TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/9 95/20/0679

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der S in Wien, vertreten durch Dr. Ulrich Hejsek, Rechtsanwalt in Wien XIV, Linzer Straße 73/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 1995, Zl. 4.234.180/6-III/13/95, betreffend Asylgewährung,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie die Nichterteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 betrifft, zurückgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak, reiste am 31. Mai 1994 legal in Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein und beantragte mit Schriftsatz vom 22. Juli 1994 zunächst, das ihrem Ehegatten mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Jänner 1989 gewährte Asyl auf sie gemäß § 4 AsylG 1991 auszudehnen. Dieser Antrag wurde von den Asylbehörden im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Beschwerdeführerin habe erst am 17. Mai 1992 die Ehe geschlossen, sodaß diese nicht schon vor der Einreise des Ehegatten nach Österreich - wie nach § 4 AsylG 1991 erforderlich - bestanden habe. Die Beschwerde gegen den dieses Verfahren abschließenden Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 1994 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1996, Zl. 95/20/0165, als unbegründet abgewiesen.

Nach rechtskräftigem Abschluß des Verwaltungsverfahrens betreffend die Ausdehnung der Asylgewährung wurde die Beschwerdeführerin am 28. und 29. März 1995 vor dem Bundesasylamt zu dem (sie selbst betreffende Fluchtgründe geltend machenden) Asylantrag niederschriftlich einvernommen, wobei sie angab, ihr sei nicht bewußt gewesen, daß bei einem Antrag gemäß § 4 AsylG 1991 eigene Fluchtgründe nicht berücksichtigt würden; sie habe jedoch sehr wohl eigene Gründe für ihre Flucht aus dem Irak. Diese gab sie wie folgt an:

"Im Jahr 1990 erfolgte im Norden des Irak der Aufstand der Kurden und konnten sie für einen Teil die Autonomie erreichen. Das Gebiet wird seither von den Kurden verwaltet. Im Jahr 1991 trat ich der PDK (Demokratische Partei Kurdistan) bei. Mein Vater war ebenfalls Mitglied der Partei seit 1983. Er wurde wegen dieser Mitgliedschaft im Jahr 1983 für 2 Jahre inhaftiert. 1991 trat ich auch der Musikgruppe Barzani bei. Ich habe selbst verschiedene Lieder geschrieben und komponiert. Unter anderem schrieb ich auch das Lied "Der Weg Barazani" und wurde das Lied Ende 1993 vom kurdischen Parlament als Hymne der PDK ausgewählt. Anläßlich der Feiertage zur Gründung des kurdischen Parlaments wurde ich als Komponistin der Hymne geehrt und war dies auch im Fernsehen zu sehen. Dadurch wurde mein Bekanntheitsgrad größer und konnte ich danach mehrmals öffentlich auftreten.

Am 1.5.1994 begannen die Kämpfe der verfeindeten kurdischen Parteien PDK und PUK.

In meiner Heimatstadt Souleymania war die PUK an der Macht. Das Gebiet von Kurdistan besteht aus den Provinzen Souleymania, Arbil und Dohuk. In meiner Heimatstadt hat die PDK mehrere Parteisitze und am 8.5.1994 wurden von Mitgliedern der PUK sämtliche Parteilokale der PDK umstellt und die Mitglieder festgenommen. So wurde auch mein Vater festgenommen und war uns vorerst sein Aufenthaltsort nicht bekannt. Ich befand mich zu diesem Zeitpunkt zuhause. Am gleichen Tag haben Sicherheitskräfte der PUK unser Wohnhaus durchsucht und auch ich wurde festgenommen und zum Gefängnis Zanjari gebracht. Dort wurde ich von Sicherheitsbeamten der PUK verhört, geschlagen und gedemütigt. Es wurde mir ein Video vorgespielt, worauf ich beim Absingen der Hymne der PDK zu sehen war. Die Parteien sind stark verfeindet und genügt allein die Mitgliedschaft, um als Feind angesehen zu werden. Später wurde mir bekannt, daß mein Vater am 8.5.1994 nicht festgenommen wurde, sondern es ist ihm die Flucht gelungen. Durch die Verhöre und Schläge wollten sie seinen Aufenthaltsort von mir erfahren.

Frage: Wurden Sie als einziges Familienmitglied festgenommen?

Antw.: Ich war außer dem Vater das einzige Mitglied der PDK und wurde nur ich festgenommen. Die anderen Familienmitglieder waren auch befragt worden, aber nur zuhause.

Nach 2 Tagen Anhaltung wurde ich freigelassen. Im Zuge der Kämpfe wurde Souleymania von der PUK gänzlich eingenommen. Sämtliche Mitglieder der PDK sind aus meiner Heimatstadt geflüchtet. Am 15.5.1994 konnte ich von einem Bekannten meines Vaters erfahren, daß er sich in Salaheldin aufhält. Diese Stadt liegt zwischen Arbil und Dohuk. Dem Bekannten habe ich mitgeteilt, daß ich mich in Souleymania ebenfalls nicht mehr sicher fühle und ich zu meinem Vater kommen wollte.

Am 20.5.1994 habe ich meine Heimatstadt in Begleitung meines Schwiegervaters und meiner Schwägerin verlassen und konnte ich über Umwegen zu meinem Vater gelangen.

Mein Vater konnte mir aufgrund seiner Bekanntheit und seines großen Einflusses, das Gebiet wird von der PDK beherrscht, ein Visum für die Türkei besorgen.

Vorhalt: Warum sind Sie nicht bei Ihrem Vater in dem von der PDK beherrschten Gebiet geblieben?

Antw.: Mein Vater ist als Parteimitglied ständig auf der Flucht und ist dies für eine Frau kein Leben. Er war der Ansicht, daß ich zu meinem in Österreich lebenden Gatten flüchten sollte. Ich möchte auf keinen Fall in den Irak zurückkehren, mein Gatte lebt hier in Österreich als anerkannter Flüchtling."

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. April 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Asyl abgewiesen. Das Bundesasylamt gab eine verkürzte Fassung der Aussage der Beschwerdeführerin wieder, wobei es insbesondere nachstehende Passagen wegließ:

-

daß das Gebiet im Norden des Irak seit 1990 von den Kurden verwaltet werde;

-

daß der Vater der Beschwerdeführerin seit 1983 Mitglied der PDK und wegen dieser Mitgliedschaft für zwei Jahre inhaftiert gewesen sei;

-

daß das Gebiet von Kurdistan aus den Provinzen Souleymania, Arbil und Dohuk bestehe;

-

daß im Zuge des Angriffes der Mitglieder der PUK am 8. Mai 1994 auf die Parteilokale der PDK deren Mitglieder festgenommen worden seien;

-

daß die Beschwerdeführerin im Gefängnis Zanjari von Sicherheitsbeamten der PUK verhört worden sei;

-

daß die Parteien stark verfeindet seien und allein die Mitgliedschaft genüge, um als Feind angesehen zu werden;

-

daß sie dem Bekannten, der die Beschwerdeführerin über den Aufenthaltsort ihres Vaters nach dessen Flucht informierte, mitgeteilt habe, daß sie sich in Souleymania ebenfalls nicht mehr sicher fühle und sie zu ihrem Vater kommen wolle.

In ihrer fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin zunächst, die vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen ergäben "durch drastische Verkürzungen meiner Aussagen ein völlig verzerrtes Bild"; so sei sie anläßlich ihrer Festnahme nicht nur nach dem Aufenthaltsort ihres Vaters gefragt, sondern auch wegen ihrer eigenen politischen Tätigkeit und Gesinnung verhört, dabei mißhandelt und gedemütigt worden, sodaß sie aufgrund dieser Ereignisse weitere Verfolgungsmaßnahmen fürchten habe müssen. Einer "in hohem Grade wahrscheinlichen weiteren Verhaftung" habe sie sich lediglich durch ihre anschließende Flucht entzogen; wie groß ihre Furcht vor Verfolgung gewesen sei, lasse sich auch daraus erkennen, daß sich sowohl ihre wirtschaftliche als auch ihre "persönliche Situation als Frau" durch ihre Flucht aus Souleymania drastisch verschlechtert habe. Es sei "allseits" bekannt, daß u.a. auch Sippenhaftung als Methode von seiten der Sicherheitskräfte der einzelnen politischen Parteien gegen Oppositionelle eingesetzt werde. Auch wenn die gegen sie gerichteten Verfolgungsmaßnahmen nicht "dem irakischen Staat als solchem" zugerechnet werden könnten, da sie innerhalb der autonomen kurdischen Schutzzone durch die Sicherheitskräfte der PUK gesetzt worden seien, sei es "für das subjektive Empfinden als Opfer politischer Gewalt" völlig irrelevant, "welcher juristischen Definition die Verfolger unterstellt werden, zumal die von den Kurden selbst verwaltete UNO-Schutzzone de facto Charakteristika einer (diktatorischen) Eigenstaatlichkeit aufweist (eigene Gerichte, Gesetzgebung v.a. im Bereich der inneren "Sicherheit", militärische Verbände, usw.)". Außerdem seien die Verfolgungshandlungen durch nichtstaatliche Dritte dem Heimatstaat zuzurechnen, wenn der Heimatstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, den Flüchtling vor dieser Verfolgung zu schützen. Außerdem habe sie vor kurzem erfahren müssen, daß ihr Vater am 27. März 1995 bei dem Versuch, ihre in Souleymania lebende Familie zu besuchen, verhaftet worden und seither spurlos verschwunden sei. Im Irak wäre sie aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen gezwungen, wieder nach Souleymania zurückzukehren und sich damit ihren Verfolgern "erneut auszuliefern". Schließlich wies die Beschwerdeführerin daraufhin, daß es "bekannt sein" dürfte, "daß derzeit türkische Truppen im Nordirak einmarschiert sind und in vorgeblicher Bekämpfung der PKK laut jüngsten Medienberichten auch vor Massakern an der Zivilbevölkerung nicht zurückschrecken".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Mai 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die belangte Behörde übernahm den die Aussage der Beschwerdeführerin betreffenden Teil des erstinstanzlichen Bescheides als "richtig und vollständig wiedergegeben". Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin "behaupte lediglich", sie sei wegen "großer Differenzen" zwischen den kurdischen Parteien PUK und PDK sowie aufgrund ihrer Mitgliedschaft und ihres Bekanntheitsgrades durch die Komposition der Hymne für die PDK von Sicherheitskräften der PUK festgenommen, verhört, geschlagen und gedemütigt worden; man habe den Aufenthaltsort ihres Vaters erfahren wollen, welcher ebenfalls Mitglied der PDK gewesen sei. Diese "Differenzen mit Übergriffen" zwischen verschiedenen kurdischen Parteien seien kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Weiters gingen derartige Übergriffe, "sofern Sie in Ihrem Fall überhaupt stattgefunden haben," nicht "- wie jedoch erforderlich -" vom Staat aus. Auch sei die Beschwerdeführerin bereits nach zwei Tagen wieder freigelassen worden, weshalb dem Eingriff die erforderliche Intensität fehle. Die "Furcht" Äim Original unter Anführungszeichenö vor einer abermaligen Festnahme "oder derartigen Übergriffen" könne nur als "Vermutung bzw. Behauptung" gewertet werden. "Würde es bereits genügen, wenn das Vorliegen von derartigen aus subjektiver Sicht betrachteten asylrelevanten Umständen abstrakt möglich wäre, also nicht mit Sicherheit ausgeschlossen ist, so könnte von Beweiswürdigung im eigentlichen Sinne wohl kaum gesprochen werden." Die "behaupteten Vorfälle gegen Ihren Vater" beträfen nicht die Beschwerdeführerin selbst und könnten daher "nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken". Auch die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ausdehnung der Asylgewährung erst ca. zwei Monate nach ihrer Einreise nach Österreich gestellt habe und in weiterer Folge einen eigenen Asylantrag erst gestellt habe, als ihr Antrag nach § 4 AsylG 1991 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen worden sei, trage nicht zur Glaubhaftmachung der behaupteten Furcht vor Verfolgung bei. Dies lasse vielmehr den Schluß zu, daß die Beschwerdeführerin kein ernstzunehmendes Schutzbedürfnis gehabt habe, sondern daß diese Anträge lediglich zur Regelung ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet dienen sollten. Im Falle einer tatsächlichen Verfolgung hätte die Beschwerdeführerin "wohl sicherlich" unmittelbar nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt, um sich den erwünschten Schutz zu sichern "bzw. ein Schutzbedürfnis zu signalisieren". Den (in der Berufung der Beschwerdeführerin enthaltenen) "Anregungen" zur Ausstellung einer Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 AsylG 1991 und auf Gewährung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 sei nicht nachzukommen gewesen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür nicht vorlägen. Näher sei auf das Berufungsvorbringen "gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991" nicht einzugehen gewesen.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt seine kostenpflichtige Aufhebung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen in der Berufung, sie habe kürzlich erfahren, daß ihr Vater in Souleymania verhaftet worden und seither spurlos verschwunden sei, sowie daß türkische Truppen in den Nordirak einmarschiert seien und Massaker an der Zivilbevölkerung veranstalteten, zu Unrecht nicht auseinandergesetzt. Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg: Auch wenn die belangte Behörde entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, im Berufungsverfahren bestehe kein Neuerungsverbot, gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zu Grunde zu legen hat, durchbricht eine zwischenzeitige Änderung des für das Asylverfahren relevanten Sachverhalts gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 dieses Neuerungsverbot (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0257, und vom 20. März 1997, Zl. 95/20/0371). Da die belangte Behörde in Verkennung des Inhaltes dieser Bestimmung über das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin lediglich mit einem Hinweis auf § 20 Abs. 1 AsylG 1991 hinweggegangen ist und nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderslautenden Bescheid gelangt wäre, ist ihr Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes infolge sekundärer Verfahrensfehler behaftet.

Sinngemäß dasselbe gilt in Ansehung der von der belangten Behörde als solchen qualifizierten "Differenzen" zwischen den kurdischen Parteien PUK und PDK: Die belangte Behörde übersieht - auch infolge der selektiven Wiedergabe der Aussage der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Bescheid, auf den sie verweist -, daß die Beschwerdeführerin bereits bei ihrer Einvernahme im erstinstanzlichen Verfahren angegeben hat, die PUK sei in ihrer Heimatstadt Souleymania "an der Macht" gewesen. In ihrer Berufung hat die Beschwerdeführerin nochmals darauf hingewiesen und zutreffend aufgezeigt, daß Verfolgungshandlungen von nichtstaatlicher Seite auch dann dem betreffenden Heimatstaat zuzurechnen sind, wenn dieser nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, seine Staatsangehörigen auf dem Staatsgebiet vor asylrelevanten Verfolgungen von Dritten zu schützen. Der belangten Behörde kann daher nicht beigepflichtet werden, wenn sie begründungslos, insbesondere ohne Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und ohne Erhebungen über die Machtverhältnisse in ihrem Heimatland, daran festhält, die behaupteten Verfolgungshandlungen gingen nicht vom Staat aus.

Ebensowenig kann der belangten Behörde gefolgt werden, wenn sie im vorliegenden Fall auf Grund der Kürze der Anhaltung eine asylrechtlich relevante Intensität der Verfolgungsmaßnahme verneint; die Beschwerdeführerin hat bereits in ihrer niederschriftlichen Einvernahme im Verfahren erster Instanz darauf hingewiesen, daß sie im Zuge der Aktion der PUK gegen die Mitglieder der PDK am 8. Mai 1994 festgenommen und ihr beim Verhör ein Video vorgespielt worden sei, worauf sie beim Absingen der Hymne der PDK zu sehen gewesen sei; sie hat weiters darauf hingewiesen, daß die Parteien stark verfeindet seien und schon die bloße Mitgliedschaft ausreiche, "um als Feind angesehen zu werden"; sie hat weiters angegeben, sämtliche Mitglieder der PDK seien aus ihrer Heimatstadt geflüchtet und daß auch sie sich nicht mehr sicher gefühlt habe, sodaß sie zehn Tage nach ihrer Freilassung ebenfalls geflüchtet sei. Diesen Zusammenhang zwischen ihrer Flucht und einer von ihr befürchteten, drohenden (weiteren) Verfolgung hat die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren erneut unterstrichen. Da für die Annahme einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung die Glaubhaftmachung einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit genügt und es nicht erforderlich ist, daß die Verfolgungshandlungen bereits (erneut) gesetzt wurden, hätte es einer Auseinandersetzung der belangten Behöre mit diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin bedurft. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Beschwerdeführerin als Komponistin der Partei-Hymne nach ihrem Vorbringen um eine insoweit bekannte Repräsentantin der PDK handelt und über ihre "Parteitätigkeit" sich Videoaufzeichnungen in den Händen der gegnerischen Partei befanden. Aus den Ausführungen der belangten Behörde zur "Beweiswürdigung im eigentlichen Sinne" läßt sich jedenfalls nicht in nachvollziehbarer Weise ableiten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1997, Zl. 95/20/0207), aus welchen Gründen sie davon ausging, die Furcht der Beschwerdeführerin vor weiterer Verfolgung sei nicht "wohlbegründet".

Der Ansicht, der Zeitpunkt der Antragstellung trage nicht zur Glaubhaftmachung der behaupteten Furcht vor Verfolgung bei, ist folgendes entgegenzuhalten: Der Beschwerdeführerin ist im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit geboten worden, Gründe für ihre späte Antragstellung anzugeben. Sie bringt daher in der Beschwerde zulässig vor, sie habe nach ihrer Einreise nach Österreich "psychologisch bereits beruhigenden Schutz" durch ihren Ehegatten empfunden und sei erst nach Monaten psychisch imstande gewesen, ihre Asylangelegenheiten zu regeln. Auch übersieht die belangte Behörde, daß die Beschwerdeführerin bereits eingangs ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt angab, es sei ihr nicht bewußt gewesen, daß eigene Fluchtgründe in einem Verfahren gemäß § 4 AsylG 1991 keine Berücksichtigung fänden; der Beschwerdeführerin kann nicht ihre vorherige Antragstellung gemäß § 4 AsylG 1991 entgegengehalten werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erfolglose Antrag auf Ausdehnung des ihrem Ehegatten gewährten Asyls auf einem Rechtsirrtum der Beschwerdeführerin beruht und sie daher erst in der Folge eigene Fluchtgründe vorbringt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Da die Beschwerde ausdrücklich auch gegen die Verweigerung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 gerichtet ist, der angefochtene Bescheid aber eine diesbezügliche Entscheidung nicht enthält (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0800), mußte die Beschwerde insoweit zurückgewiesen werden.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200679.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten