TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/1 I408 2170165-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.09.2020
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Entscheidungsdatum

01.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2170165-1/13E

Schriftliche Ausfertigung des am 27.07.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2017, Zl. 1068521805-150510630, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte am 15.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 17.05.2015 sowie der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 19.05.2016 gab er hinsichtlich seiner Fluchtgründe befragt zusammengefasst an, er habe aus Angst vor dem Krieg und der unsicheren Lage im Irak das Land verlassen und werde zudem als Sunnit von schiitischen Milizen verfolgt.

2.       Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 23.08.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

3.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 07.09.2017 fristgerecht Beschwerde.

4.       Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde die Rechtssache dem erkennenden Richter zugewiesen.

5.       Am Vortag der mündlichen Verhandlung übermittelte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Beschwerdeführers, aus der keine zwingende Bettruhe hervorgeht, und teilte mit, dass dieser an der Verhandlung nicht teilnehmen kann.

6.       Am 22.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Abwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher das Erkenntnis mündlich verkündet wurde.

7.       Mit Schreiben vom 27.07.2020 beantragte der Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung die Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist irakische Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch muslimischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen derart erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer allfälligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen und ist arbeitsfähig. Strafrechtlich ist er unbescholten.

Der Beschwerdeführer hält sich nach illegaler und schlepperunterstützer Einreise zumindest seit seinem Antrag auf internationalen Schutz am 15.05.2015 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer stammt aus Basra, XXXX. Nach der Schule war er beruflich zunächst als Friseur tätig und zuletzt war er als Verkäufer im Geschäft (= Supermarkt) seines Bruders tätig.

Seine Eltern sowie drei Schwestern und zwei Brüder wohnen in Basra, XXXX. Mit seinen Eltern steht er in regelmäßigem Kontakt.

Ein Bruder des Beschwerdeführers, dem 2016 aufgrund der damaligen Sicherheitslage im Irak der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, hält sich aufgrund einer befristeten Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf. Sie führen kein gemeinsames Familienleben, leben nicht zusammen und und teilten sich zuletzt von 04.07.2016 bis 04.01.2017 eine gemeinsame Wohnung.

Darüber hinaus bestehen keine weiteren berücksichtigungswürdigen privaten oder familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Auch für die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht haben sich keine maßgeblichen Anhaltspunkte ergeben.

Der Beschwerdeführer bezieht sein Anbeginn Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Bisher ging er keiner Beschäftigung nach, hat aber am 12.05.2020 einen mit 05.05.2020 datierten Arbeitsvorvertrag vorgelegt, sollte er eine Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung erhalten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war entgegen seinem Fluchtvorbringen in seinem Herkunftsstaat keiner persönlichen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt.

Ebenso konnte keine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung festgestellt werden.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Lage im Irak, und das betrifft auch den Südirak und Basra, hat sich zwischenzeitlich insoweit stabilisiert, dass eine Rückkehr von Personen, die keine besonderen Beeinträchtigungen aufweisen und über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfügen, keine Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte (Schutz auf Leben) zu befürchten haben.

Eine systematische Verfolgung von Sunniten durch Schiiten ist nicht erkennbar.

Die Corona-Pandemie führt auch im Irak zu steigenden Fallzahlen, auf die mit Ausgangssperren und Einschränkungen des Reise- und Personenverkehrs reagiert wird. Der Beschwerdeführer gehört keiner Covid-Risikogruppe an.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Verfahrensgang und Feststellungen beruhen auf den Inhalt des Behörden- und Gerichtsaktes unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde und den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz. Darüber hinaus wurden die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen berücksichtigt und Einsicht genommen in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak, in den EASO Informationsbericht über den Irak mit Stand Februar 2019, in die die Erwägungen von UNHCR mit Stand Mai 2019 und in die Kurzinformation der Staatendokumentation in Bezug auf Covid-19 zum Nahen Osten vom 15.07.2020. Zudem wurden Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Datenbank der Sozialversicherungsträger, dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) sowie aus dem Behörden- und Gerichtsakt eingeholt.

Eine Erörterung war weder mit dem Beschwerdeführer noch seinem Rechtsvertreter, die beide zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind, nicht möglich.

Der Beschwerdeführer ist in der Ladung explizit aufgefordert worden, alle Unterlagen in Bezug auf Integration oder bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vorzulegen (OZ 11). Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen und trotz zeitgerechter Ladung am 02.06.2020 der mündlichen Verhandlung ungerechtfertigt ferngeblieben. Am Vortag teilte er über seine Rechtsvertretung mit, er könne krankheitsbedingt der für den 22.07.2020 anberaumten Verhandlung nicht beiwohnen und legte dazu eine unbestimmte Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor. Nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte stellt eine solche kein triftiger Grund für das Nichterscheinen an einer mündlichen Verhandlung dar. (zuletzt. VwGH 26.05.2020, Ra 2020/21/0144).

Zu den persönlichen Verhältnissen:

Die Identität des Beschwerdeführers ist den vorgelegten identitätsbezeugenden Dokumenten entnommen.

Die Feststellungen zu seiner Person, insbesondere seiner Volljährigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Gesundheit, seiner Arbeitsfähigkeit, der Fluchtroute, seiner familiären und beruflichen Situation im Irak, seinem Familienstand und seinen Sorgepflichten gründen sich auf den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Da der Beschwerdeführer keinerlei anderslautende medizinische Unterlagen vorlegte, ist davon auszugehen, dass er an keinen erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet.

Die Antragsstellung des Beschwerdeführers und der seither bestehende Aufenthalt im Bundesgebiet leiten sich aus dem Verwaltungsakt und einem aktuellen ZMR-Auszug ab.

Ein etwaiges Familien- oder Privatleben in Österreich ist vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden und es haben sich dafür auch keine Anhaltspunkte ergeben.

Die Feststellungen zum Aufenthalt seines Bruders und dessen Aufenthaltsstatus in Österreich sind der diesbezüglichen behördlichen Entscheidung vom 16.12.2016 und dem ho. Gerichtsakt im Beschwerdeverfahren XXXX entnommen. Ein Abhängigkeitsverhältnis oder eine enge Beziehung ist nicht vorgebracht worden und ein gemeinsamer Wohnsitz ist den dazu eingeholten ZMR-Abfragen nicht zu entnehmen.

Die Feststellungen zur mangelnden Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Österreich sowie zum Erhalt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung ergeben sich einerseits aus der Einsichtnahme in die Datenbank der Sozialversicherungsträger und andererseits aus einem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers gründet auf einer aktuellen Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtgründen:

Im Rahmen seiner Erstbefragung sowie der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe im Wesentlichen an, er habe aus Angst vor dem Krieg und wegen der unsicheren Lage im Irak das Land verlassen und werde zudem als Sunnit von schiitischen Milizen verfolgt.

Im angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde zum Schluss, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im Irak eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich aus folgenden Gründen den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde vollinhaltlich an:

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Unbeachtlich jeglicher Glaubhaftigkeit begründet die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung von Sunniten im Allgemeinen für sich gesehen noch keine Asylrelevanz iSd GFK. Weder in der Beschwerde noch in seinen Aussagen vor der belangten Behörde behauptete der Beschwerdeführer aufgrund seiner Person von Mitgliedern einer schiitischen Miliz konkret verfolgt worden oder in Zukunft einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Vielmehr begründete er seine Flucht mit seiner generellen Angst vor Krieg bzw. gewalttätigen Handlungen von schiitischen Milizen gegenüber Sunniten.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde führte der Beschwerdeführer aus, ein weißes Auto mit verdunkelten Scheiben sei mehrmals an seinem Geschäft vorbeigefahren. Damit habe der Beschwerdeführer selbst gar nicht erkennen können, wer sich tatsächlich im Auto befunden habe. Ein schiitischer Freund hätte ihn gewarnt, dass es sich um Mitglieder einer schiitischen Miliz handle, welche ihn entführen oder töten wollen. Aus dieser Erzählung ist weder eine konkrete Bedrohung noch eine Verfolgungshandlung durch Mitglieder einer Miliz ersichtlich. Überdies stellt es sich nicht als glaubhaft dar, dass der Beschwerdeführer allein aufgrund eines solchen unbestimmten Vorfalles einen Fluchtentschluss fasste und unmittelbar umsetzte.

Soweit der Beschwerdeführer die Verfolgung auf seinen typisch sunnitischen Namen stützt, ist darauf hinzuweisen, dass Eltern und Geschwister, nach wie vor in seinem Heimatort leben. Die Verfolgung aufgrund seines Namens begründete er zunächst mit einer Benachteiligung bei der Ausstellung seines Staatsbürgerschaftsnachweises, weil er auf diesen statt zwei bis drei Tage über zwanzig Tage warten habe müssen. Selbst bei Wahrunterstellung kann draus keine Verfolgungsgefahr iSd GFK erkannt werden.

Dies gilt auch für seine vagen Angaben zur Bedrohung aller Sunniten in einem Ort namens XXXX, in welchem er vor dem Jahr 2005 gelebt habe. Der Beschwerdeführer bringt damit weder eine aktuelle Verfolgungsgefahr noch eine konkrete Verfolgungshandlung gegen seine Person vor. Auch zeugt die legale Ausreise aus dem Irak nicht von einer systematischen Verfolgung des Beschwerdeführers.

So spricht auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bereits Anfang 2015, somit vor dem gegenständlichen Vorfall vor dem Geschäft, als Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses einen Staatbürgerschaftsnachweis ausstellen ließ, eher für eine länger geplante Ausreise als für einen kurzfristigen Fluchtentschluss.

In einer Gesamtschau ergeben sich für das Bundesverwaltungsgericht – wie auch die belangte Behörde zu Recht ausführte - keine Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer als Einzelperson für eine schiitische Miliz von Interesse ist. Es liegt somit keine tatsächliche Gefahr einer individuellen Verfolgung des Beschwerdeführers vor.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Irak basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Des Weiteren stützt sich das erkennende Gericht auf den EASO Informationsbericht über den Irak mit Stand Februar 2019, die Erwägungen von UNHCR mit Stand Mai 2019 sowie in Bezug auf Covid-19 die Kurzinformation der Staatendokumentation zum Nahen Osten vom 15.07.2020.

Zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aus all diesen Unterlagen kann eine systematische Verfolgung von Sunniten durch Schiiten nur aufgrund der Religionszugehörigkeit nicht entnommen werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer selbst von einem schiitischen Freund spricht, sodass es ein friktionsfreies Zusammenleben beider Religionsgruppen offenbar auch gibt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. ausführlich dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

Wie umseits bereits dargelegt wurde, droht dem Beschwerdeführer im Irak keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, dies zumal es sich im Falle des Beschwerdeführers um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, welcher überdies über eine mehrjährige Schulbildung und über Arbeitserfahrungen im Irak verfügt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt im Irak sicherzustellen. Darüber hinaus lebt nach wie vor die Kernfamilie des Beschwerdeführers im Irak.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung in den Irak nicht in seinem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation im Irak bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde im Irak keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände. Der Beschwerdeführer fällt überdies nicht in die Risikogruppe der vorerkrankten oder älteren Menschen, sodass eine besondere Gefährdung aufgrund Covid-19 nicht besteht.

Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für den Irak, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III., erster Satz des angefochtenen Bescheides)

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.

Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

3.4.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Satz des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus nachstehenden Gründen gegeben:

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner schlepperunterstützen Einreise im Mai 2015 etwas mehr als fünf Jahre in Österreich auf. Die Aufenthaltsdauer für sich stellt lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar und das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Daneben ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422).

Der seit Mai 2015 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruht auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Zudem musste sich der Beschwerdeführer bereits mit der Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid vom 23.08.2017 – sohin rund zwei Jahre und drei Monate nach seiner Einreise –seines unsicheren Aufenthaltes schon bewusst sein und ein allfälliges Privat- und Familienleben, das erst nach der Abweisung seines Asylantrages entstanden ist, verliert dadurch deutlich an Gewicht. Hinzu kommt, dass es keinen Rechtserwerb allein durch Zeitablauf (im Sinne einer "Ersitzung") geben kann, zumal dafür auch keine gesetzliche Grundlage existiert.

Hinsichtlich des Familienlebens ist auszuführen, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schützt. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt jedoch nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 17.11.2009, 2007/20/0955).

Der Beschwerdeführer hat keine Sorgepflichten, er verfügt aber über einen verwandtschaftlichen Kontakt in Österreich. Sein Bruder lebt aufgrund einer befristeten Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet, jedoch führen die Brüder kein gemeinsames Familienleben. Der Beschwerdeführer erstattete insbesondere kein Vorbringen bezüglich des Vorliegens eines besonderen Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnisses und teilten sich die Brüder zuletzt von 04.07.2016 bis 04.01.2017 eine gemeinsame Wohnung.

Hinsichtlich des Privatlebens des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass die bisherige Aufenthaltsdauer über fünf Jahre beträgt, woraus sich per se das Vorhandensein eines Privatlebens ergibt. Allerdings kann sich allein aus dem zeitlichen Ablauf noch nicht vom Bestehen einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration gesprochen werden.

Des Weiteren ist die Integration des Beschwerdeführers zu beurteilen, wobei miteinzufließen hat, ob und inwieweit der Beschwerdeführer die in Österreich verbrachte Zeit genutzt hat um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Anhaltspunkte für eine Integration des Beschwerdeführers in Österreich haben sich weder im Privatleben noch in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht ergeben. Er ist auf staatliche Leistungen angewiesen und ein Arbeitsvorvertrag allein vermag eine berücksichtigungswürdige Integration nicht zu belegen (vgl. dazu VwGH vom 27.04.2020, Ra 2019/21/0277).

Demgegenüber hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte, zumal der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben mit seinen Eltern in Kontakt steht. Er ist gesund, arbeitsfähig und verfügt über Berufserfahrung. Es ist somit davon auszugehen, dass er in der Lage sein wird, einen zumindest bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen. Er kann sich auf familiären Rückhalt stützen und ist seine Familie ist überdies im Besitz einer Wohnmöglichkeit.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, stellt weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er sich an geltende Rechtsvorschriften hält.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; 26.6.2013, 2013/22/0138; 26.04.2018, Ra 2018/21/0062), schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

3.5.    Zum Ausspruch, dass die Ausweisung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III., dritter Satz des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 25.09.2019, Ra 2019/19/0399; u.a.).

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für den Irak nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3).

Dies wurde von dem Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt. Es ist daher jedenfalls davon auszugehen, dass der volljährige und gesunde Beschwerdeführer, der in seinem Herkunftsstaat über Berufserfahrung und familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.

Es ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers in den Irak zu einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

3.6.    Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides)

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige "besondere Umstände" wurden von dem Beschwerdeführer nicht dargetan und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Bestimmung des § 55 Abs. 2 FPG zur Anwendung gebracht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mündliche Verhandlung mündliche Verkündung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung schriftliche Ausfertigung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2170165.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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