TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 G314 2200938-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

Spruch

G314 2200938-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des griechischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .06.2018,
Zl. XXXX , betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:

A)             Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.“

B)              Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde in Österreich dreimal strafgerichtlich verurteilt. Er wird seit XXXX .10.2016 in österreichischen Justizanstalten in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Zuletzt wurde er mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Am 22.06.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes befragt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit seinen strafgerichtlichen Verurteilungen begründet. Die von ihm gesetzten Handlungen seien unter § 67 Abs 1 und Abs 2 FPG zu subsumieren. Er habe keine familiären oder privaten Anbindungen im Bundesgebiet, die einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen würden. Entgegen seinen Angaben bei der Einvernahme sei er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet weder zur Sozialversicherung gemeldet gewesen noch einer legalen Tätigkeit nachgegangen. Er weise 25 einschlägige Vorstrafen auf (drei in Österreich, acht in Griechenland und 14 in Deutschland).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid zu beheben, in eventu, das Aufenthaltsverbot zu verkürzen, in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache an das BFA zurückzuverweisen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Die Beweiswürdigung sei unschlüssig. Er sei im Bundesgebiet durchgehend gemeldet und in der Gastronomiebranche tätig gewesen. Er habe nur 13 Vorstrafen, wesentlich weniger als vom BFA angenommen. Er verhalte sich in der Haft vorbildlich und bereue seine Straftaten, die er lediglich zur Finanzierung seiner (mittlerweile überwundenen) Sucht begangen habe. Nach der Haftentlassung könnte er bei Freunden wohnen und wieder in der XXXX arbeiten. Ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit einer Stellungnahme und dem Antrag, sie als unbegründet abzuweisen, vor.

Das Landesgericht XXXX übermittelte dem BVwG in der Folge auftragsgemäß ECRIS-Auszüge des BF aus Deutschland und aus Griechenland.

Feststellungen:

Der BF ist griechischer Staatsangehöriger und kam am XXXX in der deutschen Stadt XXXX zur Welt. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Seine Muttersprache ist Griechisch; er spricht aber auch Deutsch. Er absolvierte eine Ausbildung zum XXXX (Strafurteil 45 Hv 125/16 d AS 57; Reisepasskopie AS 119; Vollzugsinformation AS 197).

Der BF wurde in den Jahren 1991 bis 2008 in Deutschland 15 Mal strafgerichtlich verurteilt. Dreimal wurden Geldstrafen wegen Diebstahls verhängt, einmal eine wegen Trunkenheit am Steuer. Im September 1991 wurde wegen Handels mit Suchtgift eine dreimonatige Freiheitsstrafe verhängt, wobei die zunächst gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen und die Strafe 1993 vollzogen wurde. 1994 wurde nach bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von vier bzw. fünf Monaten wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen Diebstahls unter Gewaltanwendung ausgesprochen, die nach dem Widerruf der zunächst gewährten bedingten Strafnachsicht letztlich bis Juni 2001 vollzogen wurde. 1995 folgten Verurteilungen zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von vier Monaten sowie von acht Monaten wegen Diebstahls, die (nach der Bildung einer Gesamtstrafe) 2002 erlassen wurden. 1997 wurde der BF (erneut wegen Diebstahls) zunächst zu einer dreimonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe und danach zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, die zunächst ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt und nach dem Widerruf bis Oktober 2001 vollzogen wurde. Im Juli 2000 folgte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen schweren Diebstahls, die bis November 2000 vollzogen wurde. 2001 wurde der BF wegen Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt, was bis Juli 2008 vollzogen wurde. Zuletzt wurde 2008 wegen Einbruchsdiebstahls eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verhängt (ECRIS-Auszüge OZ 4).

Der BF ist im Bundesgebiet seit August 2011 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Ab Oktober 2015 hielt er sich entweder in Justizanstalten oder in einer Therapieeinrichtung auf (Auszug aus dem Zentralen Melderegister-ZMR).

Der BF hat nie die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung beantragt (Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister – IZR). Er war von September 2011 bis Oktober 2015 in XXXX in XXXX (zum Teil geringfügig) beschäftigt; dazwischen bezog er für kurze Zeiträume ( XXXX .08. bis XXXX .09.2014, XXXX . Und XXXX .09.2014, XXXX .07 bis XXXX .09.2015) Arbeitslosengeld. Ab Oktober 2015 war er nicht mehr erwerbstätig, bezog aber immer wieder Arbeitslosen- oder Krankengeld (Niederschrift-BFA AS 141; Versicherungsdatenauszug).

Am XXXX .10.2015 wurde der BF in XXXX verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127 und 130 erster Fall iVm § 70 StGB idF vor Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015, BGBl I Nr. 112/2015) ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in acht Angriffen zwischen Juli und Oktober 2015 Ladendiebstähle begangen hatte (wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, weil er von einem Detektiv angehalten wurde). Als mildernd wurde das umfassende, reumütige Geständnis gewertet, als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen. Da die Straftaten mit der Beschaffung von Suchtmitteln zusammenhingen, wurde der Strafvollzug mit dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX gemäß § 39 Abs 1 SMG zur Absolvierung einer Suchtgifttherapie für zwei Jahre aufgeschoben und der BF am XXXX .01.2016 in eine Therapieeinrichtung zur stationären Drogentherapie aufgenommen. (Urteil AS 11 ff; Beschluss AS 35 ff; Widerrufsbeschluss AS 147 ff).

Am XXXX .04.2016 wurde der BF neuerlich verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , wurde er wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127 und 130 Abs 1 erster Fall StGB iVm § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB idF des Strafrechtsänderungsgesetzes 2015, BGBl I Nr. 112/2015) ausgehend von einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Als mildernd wurden das reumütige Geständnis, der Versuch und die Sicherstellung des Diebesguts gewertet, als erschwerend zahlreiche Vorstrafen in Österreich, Deutschland und Griechenland sowie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX .04.2016 versucht hatte, Parfums im Gesamtwert von rund EUR 1.088 aus einem Geschäft zu stehlen, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen längere Zeit hindurch ein fortlaufendes Einkommen von mehr als EUR 400 (nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung) zu verschaffen. Der Strafvollzug wurde mit dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX gemäß § 39 Abs 1 SMG für eine Suchtgifttherapie für zwei Jahre aufgeschoben. Am XXXX .06.2016 wurde der BF wieder in die Einrichtung zur stationären Entwöhnungsbehandlung aufgenommen (Urteil AS 51 ff; Schreiben AS 31; ZMR-Auszug).

Am XXXX .10.2016 wurde der BF abermals festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Mit dem hierauf durch das Landesgericht XXXX gefällten Urteil vom XXXX , XXXX , wurde er wegen der Vergehen des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127 und 130 Abs 1 erster Fall StGB) und der Nötigung (§§ 15 und 105 Abs 1 StGB) ausgehend von einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Als mildernd wurden das Geständnis, der Versuch und die Sicherstellung des Diebesguts gewertet, als erschwerend zumindest 16 einschlägige und rückfallsbegründende Vorstrafen, der rasche Rückfall, das Zusammentreffen zweier Vergehen und die Tatbegehung während des Strafaufschubs. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) versucht hatte, am XXXX .09.2016 Parfums im Wert von rund EUR 233 und am XXXX .10.2016 Kleidung im Wert von rund EUR 195 zu stehlen. Am XXXX .10.2016 versuchte er außerdem, eine Person zur Unterlassung seiner Anhaltung gemäß § 80 Abs 2 StPO zu nötigen, indem er sich mehrfach unter Aufbietung erheblicher Körperkraft losriss bzw. loszureißen versuchte. Sein Antrag auf Strafaufschub gemäß § 39 SMG wurde mit Beschluss vom XXXX wegen offenbarer Aussichtslosigkeit eines Therapieerfolgs abgewiesen (Urteil AS 57 ff; Abweisungsbeschluss AS 127 ff).

Mit den Beschlüssen vom XXXX und vom XXXX wurden die zuvor gewährten Strafaufschübe widerrufen, weil der BF während der Therapie neuerlich straffällig geworden war (Widerrufsbeschlüsse AS 99 ff und AS 147 ff).

Der BF wurde bis XXXX .05.2017 in der Justizanstalt XXXX angehalten und danach bis XXXX .07.2017 in der Justizanstalt XXXX . Seither wird er in der Justizanstalt XXXX angehalten. Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX .11.2021. Während der Haft wird er einer Entwöhnungsbehandlung gemäß § 68a StVG unterzogen (Vollzugsinformation AS 197; ZMR-Auszug).

Der BF hat im Bundesgebiet Freunde, aber keine Familienangehörigen. Er hat weder Schulden noch Vermögen oder Ersparnisse. Bei ihm besteht eine langjährige und multiple Suchtgiftabhängigkeit; die Straftaten in Österreich standen im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel. Abgesehen davon ist er gesund und grundsätzlich arbeitsfähig (Niederschrift-BFA AS 135 ff; Beschlüsse AS 35 ff, AS 99 ff und AS 147 ff).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln, wobei sich die angegebenen Aktenseiten (AS) auf die Nummerierung der Verwaltungsakten beziehen.

Die Identität des BF (Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit) sowie sein Geburtsort ergeben sich aus den Angaben zu seiner Person in den Strafurteilen sowie aus dem Datenblatt seines 2019 abgelaufenen Reisepasses, das dem BVwG in Kopie vorliegt. Seine familiären Verhältnisse werden anhand seiner plausiblen Angaben vor dem BFA festgestellt. Auch aus den Strafurteilen geht das Fehlen von Sorgepflichten hervor; im ZMR scheint als Familienstand nach wie vor „ledig“ auf. Aus der Vollzugsinformation (AS 105) geht hervor, dass er den Beruf eines XXXX erlernte, was mit seiner Erwerbstätigkeit in XXXX korrespondiert. Da die Einvernahme vor dem BFA auf Griechisch und Deutsch erfolgte (siehe AS 135), ist davon auszugehen, dass der BF beide Sprachen beherrscht, zumal er in Deutschland zur Welt kam und sich (wie seine Vorstrafen zeigen) lange dort aufhielt, bevor er in das Bundesgebiet einreiste. Griechische Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft naheliegend. Den Strafverhandlungen wurde durchwegs kein Dolmetscher beigezogen, was ebenfalls für ausreichende Deutschkenntnisse spricht.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF außerhalb Österreichs werden anhand des deutschen ECRIS-Auszugs festgestellt. Das BFA geht demgegenüber (in Übereinstimmung mit dem Strafurteil vom XXXX ) davon aus, dass der BF auch in Griechenland mehrmals strafgerichtlich verurteilt wurde. Bei den im griechischen ECRIS-Auszug aufscheinenden Verurteilungen des BF handelt es sich aber um durchwegs um solche, die auch im deutschen ECRIS-Auszug aufscheinen. Dies zeigt sich an übereinstimmenden Aktenzahlen und daran, dass sie jeweils durch ein Gericht außerhalb Griechenlands (Deutschland) („?????????? ????? ??????? [????????]“) ausgesprochen wurden. Es ist daher (in Übereinstimmung mit dem Strafurteil vom XXXX ) davon auszugehen, dass der BF nur in Deutschland und Österreich strafgerichtlich verurteilt wurde.

Die Wohnsitze des BF im Bundesgebiet werden anhand des ZMR-Auszugs festgestellt. Weder seinen Angaben noch dem IZR lässt sich entnehmen, dass ihm eine Anmeldebescheinigung ausgestellt worden wäre oder dass er dies beantragt hätte. Seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet sowie der Bezug von Arbeitslosen- oder Krankengeld gehen – in weitgehender Übereinstimmung mit seinen Angaben dazu – aus dem Versicherungsdatenauszug hervor. Der BF ist beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit seinem Nachnamen und Geburtsdatum laut Reisepass, aber dem abweichenden Vornamen Dimitrias gespeichert, was erklären könnte, warum das BFA die von ihm geschilderte Erwerbstätigkeit nicht nachvollziehen konnte. Es besteht jedoch aufgrund der Ähnlichkeit der Vornamen und der Übereinstimmung von Nachnamen und Geburtsdatum kein Zweifel daran, dass die zu Sozialversicherungsnummer XXXX gespeicherten Versicherungsdaten den BF betreffen, zumal dies in Einklang mit seiner Aussage vor dem BFA und dem Beschwerdevorbringen steht.

Die Feststellungen zu den vom BF in Österreich begangenen Straftaten, zu seinen Verurteilungen und zu den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Strafregister und den aktenkundigen Urteilen des Landesgerichts XXXX . Die Feststellungen zum Strafvollzug und den Maßnahmen nach § 39 SMG basieren auf der Vollzugsinformation, den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten und im XXXX , einer Therapieeinrichtung bei Abhängigkeitserkrankungen, laut ZMR sowie der Vorhaftanrechnung laut den Strafurteilen. Die Feststellungen zur Ablehnung und zum Widerruf des Strafaufschubs basieren auf den entsprechenden Beschlüssen des Landesgerichts XXXX .

Die Feststellungen zur Drogenabhängigkeit des BF und zu deren Zusammenhang mit seinen Straftaten basieren auf den aktenkundigen Entscheidungen gemäß § 39 SMG. Seine finanzielle Situation ergibt sich aus seinen Angaben vor dem BFA und den damit übereinstimmenden Feststellungen im Strafurteil. Mangels anderslautender aktenkundiger Informationen ist davon auszugehen, dass beim BF keine relevanten gesundheitlichen Probleme (abgesehen von seiner Suchtmittelabhängigkeit) bestehen. Seine Arbeitsfähigkeit folgt daraus, aus seinem erwerbsfähigen Alter und aus seiner Aussage vor dem BFA, er könnte nach dem Strafvollzug sofort wieder in der XXXX arbeiten.

Der BF verneinte vor dem BFA in Österreich lebende Familienangehörige, gab aber – angesichts seines mehrjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet glaubhaft – an, dass er hier Freundschaften geknüpft habe. Es sind im Verfahren keine Anhaltspunkte für weitere Integrationsschritte oder Anknüpfungen des BF in Österreich zutage getreten, sodass dazu keine weiteren Feststellungen getroffen werden.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Hier hat sich der BF weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben (das einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt, siehe § 53a NAG). Er hält sich zwar seit August 2011 im Bundesgebiet auf, seine Straffälligkeit ab Juli 2015 führt jedoch dazu, dass sein Aufenthalt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als rechtmäßig angesehen werden kann (siehe VwGH 16.07.2020, Ra 2019/21/0247). Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 erster bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Das persönliche Verhalten des BF stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an nationaler Sicherheit, der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Moral) berührt. Die drei strafgerichtlichen Verurteilungen wegen qualifizierter Vermögensdelikte in Österreich, die zur Finanzierung seiner Drogenabhängigkeit begangen wurden, führen insbesondere angesichts seines massiv einschlägig belasteten Vorlebens in Deutschland und der Wirkungslosigkeit der dort verhängten Maßnahmen (Freiheitsstrafen, Therapie im Maßregelvollzug) und des Scheiterns mehrerer Therapieversuche in Österreich dazu, dass für ihn keine positive Zukunftsprognose erstellt werden kann.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der BF seit seiner letzten Verurteilung einen ordentlichen Lebenswandel führe, so ist darauf hinzuweisen, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Das gilt auch im Fall einer (erfolgreich) absolvierten Therapie (siehe VwGH 22.09.2011, 2009/18/0147 sowie 15.09.2016, Ra 2016/21/0262). Selbst ein positives Vollzugsverhalten und eine erfolgreiche Entwöhnungstherapie während des Strafvollzugs können die vom BF ausgehende, durch seine wiederholte Straffälligkeit indizierte Gefährlichkeit demnach nicht entscheidend reduzieren.

Weitere Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist, dass der damit verbundene Eingriff in das Familien- und Privatleben des BF verhältnismäßig sein muss. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG iVm Art 8 EMRK geht jedoch ebenfalls zu seinen Lasten aus. Er hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Die Kontakte zu seinen Freunden, die schon seit Oktober 2015 eingeschränkt sind, weil er sich seither entweder in Haft oder stationär in einer Therapieeinrichtung befindet, kann er auch durch Kommunikationsmittel wie Telefon oder Internet oder bei Besuchen außerhalb Österreichs pflegen. Der BF hält sich zwar schon seit 2011 im Bundesgebiet auf, spricht Deutsch und war hier erwerbstätig, aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen zu empfindlichen Freiheitsstrafen besteht aber ein besonders großes öffentliches Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts, zumal aufgrund der raschen Rückfälle, der langjährigen Drogensucht und des Umstands, dass die bisherigen Therapien weder eine stabile Drogenfreiheit noch eine langfristige Straffreiheit zur Folge hatten, eine sehr hohe Wiederholungsgefahr besteht. Eine einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung ergibt, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privatleben verhältnismäßig ist. Er spricht Griechisch und hat ausreichende Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo es ihm möglich sein wird, in der XXXX zu arbeiten und so wieder Fuß zu fassen und für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Das BFA hat somit zu Recht die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots dem Grund nach bejaht.

Die Straftaten des BF erreichen aber trotz seines massiv belasteten Vorlebens nicht eine solche Schwere, die ein Aufenthaltsverbot in der Maximaldauer von zehn Jahren notwendig macht. Er hat zwar wiederholt gewerbsmäßige Ladendiebstähle im Rahmen von Beschaffungskriminalität begangen, die Beute hatte jedoch jeweils nur einen geringen Wert und er verantwortete sich stets geständig. Da es (insbesondere bei den letzten beiden Verurteilungen) beim Versuch blieb und aufgrund der Sicherstellung der Beute durch die Diebstähle kein Schaden entstand, sodass das Strafgericht den Strafrahmen auch bei der letzten Verurteilung nicht zur Gänze ausschöpfte, ist die Dauer des Aufenthaltsverbots auf acht Jahre zu reduzieren. Dies steht im Einklang damit, dass mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 (BGBl I Nr. 112/2015) ab 01.01.2016 (also nach der ersten Verurteilung des BF im Bundesgebiet) die Kriterien für die gewerbsmäßige Begehung von Straftaten enger gefasst und die Strafdrohung für (einfachen) gewerbsmäßigen Diebstahl (von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auf bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe) herabgesetzt wurden. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist (in Stattgebung des entsprechenden Eventualantrags in der Beschwerde) in diesem Sinn abzuändern. Dadurch wird auch der von BFA nicht berücksichtigten Tätigkeit des BF als Arbeitnehmer im Bundesgebiet und dem Umstand, dass er zwar in Deutschland, nicht aber auch in Griechenland vorbestraft ist, Rechnung getragen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Angesichts der Suchtgiftabhängigkeit des BF, die seit Jahren immer wieder zu Beschaffungskriminalität geführt hat, erfolgloser Therapieversuche und des massiv belasteten Vorlebens liegt hier eine so große Wiederholungsgefahr vor, dass die sofortige Ausreise nach dem Strafvollzug im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, zumal er zuletzt mehrmals während eines Strafaufschubs gemäß § 39 SMG delinquierte und seit Oktober 2015 entweder in Haft oder in einer stationären Therapieeinrichtung untergebracht ist. Er wird voraussichtlich noch längere Zeit in Haft verbringen und kann während dieser Zeit seine persönlichen Verhältnisse regeln und Vorbereitungen für die Zeit nach seiner Enthaftung und für seine Ausreise treffen.

Aufgrund der Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides muss auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG vorlagen, nicht weiter eingegangen werden.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, liegt ein eindeutiger Fall vor, sodass die beantragte Beschwerdeverhandlung, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist, gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleibt. Bei der Entscheidung wird das Beschwerdevorbringen zur Erwerbstätigkeit des BF in Österreich sowie zu dem Umstand, dass er deutlich weniger Vorstrafen aufweist ist als vom BFA angenommen, ohnedies berücksichtigt.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbotes sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG im vorliegenden Einzelfall dabei an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Herabsetzung Milderungsgründe Suchtmitteldelikt Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2200938.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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