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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Afghanistan; qualifizierte Verkennung der Umstände, die eine Rückkehr des gesunden und jungen Mannes zumutbar machenRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) führt im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zunächst - mit Blick auf die dargestellte Berichtslage ("Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 13.11.2019", auf den "EASO-Bericht von Juni 2019" sowie auf die "UNHCR-Richtlinien Afghanistan vom 30.08.2018") grundsätzlich zutreffend - aus, dass nach der EASO-Country Guidance jener Gruppe von Personen, die entweder außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt haben, in der Regel keine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht, wenn sie an diesem Ort kein Unterstützungsnetzwerk vorfinden, geht jedoch davon aus, dass besondere Umstände vorlägen, die eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar machten.
Damit verkennt aber das BVwG die Bedeutung der hier maßgeblichen Kriterien in einer qualifizierten, in die Verfassungssphäre reichenden Weise. Diese Kriterien dienen dazu zu ermitteln, ob in der konkreten Situation des Beschwerdeführers besondere Umstände vorliegen, die es ihm, obwohl er sein bisheriges Leben seit dem frühen Kindesalter außerhalb Afghanistans verbracht hat, zumutbar erscheinen lassen, am Zielort der aufenthaltsbeendenden Maßnahme seine grundlegenden existenziellen Bedürfnisse befriedigen zu können. Solche besonderen Umstände können demzufolge in einem insbesondere familiären Unterstützungsnetzwerk oder in sonstigen besonderen Verbindungen ebenso liegen wie in einer entsprechenden Ausbildung oder Berufserfahrung, die, weil sie auch außerhalb Afghanistans gegeben wäre, auf eine entsprechende Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers schließen lässt. Die Tatsachen alleine, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden, jungen Mann im erwerbsfähigen Alter handelt, der, weil er in einer afghanischen Familie aufgewachsen ist, mit den afghanischen kulturellen Gepflogenheiten vertraut ist, reichen als einschlägiges Personenprofil, im Unterschied zu alleinstehenden, gesunden und erwerbsfähigen Männer, die in Afghanistan aufgewachsen sind, für Personen wie den Beschwerdeführer nicht aus.
Nun verfügt der Beschwerdeführer, wie das BVwG feststellt, über kein einschlägiges Unterstützungsnetzwerk in oder sonstige besondere Verbindungen zu Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat, wie das BVwG ebenso feststellt, auch bloß eine zwei- bis dreijährige rudimentäre Schulbildung und dementsprechend nur eine eingeschränkte Schreib- und Lesekompetenz. Als Berufserfahrung liegen schließlich nur Tätigkeiten als ungelernter Hilfsarbeiter vor (wobei die einschlägigen Tätigkeiten des Beschwerdeführers im Iran wesentlich im Kindesalter erfolgten). Das BVwG unterlässt es diesbezüglich zu prüfen, inwieweit der Beschwerdeführer damit über eine solche Berufserfahrung verfügt, die begründet vermuten lässt, dass er sich in seiner konkreten Rückkehrsituation selbst erhalten kann.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E1887.2020Zuletzt aktualisiert am
04.11.2020