TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/17 G306 2221982-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G306 2221982-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA.: Deutschland, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 09.07.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.06.2020, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 10.08.2018, wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt und zur Abgabe einer Stellungnahme binnen 10 Tagen aufgefordert.

2. Mit am 29.08.2018 beim BFA eingelangtem Schriftsatz gab der BF eine Stellungnahme ab.

3. Mit oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 11.07.2019, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 6 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt III.)

4. Mit per Telefax am 01.08.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV), Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die ersatzlose Behebung des Bescheides, in eventu die Herabsetzung der Befristung des Aufenthaltsverbotes beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, wo sie am 02.08.2019 einlangten.

6. Am 19.06.2020 fand in der Grazer Außenstelle des BVwG eine mündliche Verhandlung statt, an jener der BF und dessen RV persönlich teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Entsendung eines/einer informierten Vertreters/Vertreterin.

Mit in der Verhandlung mündlich verkündetem Beschluss des BvWG,
GZ.: G306 2221982-1/12Z, wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG bis zur Entscheidung des gegen den BF geführten strafgerichtlichen Verfahrens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ausgesetzt.

7. Mit Beschluss des BVwG, GZ.: 2221982-1/14Z, vom 16.07.2020, wurde anlässlich des Abschlusses des gegen den BF geführten Strafverfahrens durch das LG XXXX , die Fortführung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens beschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Deutschland, ledig und Vater einer minderjährigen Tochter.

Der BF wurde in Deutschland geboren und reiste in seinem 6. Lebensjahr nach Österreich wo er die Schule besuchte, ein Jahr lang Bürokaufmann gelernt und eine Modeschule besucht hat. Zwischen 25.02.1993 und 08.08.2000 hielt sich der BF beruflich bedingt wiederholt in den USA und zwischen 22.07.2002 und 18.03.2004 ebenfalls in Paris und Italien auf. Seit 18.03.2004 hält sich der BF jedoch wieder durchgehend in Österreich auf.

Der BF hat am 12.02.2014 die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung beantrag, welche ihm bis dato nicht ausgestellt wurde.

Der BF ging zwischen 10.03.1999 und 31.03.1999 sowie 01.07.2004 und 11.11.2016 insgesamt 309 Tage einer Beschäftigung in Österreich nach und bezog von 08.11.2010 bis 12.11.2010 Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung. Zudem bezog der BF von 01.09.2010 bis 31.10.2010 und 16.11.2010 bis 31.01.2010 staatliche Sozialleistungen in Form der Mindestsicherung.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

In den folgenden Zeiträumen weist der BF Anhaltungen in Justizanstalten in Österreich auf:

XXXX .2011 bis XXXX .2012

XXXX .2012 bis XXXX .2013

XXXX .2014 bis XXXX .2014

XXXX .2016 bis XXXX .2016

XXXX .2017bis XXXX .2019

sowie seit XXXX .2020

Im Zeitraum XXXX .2014 bis XXXX .2015 hielt sich der BF in einem Therapiezentrum wegen einer Suchttherapie aufgrund eines Strafaufschubes gemäß § 39 SMG auf.

In Österreich halten sich die Mutter, XXXX , StA: Österreich, die Schwester, XXXX , StA: Deutschland, sowie die minderjährige Tochter des BF; XXXX , StA: Österreich auf. Der BF hat die Vaterschaft zu seiner Tochter bis dato nicht anerkannt und lebt von der Mutter der gemeinsamen Tochter getrennt.

Der Vater des BF hält sich in Deutschland auf.

Der BF weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf:

1.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2005, RK XXXX .2005 wegen §§ 28/2, 27/1 SMG, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 8 Monaten.

2.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2005, RK XXXX .2005, wegen des Vergehens der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105/1 StGB, zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe am XXXX .2004 in XXXX D.N. zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich gedroht, indem er sinngemäß äußerte: „Ich werde dir dein Gesicht zerschlagen und dich nach Jugoslawien zurückschmeißen. Du wirst nicht mehr glücklich leben.“, sohin durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich der Rückzahlung seiner Schulden bei ihrer Großmutter zu nötigen versucht.

Mildernd wurden dabei der Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie die Teilzahlung der Geldbuße, erschwerend jedoch das Zusammentreffen gemäß §§ 31 Abs. 1, 40 StGB gewertet.

3.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2006, RK XXXX .2006, wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269/1 1.Fall StGB, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 5 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe am XXXX .2006 in XXXX vorsätzlich Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Identitätsfeststellung, Alkomattest und Festnahme des BF dadurch zu hindern versucht, indem er RevInsp. A.S. Schläge und Tritte versetzte.

Mildernd wurden das Geständnis und der Versuch, erschwerend jedoch das einschlägig getrübte Vorleben gewertet.

4.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2010, RK XXXX .2010, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127, 130 1. Fall StGB, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 8 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe in XXXX gewerbsmäßig am XXXX .2010 in drei Angriffen, und am XXXX .2010 in einem Angriff fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von EUR 408,77 Verfügungsberechtigten einer Geschäftsfiliale mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Mildner wurde dabei das Geständnis, erschwerend jedoch die einschlägige Vorstrafe gewertet.

5.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2011, RK XXXX .2011, wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch gemäß §§ 127, 129/1 und 2, 130 4. Fall, 15 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe in XXXX

a.       Teils allein, teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit unbekannten Tätern nachstehend angeführte fremde bewegliche Sachen nachgenannten Personen durch Einbruch und Aufbrechen eines Behältnisses mit dem Vorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Diebstähle durch Einbruch in der Absicht begangen hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

i.       Weggenommen:

1.       Am XXXX .2010 Verfügungsberechtigten einer Geschäftsfiliale durch Aufbrechen einer Sicherungsbox 2 Digitalkamera im Gesamtwert von EUR 179,80;

2.       Am XXXX .2010 Verfügungsberechtigten derselben unter Punkt a.i. genannten Geschäftsfiliale durch Aufbrechen einer Sicherungsbox eine Digitalkamera im Wert von EUR 129,--;

3.       In der Nach vom XXXX .2011 auf den XXXX .2011 Verfügungsberechtigten einer GmbH durch Einschlagen einer Seitenscheibe eines PKW`s 1 Autoradio in einem noch näher festzustellenden Wert und 1 Handy im Wert von EUR 50;

4.       In der Nacht von XXXX .2011 auf den XXXX .2011 Verfügungsberechtigten einer weiteren Handelsfirma durch Einschlagen der Heckscheibe eines PKW`s 1 Sonnenbrille sowie diverse Mustermappen und Materialordner in einem noch näher festzustellenden Gesamtwert; 

ii.      In der Nacht vom XXXX .2011 auf den XXXX .2011 E.R durch Einschlagen einer Seitenscheibe eines PKW`s verwertbare Gegenstände wegzunehmen versucht;

b.       In der Nacht vom XXXX .2011 auf den XXXX .2011 im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) mit unbekannten Tätern fremde bewegliche Sachen verunstaltet, indem er 3 fremde Fahrzeuge innen und außen mit einem Feuerlöscher besprühte.

Mildernd wurden dabei das umfassende und reumütige Geständnis sowie, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend jedoch das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen gewertet.

6.       LG Wien, Zl. XXXX , vom XXXX .2013, RK XXXX .2013, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 (1) Z1 8. Fall, (3) SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe am XXXX .2012 in XXXX vorschriftswidrig gewerbsmäßig (§ 70 StGB) Suchtgift anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar einem verdeckten Ermittler des LKA Wien, 8,2 Gramm brutto Cannabiskraut (Wirkstoff Delta-9-THC) um EUR 50,-.

Mildernd wurden dabei das Geständnis, die Sicherstellung des Suchtgifts und die Integration des BF, als erschwerend jedoch die einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall gewertet.

7.        LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2014, RK XXXX .2014, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, gemäß §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe in Wien vorschriftswidrig gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich 2 Stück Substitol mit dem Wirkstoff Morphinsulfatpentahydrat am XXXX .2014 durch gewinnbringenden Verkauf an den abgesondert verfolgten D.T. um EUR 25,- überlassen.

Mildernd wurden dabei das Geständnis sowie die Sicherstellung eines Teils des Suchtgifts, erschwerend hingegen die einschlägige Vorstrafenbelastung und die mehrfache Tatbegehung gewertet.

8.       BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2015, RK XXXX .2015, wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Wochen.

9.       LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2017, RK XXXX .2017, wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB, § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe zwischen XXXX .2016 und XXXX .2017 in mehreren Angriffen gewerbsmäßig Verfügungsberechtigten von Handelsbetrieben fremde bewegliche Sachen, nämlich Waren im Gesamtwert von EUR 1.891,88, konkret 17 Parfüms, ein T-Shirt, Rasierklingen und eine Hautcreme in mehreren Angriffen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie diese an sich nahmen, unter seiner Kleidung versteckte und die Geschäfte ohne zu bezahlen verließ bzw. verlassen wollte.

Mildernd wurden das reumütige Geständnis und die deliktsspezifisch im Rahmen der gewerbsmäßigen Begehung noch unterdurchschnittlich wenigen Angriffe, erschwerend jedoch 2 offene PZ, 6 einschlägige Verurteilungen und die Rückfallvoraussetzungen nach § 39 StGB gewertet.

10.      LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2020, RK XXXX .2020, wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, § 15 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

Der BF wurde für schuldig befunden, er habe fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

a.       Zwischen XXXX .2019 und XXXX .2020 in drei Angriffen Handelsbetrieben ein Parfum im Wert von ERU 104,99, drei Kopfhörer im Gesamt Wert von EUR 498,96 und eine Taschenlampe im Wert von EUR 112,98 wegzunehmen versucht;

b.       Am XXXX .2020 einer Handelskette vier Kopfhörer im Gesamt Wert von EUR 319,96 und einem bislang unbekannten Gewahrsamsträger eine Powerbank im Wert von EUR 45 weggenommen.

Mildernd wurden dabei das reumütige Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist sowie die Sicherstellung der Beute, erschwerend jedoch 7 einschlägige Vorstrafen gewertet.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen hat.

Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Österreich.

Die belangte Behörde nahm bereits in den Jahren 2013 und 2017 von einer gegen den BF gerichteten Aufenthaltsbeendigungsentscheidung auf Grund der Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet Abstand.

Der BF erhielt und erhält während seiner Anhaltung in Strafhaft regelmäßig Besuch, insbesondere von seiner Mutter.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF samt den näheren Ausführungen sowie die Feststellung, dass der BF die besagten Straftaten begangen hat, beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie auf jeweiligen Ausfertigungen der oben zitierten Strafturteile.

Dem Zentralen Melderegister können wiederum die Anhaltungen des BF in Justizanstalten und einem Sozialversicherungsauszug die Erwerbzeiten, der Bezug von Arbeitslosengeld sowie die Bezüge von Mindestsicherung entnommen werden.

Die oben festgestellten wiederholten Aufenthaltszeiten in den USA, Frankreich und Italien sowie der seit 18.03.2004 durchgehende Aufenthalt des BF in Österreich, beruhen auf den konsistenten Angaben des BF vor der belangten Behörde in seiner Stellungnahme vom 28.07.2014 (siehe AS Akt 1 AS 325), seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11.05.2017 beim BFA (siehe Akt 1 AS 647), seiner Stellungnahme vom 29.08.2018 sowie in der gegenständlichen Beschwerde und der mündlichen Verhandlung. So gab der BF wiederholt an seit seinem 6. Lebensjahr in Österreich zu leben, jedoch in den besagten Zeiträumen auch Erwerbstätigkeiten im Ausland nachgegangen zu sein.

Die Personalien der Mutter, der Schwester und der Tochter des BF beruhen ebenfalls auf den konkreten und konsistenten Angaben des BF, insbesondere in dessen niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 11.05.2017 (siehe Akt 1 AS 648) sowie in der gegenständlichen Beschwerde. Auf den Angaben des BF beruht zudem auch die Feststellung, dass der BF von der Mutter der gemeinsamen Tochter getrennt lebt.

Die vom BFA bereits wiederholte Abstandnahme von einer gegen den BF gerichteten Aufenthaltsbeendigungsentscheidung beruht auf einer Anfragebeantwortung des BFA an die JA XXXX vom 13.06.2017, worin festgehalten wurde, dass bereits durch die BH Korneuburg im Jahr 2011 eine Aufenthaltsverfestigung festgestellt worden sei und dies nunmehr auch im Rahmen der Einvernahmen durch das BFA vom 11.05.2017 festgestellt werden habe können (siehe Akt 1 AS 657), sowie einem Aktenvermerk der BH XXXX vom 27.11.2013, wonach der BF seit 18.03.2004 durchgehend in Österreich niedergelassen sei und sohin eine Aufenthaltsverfestigung vorliege (Siehe Akt 1 AS 261).

Die Besuche des BF während seiner Strafhaften beruhen auf einer von der JA XXXX am 18.06.2020 an das BVwG übersandten Besucherliste des BF.

Der Grund für die Anhaltung des BF in einem Therapiezentrum im oben genannten Zeitraum beruht auf einem Auszug aus der Vollzugsverwaltungsdatenbank vom 03.09.2014 (siehe Akt 1 AS 329).

Ferner erschließt sich der in Österreich gelegene Lebensmittelpunkt des BF, aus dem Umstand, dass der BF im Alter von 5 Jahren nach Österreich verzog und hier die Schule besuchte, sich aktuell, nach wiederholten Auslandsaufenthalten seit dem Jahr 2004 wieder durchgehend in Österreich aufhält und er zudem über kernfamiliäre Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt.

Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, jenen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurden.

Ferner ließ sich durch Abfrage des Zentralen Fremdenregister die bisher nicht erfolgte Ausstellung einer Anmeldebescheinigung ermitteln.

2.2.2. Insofern der BF in der mündlichen Verhandlung erstmals vorbringt, Vater von 5 Kindern zu sein, ist ihm entgegenzuhalten, zuletzt vor der belangten Behörde, aber auch in der gegenständlichen Beschwerde immer von nur einer Tochter gesprochen zu haben. Darüber hinaus hat es der BF unterlassen nähere Angaben zu den weiteren 4 Kindern zu machen und zudem Beweismittel beizubringen. Demzufolge, in Ermangelung der Verifizierbarkeit der Angaben des BF, kann dem BF nicht gefolgt werden und war die Vaterschaft nur in Bezug auf ein Kind festzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1.  Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Deutschland ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1.       Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2.       Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3.       durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3.       der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

Gemäß § 10 Abs. 3 Z 5 werden Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gegenstandslos, wenn die Abwesenheitsdauer des Fremden, dem eine Bescheinigung des Daueraufenthalts oder eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt wurde, vom Bundesgebiet mehr als zwei aufeinander folgende Jahre beträgt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.1.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war ausfolgenden Gründen stattzugeben:

3.1.3.1. Der BF wurde in Deutschland geboren und kam in seinem 6. Lebensjahr nach Österreich, wo er auch die Schule besuchte und eine Berufsausbildung begann. Nach wiederholten Aufenthalten im Ausland beginnend im Jahre 1993 hält sich der BF nunmehr seit 08.03.2004 erneut durchgehend in Österreich auf. Dem BF wurde zwar bis dato keine Anmeldebescheinigung ausgestellt, jedoch hat sowohl die BH XXXX im Jahr 2013 sowie das BFA im Jahr 2017 die durchgehende Rechtsmäßigkeit des Aufenthaltes des BF in Österreich insofern festgestellt, als sie von einer Aufenthaltsverfestigung des BF ausgegangen ist. Demzufolge ist sohin vom Vorliegen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechtes des BF auszugehen.

Der BF, der in seinem 6. Lebensjahr seinen Aufenthalt in Österreich begründet hat, hält sich – aufgrund wiederholter beruflich bedingter Aufenthalte im Ausland – seit 08.03.2004 erneut durchgehend in Österreich auf. Insofern hält er sich sohin vom Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung der belangten Behörde zurückgerechnet seit mehr als 10 Jahren im Bundesgebiet auf. (vgl. EuGH 16.01.2014, C-400/12). Unter Berücksichtigung der Begründung des seinerzeitigen Aufenthaltes des BF in Österreich im Kindesalter und der in Summe durchgehend in Österreich zugebrachten, 10 Jahre bei weitem übersteigenden Zeit, von mittlerweile 33 Jahren (15 Jahre vor dem ersten Auslandsaufenthalt, 2 Jahre zwischen den beiden Auslandsaufenthalten und 16 Jahre nach dem letzten Auslandsaufenthalt des BF), und der damit bewirkten besonderen Verbundenheit zu Österreich (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16, Rn. 72) davon auszugehen, dass selbst unter Berücksichtigung der wiederholten Verurteilungen und Inhaftierungen des BF dessen Bezug zu Österreich keine maßgebliche Relativierung erfahren hat.

Nicht jede Inhaftierung bewirkt nach Meinung des EuGH eine aufenthaltsunterbrechende Wirkung. Vielmehr hält dieser in seiner Entscheidung (vgl. EuGH 16.01.2014, C-378/12) fest, dass Zeiträume der Strafhaft die Kontinuität des für die Gewährung des verstärkten Schutzes erforderlichen Aufenthalts grundsätzlich unterbrechen. Er weist allerdings darauf hin, dass zur Klärung der Frage, inwieweit die Diskontinuität des Aufenthalts den Betroffenen daran hindert, in den Genuss des verstärkten Schutzes zu kommen, eine umfassende Beurteilung seiner Situation vorzunehmen ist. Bei dieser umfassenden Beurteilung, die geboten ist, um zu bestimmen, ob die Integrationsverbindungen zwischen dem Betroffenen und dem Aufnahmemitgliedsstaat abgerissen sind, können die nationalen Behörden die relevanten Umstände der Freiheitsstrafe berücksichtigen. Ebenso können sie im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung berücksichtigen, dass sich die betroffene Person, hier der BF, in den zehn Jahren vor der Verbüßung seiner Freiheitsstrafe im Aufnahmemitgliedsstaat, aufgehalten hat. Wie bereits angeführt, ist der BF bereits in seinem 6. Lebensjahr nach Österreich verzogen und hat hier die Schule besucht. Die Kernfamilie des BF, bestehend aus seiner Mutter und seiner Schwester, aber auch seine Tochter befinden sich im Bundesgebiet. Sämtliche privaten- sowie sozialen Bindungen finden zudem in Österreich statt. Der BF erhielt zudem auch in Haft regelmäßig Besuche. Eine Gesamtbetrachtung aller Umstände ergibt, dass gegenständlich der Aufenthalt des BF trotz wiederholter Inhaftierungen nicht als unterbrochen gilt.

Da vom BF, der aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG, fällt somit die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 10 Jahren erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

3.1.3.2. Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sohin gemäß § 67 Abs. 1 Satz 5 FPG nur zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

„Mit § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG soll nämlich Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38 EG ("Freizügigkeitsrichtlinie" ; siehe § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der Gerichtshof der Europäischen Union bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (siehe VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0248, Rn 6, mit dem Hinweis auf EuGH (Große Kammer) 23.11.2010, Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff, und daran anknüpfend EuGH (Große Kammer) 22.5.2012, P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegender Merkmale" bedarf).“ (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091)

„Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN).“ (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Die Bestimmungen der § 67 Abs. 1 und 2 FrPolG 2005 und § 66 Abs. 1 FrPolG 2005, beide idF FrÄG 2011, sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahin auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (Hinweis E 13. Dezember 2012, 2012/21/0181; E 12. März 2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011. (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135)

3.1.3.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

•        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

•        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

•        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

•        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

•        die Bindungen zum Heimatstaat,

•        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

•        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

„Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101).“ (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

„Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind.“ (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049)

„Es trifft zwar zu, dass im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 MRK bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden in der Regel von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist (vgl. VwGH 1.2.2019, Ra 2019/01/0027, mwN). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN).“ (VwGH 28.02.2019, Ra 2018/01/0409)

„Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, betreffend Vergewaltigung; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel).“ (19.12.2019, Ra 2019/21/0238)

„Gemäß ihrem Einleitungssatz bezieht sich die Bestimmung des § 9 Abs 4 BFA-VG 2014 idF FrÄG 2015 lediglich auf Drittstaatsangehörige, also auf Fremde, die nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind (§ 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 2 BFA-VG 2014). Demzufolge wird dann auch als einzige aufenthaltsbeendende Maßnahme, die in den Fällen der Z 1 und 2 nicht erlassen werden darf, eine Rückkehrentscheidung angesprochen. Dessen ungeachtet kann es aber zur Vermeidung von sonst nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen nicht zweifelhaft sein, dass § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 über seinen Wortlaut hinaus - entsprechend modifiziert verstanden - auch jenen Personenkreis umfasst, gegen den eine Ausweisung nach § 66 FrPolG 2005 oder ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FrPolG 2005 in Betracht käme (also EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige; vgl. E 9. November 2011, 2011/22/0264). § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 normiert demnach allgemein, wann trotz einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinesfalls erlassen werden darf. In der Fassung des FrÄG 2015 stellt diese Bestimmung den - vorläufigen - Schlusspunkt einer Entwicklung dar, die durch den Wechsel zwischen absolut und relativ gefassten Aufenthaltsverfestigungstatbeständen (relativ in dem Sinn, dass es ergänzend noch darauf ankommt, dass dem Fremden keine spezifische Gefährdungen anzulasten sind) gekennzeichnet ist.“ (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0050)

3.1.3.4. Der BF wurde unbestritten zuletzt wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Dem BF liegen zudem weitere 9, teils einschlägige Verurteilungen, überwiegend wegen Eigentumsdelikten zur Last. Unter den besagten Verurteilungen finden sich auch Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz, und jeweils ein Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, der Nötigung und der Sachbeschädigung. Die Straftaten des BF sind jedoch im überwiegenden Ausmaß von Bereicherungsabsichten geprägt, wobei – abgesehen von der Anzahl der Verurteilungen – insbesondere die wiederholte gewerbsmäßige Ausrichtung derselben erschwerend wirkt. Jedoch ist festzuhalten, dass die jeweiligen Schadenssummen sich als gering erweisen und selbst bei Addition derselben keine großen Beträge ergeben. Ferner beschränkten sich die Suchtmitteldelikte des BF ausschließlich auf geringe Mengen Suchtgiftes. Zudem hat der BF von XXXX .2014 bis XXXX .2015 eine Therapie absolviert und ist seither mit dem Suchtmittelgesetz nicht mehr in Konflikt geraten.

Auch agierte der BF im Bereich der Suchtmitteldelikte immer unabhängig und alleine und nicht als Mitglied einer Bande oder über Staatsgrenzen hinweg. Wenn auch das Bestehen einer Bande einen besonderen Organisationsgrad nicht voraussetzt, ist doch für die bandenmäßige Begehung erforderlich, dass durch die Verbindung zur Bande, insbesondere bei verteilten Rollen, die Mitwirkung von verlässlichen Komplizen bei der Ausführung gesichert ist und die Täter hiebei einen entsprechenden Rückhalt durch Bandenzugehörigkeit finden.

Der Ausdruck „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ setzt das Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit voraus, die einen besonderes hohen Schweregrad aufweist. Darunter kann z.B. die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundene Kriminalität (vgl. EuGH 23.11.2010, C-145/09, Land Baden-Württemberg gegen Panagiotis Tsakouridis) oder grenzüberschreiender Suchtgiftschmuggel (vlg. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207) fallen.

Es steht außer Zweifel, dass das vom BF gezeigte Verhalten ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten sowie Interessen und Rechten andere erkennen lässt und eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt.

Trotz zu attestierender schwerwiegender Gefährdung öffentlicher Interessen, erreicht das Verhalten des BF nicht das gegenständlich geforderte Maß der besonderen Schwere im Sinne des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG. Weder hat der BF ein Delikt iSd. § 53 Abs. 3 Z 6,7 und 8 FPG verwirklicht, noch kann in dem vom BF gesetzten Verhalten ein, mit beispielsweise grenzüberschreitendem bandenmäßigen Suchtmittelhandel vergleichbare die öffentliche Sicherheit gefährdende Sachverhalte erkannt werden. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass insbesondere Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz und gewerbsmäßige Eigentumsdelikte, insbesondere vor dem Hintergrund wiederholt gezeigter Gesetzesmissachtungen, schwer wiegen. Jedoch kommt es nicht nur auf die Tatsache der Verurteilung des BF wegen der besagten Straftaten an. Vielmehr ist auch das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten maßgeblich zu berücksichtigen. Der BF beging die Suchmitteldelikte nicht in einer kriminellen Vereinigung oder als Mitglied einer Bande, sondern verübte die Taten alleine und in Bezug auf geringe Mengen von Suchtmittel. Darüber hinaus erweisen sich die jeweiligen Schadenssummen als eher gering, zeigte sich der BF in den strafgerichtlichen Verhandlungen immer geständig und beteuerte er vor der belangten Behörde und dem erkennenden Gericht zudem seine Reue.

Unbeschadet dessen gilt es ebenfalls zu berücksichtigen, dass der BF den überwiegenden Teil seines Lebens in Österreich verbracht hat, hier die Schule besuchte und über kernfamiliäre Anknüpfungspunkte verfügt und bereits in jungen Jahren seinen Lebensmittelpunkt nach Österreich verlegt hat.

Nach Beurteilung des vom BF gezeigten Verhaltens und der sich daraus ergebenden Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen sowie nach erfolgter Ab

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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