TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/8 G307 2216632-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch

G307 2216632-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Serbien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.11.2018, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)       

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 15.01.2018, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 17.01.2018, wurde dieser über die in Aussicht genommene Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Verhängung eines Einreiseverbotes in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde er zur dahingehenden Stellungnahme binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens aufgefordert.

Hierauf erstattete der BF keine Antwort.

2. Mit oben im Spruch genannten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG nicht erteilt, gegen diesen gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III.), gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf 2 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3. Mit per Fax am 07.03.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde beantragt, die „Rechtsmittelbehörde“ möge den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem BF gemäß § 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen, die gegen den BF ausgesprochene Ausweisung und Rückkehrentscheidung aufheben, in eventu der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 (gemeint wohl: § 18 Abs. 1 BFA-VG) zuerkennen, das gegen den BF erlassene Einreiseverbot auf die Dauer von 2 Jahren (gemeint wohl: in der Dauer) auheben sowie in eventu das gegen den BF erlassene Einreiseverbot von 2 Jahren verkürzen.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG am 21.03.2019 vom BFA vorgelegt, wo beide am 28.03.2019 einlangten.

5. Am 14.01.2020 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz eine mündliche Verhandlung anberaumt, an welcher der BF und ein Vertreter des Verein Menschenrechte teilnahmen sowie seine Exfrau als Zeugin vernommen wurde.

6. Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.02.2020, Zahl G307 2216632-1/21E wurde die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf 4 Jahre angehoben wird und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht für zulässig erklärt.

7. Die dagegen erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde von diesem als berechtigt angesehen und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führte die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und lebt mit seiner Exfrau (geschieden seit 2015), der serbischen Staatsangehörigen XXXX , geb. am XXXX , seit 24.01.2019 im gemeinsamen Haushalt. Mit dieser hat er drei gemeinsame minderjährige Kinder im Alter von einem (1), 3 und 9 Jahren, die mit den Eltern zusammenleben. Seit Oktober 2018 führt der BF mit XXXX wieder eine Beziehung. In Serbien hält sich noch eine 12jährige Tochter des BF aus erster Ehe auf, die bei der Mutter wohnt. Die Muttersprache des BF Serbokroatisch.

Die Exfrau des BF bezieht seit XXXX .2020 Notstands- bzw. Überbrückungshilfe. Das Sorgerecht für die beiden jüngsten Kinder hat ausschließlich die Mutter. Für die zweitälteste Tochter, XXXX , besteht ein beidseitiges Sorgerecht. Die gemeinsam bewohnte Unterkunft verursacht monatliche Kosten in der Höhe von etwa € 600,00 inklusive Betriebskosten.

1.2. Der BF reiste im Dezember 2009 erstmalig nach Österreich ein und unter Einhaltung der höchst zulässigen Aufenthaltsdauer von 3 Monaten danach wieder in seine Heimat zurück. Seit 2013 hält er sich durchgehend in Österreich auf. In der Zeit vor 2013 lebte der BF in Serbien von der Ausübung von Gelegenheitsarbeiten.

1.3. Der BF war – beginnend mit 22.03.2013 bis dato – in 22 Arbeitsverhältnissen bei 13 Arbeitgebern beschäftigt. Die längste Beschäftigungsdauer lag dabei bei 4 Monaten und 25 Tagen, die kürzeste bei einem Tag. Aktuell geht der BF keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht keine staatlichen Leistungen.

Zwischen 13.01.2020 und 09.03.2020, 20.09.2019 und 12.01.2020, 20.07.2019 und 07.08.2019, 03.06.2019 und 03.07.2019, 11.05.2019 und 19.05.2019, 09.04.2019 und 08.05.2019, 25.08.2018 und 27.11.2018, 11.08.2018 und 22.08.2018, 29.01.2018 und 30.07.2018, 09.01.2018 und 25.01.2018, 25.10.2017 und 27.11.2017, 19.06.2017 und 12.07.2017, 07.01.2017 und 10.04.2017, 10.12.2016 und 21.12.2016, 06.11.2016 und 16.11.2016, 20.08.2016 und 03.10.2016, 03.07.2016 und 12.08.2016 bezog der BF Notstands- oder Überbrückungshilfe, von 08.06.2016 bis 02.07.2016, 10.05.2016 und 03.06.2016 sowie 18.01.2016 bis 16.04.2016 nahm er Arbeitslosenunterstützung in Anspruch.

1.4. Der BF wurde vom Landesgericht XXXX (im Folgenden: LG XXXX ) zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2015, wegen versuchter Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten und Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF gegenüber seiner LG am XXXX .2015 die Äußerung „Wenn Du die Anzeige bis morgen früh nicht zurücknimmst, wirst Du den Gerichtstermin nicht erleben“ ausgesprochen und damit zu einer Zurücknahme der gegen ihn erstatteten Anzeige bei der Polizei genötigt hat, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist.

Zudem wurde er darin für schuldig befunden, er habe am XXXX .2015 durch die gegenüber seiner LG geäußerten telefonischen Äußerung, „Wenn Du nicht in einer halben Stunde € 7.000,00 auftreibst, dann werde ich die Wohnung komplett demolieren, Dich zusammenschlagen und danach umbringen“, diese mit dem Tod gedroht, indem er sie zu einer Handlung genötigt habe, nämlich zur Übergabe von € 7.000,00, wobei die Tat beim Versuch geblieben sei.

Als mildernd wurden dabei die Unbescholtenheit und das Versuchsstadium, als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen iSd § 28 StGB gewertet.

Ferner wurde der BF vom selben Gericht zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2019 wegen Urkundenunterdrückung, Einbruchsdiebstahls und Urkundenfälschung gemäß §§ 229 Abs. 1, 127, 129 Abs. 1 Z 2 und 223 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren sowie einer Geldstrafe von insgesamt € 480,00 verurteilt.

Im Zuge der zuletzt genannten Verurteilung wurde dem BF angelastet, er habe am XXXX .2018 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter der Geschädigten originalverpackte Heizkörper im Wert von ca. € 300,00 weggenommen.

Des Weiteren wurde er schuldig befunden, er habe von XXXX .2017 bis XXXX .2017 in XXXX zwei Kennzeichentafeln, somit Urkunden, über die er nicht verfügen habe dürfen, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.

Schließlich wurde er darin schuldig gesprochen, er habe am XXXX .2018 in XXXX einen totalgefälschten serbischen Führerschein mit der Nummer XXXX lautend auf seinen Namen, sohin eine falsche Urkunde, durch Vorweisen im Zuge einer polizeilichen Kontrolle im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich seiner Identität und seiner Berechtigung zur Lenkung eines Kraftfahrzeuges, gebraucht.

Als mildernd wurden hiebei kein Umstand, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, die Tatwiederholung beim Diebstahl, das Zusammentreffen mehrerer Vergehen sowie die Tatbegehung bei anhängigem Verfahren gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die in den beiden Verurteilungen angeführten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

Der BF wurde von der Landespolizeidirektion XXXX (LPD XXXX ) wegen folgender Delikte bestraft:

1.        XXXX wegen Lenkens eines Fahrzeuges ohne Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG, am XXXX .2018 zu einer Geldstrafe von € 600,00,

2.        XXXX wegen fehlender Abmeldung aufgrund der dauernden Verlegung des Fahrzeuges in den Wirkungsbereich einer anderen Behörde gemäß § 43 Abs. 4 lit b) KFG am XXXX .2018 zu einer Geldstrafe von € 150,00,

3.        XXXX wegen Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes gemäß § 134 Abs. 3d Z 1 iVm § 106 Abs. 2 KFZ am XXXX .2018 zu einer Geldstrafe von € 70,00,

4.        XXXX wegen Lenkens eines Kraftfahrzeugs ohne Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG am XXXX .2018 zu einer Geldstrafe von € 500,00 sowie

5.        XXXX wegen Überfahrens einer Ampel bei Rotlicht gemäß § 38 Abs. 5 iVm 38 Abs. 1 lit a) StVO am XXXX .2016 zu einer Geldstrafe von € 180,00.

1.5. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist der deutschen Sprache auf dem Niveau „A1“ mächtig. An der schriftlichen Prüfung des Niveaus „A2“ ist der BF bisher gescheitert.

1.6. Der BF besitzt in XXXX ein Haus. Dort hielt er sich zuletzt vom 20.12.2019 bis zum 12.01.2020 auf. In diesem wohnen auch die Mutter und der Stiefvater des BF.

1.7. Der BF ist vermögenslos und hat mit Stichtag 24.01.2020 Außenstände in der Höhe von € 10.885,00, weshalb die XXXX gegen ihn eine Gehaltsexekution erwirkt hat, wobei die Kapitalforderung € 7.853,44 beträgt. Die Höhe des aktuellen Einkommens ist nicht bekannt.

1.8. Der BF ist in keinem Verein tätig und konnten, abgesehen vom Bestand der Familie, seinem A1-Kurs und den – immer wieder unterbrochenen – Erwerbstätigkeiten, keine weiteren Integrationsmerkmale festgestellt werden.

1.9. Dem BF wurde, beginnend mit 22.10.2013, der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus“ ausgestellt. Über den am 21.12.2017 beim Magistrat der Stadt XXXX gestellten Verlängerungsantrag wurde bisher noch nicht entschieden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zu den Feststellungen:

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Die Meldedaten des BF folgen dem Datenbestand des Zentralen Melderegisters (ZMR). Daraus ergeben sich zwar vom 06.05.2015 bis 24.11.2019 immer wieder mehrmonatige Meldelücken. Aufgrund der Aussage des BF in der mündlichen Verhandlung, von Wohnsitzmeldungen zeitweise Abstand genommen, sich jedoch im Bundesgebiet aufhalten zu haben, seines niedrigen Bildungsgrades und des Umstandes, dass er während der erwähnten Zeitspannen immer wieder beschäftigt war, kann davon ausgegangen werden, dass er sich seit Oktober 2013 durchgehend im Bundesgebiet aufgehalten hat, zumal er seit damals auch einen Aufenthaltstitel besitzt. Dieser wie der im Dezember 2017 gestellte Verlängerungsantrag ergeben sich aus dem Inhalt des auf ihn lautenden Auszuges aus dem Zentralen Fremdenregister (ZFR).

Dass der BF in Serbien vor seiner aufenthaltsbegründenden Einreise seinen Lebensunterhalt durch die Vornahme von Gelegenheitsarbeiten finanziert hat, hat er in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben.

Ferner legte der BF zum Nachweis seiner Identität einen auf seinen Namen ausgestellten, serbischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Die Scheidung von seiner Ehefrau folgt den übereinstimmenden Angaben des BF und seiner Exfrau und deckt sich mit dem dahingehenden Akteninhalt.

Dass der BF seit Oktober 2018 wieder eine Beziehung mit seiner Exfrau führt und mit dieser im gemeinsamen Haushalt lebt, hat er in der Verhandlung selbst vorgebracht, wurde dies von seiner als Zeugin vernommenen Exfrau bestätigt und ist mit dem Inhalt des auf die Beiden lautenden ZMR-Auszuges in Einklang zu bringen.

Die bisher ausgeübten Beschäftigungen samt deren Dauer sowie der in der Vergangenheit erfolgte Bezug von Notstands- und Überbrückungshilfe wie auch Arbeitslosenunterstützung sind aus dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges ersichtlich. Aus diesem ist ferner ersichtlich, dass er seit 10.03.2020 keiner Beschäftigung mehr nachgegangen ist und keine staatlichen Leistungen bezieht.

Die beiden Verurteilungen folgen dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich wie den im Akt einliegenden Urteilen des LG XXXX .

Die gegen den BF ausgesprochenen Verwaltungsstrafen sind dem Verwaltungsstrafregisterauszug der Landespolizeidirektion XXXX (LPD XXXX ) zu entnehmen.

Da der BF bis März 2020 gearbeitet und ausgeführt hat, gesund zu sein, wurde dessen Arbeitsfähigkeit und festgestellt, dass dieser gesund ist.

Die Höhe der Außenstände wie die Vermögenslosigkeit des BF ergeben sich aus dem Inhalt der vom BG XXXX bewilligten, im Akt einliegenden Gehaltsexekution und dem Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung.

Die Höhe der monatlichen Miete, die Bezahlung durch die Lebensgefährtin und die Höhe ihrer Bezüge ergibt sich aus deren Angaben in der Verhandlung und ist mit den einschlägigen Normen im Kinderbetreuungsgeld- (§§ 24a ff) und Familienlastenausgleichsgesetz (§ 8) in Einklang zu bringen.

Das ausschließliche Sorgerecht für die Tochter XXXX und den Sohn XXXX folgt den Angaben des BF und seiner Exfrau und ist dem Umstand geschuldet, dass die Tochter zu einem Zeitpunkt geboren wurde, zu dem die beiden Elternteile nicht verheiratet waren, somit die alleinige Obsorge der Mutter zukommt und keine gegenteiligen Bescheinigungsmittel vorgelegt wurden.

Den Hausbesitz in Serbien, die dort über Weihnachten zuletzt verbrachte Zeit sowie die Tatsache, dass dort noch seine Mutter und deren Ehemann leben, hat der BF in der mündlichen Verhandlung dargetan.

Die Deutschkenntnisse ergeben sich aus den im Akt einliegenden Bestätigungen. Ebenso, dass der BF die „A2“-Prüfung nicht bestanden hat.

Die sonstigen, oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen der BF in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Die in der Beschwerde angesprochenen Kinderrechte in der österreichischen Verfassung zielen vorwiegend auf das Kontaktrecht der Kinder zu ihren Eltern und ihre freie persönliche Entfaltung ab. Ziel dieser Konvention ist vor allem, die Lage der Kinder in aller Welt zu verbessern, indem sie Maßstäbe mit universellem Geltungsanspruch setzt und zum Schutz der Kinder die wichtigsten Menschenrechte garantiert (https://www.kinderrechtskonvention.info/kinderrechtskonvention-352/). Sie bedarf jedoch – schon aufgrund des (auch) dem Fremdenrecht innewohnenden Gebotes des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – aus der Sicht des erkennenden Gerichtes einer derartigen Auslegung, dass ein Fremder, der sich einer Straftat schuldig macht, nicht (nur) deshalb im Bundesgebiet verbleiben darf, weil er Elternteil eines minderjährigen Kindes ist. Dies ändert aber nichts an der erforderlichen Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des BF iSd Art 8 EMRK, worauf noch in der rechtlichen Beurteilung einzugehen sein wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1.  Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

1.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

4.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG lautet:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

3.1.2.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der BF ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Da der BF im Besitz eines Aufenthaltstitels, nämlich einer „Rot-Weiß-Rot-Karte-plus“ ist, hätte das Bundesamt bei der von ihm getroffenen Annahme, es bedarf der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, diese auf § 52 Abs. 4 Z 1 FPG stützen müssen.

3.1.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

-        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

-        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

-        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

-        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

-        die Bindungen zum Heimatstaat,

-        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

-        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

„Es trifft zwar zu, dass im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 MRK bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden in der Regel von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist (vgl. VwGH 1.2.2019, Ra 2019/01/0027, mwN). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN).“ (VwGH 28.02.2019, Ra 2018/01/0409). Abgesehen davon kann dem BF kein 10jähriger Aufenthalt attestiert werden.

3.1.4. Der VwGH hat in dem hier zugrundeliegenden Erkenntnis, Zahl Ra 2020/21/0091-10 16. Juli 2020 erwogen:

Das BVwG stellte betreffend den dem Revisionswerber zuletzt erteilten, bis 7. Jänner 2018 gültigen Aufenthaltstitel im angefochtenen Erkenntnis fest, einen diesbezüglichen Verlängerungsantrag habe der Revisionswerber nicht gestellt. Diese Feststellung, für die sich im angefochtenen Erkenntnis auch keine beweiswürdigende Begründung findet, steht allerdings im Widerspruch zur Aktenlage (siehe Rn. 2 und 3). Ausgehend von der rechtzeitigen Stellung eines Verlängerungsantrages wäre der weitere Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich aber gemäß § 24 Abs. 1 dritter Satz NAG rechtmäßig. Gegen ihn wäre eine Rückkehrentscheidung nur unter den Bedingungen des § 52 Abs. 4 Z 4 FPG - nämlich wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht - zulässig gewesen (vgl. VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0062, Rn. 7).

Auf dieser Basis würde die in der rechtlichen Beurteilung vom BVwG vertretene Auffassung, das BFA habe die Rückkehrentscheidung zu Recht auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt, nicht zutreffen, weil dieser Tatbestand nur Rückkehrentscheidungen gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige erfasst. Darüber hinaus wäre der in den Bescheid des BFA vom 26. November 2018 aufgenommene Spruchteil über die (amtswegige) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, der gemäß dem im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 nur dann vorzunehmen ist, wenn sich der Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, vom BVwG ersatzlos zu beheben gewesen (vgl. neuerlich VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0062, nunmehr Rn. 15, mit dem Hinweis auf VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0081, Rn. 8).

An dieser Stelle sei seitens des erkennenden Gerichtes angemerkt, dass sich im Bescheid der belangten Behörde kein Spruchteil iSd § 57 AsylG, sondern ausschließlich ein solcher im Hinbnlick auf § 55 AsylG wiederfindet.

Vor allem erwiese sich aber der gegenüber dem Revisionswerber im angefochtenen Bescheid wiederholt ins Treffen geführte Vorwurf, er habe sich seit zwei Jahren nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten und insoweit gegen fremdenrechtliche Vorschriften verstoßen, als nicht gerechtfertigt.

13 Bei der Bestätigung des Einreiseverbotes legte das BVwG zugrunde, das strafrechtliche Fehlverhalten des Revisionswerbers rechtfertige die Annahme, sein weiterer Aufenthalt stelle im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Als bestimmte, diese Gefährdungsannahme rechtfertigende Tatsache gilt - soweit fallbezogen relevant - gemäß Z 1 der genannten Bestimmung, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder „mindestens“ einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt wurde. Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat das BVwG nicht ausreichend berücksichtigt, dass der erstgenannte Tatbestand im vorliegenden Fall nur in Bezug auf die zweite strafgerichtliche Verurteilung zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verwirklicht ist und das dort angeführte Mindeststrafmaß nur geringfügig überschritten wird. Bei der ersten strafgerichtlichen Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten wurde diese Schwelle eindeutig nicht erreicht und überdies vom BVwG außer Acht gelassen, dass die zugrundeliegenden Straftaten bereits vor fast fünf Jahren gesetzt wurden. In Bezug auf die der zweiten Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten ging das BVwG im Übrigen aktenwidrig davon aus, der Revisionswerber habe seit deren Begehung - das letzte der Verurteilung vom 11. Juni 2019 zugrundeliegende strafbare Verhalten datiert vom 13. August 2018 - „den überwiegenden Teil dieser Zeit in Haft verbracht“. Auch die Unterstellung, der Revisionswerber weise „wiederholte Aufenthalte in Justizanstalten“ auf, ist durch die Aktenlage nicht gedeckt.

14 Aus all diesen Gründen erweist sich somit die Annahme des BVwG zum Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG in wesentlichen Gesichtspunkten als mangelhaft begründet.

15 Soweit das BVwG diese Gefährdungsprognose auch auf die Bestrafungen des Revisionswerbers wegen Übertretung von Verwaltungsvorschriften stützte, so kommt dafür von vornherein nur jenen wegen Lenkens eines Fahrzeuges ohne Besitz der erforderlichen Lenkerberechtigung vom 24. April 2018 und vom 28. September 2018 zu einer Geldstrafe von 500 € bzw. 600 € (und nicht auch jenen wegen Übertretungen des KFG und der StVO wegen Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes bzw. unterlassener Ummeldung des Fahrzeuges wegen Wechsels des Behördensprengels zu Geldstrafen von 70 € bzw. 150 € sowie wegen Überfahrens einer Ampel bei Rotlicht zu einer Geldstrafe von 180 €) Relevanz zu. Allerdings hat das BVwG nicht erkennbar berücksichtigt, dass diese Bestrafungen nach § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG nicht einmal den eine (bloße) Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit indizierenden Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllen. Sie sind daher nicht geeignet, in maßgeblicher Weise die bei Verhängung des Einreiseverbotes vom BVwG angenommene schwerwiegende Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG zu begründen. Das gilt umso mehr für die vom BVwG in diesem Zusammenhang auch ins Treffen geführte Verletzung melderechtlicher Vorschriften, für die keine Bestrafung erfolgte, was aber schon für die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 Z 1 FPG erforderlich gewesen wäre.

16 Dem BVwG ist zwar dahin zu folgen, dass der Revisionswerber nicht als beruflich verankert anzusehen ist und keine nennenswerten Deutschkenntnisse aufweist. Allerdings kann er auf rechtmäßige Inlandsaufenthalte seit Ende 2009 verweisen, wobei er sich durchgehend seit Anfang 2013, somit insgesamt seit etwa sieben Jahren, davon fünf Jahre mit Aufenthaltstitel und seit Ablauf von deren letzter Gültigkeit im Jänner 2018 noch immer rechtmäßig (siehe oben Rn. 12) in Österreich befindet. Entscheidend ist aber vor allem, dass er nunmehr seit zumindest etwa einem Jahr mit seiner (früheren) Ehefrau und den drei Kindern im gemeinsamen Haushalt lebt. Entgegen der Ansicht des BVwG hat dieses schützenswerte Familienleben durch das bisherige Verhalten des Revisionswerbers, dessen Beurteilung durch das BVwG im Sinne der obigen Ausführungen einer Korrektur zugunsten des Revisionswerbers bedarf, keine so „starke Relativierung“ erfahren, dass gegen ihn die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen mit der Konsequenz einer Trennung der Familienangehörigen zulässig wäre. Der Revision, die sich überdies zu Recht auf den Gesichtspunkt des Kindeswohls beruft, ist somit der Sache nach darin beizupflichten, dass die nach § 9 BFA-VG vorgenommene, zu einem anderen Ergebnis kommende Interessenabwägung des BVwG insgesamt nicht vertretbar war.

Vor diesem Hintergrund ist das Interesse des BF an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet der Vorzug zu geben und liegt daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK vor.

Demzufolge war der Beschwerde gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung stattzugeben.

An dieser Stelle sei zu der von der belangten Behörde vorgenommenen – und vom VwGH hier gerügten – Einbeziehung des § 57 AsylG (gemeint wohl § 55 AsylG) in seine Entscheidung erwähnt, dass sich wegen der gesamthaften Aufhebung des Bescheides eine gesonderte ersatzlose Behebung der versagten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG (gemeint wohl: § 55 AsylG) erübrigt.

3.2. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2.       wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3.       wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4.       wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5.       wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6.       den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7.       bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8.       eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9.       an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.       ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4.       ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8.       ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9.       der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

3.2.2. Der Beschwerde gegen das erlassene Einreiseverbot war stattzugeben. Dies aus folgenden Erwägungen:

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen. (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).

Wie sich aus § 53 FPG ergibt, ist bei der Verhängung eines Einreiseverbots das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen in die Betrachtung miteinzubeziehen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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