TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/9 96/20/0622

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Veröffentlicht am 09.10.1997
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Index

41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

WaffG 1986 §17 Abs2;
WaffG 1986 §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des R in Fürstenfeld, vertreten durch Dr. Helwig Keber, Rechtsanwalt in Graz, Marburger Kai 47/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. Juni 1996, Zl. WA 140/2-1996, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 29. Februar 1996, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses für eine Faustfeuerwaffe abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 ab.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer, der u.a. im Besitz einer Gewerbeberechtigung für den Kraftfahrzeughandel sei, sei dem Erfordernis, den Bedarf zum Führen einer Faustfeuerwaffe nachzuweisen, im Verwaltungsverfahren nur dadurch nachgekommen, daß er behauptet habe, er wickle diverse Geschäfte ab und müsse sein Betriebsareal kontrollieren und immer wieder in Tiefgaragen Kraftfahrzeuge, die zum Verkauf angeboten würden, besichtigen, wobei er dann auch öfters Geldbeträge bis zu S 1 Mio bei sich habe. In diesen Fällen würde er sich mit einer Faustfeuerwaffe sicherer fühlen. Der Beschwerdeführer habe mit seinem Vorbringen nach Auffassung der belangten Behörde weder in hinreichender Weise konkret aufgezeigt, inwieweit seine geschäftliche Tätigkeit bzw. der Transport seiner von ihm behaupteten größeren Geldbeträge für ihn bei den gegebenen Sicherheitsverhältnissen eine akute, über das für jedermann bestehende Zufallsrisiko hinausgehende Gefahr bedeuten solle, noch dargetan, daß diese Gefahr eine solche sei, daß ihr am zweckmäßigsten nur durch den Gebrauch einer Faustfeuerwaffe begegnet werden könnte. Er habe nicht überzeugend darzulegen vermocht, daß das von ihm behauptete Risiko "nicht etwa durch die von der erkennenden Behörde ins Treffen geführten Maßnahmen verringert" werden könnte. Angesichts der von der belangten Behörde dargestellten Rechtslage könne auch die Argumentation in der Berufung, der Abschluß eines Geschäftes werde oft "um die Ecke", also außerhalb des Überwachungsblickfeldes der Polizei abgewickelt, die Berufung nicht zum Erfolg führen. Ein Bedarf sei aus näher dargestellten rechtlichen Gründen nicht anzuerkennen, wenn für die Abwendung der Gefahren, denen sich eine Person ausgesetzt glaube, andere Mittel als Waffengewalt zweckmäßig erschienen. Gerade dies treffe aber "für den in Rede stehenden Personenkreis" zu. Wirtschaftstreibende, die mit hohen Geldbeträgen zu disponieren hätten, könnten sich zur Geschäftsabwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bedienen. Auch ein gelegentliches persönliches Inkasso lege nach Ansicht der belangten Behörde keine Bedarfsbegründung im Sinne des § 18 WaffG 1986 dar, da derart eingehobene Bargeldbeträge im Regelfall unverzüglich bei den zahlreich vorhandenen Banken, Sparkassen und deren Zweigstellen eingezahlt bzw. im ländlichen Bereich bei den Postämtern abgegeben werden könnten. Die Tatsache, daß eine Person regelmäßig größere Geldbeträge, wenn auch zur späten Abendstunde transportiere, reiche zwar zur Annahme aus, daß die Person besonderen Gefahren ausgesetzt sei, doch könne bei den in Rede stehenden Durchschnittsfällen, wie auch hier einer vorliege, davon ausgegangen werden, daß das Inkasso hoher Bargeldbeträge bei Geschäftspartnern eben nicht regelmäßig zur späten Abendstunde, sondern im Regelfall vielmehr innerhalb der üblichen Geschäfts- und damit auch während der Öffnungszeiten der Geldinstitute bzw. Postämter erfolge.

Im Anschluß an diese Ausführungen zur Verneinung eines Bedarfes im Sinne des § 18 WaffG 1986 legte die belangte Behörde noch ihre Gründe dafür dar, weshalb dem Beschwerdeführer auch nicht in Ausübung des durch § 17 Abs. 2 Satz 2 WaffG 1986 eingeräumten Ermessens ein Waffenpaß auszustellen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe die von ihm zur Begründung des Bedarfes im Sinne des § 18 WaffG 1986 ins Treffen geführte Gefährdung beim Einkauf von Kraftfahrzeugen unter den von ihm dargestellten Bedingungen nicht richtig beurteilt, ihr Ermessen für den Fall einer Verneinung des Bedarfs unrichtig ausgeübt und die Ermessensentscheidung auch unzureichend begründet.

In seinem - zunächst auch auf andere Gründe gestützten - Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses hatte der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Gefährdung beim Einkauf von Fahrzeugen geltend gemacht, er habe seit mehr als zehn Jahren "die Gewerbeberechtigungen für den KFZ. - also Fahrzeughandel", wobei das ruhend gemeldete Gewerbe "per 12/94 wieder in Betrieb genommen" werden würde, und er müsse "mit Geldern in Wien einkaufen (ganz Österreich)". An anderer Stelle des Antrages führte er dazu aus:

"Vor allem aber der EINKAUF der Fahrzeuge die ausnahmslos in BAR abgewickelt werden (das war schon immer so und wird immer so bleiben - weil außerhalb der Geschäftszeiten und stets mit immer wieder verschiedenen Personen) ("90 % Privatpers."), keine Scheckzlg. u. Deckungsprfg. des Verkäufers erfolgen kann, birgt erhebliche Gefahren vor allem im Großstadt-Bereich Wien in sich.

Als Beispiel führe ich z.B. an daß man telef. von einem Treffpunkt dann z.B. in ein Tiefgaragen oder sonstiges Gebäude geführt wird, ohne zu wissen ob man je wieder herauskommt, geschweige von der "Beraubungsgefahr" u.s.w.

Mit Rücksicht auf meine Familie, 2 Kinder im Endschulalter habe ich diese Tätigkeit so weit als möglich zurückgedrängt (die letzten Jahre) jedoch muß ich das Kfz. Handelsgeschäft wieder verstärkt aufnehmen und zwar infolge Investitionen in Millionenhöhe = Hallen u. Industrieplatzbau."

Bei seiner Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld am 15. Februar 1995 hatte der Beschwerdeführer über Vorhalt eingeräumt, bestimmte andere von ihm geltend gemachte Bedarfsgründe erforderten nicht die Ausstellung eines Waffenpasses, und hinzugefügt:

"Ich erlaube mir aber darauf hinzuweisen, daß das Erfordernis eines Waffenpasses für meine Tätigkeit als KFZ Händler besteht und zwar im besondern für den Einkauf von Kraftfahrzeugen in ganz Österreich, vorwiegend aber in Wien und finden diese Einkäufe vorwiegend am Wochenende statt. Dabei führe ich bis zu einer halben Million Schilling mit. Die Einkäufe laufen in etwa wie folgt ab:

Ich fahre die Gebrauchtwagenmärkte zB SCS in Wien Vösendorf. Entweder finde ich dort ein Fahrzeug, dann ist die Sache ok und bestehen dabei keine Gefahren. Da das Angebot aber beschränkt ist muß ich über Inserate arbeiten das heißt ich gebe selbst keine auf, sondern antworte nur auf solche. Als Treffpunkt kann ich dann aber nicht den Platz eines Gebrauchtwagenmarktes ausmachen, sondern irgendwo in einer Seitenstraße, oder an einem anderen "wilden" Platz. Es passiert dabei auch öfters, daß ich bis abends noch kein Fahrzeug habe, dann auf Inserate hin Telefonnummern anrufe und ich dann irgendwohin in Wien gelotst werde, wo dann der Anbieter in den überwiegenden Fällen mit mir in eine private Großgarage geht, weil er dort sein Fahrzeug abgestellt hat. Dabei kommt es immer wieder vor, daß hinter mir auch die Rolläden herabgelassen werden, damit ja kein Unbefugter in die Garage fahren kann. Ich muß zugeben, daß mir dabei noch immer mulmig gewesen ist und ich auch immer wieder versuche solche Orte zu meiden. Es gelingt aber immer seltener, die Anbieter zu Tankstellen oder zu großen beleuchteten Firmenplätzen zu bestellen, weil auch der Verkäufer vermutlich aus ähnlichen Beweggründen nicht aus seiner gewohnten Umgebung heraus möchte.

Aus diesen Gründen ersuche ich um Ausstellung eines Waffenpasses, zumal ich mich mit einer Waffe sicherer fühlen würde. Auf mein Gegenüber würde ich dann auch diese Sicherheit ausstrahlen und könnte ihn von einer ev. spontanen Tat abhalten.

Ich muß diese Geschäfte auch allein durchführen, weil ich nicht einen Chauffeur an der Abwicklung des Geschäftes teilnehmen lassen kann.

Ich ersuche daher nach Möglichkeit meinem Ansuchen stattzugeben."

In der Berufung fügte der Beschwerdeführer noch hinzu, die Behörde erster Instanz habe

einige am 15.2. gute GRÜNDE mehr oder WENIGER außer Acht u. Berücksichtigung gelassen (z.B. Tragungseffekt = Kleidungsabzeichnung) bzw.e Mitführung im Koffer als Abschreckung u.s.w.), sowie die genaue Ortsbeschreibung d. z.B. Wiener Autoplätze an denen sehr wohl die POLIZEI präsent u. anwesend ist und somit sehr wohl GEFAHRERHÖHUNG vorliegt, wozu sich jedoch der Anwalt entspr. äußern wird und habe ich bei der Aussprache am 15.2. sehr wohl vermerkt daß der "Abschluß" sehr wohl und oft um die ECKE, also außer dem Überwachungsblickfeld der Polizei, abgewickelt wird. Infolge zunehmenden Alters und gesellschaftlichen Stand = VERMÖGEND, zumindest für und in der Gefahrensituation erscheinend ist sehr wohl Ihre Begründung abzulehnen ..."

Diesem von ihr nur in starker Verkürzung wiedergegebenen Vorbringen des Beschwerdeführers begegnet die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit Ausführungen, die insoweit, als sie sich nicht - wie die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - in bloßen Rechtsbehauptungen darüber erschöpfen, daß eine konkrete Gefahr nicht hinreichend dargetan worden sei, nicht auf die geltend gemachten Gefahren beim Einkauf von Fahrzeugen eingehen, sondern nur die Vermeidbarkeit von Gefahren im Zusammenhang mit dem "Inkasso hoher Bargeldbeträge" und damit - fallbezogen - die vom Beschwerdeführer nicht in den Vordergrund gestellten Gefahren beim Verkauf von Fahrzeugen betreffen. Eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des Beschwerdeführers, als Einkäufer von Fahrzeugen werde er von ihm unbekannten Inserenten oft abends mit großen Bargeldbeträgen zu "wilden" Plätzen gelotst, wo ihm "mulmig" werde, wobei er den Zeitpunkt und Ort dieser Treffen nur sehr begrenzt beeinflussen könne, enthält der Bescheid der belangten Behörde nicht. Dem Bescheid ist auch nicht entnehmbar, welche Tatsachen die belangte Behörde ihrer Entscheidung in dieser Hinsicht zugrunde legte. Darüber, ob und seit wann der Beschwerdeführer das ruhend gemeldete Gewerbe wieder ausübe und wie oft er dabei Bargeldbeträge welcher Größenordnungen unter den von ihm behaupteten zeitlichen und örtlichen Bedingungen nachweislich mitführen müsse, wurden weder Ermittlungen angestellt noch Feststellungen getroffen.

In rechtlicher Hinsicht könnte der behaupteten Gefährdung bei Einkaufsfahrten die Eignung zur Begründung eines Bedarfes im Sinne des im vorliegenden Fall noch anzuwendenden § 18 WaffG 1986 nicht von vornherein abgesprochen werden, wozu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zum inhaltlich gleichen § 18 WaffG 1967 ergangene Erkenntnis vom 27. Mai 1975, Zl. 126/75, zu verweisen ist. Die praktisch ausnahmslose Verneinung des auf die Gefahren geschäftlicher Tätigkeiten gestützten Bedarfes - jeweils fallbezogen und vorwiegend Inkassi bei Verkäufen betreffend - in anderen Erkenntnissen (vgl. dazu die Nachweise bei Gaisbauer, ÖJZ 1987, 518 (524 bei Fußnote 43), und aus neuerer Zeit etwa die Erkenntnisse vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0405, vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/0571, vom 31. Mai 1995, Zl. 92/01/1022, und vom 5. Juni 1996, Zl. 96/20/0311) steht dem ebensowenig entgegen wie der Umstand, daß manches an den zahlreichen Eingaben des Beschwerdeführers in den vorgelegten Verwaltungsakten für den Fall einer Bejahung seines Bedarfes unter dem Gesichtspunkt der waffenrechtlichen Verläßlichkeit auf das Erfordernis einer näheren Befassung mit seiner Persönlichkeit hinzudeuten scheint. Der im Fehlen jeder Auseinandersetzung mit den behaupteten Tatsachen und dem Unterbleiben einer Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes, im besonderen auch des Aufzeigens allfälliger Alternativen zur Vermeidung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten, nicht das Inkasso von Bargeldbeträgen betreffenden Gefahren gelegene Verstoß gegen Verfahrensvorschriften ist somit wesentlich, weil es beim derzeitigen Verfahrensstand zumindest nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher - ohne daß es eines Eingehens auf die im Falle einer Verneinung des Bedarfes zu treffende Ermessensentscheidung und das Erfordernis ihrer Begründung bedurft hätte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand und der Stempelgebühren für die mehrfache Vorlage der Beilagen gerichtete Begehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996200622.X00

Im RIS seit

25.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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