TE Vfgh Erkenntnis 2020/10/6 E2795/2019

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Veröffentlicht am 06.10.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen – im Iran aufgewachsenen – Staatsangehörigen von Afghanistan; keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative mangels Vorliegens eines Unterstützungsnetzwerks und Berufserfahrung zur Sicherung der Selbsterhaltungsfähigkeit

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist, und gegen die Festsetzung einer Frist von zwei Wochen zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, geboren 1999 in der Provinz Ghazni, Afghanistan, ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischen Glaubens. Er reiste im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie in den Iran, nach Shiraz, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Mit 16 Jahren reiste der Beschwerdeführer sodann ins Bundesgebiet ein und stellte am 19. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz mit der Begründung, er sei Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, schiitischen Glaubens und habe Afghanistan mit seiner Familie verlassen, weil seine Großeltern gegen die Heirat seiner Eltern gewesen seien. Circa zwei Monate vor seiner Ausreise aus dem Iran habe sodann der Ex-Verlobte seiner Mutter die Familie mit dem Tod bedroht. Davor hätten vier Männer versucht, den Beschwerdeführer zu entführen.

2. Mit Bescheid vom 27. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung zulässig ist, und setzte eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise.

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 28. Juni 2019 als unbegründet ab. Im Wesentlichen schließt das Bundesverwaltungsgericht zunächst eine asylrelevante Verfolgung mangels glaubhaften Fluchtvorbringens aus.

Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erachtet das Bundesverwaltungsgericht für nicht gegeben. Es begründet die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen dahingehend, eine Rückkehr in seine Herkunftsregion, in die Provinz Ghazni, könne dem Beschwerdeführer zwar auf Grund der schlechten Sicherheitslage nicht zugemutet werden, es stehe ihm aber eine innerstaatliche Fluchtalternative in die Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung. Zu den persönlichen Umständen führt das Bundesverwaltungsgericht aus:

"Wie festgestellt wurde, ist der BF gesund sowie im erwerbsfähigen Alter. Zudem spricht der BF eine Landessprache (Dari) auf muttersprachlichem Niveau. Der BF hat vier Jahre lang die Schule im Iran besucht und verfügt über Berufserfahrung als Schneider. Der BF hat sein gesamtes Leben mit seiner in Afghanistan sozialisierten Familie (Eltern, Schwester) verbracht. Besondere Hinweise auf eine fehlende Vertrautheit mit den Umständen und Gebräuchen in Afghanistan kamen im Verfahren nicht hervor. Der BF ist mit den sozialen Normen und Gepflogenheiten des Landes ausreichend vertraut."

Unter der Überschrift "Besteht Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk?" verweist das Bundesverwaltungsgericht auf den regelmäßigen Kontakt des Beschwerdeführers zu seiner im Iran lebenden Mutter und Schwester und geht davon aus, dass diese ihn "anfangs – zumindest nach Kräften – finanziell unterstützen würden, allerdings ist mit Rücksicht auf ihre Vermögenssituation nicht sicher, ob ihnen eine solche Unterstützung auch tatsächlich gelingt. Zu seinen Tanten und Onkel[n] väterlicherseits sowie mütterlicherseits hat er derzeit keinen Kontakt[.] Selbst wenn man davon ausgeht, dass der BF in Afghanistan keine finanzielle Unterstützung durch seine Familie im Iran erhalten würde und auch sonst kein Netzwerk hat, ist der BF ein alleinstehender, leistungsfähiger junger Mann. Den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 ist zudem zu entnehmen, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter sich auch ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten in zumutbarer Weise ansiedeln können, wenn eine notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung gegeben ist und das Gebiet unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen […]. Dies ist derzeit in Mazar-e Sharif gegeben, da Mazar-e Sharif unter Kontrolle des Staates steht."

4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

II. Erwägungen

A. Die – zulässige – Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, den Ausspruch, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist, und die Festsetzung einer Frist von zwei Wochen zur freiwilligen Ausreise richtet, begründet.

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtspre-chung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg. cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten unterlaufen:

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht verweist im Rahmen seiner Feststellungen zunächst allgemein auf das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019", auf die "UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018" und auch auf die "EASO, Country Guidance Afghanistan Juni 2018", ferner auf den EASO Bericht "Afghanistan Netzwerke, Jänner 2018" sowie auf eine "Anfragebeantwortung ACCORD zu Afghanistan: Situation für Afghaninnen (insb. Hazara), die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben".

2.2. Aus der EASO-Country Guidance vom Juni 2018, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht bezieht (die mittlerweile aktuellere Fassung vom Juni 2019 enthält keine hier relevanten Neuerungen), geht hervor, dass für jene Gruppe von Rückkehrern nach Afghanistan, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, eine innerstaatliche Fluchtalternative dann nicht in Betracht komme, wenn am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Unterstützungsnetzwerk für die konkrete Person vorhanden sei, das sie bei der Befriedigung grundlegender existenzieller Bedürfnisse unterstützen könne, und dass es einer Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung der folgenden Kriterien bedürfe: Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person bzw Verbindungen zu Afghanistan sowie sozialer und wirtschaftlicher Hintergrund, insbesondere Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans (vgl VfGH 12.12.2019, E3369/2019).

Derartigen Länderberichten, wie insbesondere auch den Richtlinien des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR), ist bei der Beurteilung der Situation im Rückkehrstaat bei der Prüfung, ob dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, besondere Beachtung zu schenken (vgl VfGH 12.12.2019, E3369/2019; 12.12.2019, E2692/2019; 4.3.2020, E4399/2019, jeweils mwN; vgl auch VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533; 17.12.2019, Ra 2019/18/0278 ua). Das bedeutet insbesondere, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit den aus diesen Länderberichten hervorgehenden Problemstellungen im Hinblick auf eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan, und zwar in Bezug auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers, auseinanderzusetzen hat.

2.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, jungen Mann im erwerbsfähigen Alter handle, der die Landessprache (Dari) auf muttersprachlichem Niveau spreche und eine vierjährige Schulausbildung im Iran erhalten habe. Der Beschwerdeführer sei weiters auf Grund der Sozialisierung in einer afghanischen Familie mit den kulturellen und sozialen Gegebenheiten des Landes vertraut.

Das Bundesverwaltungsgericht verweist sodann bloß darauf, dass der Beschwerdeführer "über Berufserfahrung als Schneider" verfüge. Es unterlässt es aber, insbesondere auch angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer diese Erfahrung wesentlich im Kindesalter erworben haben muss, zu prüfen, inwieweit der Beschwerdeführer damit über eine solche Berufserfahrung verfügt, die begründet vermuten lässt, dass er sich in seiner konkreten Rückkehrsituation selbst erhalten kann.

Als berücksichtigungswürdige Umstände, auf Grund derer es nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes – mit Blick auf die dargestellte Berichtslage – dem Beschwerdeführer dennoch möglich sei, nach Afghanistan zurückzukehren, nennt das Bundesverwaltungsgericht sodann noch seine Sozialisierung in einer afghanischen Familie (im Iran) und die Tatsache, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen jungen, arbeitsfähigen Mann mit einer gewissen Schulausbildung handle, der der Landessprache mächtig sei.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht auf dieser Basis den Schluss zieht, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif in zumutbarer Weise zur Verfügung stehe und daran die Herausforderungen bei einer Rückkehr von Menschen, die nie in Afghanistan gelebt haben, insbesondere im Zusammenhang mit fehlenden sozialen Netzwerken, nichts ändern würden, nimmt es eine so qualifiziert fehlerhafte Beurteilung des dargestellten Sachverhaltes, insbesondere der EASO-Country Guidance vom Juni 2018 vor, dass der Fehler in die Verfassungssphäre reicht:

Nach der maßgeblichen Berichtslage müssen nämlich zu den vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Umständen (wie sie für alleinstehende, gesunde Männer im erwerbsfähigen Alter, die in Afghanistan aufgewachsen sind oder längere Zeit dort gelebt haben, eine innerstaatliche Fluchtalternative unter anderem in Mazar-e Sharif zumutbar erscheinen lassen) für Rückkehrer wie den Beschwerdeführer, der seit dem frühen Kindesalter außerhalb Afghanistans gelebt hat, qualifizierte Umstände, insbesondere im Hinblick auf Unterstützungsnetzwerk, Ortskenntnis der betroffenen Person sowie Bildungs- und Berufserfahrung einschließlich Selbsterhaltungsfähigkeit außerhalb Afghanistans, hinzutreten, um von einer im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK zumutbaren Rückkehrsituation ausgehen zu können (siehe nur VfGH 12.12.2019, E3369/2019; 12.12.2019, E2692/2019; 4.3.2020, E4399/2019; weiters etwa VfGH 26.2.2020, E188/2020; 9.6.2020, E3835/2019; 14.7.2020, E4666/2019; vgl in diesem Sinn etwa auch VwGH 28.8.2019, Ra 2018/14/0308; 17.12.2019, Ra 2019/18/0405 sowie VwGH 28.1.2020, Ra 2019/18/0204). Rückkehrer, die nie, nur im Kleinkindalter oder nur sehr kurze Zeit in Afghanistan gelebt haben, stehen nämlich gegenüber solchen, die in Afghanistan aufgewachsen sind, bei der Sicherung ihrer grundlegenden existenziellen Bedürfnisse vor besonderen Herausforderungen, mit denen sich die Behörde und das Bundesverwaltungsgericht auseinanderzusetzen haben (der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher auch angesichts anderer Einzelfallentscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes – siehe etwa VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243; 12.3.2020, Ra 2019/01/0347 – nicht dazu veranlasst, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen).

Solche Umstände liegen im Hinblick auf den Beschwerdeführer, der weder über ein Unterstützungsnetzwerk in Afghanistan noch über eine besondere Ausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung verfügt, die seine Selbsterhaltungsfähigkeit nahelegen, aber nach den Feststellungen und Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht geht vielmehr von einem Personenprofil des Beschwerdeführers aus, das sich auf alleinstehende, gesunde Männer im erwerbsfähigen Alter bezieht, die in Afghanistan aufgewachsen sind, und lässt dieses auch für die maßgebliche Situation des Beschwerdeführers, der allerdings im Iran aufgewachsen ist, ausreichen. Damit verkennt es aber die spezifische Situation, wie sie sich für den Beschwerdeführer als Rückkehrer nach Afghanistan im Neuansiedlungsgebiet Mazar-e Sharif ergibt, in qualifizierter Weise.

2.4. Indem das Bundesverwaltungsgericht somit die maßgeblichen Anforderungen, die das Personenprofil des Beschwerdeführers nach der Länderberichtslage erfüllen muss, um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in die Stadt Mazar-e Sharif ausgehen zu können, grundsätzlich verkennt, belastet es sein Erkenntnis – soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daran anknüpfend gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, den Ausspruch, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist, und die Festsetzung einer Frist von zwei Wochen zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird – mit Willkür.

B. Die Behandlung der Beschwerde wird im Übrigen, soweit damit die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten angefochten wird, aus folgenden Gründen abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist, und gegen die Festsetzung einer Frist von zwei Wochen zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E2795.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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