Entscheidungsdatum
26.08.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
I406 2232200-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch: Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/ 3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2020, Zl. XXXX beschlossen:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weitergeleitet.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) vom 24.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
2. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 25.03.2020 rechtswirksam zugestellt.
3. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 16.06.2020 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und stellte unter einem einen an das BFA adressierten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde damit begründet, dass die Einbringung der Beschwerde aufgrund der COVID-19 bedingten organisatorischen und personellen Umstellungen und Änderungen sowie der Kurzarbeitszeit der zuständigen Rechtsberaterinnen die fristgerechte Einbringung der Beschwerde übersehen worden sei. Dieser Fehler sei am 03.06.2020 durch Zufall aufgefallen, weshalb das Hindernis an diesem Tag weggefallen sei.
4. Mit Schreiben vom 17.06.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 22.06.2020, übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde einschließlich des unerledigten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt Verwaltungsakt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 25.03.2020 rechtswirksam zugestellt.
Mit Schreiben vom 16.06.2020, eingelangt bei der belangten Behörde am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung Beschwerde und stellte unter einem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt unerledigtem Wiedereinsetzungsantrag und Verwaltungsakt am 22.06.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Zurückweisung der Beschwerde (Spruchteil I.):
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.
Mit BGBl. I 16/2020 wurde am 21.März 2020 das 2. COVID-19-Gesetz kundgemacht. Artikel 16 dieses Gesetzes normiert die Unterbrechung von Fristen in Verfahren der Verwaltungsbehörden, der Verwaltungsgerichte sowie des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes. Artikel 16 leg.cit. lautet auszugsweise:
"Artikel 16
Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes
Unterbrechung von Fristen
§ 1.
(1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen mit 1. Mai 2020 neu zu laufen. Dies gilt auch für Verjährungsfristen, jedoch nicht für verfassungsgesetzlich festgelegte Höchstfristen und für Fristen nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950. (…)“
Der verfahrensgegenständliche Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 25.03.2020 zugestellt. Dadurch wurde die vierwöchige Beschwerdefrist gemäß § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen und begann erst mit Freitag, 01.05.2020 neu zu laufen.
Die Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf des Freitags vier Wochen später, sohin mit Ablauf des 29.05.2020.
Die am 16.06.2020 eingelangte Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG wegen Verspätung zurückzuweisen.
Vor dem Hintergrund des gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gerichteten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte auf einen Verspätungsvorhalt vor Zurückweisung der Beschwerde verzichtet werden, da dem Beschwerdeführer die Verspätung seines Rechtsmittels offensichtlich bekannt war.
Im Hinblick auf den gemeinsam mit der Beschwerde gestellten Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand ist zudem auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht bejahend entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag sogleich auf Grund der Aktenlage zu entscheiden ist. Wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, tritt die Zurückweisungsentscheidung von Gesetzes wegen außer Kraft. Diese - insbesondere zu den §§ 71 und 72 AVG ergangene - Rechtsprechung wurde vom VwGH auch auf die durch das VwGVG 2014 neu geschaffene Rechtslage übertragen (vgl. VwGH 21.03.2017, Ra 2017/12/0010 mit Hinweis B vom 21. Oktober 2014, Ra 2014/03/0037) sowie VwGH 29.01.2018, Ra 2017/04/0147).
3.3. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchteil II.):
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
Gemäß § 33 Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Gemäß § 33 Abs. 4 leg. cit. hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach diesbezüglich in seiner Entscheidung vom 28.09.2016, Ro 2016/16/0013, aus, die Verwaltungsbehörde sei zur Entscheidung über den bei ihr eingebrachten, überdies an sie gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuständig. Begründend stützte sich der Verwaltungsgerichtshof auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu Art. 18 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG, wonach der Gesetzgeber zu einer präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit berufen sei (vgl. VfGH 24.06.1994, G 20/94). Es verbiete sich eine Auslegung des § 33 Abs. 4 VwGVG, die es der belangten Behörde überlassen würde, wer über die Wiedereinsetzung zu entscheiden hat.
§ 33 Abs. 4 VwGVG könne verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Verwaltungsbehörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden sei (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 33 VwGVG K18 und E22).
Andernfalls würde es vom bloßen Willen der belangten Behörde abhängen, sich der sie gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG treffenden Entscheidungspflicht zu entledigen und dem Antragsteller mit dieser Vorgehensweise zugleich eine Rechtsmittelinstanz zu entziehen. Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass es unabhängig von einer diesbezüglichen Antragstellung durch den Wiedereinsetzungswerber einzig und allein im Belieben der vor Vorlage der Beschwerde unzweifelhaft zuständigen Behörde stünde, durch Vorlage der Beschwerde einen Übergang der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag auf die nächste Instanz herbeizuführen und damit nach Wahl der Behörde, ohne weitere gesetzliche Vorgaben und unabhängig von einem entsprechenden Parteienantrag einen Wechsel der Zuständigkeit von der Verwaltungsbehörde zum Verwaltungsgericht verbunden mit dem Verlust einer Instanz herbeizuführen. Eine derartige Absicht ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemeinsam mit der Beschwerde - somit vor Vorlage der Beschwerde - bei der belangten Behörde eingebracht. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt mitsamt der Beschwerde und dem unerledigten Antrag auf Wiedereinsetzung dem Bundesverwaltungsgericht vor. Damit verabsäumte die belangte Behörde die Wahrnehmung ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag.
Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
Gegenständlich war eine Weiterleitung unter sinngemäßer Anwendung des § 6 AVG durch verfahrensleitende Anordnung in Beschlussform zu treffen (VwGH 24.06.2015, Ra 2015/04/0040), da die Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts angesichts der zitierten Judikatur unzweifelhaft ist und die belangte Behörde eine vermeintliche Unzuständigkeit nicht nachhaltig zum Ausdruck brachte (VwGH 18.02.2015, Ro 2015/03/0001).
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
Da die Beschwerde zurückzuweisen ist, konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Thematik Verfahrenseinstellung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Beschwerdefrist Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Einreiseverbot Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung Rechtsmittelfrist Rückkehrentscheidung Unzuständigkeit BVwG verspätete Beschwerde Verspätung Weiterleitung Wiedereinsetzungsantrag Zuständigkeit ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I406.2232200.1.00Im RIS seit
05.11.2020Zuletzt aktualisiert am
05.11.2020