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StVONorm
StVO 1960 §89a Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Baumgartner, Dr. Närr und Dr. Degischer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hailzl, über die Beschwerde des R S in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 3, gegen den Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 10. Februar 1976, Präs. Zl. 427 (MA 70-VIII/St 99/75), betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89 a Abs. 7 StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.188,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. November 1975 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 89 a Abs. 7 der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 der Kostenersatz für das Entfernen von aus seinem, dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug (Pkw) auf die Straße mit öffentlichem Verkehr in Wien 13., Auhofstral3e 4, ausgeflossenem Treibstoff, vorgenommen durch die Feuerwehr der Stadt Wien am 3. Juli 1974 in der Zeit von 13.05 bis 13.59 Uhr, in der Höhe von S 610,-- vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die Bestimmungen des § 89 a Abs. 2 StVO nicht anwendbar seien, da es sich im vorliegenden Fall nach der Überschrift des § 89 a leg. cit. nicht um die „Entfernung eines Hindernisses“ gehandelt habe und das Argument der Behörde, die geringe Menge ausgeflossenen Benzins sei über eine Verunreinigung hinaus zu einem Verkehrshindernis geworden, nach der Aktenlage nicht gedeckt sei. Auch das Vorliegen einer abstrakten Gefahr sei nach § 89 a Abs. 2 leg. cit. nicht als Wesensmerkmal für die Entfernung eines Hindernisses angeführt. Im übrigen sei die Vorschreibung eines Betrages von S 610,-- überhöht, da nicht einzusehen sei, weshalb sofort ein Einsatzfahrzeug mit sechs Mann erforderlich gewesen sein solle.
Mit Bescheid vom 10. Februar 1976 gab der Wiener Stadtsenat der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es habe gemäß § 89 a Abs. 2 StVO, in der Fassung der 4. StVO-Novelle, die Behörde unter anderem die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße (durch Schutt, Baumaterial, Hausrat u.dgl.) der Verkehr beeinträchtigt werde. Gemäß § 89 a Abs. 3 StVO seien im Falle besonderer Dringlichkeit auch die Organe der Straßenaufsicht oder des Straßenerhalters berechtigt, die in Abs. 2 bezeichnete Entfernung von Gegenständen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Das Ausfließen von Treibstoff auf öffentlichen Verkehrsflächen stelle eine zusätzliche Gefahrenquelle (Schleuder-, Explosions- und Brandgefahr) dar und sei an sich geeignet, den Verkehr zu beeinträchtigen und es sei daher die Entfernung des Treibstoffes auf jeden Fall zu veranlassen gewesen. Darum gehe es und nicht - wie der Beschwerdeführer vermeine - etwa darum, daß zur Kostenvorschreibung sein Kraftfahrzeug entfernt hätte werden müssen. Im übrigen ergebe sich aus dem Bericht des Einsatzkommandos der Feuerwehr, daß nicht nur das ausgeflossene Benzin von der Straße habe entfernt werden müssen, sondern es sei darüber hinaus eine Vorkehrung zu treffen gewesen, daß etwa 2 l Benzin vom Kraftstoffbehälter des Fahrzeuges abzulassen gewesen seien, um weiteres Ausfließen zu vermeiden. Zu dem Einwand, daß die Kosten überhöht seien, werde bemerkt, daß sich diese aus dem Faktor der Wegzeiten (Hin- und Rückfahrt) und der Dauer der Tätigkeiten zur Beseitigung des Benzins zusammensetzten. Im übrigen habe der Beschwerdeführer - habe er doch den Tank seines Fahrzeuges zur Sommerzeit voll füllen lassen und zur warmen Jahreszeit mit einer Ausdehnung des Kraftstoffes rechnen müssen - die Kosten durch sein nachlässiges Verhalten selbst bewirkt. Es sei daher weder die Kostenvorschreibung dem Grunde nach zu Unrecht erfolgt noch der Betrag der Kostenvorschreibung als zu hoch bemessen anzusehen, bedenke man die Verwendung eines Einsatzfahrzeuges mit mehreren Mann Besatzung und ca. einer Stunde Einsatzzeit. Die Besatzung sei für die Bedienung der Geräte und des Einsatzfahrzeuges im Einsatzfall notwendig, da doch zunächst der Umfang des Einsatzes nicht immer leicht vorauszusehen sei und sich erst an Ort und Stelle ergebe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Juni 1977, B 121/76-6, abgetretene, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift, mit der die Verwaltungsakten vorgelegt wurden, erwogen:
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 89 a StVO, in der Fassung der 4. Novelle, BGBl. Nr. 21/1974, der die Überschrift „Entfernung von Hindernissen“ trägt. Nach dessen Abs. 2 hat die Behörde ohne weiteres Verfahren die Entfernung des Hindernisses zu veranlassen, wenn “durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug ....., durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt“ wird; nach Abs. 7 erfolgt dies auf Kosten des Inhabers dieses Gegenstandes. Der Beschwerdeführer hält die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle nicht für gegeben. Sie ermächtige die Behörde nur, den Verkehr beeinträchtigende „Gegenstände“ ohne weiteres Verfahren entfernen zu lassen. Da bloß ausgeflossenes Benzin und Benzin aus dem Tank entfernt worden sei, könne es sich nur um eine Reinigungstätigkeit gehandelt haben.
Diese Ausführungen erweisen sich als zutreffend, denn nach § 92 Abs. 1 StVO ist „jede gröbliche oder die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung der Straße durch feste oder flüssige Stoffe, insbesondere durch Schutt, Kehricht, Abfälle und Unrat aller Art, sowie das Ausgießen von Flüssigkeiten bei Gefahr von Glatteisbildung .... verboten“. Personen, die diesem Verbot zuwiderhandeln, können nach Abs. 3, abgesehen von den Straffolgen, „zur Entfernung, Reinigung oder zur Kostentragung für die Entfernung oder Reinigung verhalten werden“. Hält man diese Gesetzesstelle dem Wortlaut des § 89 a Abs. 2 StVO gegenüber, so ist es nicht zweifelhaft, daß die Entfernung von ausgeflossenem Benzin - zweifellos ein flüssiger Stoff, der eine die Sicherheit anderer Straßenbenutzer gefährdende Verunreinigung der Straße darstellt - und die Verhinderung weiteren Ausfließens nicht dem dort verwendeten Begriff der Entfernung von Hindernissen („Gegenständen auf der Straße“) subsumiert werden kann. § 89 a Abs. 2 StVO soll nur den Zugriff auf solche - grobkörperliche - Gegenstände ermöglichen, die (möglicherweise) in fremdem Eigentum stehen. Bloße „Verunreinigungen der Straße“ (Überschrift zu § 92 StVO) fallen demnach unter die Bestimmung des § 92 leg. cit., der in seinem Abs. 3 die Behörde ausdrücklich dazu ermächtigt, die Kosten der Entfernung von Verunreinigungen sowie der Reinigung der Straße jenen Personen aufzuerlegen, die hiefür verantwortlich sind (vgl. das Erkenntnis vom 24. November 1977, Slg. N.F. Nr. 9438/A).
Da die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Vorschreibung von Kosten nicht auf die Bestimmungen des § 92, sondern auf die des § 89 a StVO stützte, verkannte sie die Rechtslage, sodaß der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1976, BGBl. Nr. 316/1976, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542/1977, die auf Grund ihres Art. III Abs. 2 im vorliegenden Fall anzuwenden war.
Wien, am 7. Dezember 1978
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1978:1977001643.X00Im RIS seit
03.11.2020Zuletzt aktualisiert am
03.11.2020