Entscheidungsdatum
10.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G311 2232913-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.06.2020, Zahl: XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Wien, dem Beschwerdeführer am 23.06.2020 zugestellt, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), ihm gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer (und sein Zwillingsbruder) 2017 in das Bundesgebiet eingereist seien, wo ihre Eltern (beides ungarische Staatsangehörige) ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen würden. Die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Angehörige von EWR-Bürgern lägen nach Ansicht der Niederlassungsbehörde nicht vor, sodass das Bundesamt mit der Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung befasst worden sei. Der Beschwerdeführer verfüge über keine legalen Mittel zum Unterhalt bzw. habe keine Nachweise darüber erbracht, das ihm mindestens EUR 966,65 als Unterhaltsmittel zur Verfügung stünden. Ein Abhängigkeitsverhältnis der Eltern des Beschwerdeführers von diesem oder umgekehrt habe nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer und sein Bruder hätten in Serbien gemeinsam eine Landwirtschaft betrieben und lebe auch ihre Schwester noch in Serbien. Eine maßgebliche Integration liege in Österreich nicht vor.
Mit dem mit 09.07.2020 datierten und am selben Tag per Fax beim Bundesamt einlangenden Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung Beschwerde ausschließlich gegen das im Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides erlassene Einreiseverbot in der Dauer von drei Jahren. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos beheben; in eventu die Dauer des Einreiseverbotes herabsetzen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer – abgesehen von seinem illegalen Aufenthalt, der in einer Falschinformation der Niederlassungsbehörde begründet sei – nichts zu Schulden kommen habe lassen und das gegen ihn erlassene Einreiseverbot in der Dauer von drei Jahren ausschließlich mit seiner angeblichen Mittelosigkeit begründet werde. Diesbezüglich habe das Bundesamt jedoch kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, da die Familienangehörigen in Österreich für den notwendigen Unterhalt des Beschwerdeführers und seines Zwillingsbruders aufkämen. Beide würden an einer Lernschwäche leiden, sodass sie die ungarische Sprache nicht ausreichend hätten erlernen können, um die Voraussetzungen für die Verleihung der ungarischen Staatsbürgerschaft genauso wie ihre Eltern erfüllen zu können. Wegen der intellektuellen Defizite seien der Beschwerdeführer und sein Zwillingsbruder schon immer von der Unterstützung ihrer Eltern abhängig gewesen und hätten mit diesen im gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Neffe des Beschwerdeführers (der 2010 geborene Sohn des Zwillingsbruders) werde von den Eltern des Beschwerdeführers aufgezogen, lebe mit diesen in Österreich und besuche hier die Schule. Selbst wenn der Tatbestand der Mittelosigkeit formell als erfüllt angesehen werde, rechtfertige dies nicht alleine die Feststellung einer daraus hervorgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und somit die Erlassung eines Einreiseverbotes. Die Dauer des verhängten Einreiseverbotes sei jedenfalls unverhältnismäßig.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 10.07.2020 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer, dessen Identität durch die aktenkundige Kopie des serbischen Reisepasses feststeht, ist Staatsangehöriger von Serbien (vgl Kopie des Reisepasses, AS 21 ff).
Der Beschwerdeführer reiste im März 2017 nach Österreich ein und hielt sich seitdem ununterbrochen in Österreich auf (vgl Einreisestempel Reisepass, AS 21; Angaben Beschwerdeführer, schriftliche Stellungnahme vom 08.04.2020, AS 19 f).
Die Eltern des Beschwerdeführers sind ungarische Staatsangehörige. Dem Vater des Beschwerdeführers wurde aufgrund seines Antrages vom 03.03.2017 am selben Tag eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt (vgl Fremdenregisterauszug zum Vater vom 20.07.2020; aktenkundige Kopie der Anmeldebescheinigung, AS 31). Daraufhin wurde der Mutter des Beschwerdeführers als Familienangehörige zum Vater am 23.06.2017 eine Anmeldebescheinigung ausgestellt (vgl Fremdenregisterauszug zur Mutter vom 20.07.2020).
Der Beschwerdeführer, sein Zwillingsbruder, der ebenfalls serbischer Staatsangehöriger ist, sowie der Sohn seines Bruders (der Neffe; dieser ist jedoch ungarischer Staatsangehöriger), leben mit den Eltern des Beschwerdeführers seit März 2017 im Bundesgebiet im gemeinsamen Haushalt (vgl aktenkundige Auszüge aus dem Zentralen Melderegister vom 13.07.2020 und vom 20.07.2020; Fremdenregisterauszug zum Neffen vom 20.07.2020).
Der Beschwerdeführer selbst beantragte am 01.06.2017 die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers. Die Ausstellung der Karte wurde von der zuständigen Niederlassungsbehörde mit Schreiben vom 19.02.2020 mangels Vorliegen der nötigen Voraussetzungen, nämlich der tatsächlichen Unterhaltsgewährung durch die Eltern bereits vor der Einreise in das Bundesgebiet, abgelehnt und das Bundesamt mit der Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung nach § 55 Abs. 3 NAG befasst (vgl aktenkundiges Schreiben vom 19.02.2020, AS 1 ff; Fremdenregisterauszug vom 13.07.2020).
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer auch sonst über keinen Aufenthaltstitel oder eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union zukommt (vgl Auszug aus dem Fremdenregister vom 13.07.2020; Angaben Beschwerdeführer, schriftliche Stellungnahme vom 08.04.2020, AS 19 f).
Der Beschwerdeführer ging bisher keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach und ist darüber hinaus strafgerichtlich unbescholten. Er engagiert sich im Bundesgebiet in keinem Verein oder einer Organisation und hat bisher keinen Deutschkurs besucht oder abgeschlossen und absolviert auch sonst keine Ausbildung oder ein Studium. Es liegen keine besonderen Integrationsleistungen vor und ist er in Österreich weder kranken- noch unfallversichert (vgl Angaben Beschwerdeführer, schriftliche Stellungnahme vom 08.04.2020, AS 19 f).
In Deutschland hat der Beschwerdeführer die Pflichtschule absolviert. In Serbien betrieb er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder eine Landwirtschaft und sicherte damit seinen Unterhalt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bereits in Serbien von Unterhaltsleistungen seiner Eltern abhängig gewesen wäre. Seine Schwester lebt noch in Serbien (vgl Angaben Beschwerdeführer, schriftliche Stellungnahme vom 08.04.2020, AS 19 f; Beschwerdevorbringen, AS 112 ff).
Dem Beschwerdeführer stehen in Österreich keine legalen Möglichkeiten zur Finanzierung seines Aufenthalts im Bundesgebiets bzw. im Schengen-Raum zur Verfügung. Beide Eltern beziehen in Österreich seit Mai 2019 (Vater) bzw. seit Mai 2020 (Mutter) Notstandshilfe und kommen auch für den Unterhalt des minderjährigen Neffen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer verfügt somit nicht über ausreichend Unterhaltsmittel, um seinen Aufenthalt oder seine Ausreise selbstständig zu finanzieren (vgl Sozialversicherungsdatenauszüge der Eltern vom 20.07.2020; Angaben Beschwerdeführer, schriftliche Stellungnahme vom 08.04.2020, AS 19 f).
Durch seinen Vater, seine Mutter und den minderjährigen Neffen sowie seinen Zwillingsbruder, mit welchen der Beschwerdeführer seit März 2017 im gemeinsamen Haushalt lebt, hat der Beschwerdeführer maßgebliche familiäre Bindungen im Bundesgebiet. Dass er darüberhinausgehend über weitere familiäre Bindungen im Schengen-Raum verfügt, konnte nicht festgestellt werden.
Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Eine lebensbedrohliche Erkrankung im Endstadium, die in Serbien nicht behandelbar wäre, liegt nicht vor. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer „Lernschwäche“ oder „Intelligenzminderung“ leidet, die Krankheitswert hätte.
2. Beweiswürdigung:
Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
Aktenkundig ist darüber hinaus eine Kopie des serbischen Reisepasses des Beschwerdeführers, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind.
Das Bundesverwaltungsgericht nahm Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister sowie das Schengener Informationssystem des Beschwerdeführers sowie seiner Familienangehörigen in Österreich. Hinsichtlich seiner Eltern nahm das erkennende Gericht weiters auch Einsicht in deren Sozialversicherungsdaten.
Der Beschwerdeführer gab in der Stellungnahme vom 08.04.2020 an, gesund zu sein und gerne arbeiten zu wollen. Somit liegen keinerlei Hinweise auf eine zu berücksichtigende Erkrankung vor, zumal der Beschwerdeführer auch in Serbien in der Landwirtschaft tätig gewesen ist. Weder hinsichtlich des vorgebrachten Gesundheitszustandes des Vaters des Beschwerdeführers noch hinsichtlich der vorgebrachten „Lernschwäche“ wurde substantiiert vorgebracht, medizinische Unterlagen wurden nicht vorgelegt.
Der Beschwerdeführer konnte keinerlei Nachweise für eine tatsächliche finanzielle Unterstützung durch die Verwandten in Österreich in ausreichender Höhe, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass beide Elternteile derzeit Notstandshilfe beziehen, oder einen Nachweis darüber erbringen, dass er tatsächlich über eine bestimmte Summe an Bargeld verfügt. Er hat weiters angegeben, in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgegangen zu sein und in Serbien gemeinsam mit seinem Bruder eine Landwirtschaft betrieben und davon seinen Lebensunterhalt in Serbien erwirtschaftet zu haben, in Österreich von den Zuwendungen seinen Eltern (in unbekannter Höhe) zu leben und sonst über keine legalen Mittel zu verfügen, um seinen Unterhalt im Bundesgebiet zu sichern.
Es waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und vom Beschwerdeführer zu keiner Zeit substanziiert bestritten wurden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Zu den Spruchpunkten I. bis III. sowie V. und VI. des angefochtenen Bescheides:
Im gegenständlichen Fall wurde ausschließlich und ausdrücklich gegen das im angefochtenen Bescheid in Spruchpunkt IV. erlassene Einreiseverbot Beschwerde erhoben. Damit erwuchsen die Spruchpunkte I. bis III. sowie V. und VI. in Rechtskraft.
Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot):
Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:
„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“
Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:
„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
Im konkreten Fall ergibt sich daraus:
Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Fremde mit dem ihm zur Last gelegten Fehlverhalten selbst nicht strafbar (vgl. § 28 AuslBG) gemacht hat (VwGH 19.02.2013, 2012/18/0230).
Die Z 1 bis 9 in § 53 Abs. 2 FPG stellen einen Katalog dar, der demonstrativ Beurteilungskriterien für das Verhalten des Drittstaatsangehörigen aufstellt (VwGH vom 15.12.2011, 2011/21/0237; vom 26.06.2014, Ro 2014/21/0026).
Darüber hinaus hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu
§ 60 Abs. 2 Z 7 FPG (vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sie nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung ihres Unterhalts verfügt, sondern ihr Unterhalt für die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl VwGH 13.09.2012, 2011/23/0156; 22.01.2013, 2012/18/0191).
Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er von seinen Eltern Unterhalt erhalte. Dies jedoch ohne Bescheinigungsmittel, in welcher konkreter Höhe ihm Unterhalt geleistet würde. Vor dem Hintergrund, dass beide Elternteile zum Entscheidungszeitpunkt Notstandhilfe beziehen und auch noch den minderjährigen Neffen des Beschwerdeführers versorgen müssen, kann gegenständlich nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer Unterhaltsmittel in ausreichender Höhe nachweislich zur Verfügung stünden.
Ein derartiges Vorbringen hinsichtlich der konkret beabsichtigten Dauer seines Aufenthaltes in der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum und der dabei geplanten Bestreitung seines Unterhaltes hat der Beschwerdeführer nicht erstattet und keine entsprechenden Bescheinigungsmittel vorgelegt, weshalb die belangte Behörde zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ausgegangen ist.
Die genannten Umstände rechtfertigten deshalb nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls die Annahme, dass ein Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist nämlich (ua.) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 weiters ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige - Einreiseverbot iSd § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 MRK angesprochen wird (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0062 mwN).
Der Beschwerdeführer hat zu Österreich durch seine hier lebenden Eltern und den Neffen, sowie auch seinen Zwillingsbruder, gegen den jedoch ebenfalls eine bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht und mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ebenfalls ein Einreiseverbot erlassen wird, maßgebliche familiäre Bindungen, zumal er mit diesen seit 2017 im gemeinsamen Haushalt lebte. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis des Beschwerdeführers von diesen Angehörigen liegt jedoch nicht vor. Es liegt gegenständlich somit ein Eingriff in das schützenswerte Familienleben des Beschwerdeführers iSd Art. 8 EMRK vor. Darüber hinausgehende maßgebliche persönliche Bindungen wurden nicht vorgebracht. Seine Schwester lebt nach wie vor in Serbien und besteht zu dieser Kontakt. Auch der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers muss nach Serbien zurückkehren. Es befinden sich somit auch maßgebliche persönliche Bindungen des Beschwerdeführers auch in Serbien. Er verfügt weder in Österreich noch einem sonstigen Mitgliedsstaat der Europäischen Union über eine Aufenthaltsberechtigung und konnten die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers mangels Vorlage eines Schulzeugnisses oder einer Sprachprüfung nicht zugeordnet werden. Von einer maßgeblichen sozialen oder gesellschaftlichen Integration kann somit nicht ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat jedoch ein privates Interesse an der Einreise in den Schengen-Raum, wobei sich aber sein Lebensmittelpunkt sich nach wie vor in Serbien befindet.
Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl VwGH vom 31.08.2006, 2006/21/0140), welche durch das Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt wurde. Allfällige, vom Beschwerdeführer jedoch nicht vorgebrachte, persönlichen Interessen haben daher kein solches Gewicht, das dem genannten öffentlichen Interesse auch nur gleichgehalten werden könnte.
Im Rahmen einer gewichtenden Abwägung zwischen der Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers und dem Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist angesichts des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers im Hinblick auf seinen im Ergebnis dreijährigen unrechtmäßigen Aufenthalt und dem Umstand, dass er nicht über die finanziellen Mittel zur Sicherung seines Aufenthalts und/oder seiner Ausreise verfügte, letzterem der Vorrang einzuräumen, zumal der Beschwerdeführer in Serbien sozial verankert ist. Die Erlassung eines Einreiseverbotes ist somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.
Die Verhängung eines Einreiseverbotes von drei Jahren erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer einer freiwilligen Ausreise zugestimmt hat und er familiäre Bezüge in Österreich hat, nicht geboten. Es konnte daher mit einer Befristung von 12 Monaten das Auslangen gefunden werden.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit eines Einreiseverbots sowie zur Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK ab, noch fehlt es dazu an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen somit keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Einreiseverbot Gefährdungsprognose Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen Resozialisierung RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2232913.1.00Im RIS seit
03.11.2020Zuletzt aktualisiert am
03.11.2020