt im Besitz eines gültigen Reisedokuments. Er war auch nicht im Besitz eines solchen, als er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 illegal die Grenze nach Österreich überquerte.

1.3. Gegen ihn besteht eine rechtskräftige, und somit durchsetzbare Rückkehrentscheidung, der er bis dato keine Folge leistete. Er besitzt daher keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

1.3.1. Mit Bescheid vom XXXX .07.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz betreffend § 3 Abs. 1 AsylG bzw. den auf die Gewährung von internationalem Schutz betreffend § 8 Abs. 1 AsylG gerichteten Antrag des BF ab und verband diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung.

1.3.2. Mit Erkenntnis vom 08.04.2020, GZ: W276 2203619-1/13E, wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den obangeführten Bescheid des BFA vom XXXX .07.2018 erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

1.4. Nachdem der BF dessen Gewahr wurde, dass er wegen der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG zur Rückreise nach Afghanistan verpflichtet ist, ließ er - zur Verschleierung seiner Identität - all seine Ausweisdokumente verschwinden und bestieg am Morgen des XXXX .06.2020 in XXXX den XXXX , der von XXXX nach XXXX geführt wird, um Österreich über deutsches Staatsgebiet nach Frankreich zu verlassen, um auch dort einen Asylantrag zu stellen.

Am XXXX .10.2020, ca. 09:10 Uhr, wurde er beim Grenzübergang XXXX (bei Bahnkilometer XXXX ) von den deutschen Behörden, denen gegenüber er sich mit einer falschen Identität ausgab, beim illegalen Grenzübertritt betreten. Da der BF keinerlei Ausweisdokumente (darunter auch kein Reisedokument) mit sich führte, wurde er festgenommen und nach erfolgter niederschriftlicher Einvernahme durch die Organe der deutschen Polizei am Abend desselben Tages den österreichischen Sicherheitsbehörden übergeben. Auch gegenüber den österreichischen Sicherheitsbehörden gab er sich mit der (zugelegten) falschen Identität aus.

1.5. Zu den Beweggründen für seine Ausreise befragt, gab der BF sowohl gegenüber den Organen der deutschen Polizei, als auch gegenüber den Organen der österreichischen Sicherheitsbehörde an, dass er nach Frankreich wollte, um dort einen Asylantrag zu stellen. Er begründete dies mit der in Rechtskraft erwachsenen Ablehnung des in Österreich gestellten Asylantrages.

1.6. Am 30.06.2020 wurde über den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung seiner Person nach Afghanistan die Schubhaft verhängt und erfolgte mit diesem Tag die Unterbringung im XXXX .

1.7. Der BF verfügt in Österreich über keine familiären oder nennenswerten privaten Bindungen. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer sozialen Verankerung oder umfassenden Integration in Österreich liegen nicht vor.

1.8. Er verfügt über keine zur Sicherung seines Lebensunterhaltes ausreichenden Mittel und über keine eigene Unterkunft.

Bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt vor seinem am XXXX .06.2020 stattgehabten Ausreiseversuch war er in einer von Asylwerbern bewohnten Unterkunft (Unterkunftgeberin: XXXX ), an der Anschrift XXXX , untergebracht und dort mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Vor seinem Ausreiseversuch nach Frankreich war der BF unsteten Aufenthalts und hielt sich hier nach eigenen Angaben in namentlich nicht näher bezeichneten Bahnhöfen und Parks, wo er auch nächtigte, auf.

In dieser von Asylwerbern bewohnten Unterkunft könnte er nach den Angaben des vor dem Bundesverwaltungsgericht als Zeugen einvernommenen XXXX wieder wohnen. Der Zeuge konnte zum unsteten Aufenthalt des BF und auf die Fragen der Rechtsvertretung, ob der BF „fallweise auswärts geschlafen hat“ keine Angaben machen.

1.9. Der BF war seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und ging auch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

1.10. Die Regionaldirektion XXXX des BFA hat zwischenzeitig ein Verfahren zur Erlagung eines Heimreisezertivikats eingeleitet und erhielt diese von der Botschaft des Herkunftsstates des BF das Aviso, dass ein HRZ ausgestellt wird, sobald der – auf Grund der CoVid 19-Krise zwischen Österreich und Afghanistan eingestellte Flugverkehr wieder aufgenommen wird. Mit der Aufnahme des Flugverkehrs bzw. einer geregelten Rückreise ist nach Angabe der Vertretungsbehörden noch innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer zu rechnen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unstrittigen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden diese der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung als maßgeblicher Sachverhalt zu Grunde gelegt.

Dazu ist festzuhalten, dass weder der BF noch dessen bevollmächtigte Rechtsvertretung den dargelegten Feststellungen des erkennenden Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten sind und haben sie diese vielmehr außer Streit gestellt. Da auch sonst keine Zweifel an der Richtigkeit und Relevanz der getroffenen Feststellungen hervorgekommen sind, sind diese als erwiesen anzunehmen und der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung als maßgeblicher Sachverhalt zu Grunde zu legen gewesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A.I.):

3.1.1. Die belangte Behörde hat mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet und gleichzeitig den Eintritt der Rechtsfolgen dieses Bescheides mit Entlassung aus der derzeitigen Haft bestimmt.

Gemäß § 75 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, darf die Schubhaft nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die belangte Behörde hat den vorliegenden Schubhaftbescheid auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt und zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung erlassen.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend aufgezeigt hat, versuchte der BF unrechtmäßig (ohne die erforderlichen Dokumente und Berechtigungen) von Österreich - über Deutschland - nach Frankreich zu gelangen, um sich dem Zugriff durch die österreichischen Fremdenbehörden zu entziehen und in Frankreich einen weiteren Asylantrag im Schengenraum zu stellen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ebenfalls nicht mehr verfügt(e). Bislang hat er keine ernst zu nehmende Bereitschaft gezeigt, sich an die die Einreise und den Aufenthalt regelnden Bestimmungen zu halten. Im Gegenteil hatte er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gegenüber der Behördenvertretung sogar angegeben, dass er in Österreich bleiben wolle, wenn er die Erlaubnis bekäme, hier zu bleiben. Müsste er nach Afghanistan, wisse er nicht, was er tun solle. Mit diesen Angaben in der mündlichen Verhandlung lässt er erhebliche Zweifel an einer Bereitschaft, mit den österreichischen Behörden zu kooperieren, aufkommen.

Dass die belangte Behörde auf Grund der bisherigen Ermittlungsergebnisse zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides davon ausgegangen war, dass beim BF Fluchtgefahr bestehe, begegnet insoweit keinen Bedenken, als dieser in Österreich über keine familiären Bindungen, keine eigene gesicherte Unterkunft (bis zu seiner Ausreise nach Deutschland wohnte er in einem in erster Linie von Asylwerbern bewohnten Quartier von XXXX ) und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes verfügte bzw. verfügt. Darüber hinaus besitzt er auch kein gültiges Reisedokument oder einen gültigen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich. Sein Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz bzw. auf Gewährung von subsidiärem Schutz wurde vom Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen. Vor diesem Hintergrund versuchte er ohne Reisedokument (Personalausweis, Reisepass) nach Deutschland zu gelangen, um weiter - ohne erklärtes Ziel - nach Frankreich zu gelangen, um dort (neuerlich) einen Asylantrag zu stellen, obwohl weltweit allgemein bekannt ist, dass für einen Grenzübertritt in einen fremden Staat ein Reisedokument benötigt wird. Zudem gab er sich gegenüber den deutschen und auch den österreichischen Behörden mit einer falschen Identität aus, um seine wahre Identität zu verschleiern, dies wohl auch mit dem Ziel, der Abschiebung in den Herkunftsstaat zu entgehen. Eine gesicherte Unterkunft konnte der BF nicht einmal in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht dartun, gab er doch an, dass er nach erfolgter Freilassung wieder in der von Asylwerbern bewohnten Unterkunft von XXXX , von der aus er ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Juni 2020 untergetaucht war, wohnen könne. Dies vermochte er auch noch mit den Angaben des Zeugen XXXX zu untermauern, der nicht in der Lage war, anzugeben, ob der BF auch sonst fallweise außerhalb nächtigte und wann der BF die Unterkunft vor seinem stattgehabten Ausreiseversuch verlassen hatte. Dieser Zeuge musste auch einräumen, dass die in dieser Unterkunft untergebrachten Personen nicht überwacht werden.

Wenn nun die belangte Behörde festgestellt hat, dass der BF durch seinen beharrlichen Verbleib im Bundesgebiet Gesetze missachtet hätte und der Grad seiner sozialen Verankerung sehr gering wäre, begegnet diese Feststellung keinen Bedenken.

Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass beim BF in Anbetracht seines illegalen Ausreiseversuchs in die Bundesrepublik Deutschland Fluchtgefahr anzunehmen wäre und sich dieser der aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. Abschiebung durch Flucht entziehen könnte und in Anbetracht seiner Wohn- und Familiensituation und der fehlenden Verankerung in Österreich daraus zu schließen ist, dass ein nicht unerhebliches Risiko des Untertauchens vorliege.

Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung des festgestellten Sachverhalts auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben seien, begegnet dies keinen Bedenken. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass der erforderliche Sicherungszweck im Anlassfall nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden könne. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwiegt und ein konkretes Sicherungsbedürfnis besteht. Unter den angeführten Umständen durfte die belangte Behörde daher zu Recht von einer erheblichen Fluchtgefahr im Sinne § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Die bisherige Anhaltung in Schubhaft erweist sich bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.

Dem in der Beschwerde enthaltenen Vorwurf, dass der Inhalt des Bescheides der belangten Behörde an Rechtswidrigkeit leide, ist nicht zu folgen, zumal im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die belangte Behörde willkürlich entschieden hätte. Die maßgebenden Erwägungen, von denen sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung leiten ließ, sind im angefochtenen Bescheid in hinreichend bestimmter und übersichtlicher Art dargelegt. Dass in der rechtlichen Beurteilung auch allgemein gehaltene rechtliche Ausführungen getroffen werden und der Inhalt von relevanten Rechtsvorschriften angeführt wird, schadet nicht. Im Übrigen muss dem BF auch entgegengehalten werden, dass die Beschwerde weitgehend nur allgemein gehaltene Ausführungen fast ausschließlich rechtlicher Natur umfasst und nur vereinzelt auf die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls eingegangen wird.

3.3. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Den oben unter Punkt 3.2. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Darüber hinaus war nunmehr zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bei der Beurteilung eines konkreten Sicherungsbedarfs infolge erheblicher Fluchtgefahr der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens maßgeblich zu berücksichtigen:

Die belangte Behörde hat sich bei der Botschaft von Afghanistan um die für eine Rückführung des BF in dessen Herkunftsstaat erforderlichen Dokumente gekümmert, sodass mit einer zeitnahen Übermittlung der für die Heimreise notwendigen Dokumente zu rechnen ist. Zu ihrer Anfrage erhielt die belangte Behörde von der Botschaft von Afghanistan das Aviso, dass ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird, sobald der - durch die CoVid19-Krise ins Stocken geratene - Rücktransport in den Herkunftsstaat des BF gewährleistet ist.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Organe des BFA und Organe der deutschen Polizei am 29.06.2020 gab der BF - unter Nennung einer falschen Identität zur Verschleierung seine wahren Identität - an, dass er wegen des negativ beschiedenen Asylverfahrens in Österreich nach Frankeich zu fahren beabsichtige, um dort einen Asylantrag zu stellen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist entgegen der vom BF in der Beschwerdeschrift vertretenen Auffassung nunmehr sogar von einem verstärkten Sicherungsbedarf auszugehen, zumal ihm mit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages und der Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde durch das Bundesverwaltungsgericht unmittelbar bewusst geworden ist, dass seine Rückführung in den Herkunftsstaat unmittelbar bevorsteht. Durch sein Verhalten büßte er insgesamt an Vertrauenswürdigkeit ein, was eine Fluchtgefahr als erheblich erscheinen lässt. Der Sicherungsbedarf wird gerade dadurch verstärkt, dass ihm nicht nur bewusst geworden ist, dass seine Abschiebung aus Österreich unmittelbar bevorsteht und er diese nur dadurch abwenden könne, indem er sich dieser (etwa durch eine - mangels Reisedokuments und in Ermangelung eines Aufenthaltstitels - illegale Weiterreise in einen anderen Staat) entzieht. Wenn der BF und der Zeuge XXXX in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben haben, dass der BF wieder in der Asylunterkunft wohnen könnte, von wo aus er untertauchte, vermag er damit keinerlei Umstände darzutun, die für ein gelinderes Mittel iSd § 77 FPG anstelle der verhängten Schubhaft sprechen könnten.

Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der fehlenden sozialen und familiären Bindungen in Österreich ist aktuell von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr (bedingt durch seine zuvor bestandene Wohnsituation und die losen privaten Bindungen) als ungeeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (zeitnahe Durchführbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung) zu erreichen.

Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung der Umstände war maßgeblich zu berücksichtigen, dass eine Rückführung (Abschiebung) des BF in seinen Herkunftsstaat zeitnah möglich und auch sehr wahrscheinlich ist.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung mit großer Wahrscheinlichkeit vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.

Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorlägen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist weder dem Beschwerdevorbringen noch den Ermittlungsergebnissen in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen.

Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft erweist sich daher zum Zweck der Sicherung der Abschiebung als notwendig und verhältnismäßig.

3.4. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Der mit „Kosten“ betitelte § 35 VwGVG lautet:

„§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1.       die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2.       die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3.       die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

„1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.“

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.

Die belangte Behörde hat schriftlich beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes zuzusprechen. In der mündlichen Verhandlung wurde vonseiten der belangten Behörde überdies der Ersatz des Verhandlungsaufwandes beantragt.

Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlegener Partei der zu leistende, im Spruch ersichtliche Aufwandersatz (mit Verhandlungsaufwand) aufzuerlegen.

Dem in der Beschwerde gestellten Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang konnte gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG nicht näher getreten werden, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und schon deshalb ein Aufwandersatz nicht in Betracht kommt.

Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Aufwandersatz Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Pandemie Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2233802.1.00

Im RIS seit

04.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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