Entscheidungsdatum
20.08.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W265 2230593-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
Ein am 30.01.2018 gestellter Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass wurde mit Bescheid vom 02.10.2018 abgewiesen.
Am 19.07.2019 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass mittels dem entsprechend von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular, worin sie unter Punkt 3. die Aufnahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass beantragte. Dem Antrag legte sie neue Befunde bei, die unter anderem auf einen gegenüber dem Vorjahr verschlechterten Gesundheitszustand hinwiesen.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.
In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.11.2019 basierenden allgemeinmedizinischen Gutachten vom 11.11.2019 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:
„Anamnese:
Es gibt ein Vorgutachten vom: 2018-06-14 mit 50%
1 Kardiomyopathie, Hypertonie, beginnende koronare Herzkrankheit. 50
2 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung in Überlappung mit allergischem Asthma bronchiale. 30
3 Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen. 30
4 Krampfadernbildungen im Bereiche der unteren Gliedmaßen. 20
5 Hysterektomie 10
6 Verlust der Ovarien nach Wertheim-Operation. 10
Derzeitige Beschwerden:
Meine Wirbelsäulenprobleme sind ärger geworden, ich habe sehr häufig Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Beine. Ich habe ein kribbelndes Gefühl im rechten Oberschenkel, tue mir schwer beim Gehen, speziell beim Stiegen steigen.
Außerdem habe ich eine Rhizarthrose und sehr häufig Schmerzen im rechten Daumengrundgelenk. Die körperlichen Anstrengungen werde ich rasch atemlos und bekomme Herzklopfen. Nach einer Bizepssehnenverletzung am rechten Oberarm habe ich Bewegungseinschränkungen und häufig Schmerzen in der rechten Schulter.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Foster2-0-2, Berodual bB, Daflon, TASS, Thyrex, Ramopril, Co-Dilatrend
Sozialanamnese:
Pensionistin, geschieden und hat einen erwachsenen Sohn.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Neue, noch nicht bekannte Befunde:
2019-05 Ärztl. Befundbericht, FÄ Orthopädie, XXXX : Vertebrostenosis lumbalis, Coxarthrose links, Omarthrose re. nach Bicepssehnenruptur, Rhizarthrose re.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 166,00 cm Gewicht: 88,00 kg Blutdruck: 160/80
Klinischer Status – Fachstatus:
Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung
Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden
Haut und Schleimhäute: unauffällig
Hals: unauffällig, keine Einflußstauung
Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch
Lunge: normale Atemfrequenz, Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe beim Gang im Zimmer
Herz: reine Herzgeräusche, rhythmisch, normfrequent
Abdomen: im Thoraxniveau, rektal nicht untersucht
Grob neurologisch: Keine relevanten motorischen Defizite, es werden Sensibilitätsstörungen im re Oberschenkel angegeben, grobe Kraft seitengleich, kein Rigor, kein Tremor, Feinmotorik regelrecht.
WIRBELSÄULE:
Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet.
HWS: Rotation um 1/3 eingeschränkt. KJA: 2 cm
BWS: Rotation um 1/3 eingeschränkt
LWS: Endlagige Bewegungseinschränkungen FBA: 30 cm
Obere Extremitäten:
Trophik und Tonus seitengleich normal, grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.
Schultergelenk rechts Seitliches Anheben: 90° Anheben nach vorne: 120°
Schultergelenk links Seitliches Anheben: 140° Anheben nach vorne: 160°
Nackengriff: li möglich, re erschwert Schürzengriff: li möglich, re erschwert
Hand- und Fingergelenke: keine signifikanten Funktionseinschränkungen, Feinmotorik und Fingerfertigkeit altersentsprechend. Re Daumengrundgelenk druckschmerzhaft.
Der Pinzettengriff ist beidseits mit allen Fingern möglich.
Der Faustschluß ist beidseits mit allen Fingern möglich
Untere Extremitäten:
grobe Kraft bds nicht signifikant vermindert.
Hüftgelenk rechts: Beugung: 100° Rotation: 30-0-30°
Hüftgelenk links: Beugung: 100° Rotation: 30-0-30°
Kniegelenk rechts: 0-0-110°
Kniegelenk links: 0-0-110°
Sprunggelenke: beidseits annähernd normale Beweglichkeit, Fußheben und -senken bds durchführbar, alle Funktionen ungestört.
Zehenstand und Fersenstand beidseitig möglich, Einbeinstand bds möglich, Fußpulse bds palpabel.
Ödeme bds, Varicositas ohne postthrombotische Veränderungen. AW trägt Stützstrümpfe.
Klinisch kein Hinwies auf rezentes Thrombosegeschehen.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Unauffällig, sicher, kommt mit nordic walking sticks, Schrittlänge normal, Setzen/Erheben unbehindert möglich.
Status Psychicus:
Gut orientiert, Ductus kohärent, Antrieb unauffällig, Grundstimmung gedrückt, in der sozialen Interaktion unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Kardiomyopathie, Hypertonie, beginnende koronare Herzkrankheit. g.Z.
Unterer Rahmensatz, da medikamentös gute Kompensation.
05.02.01
30
2
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung in Überlappung mit allergischem Asthma bronchiale. g.Z.
Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da häufigere Infektexazerbationen nicht belegt sind.
06.06.02
30
3
Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen.
Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da gering bis mäßige Funktionseinschränkungen im Bereiche des rechten Schultergelenkes, beider Hüft- und Kniegelenke, sowie im zervikalen und lumbalen Wirbelsäulenabschnitt.
02.02.02
30
4
Krampfadernbildungen im Bereiche der unteren Gliedmaßen.
Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da ausgeprägte Schwellungsneigung.
05.08.01
20
5
Verlust der Gebärmutter nach Wertheim-Operation.
08.03.02
10
6
Verlust der Ovarien nach Wertheim-Operation.
08.03.06
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 2 und 3 erhöhen um 2 Stufe, da sie gemeinsam ungünstiges Zusammenwirken bewirken. Die übrigen Leiden erhöhen nicht weiter, da ohne ungünstiges Zusammenwirken.
…
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keine relevante funktionelle Veränderung objektivierbar
[x] Dauerzustand
…
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Infolge der vorliegenden Herzerkrankung bzw der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung besteht eine moderate Reduktion der körperlichen Belastbarkeit, welche jedoch für leichte Belastungen ausreichend kompensiert ist, sodaß das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, (300-400m), sowie das Be-u. Entsteigen öffentlicher Verkehrsmittel ohne erhebliche Erschwernis möglich ist.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein“
Mit Schreiben vom 11.11.2019 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.
Die Beschwerdeführerin äußerte mit Schreiben vom 15.12.2019 – eingelangt bei der belangten Behörde am 18.12.2019 – mit dem Gutachten nicht einverstanden zu sein, da sich ihr Zustand zum Vorjahr deutlich verschlechtert habe. Sie sei oft auf Hilfe angewiesen. Sie könne keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Treppensteigen sei ein Problem. Ihrer Stellungnahme legte die Beschwerdeführerin einen MRT Befund der LWS vom 14.08.2019 vor, welcher noch nicht dem Verwaltungsakt einliegend war.
Die belangte Behörde holte zur Überprüfung der Einwendungen und des neu vorgelegten Befundes eine ergänzende Stellungnahme des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin ein und äußerte dieser in seiner Stellungnahme vom 30.12.2019 wie folgt:
„Gegen das Gutachten werden Einwendungen vorgebracht.
Die Beschwerdeführerin gibt an, dass sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen könne.
Es werden Befunde nachgereicht.
NEU: 2019-08 MRT der LWS: Ergebnis:
Multisegmentale Osteochondrosen, Retrospondylosen und Discusprotrusionen und Foramenstenosen wie beschrieben. Keine signifikante Befunddynamik zur Voruntersuchung.
Bereits vorgelegt: 2019-05 ärztl. Befundbericht, XXXX , FA f: Orthop.: Vertebrostenosis lumbalis, Coxarthrose links, Omarthrose re. nach Bicepssehnenruptur, Rhizarthrose re.
STELLUNGNAHME:
Es werden neuerlich Befunde bzw. Behandlungsnachweise vorgebracht, welche die Beschwerden der Wirbelsäule betreffen, wobei der nachgereichte orthopädische Befund bereits bekannt ist, und auch das MRT vom 08/2019 nicht änderungsrelevant ist.
Im Vergleich zur persönlichen Begutachtung sind die vorgebrachten Beschwerdeargumente bzw. die nachgereichten Befundunterlagen nicht geeignet die gegebene Beurteilung, insbesondere in Hinblick auf die beantragte Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, zu entkräften, an welcher daher festgehalten wird, da eine diesbezügliche, behinderungswirksame Verschlimmerung den Befundberichten nicht zu entnehmen ist.“
Mit angefochtenem Bescheid vom 07.01.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ab, sprach aus, dass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten sei. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ würden ebenfalls nicht vorliegen. In der Begründung wurde im Wesentlichen auf das eingeholte Sachverständigengutachten, welches als schlüssig erachtet werde, verwiesen, wonach der Grad der Behinderung 50 v.H. betrage und die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die im Parteiengehör erhobenen Einwendungen seien nicht geeignet gewesen zu einem abweichenden Ergebnis zu führen. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten vom 11.11.2019 sowie die ärztliche Stellungnahme vom 30.12.2019 übermittelt.
Mit am 30.01.2020 eingelangtem Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin gegen die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass fristgerecht Beschwerde und führte darin aus, dass sie an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sowie der Hüft- und Kniegelenke leide. Es liege bei ihr eine Vertebrostenose lumbalis sowie eine Coxarthrose vor und sei die Beschwerdeführerin dadurch in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt. Darüber hinaus bestehe bei ihr eine Herzerkrankung, Kardiomyopathie sowie Hypertonie und COPD II mit allergischem Asthma bronchiale, wodurch eine höhergradige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit gegeben sei. Sie sei auf die Benützung von zwei Nordic Walking Stöcken angewiesen und könne mit diesen nur kurze Distanzen von maximal 150 Meter zurücklegen. Ein sicheres Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel sei ihr ebenfalls nicht möglich. Wenn sie in einem Verkehrsmittel keinen Sitzplatz erhalte und dieses abrupt abbremse oder anfahre, bestehe eine hochgradige Sturzgefahr. Insbesondere das Zusammenwirken der orthopädischen mit den internistischen Leiden bewirke eine herabgesetzte Gehfähigkeit, welche die Benützung der Verkehrsmittel unzumutbar mache. Den orthopädischen Diagnosen sei im vorliegenden Gutachten keine Beachtung geschenkt worden. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde die Einholung von Gutachten aus den Fachbereichen der Inneren Medizin sowie aus der Orthopädie beantragt.
Im Beschwerdevorverfahren holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie vom 05.03.2020 ein, in welchem der Facharzt, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, im Wesentlichen ausführte, wie folgt:
„Anamnese:
Beschwerdevorentscheidung wegen Nichtzuerkennung des Zusatzeintrages der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 06.11.2019, ges. GdB 50%, bzw.
Vorgutachten vom 14.06.2018, auch 50%.
Zwischenanamnese:
unauffällig
Derzeitige Beschwerden:
Ich habe Kreuzschmerzen an der Lendenwirbelsäule im Liegen, im Sitzen, beim Aufstehen. Ich habe Schmerzen in beiden Oberschenkeln. Ich kann nicht Stufen steigen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Desloratadin, Berodual, Foster, Montelukast, Thyrex, Ramipril, Co-Dilatrend, Thrombo ASS, Daflon, Oleovit.
Laufende Therapie: Osteopathie
Hilfsmittel: Walkingstöcke
Sozialanamnese:
Pens.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
01/2020 Orthopädischer Befundbericht beschreibt eine Vertebrostenosis lumbalis, die durch radiologische Befunde nicht belegt ist., eine Coxarthrose links, eine Omarthrose re, Bicepssehnenruptur rechts und Rhizarthrose rechts. Das Schreiben enthält keinen klinischen Befund.
10/2017 MR-LWS beschreibt Protrusionen und eine Engerstellung des Spinalkanals in Höhe L3/L4 mit beginnender Bedrängung der Caudafasern, ohne Myelopathie.
08/2019 MR Befund der Lendenwirbelsäule beschreibt Achsabweichung, Degeneration mit Protrusionen, Foramenstenosen und Osteochondrosen, keine signifikante Befunddynamik zur Voruntersuchung 10/2017.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
altersentsprechend
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 166,00 cm Gewicht: 89,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
Caput/Collum: unauffällig
Thorax: symmetrisch, elastisch
Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz
Obere Extremitäten:
Rechtshänder. Die linke Schulter ist verkürzt, steht höher. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich. Druckschmerz über den Daumensattelgelenken rechts mehr als links. Weiters Druckschmerz über der Rinne der langen Bizepssehne rechts.
Sonst sind sämtliche Gelenke altersentsprechend unauffällig.
Beweglichkeit:
An der rechten Schulter Armheben bis zur Horizontalen. Beim Nackengriff reichen die Fingerkuppen zum Hinterhaupt. Beim Kreuzgriff reicht rechts die Hand zum Gesäß, links jeweils uneingeschränkt. Ellenbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.
Untere Extremitäten:
Der Barfußgang wird jetzt ausgesprochen langsam ausgeführt, ist insgesamt etwas wankend. Zehenballenstand wegen Schmerzen am Vorfuß nicht möglich. Fersenstand möglich. Einbeinstand mit anhalten, es wird jeweils das andere Bein deutlich vom Boden abgehoben. Anhocken wird knapp 1/2 ausgeführt. X-Bein Stellung mit einem Innenknöchelabstand von 5cm. Annähernd symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ist gleich. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten. Ausgeprägt Spreizfußstellung links mehr als rechts. Druckschmerz am Vorfußballen. Knöchelödeme beidseits.
Knie- und Sprunggelenke sind bandfest und unauffällig. Gering Endlagenschmerz an den Hüften bei Bewegung.
Beweglichkeit:
Hüften S 0-0-100 beidseits, R (S 90°) 15-0-30 beidseits. Knie S 0-0-130 beidseits. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Wirbelsäule:
Verstärkte Brustkyphose, mäßig Streckhaltung der Lendenwirbelsäule. Die gesamte Lumbalregion ist verspannt, druck- und klopfschmerzhaft. Kreuzbein-Darmbein-Gelenke druckschmerzhaft.
Beweglichkeit:
Halswirbelsäule: KJA 1/15, Seitwärtsneigen 15-0-15, Rotation 40-0-40.
Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 25 aufrichten mit abstützen, Seitwärtsneigen und Rotation je 1/2 eingeschränkt.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Kommt in Konfektionsschuhen mit 2 Walkingstöcken zur Untersuchung, das Gangbild ist etwas wankend, sicher. Im Untersuchungsraum ist gehen ohne Hilfsmittel sicher möglich. Das Aus- und Ankleiden wird teilweise im Sitzen, teilweise im Stehen durchgeführt. Trägt Unterschenkelkompressionsstrümpfe beidseits.
Status Psychicus:
wach, Sprache unauffällig
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Kardiomyopathie, Hypertonie, beginnende koronare Herzkrankheit. g.Z.
Unterer Rahmensatz, da medikamentös gute Kompensation.
05.02.01
30
2
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung in Überlappung mit allergischem Asthma bronchiale. g.Z.
Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da häufigere Infektexazerbationen nicht belegt sind.
06.06.02
30
3
Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen.
Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da gering bis mäßige Funktionseinschränkungen im Bereiche des rechten Schultergelenkes, beider Hüft- und Kniegelenke, sowie im zervikalen und lumbalen Wirbelsäulenabschnitt.
02.02.02
30
4
Krampfadernbildungen im Bereiche der unteren Gliedmaßen.
Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da ausgeprägte Schwellungsneigung.
05.08.01
20
5
Verlust der Gebärmutter
Fixer Ramensatz
08.03.02
10
6
Verlust der Ovarien
Fixer Rahmensatz
08.03.06
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 2 und 3 erhöhen um 2 Stufe, da sie gemeinsam ungünstiges Zusammenwirken bewirken.
Die übrigen Leiden erhöhen nicht weiter, da ohne ungünstiges Zusammenwirken.
…
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Keine Änderung
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Keine Änderung
[x] Dauerzustand
…
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Infolge der vorliegenden Herzerkrankung bzw. der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung besteht eine moderate Reduktion der körperlichen Belastbarkeit, welche jedoch für leichte Belastungen ausreichend kompensiert ist. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist, allenfalls unter Verwendung von Walkingstöcken zumutbar und möglich. Die verwendeten Walkingstöcke sind sinnvoll, sind aber nicht zwingend erforderlich. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein“
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.03.2020 wies die belangte Behörde die – gegen diesen Ausspruch nicht erhobene – Beschwerde gegen die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ab und sprach aus, dass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten sei. In der Beilage wurden der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten vom 11.11.2019, die ergänzende Stellungnahme vom 30.12.2019 sowie das zuletzt eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten vom 05.03.2020 übermittelt.
Über die eigentliche Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung erlies die belangte Behörde keine Beschwerdevorentscheidung.
Mit Eingabe vom 17.04.2020 teilte die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband mit, dass lediglich gegen den den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung abweisenden Teil des Bescheides Beschwerde eingebracht worden sei. Der Teil, der den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abweise, sei nicht bekämpft worden. Es werde ersucht eine Entscheidung über die Beschwerde betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ vorzunehmen bzw. die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.
Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 29.04.2020 zur Entscheidung vor.
Mit Schreiben vom 08.05.2020 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die rechtliche Vertretung der Beschwerdeführerin vom Ergebnis der Beweisaufnahme und übermittelte das Sachverständigengutachten vom 05.03.2020.
Daraufhin erstattete der KOBV am 29.05.2020 einlangend beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme, in welcher nochmals auf die Probleme der Beschwerdeführerin hingewiesen wurden. Sie leide an höhergradigen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit neuroforaminellen Einengungen, wodurch sie in ihrer Geh- und Steigfähigkeit höhergradig eingeschränkt sei. Es sei ihr nicht möglich Stiegen zu steigen und Niveauunterschiede zu überwinden. Der Sachverständige sei in seinem Gutachten vom 05.03.2020 nicht auf die Frage eingegangen, ob die bestehenden Funktionseinschränkungen eine Sturz- und Verletzungsgefahr mit sich bringen, wenn die Beschwerdeführerin den physikalischen Kräften beim aprubten Bremsen oder Anfahren eines öffentlichen Verkehrsmittels ausgesetzt sei und keinen Sitzplatz zur Verfügung habe.
Mit neuerlicher Eingabe vom 05.06.2020 legte sie einen aktuellen radiologischen Befund hinsichtlich der Lendenwirbelsäule vom 08.05.2020 vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Sie stellte am 19.07.2019 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in ihren Behindertenpass.
Mit Bescheid vom 07.01.2020 wurden beide Anträge abgewiesen, da der Grad der Behinderung mit 50 v.H. gleichgeblieben und die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung gemäß den Ermittlungsergebnissen der belangten Behörde nicht vorliegend waren.
Die Beschwerdeführerin bekämpfte mit der erhobenen Beschwerde jenen Teil des Bescheides, welcher ihren Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung abwies.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Kardiomyopathie, Hypertonie, beginnende koronare Herzkrankheit, g.Z.
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung in Überlappung mit allergischem Asthma bronchiale, g.Z.
- Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen
- Krampfadernbildungen im Bereich der unteren Gliedmaßen
- Verlust der Gebärmutter
- Verlust der Ovarien
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin trotz den orthopädischen und internistischen Leiden zumutbar. Die körperliche Belastbarkeit und die Einschränkungen der oberen und unteren Extremitäten bedingt durch ihre Gesundheitsschädigung sind nicht in einem Ausmaß eingeschränkt, welches die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar machen würde.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und der Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 05.03.2020 zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt. Der Bescheid vom 07.01.2020 ist dem Akt ebenfalls einliegend, weshalb diesem die entsprechenden Feststellungen entnommen werden konnten.
Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 05.03.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.03.2020. Dabei berücksichtigte der Sachverständige die von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel.
Trotz der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, erreichen sowohl die Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit als auch die Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde.
Der Sachverständige stellte in der persönlichen Untersuchung am 03.03.2020, wie bereits der allgemeinmedizinische Sachverständige am 06.11.2019 fest, dass das Gangbild der Beschwerdeführerin sicher ist. Die Beschwerdeführer erschien mit zwei Walkingstöcken, deren Verwendung aus medizinischer Sicht nicht zwingend erforderlich ist. Das Setzen und Erheben war bei der persönlichen Untersuchung am 06.11.2019 unbehindert möglich.
Die Beweglichkeit der Hüftgelenke und Kniegelenke zeigte sich beidseits etwas eingeschränkt und gab die Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung am 03.03.2020 einen geringen Endlagenschmerz bei beiden Hüften bei Bewegung an. Im zervikalen und lumbalen Wirbelsäulenabschnitt zeigten sich ebenfalls geringgradige Einschränkungen in der Beweglichkeit, indem das Seitwärtsneigen und die Rotation je zu einem Halb eingeschränkt war.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen damit weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Die vorliegende Herzerkrankung und die chronische obstruktive Lungenerkrankung bewirkt zwar eine moderate Reduktion der körperlichen Belastbarkeit, jedoch ebenfalls noch in keinem Ausmaß, sodass nicht leichte Belastungen möglich wären. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von rund 300 bis 400 Meter, entsprechend eines Aktionsradiusses von zirka 10 Minuten ist der Beschwerdeführerin damit ungehindert möglich. Die Verwendung von Walkingstöcken ist sinnvoll, wenn auch nicht medizinisch notwendig und schränkt die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel in keinem Ausmaß ein, sodass eine Unzumutbarkeit gegeben wäre.
Die Beschwerdeführerin ist in der Lage ihre Beine zu heben und kann damit die Niveauunterschiede, welche sich oftmals bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben, überwinden.
Die ausreichend vorhandene Kraft und Beweglichkeit der oberen Extremitäten gewährleisten, dass zudem ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist. Die Greifformen der Hände sind vorhanden, wodurch ein Anhalten möglich ist. So konnte auch beispielsweise ein beidseits möglicher Faustschluss im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhoben werden. Auch wenn die Beweglichkeit der rechten Schulter der Beschwerdeführerin leicht bis mäßig eingeschränkt ist, ist die linke Schulter einsetzbar, womit das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel gegeben ist. Die zuletzt in der am 29.05.2020 eingelangten Stellungnahme erhobenen Einwendungen, dass der Sachverständige eine mögliche Sturz- und Verletzungsgefahr beim aprubten Bremsen oder Anfahren eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht berücksichtigt habe, gehen daher ins Leere.
Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtigte der Facharzt zudem die wechselseitige Leidensbeeinflussung der Lungenerkrankung und der orthopädischen Leiden auf die beginnende Herzerkrankung, welche im Rahmen der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung zu einer wesentlichen Erhöhung – und zwar um zwei Stufen – führte. Derartige negative Auswirkungen bedingt durch ein Wechselspiel der einzelnen Leidenszustände ergaben sich jedoch nicht in Bezug auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel, da sie auch im Zusammenwirken noch kein Ausmaß erreichen, welches das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, ein Be- oder Entsteigen oder auch den Transport im öffentlichen Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin verunmöglichen würde.
Die Lungenerkrankung der Beschwerdeführerin in einem Stadium von COPD II bewirkt gemäß den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen noch keinen Grad, welcher eine Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für sich genommen bereits indiziert.
Darüber hinaus leidet die Beschwerdeführerin an keiner schweren Erkrankung des Immunsystems, welche eine Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar machen würde.
Insgesamt waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, um zu einem geänderten Ergebnis in Bezug auf die Beurteilung der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zu führen. Dass die Wegstrecke der Beschwerdeführerin auf 150 Meter eingeschränkt sei, konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchungen durch zwei verschiedene Sachverständige, welche jeweils vor deren Gutachtenserstattungen stattfanden, nicht verifiziert werden.
Der mit Beschwerde in Vorlage gebrachte orthopädische Befundbericht vom 08.01.2020 beschreibt zwar eine Vertebrostenosis lumbalis, aufgrund dessen die Beschwerdeführerin in ihrer Gehleistung eingeschränkt sei, enthält jedoch keinen klinischen Befund und ist nicht durch radiologische Befunde belegt.
Was den nachgereichten radiologischen Befund vom 08.05.2020 betrifft, ist auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG hinzuweisen, wonach ab dem Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht - im vorliegenden Fall am 29.04.2020 - keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden dürfen. Der nachgereichte Befund kann somit im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.
Die Beschwerdeführerin legte demnach im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Mit Schreiben vom 15.04.2020 erhob sie keine Einwendungen gegen das zuletzt eingeholte orthopädische Gutachten, sondern stellte lediglich klar, die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nicht bekämpft zu haben. Dies hat verfahrensrechtliche Konsequenzen, denen in der gegenständlichen Entscheidung Rechnung getragen wird.
Damit ist sie dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 05.03.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 ….
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. …….
2. ……
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)……“
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall relevant – Folgendes ausgeführt:
„Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
…“
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.01.2020 lediglich den Ausspruch über die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ bekämpfte und den Ausspruch über die Abweisung ihres Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung unangetastet lies.
Die Behörde sprach dennoch mittels Beschwerdevorentscheidung vom 10.03.2020 über die vermeintlich erhobene Beschwerde gegen die Abweisung der Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ab und wies diese ab. Mangels eines diesbezüglich erhobenen Vorlageantrages war dem Bundesverwaltungsgericht eine ersatzlose Behebung dieses Beschwerdevorentscheidungsbescheides wegen Fehlens der Zuständigkeit verwehrt.
Betreffend die gegen die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung erhobene Beschwerde blieb die belangte Behörde hingegen untätig und erließ keine Beschwerdevorentscheidung, weshalb die eigentliche Beschwerde der Beschwerdeführerin noch offen war.
Gegenstand des Verfahrens war sohin nicht die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf