Entscheidungsdatum
25.08.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G304 2233226-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2006 wurde dem betroffenen Fremden im Rahmen eines Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten zugesprochen.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2019, Zl. XXXX , wurde dem BF der Status des Asylberechtigen aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage beträgt.
Dieser Entscheidung lagen mehrfache Verurteilungen eines Landesgerichtes wegen Verbrechen und Vergehen zu mehreren Freiheitsstrafen zugrunde. Der BF stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit Österreichs dar. Dieser Bescheid blieb unangefochten und ist in Rechtskraft erwachsen.
3. Am 10.09.2019 stimmte die Botschaft der Russischen Föderation der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu, die Zustimmung verlor ihre Gültigkeit mit 10.12.2019. Die neuerliche Ausstellung wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl beantragt.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.02.2020, Zl. XXXX , wurde die eingeräumte Frist für die freiwillige Ausreise widerrufen. Auch dieser Bescheid blieb unangefochten und ist in Rechtskraft erwachsen.
5. Mit Bescheid vom 23.03.2020, Zl. XXXX , ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Ferner wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BF aus der (Straf-) Haft eintreten. Gegen diesen Bescheid erhob der BF selbst keine Beschwerde.
6. Nach Entlassung des BF aus der Strafhaft wurde der Schubhaftbescheid am 31.03.2020 in Vollzug gesetzt. Vom 14.04.2020 bis 17.04.2020 befand sich der BF im Hungerstreik. Am 11.06.2020 wurde gegen ihn eine Disziplinierungsmaßnahme wegen ordnungswidrigen Verhaltens (versuchter Schmuggel) erlassen
7. In der Folge legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.07.2020 den Verwaltungsakt zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung im 5.Monat in Schubhaft vor und führte aus, dass im vorliegenden Fall weiterhin Fluchtgefahr sowie Haftfähigkeit des BF bestehe. Es sei bereits seitens der Botschaft der Russischen Föderation eine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgt, die Gültigkeit aber in einer Zeit erloschen, in der der BF in Strafhaft gewesen sei. Es sei bereits ein neuerliches Heimreisezertifikatsverfahren anhängig und werde regelmäßig Kontakt mit der der Botschaft der russischen Föderation gehalten. Durch die Covid-19 Krise komme es zu Verzögerungen und werde mit einer neuerlichen positiven Antwort im Oktober 2020 gerechnet.
8. Am 31.07.2020 stellte das BVwG fest, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaftverhältnismäßig ist.
9. Am 18.08.2020 legte die belangte Behörde die den BF betreffenden Akten erneut dem Bundesverwaltungsgericht zur Verhältnismäßigkeitsprüfung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft
Der BF ist volljährig und verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen. Nach seinen Angaben ist er Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Er spricht Tschetschenisch. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
Der BF verfügt über eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.
Der BF wird seit 31.03.2020 in Schubhaft angehalten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ordnete diese Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung mit Bescheid vom 23.03.2020 aufschiebend bedingt mit Ende der Strafhaft an. Der Schubhaftbescheid ist nicht in Beschwerde gezogen worden.
Der BF ist haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.
Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit
Der BF weist in Österreich über mehrere strafgerichtlichen Verurteilungen eines Landesgerichtes auf. Er wurde am 07.10.2014, 02.02.2015, 03.02.2016, 17.07.2017, 07.05.2018 und am 12.04.2019 u.a. wegen Raubes, schweren Diebstahls, schwerer Körperverletzung, Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen, gewerbsmäßigen Diebstahls, Verstoß gegen das Waffengesetz verurteilt. Es handelt sich um Jugendstraftaten bzw. zuletzt um Straftaten eines jungen Erwachsenen. In der Schubhaft unternahm der BF einen Schmuggelversuch mit Handygeräten mittels Schnur aus dem Fenster zur Straße.
Der BF hält sich illegal in Österreich auf und konnte bisher nicht dauerhaft Außerlandes gebracht werden.
Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er ging in Österreich keiner dauerhaften Erwerbstätigkeit nach, eine Arbeitslehre wurde nach kurzer Zeit abgebrochen. Der BF verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. In Österreich leben Familienangehörige des BF, ein Bruder ist in Strafhaft. Sonstige Bindungen an Österreich liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Auch eine strafgerichtliche Verurteilung konnte den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformem Verhalten bewegen. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen und hat rechtzeitig und zielführend ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) für den Beschwerdeführer mit der Botschaft der Russischen Föderation eingeleitet und wurde einer Ausstellung eines HRZ zugestimmt. Die Zustimmung verlor mit 10.12.2019 ihre Gültigkeit. Auf Grund der Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft wurde um neuerliche Ausstellung eines HRZ angesucht. COVID-19 bedingt ist es zu Verzögerungen gekommen. Es ist zu erwarten, dass die russische Vertretungsbehörde neuerlich ihre Zustimmung erteilt.
In Bezug auf die vorherrschende COVID-19 Krise kam es auch im gegenständlichen Fall zu einer Verzögerung, da die russischen Behörden erst seit Anfang Juli 2020 wieder Ihre Arbeit aufgenommen haben. Eine Zustimmung der russischen Behörden ist voraussichtlich bis Oktober 2020 zu erwarten.
Eine (relevante) Änderung der Umstände für die Verhält der Schubhaft, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Bescheid vom 23.03.2020 festgestellt hat, hat sich im Verfahren nicht ergeben.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF in Österreich und zur Höhe der in diesem Zusammenhang verhängten Freiheitsstrafe ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister.
Die Feststellungen zur Familiensituation des BF und zu seiner mangelnden (sozialen) Integration in Österreich ergeben sich aus der Aktenlage.
Die zu seiner finanziellen Situation getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus der Aktenlage und fügen sich zudem stimmig in die (unstrittigen) Lebensumstände des BF. Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme sind dem Akt nicht zu entnehmen; ein grundsätzliches Fehlen der Haftfähigkeit wurde in keiner Phase des Verfahrens behauptet.
Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft
Aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergibt sich, dass der BF keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. Nach seinen Angaben stammt er aus Tschetschenien, er spricht Tschetschenisch. Zweifel an der Volljährigkeit des BF bestehen nicht. Dass der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist ergibt sich aus dem rechtskräftigen Aberkennungsbescheid vom 04.03.2019.
Es haben sich weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Anhaltedatei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass beim BF eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder gar Haftunfähigkeit vorliegen würde, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen war. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.
Dass der BF seit 31.03.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Die Feststellung zu der behördlichen Anordnung der Schubhaft ergibt sich zudem aus der oben zitierten Entscheidung.
Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorliegen würde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft (Spruchpunkt A.):
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., hat folgenden Wortlaut:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Die Bestimmung des § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., lautet wörtlich wie folgt:
„§ 22a. [...]
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit dem 31.03.2020 andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens einer sehr hohen Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit als verhältnismäßig.
Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. So hat er selbst in Haft versucht Handygeräte zu schmuggeln und durch den Verkauf an andere Insassen derselben Profit zu schlagen. Er ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert, er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz und über kein gesichertes Einkommen.
Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose ergeben beim BF ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf. Mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kann erwartet werden, dass der BF seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.
Der BF hat zwar Familienangehörige in Österreich, er verfügt aber über keinen nennenswerten Grad der sozialen und beruflichen Verankerungen sowie über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es besteht beim BF eine hohe Fluchtgefahr, er achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
Der BF wurde als Jugendlicher bzw. als junger Erwachsener mehrmals (sechs Mal) einschlägig (ua. Raub, schwerer Diebstahl, Verstoß gegen das Waffengesetz) strafrechtlich verurteilt und wurde zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten unbedingt verurteilt. Bemerkenswert ist hier vor allem, dass der BF nicht einmal durch eine rechtskräftige Verurteilung von der Begehung weiterer einschlägiger strafbarer Handlungen abgehalten werden konnte. Allein aus diesen Erwägungen besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF. Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der BF immer wieder gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und auch keine Anhaltspunkte vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändern wird. Das Verhalten des BF in der Vergangenheit schließt überdies die Anordnung gelinderer Mittel aus.
Es wurde neuerlich ein Heimreisezertifikatsverfahren eingeleitet und ist davon auszugehen, dass einer Ausstellung seitens der Botschaft – wie schon 2019 – zugestimmt wird.
Aus den eben dargelegten Umständen ist aktuell jedenfalls von einer als erheblich zu qualifizierenden Fluchtgefahr auszugehen.
Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen. Sie wird nicht zuletzt durch das in der Vergangenheit gezeigt Verhalten des BF untermauert.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft allenfalls entgegenstehen könnten, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen.
Die in § 80 Abs. 4 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten.
Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
Zu Spruchteil B): Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder von den Parteien vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2233226.2.00Im RIS seit
04.11.2020Zuletzt aktualisiert am
04.11.2020